Fresh from Absurdistan N°21 – another Absurdistan…

Es fällt einem erst auf, wie surreal die gegenwärtigen Umstände sind, wenn man sich mal ein Stück aus der eigenen Homezone herausbewegt. Zumindest mir ist in den letzten Wochen natürlich aufgefallen, um wie viel komplizierter und langwieriger manche alltäglichen Verrichtungen geworden sind und wie wenig empathisch die Menschen neuerdings miteinander umgehen. Online natürlich noch viel mehr als im wahren Leben. Aber selbst gemessen an den eh schon beschissenen Umgangsformen auf Facebook ist es in den letzten Wochen nochmal ein ganzes Stück schlechter geworden. Eigentlich gehört der Dreck samt und sonders ohne Entschädigung enteignet und abgeschaltet.

Nun sind wir ein paar Kilometer gefahren. Auch in Deutschland gibt’s ja schöne Fleckchen, die man besuchen kann, wenn man’s in den eigenen vier bis zwanzig Wänden nicht mehr aushält. Das letztgenannte war schon seit Wochen der Fall; das mit dem Besuchen machen wir jetzt – man benennt das mit einem Fremdwort aus Prä-coronesken Zeiten übrigens recht klangvoll als „Urlaub“. Unser Weg führte uns gestern ein Stück den Rhein hinab bis in die Vulkaneifel. Ist hübsch hier und ruhig obendrein. Und unsere Vermieter sind reizende, höchst gastfreundliche Leute, die sich darüber beschwert haben, dass sie im Moment nicht so gastfreundlich sein können, wie sonst. Ich habe ehrlich gesagt nichts vermisst. Aber so unterscheidet sich die Wahrnehmung…

Jedenfalls sitze ich in einem zauberhaften kleinen Garten unter alten Weinreben, Vögel zwitschern, Bienen summen, der Wind rauscht – und sinniere über den Einkauf gestern, in dem kleinen Supermarkt im nächsten Ort, mit Maske, wie überall in Deutschland sinnvollerweise vorgeschrieben. Und erinnere mich: Corona ist im Moment überall und soweit ich auch fahren, fliegen, schwimmen oder sonstwas könnte, ich käme dem Virus nicht davon. Zumindest räumlich nicht. Aber ist das die ganze Wahrheit?

Allüberall schwadronieren sie immer lauter, dass jemand ihnen die Grundrechte genommen hat, faseln von Diktatur und erregen sich immer noch darüber, solidarisch sein zu müssen. Soviel zu der Behauptung, die Pandemie könne etwas zum Guten ändern. Menschen bleiben Menschen; sie können nicht einfach nett zueinander sein, anderen etwas gönnen, einander helfen, wenn das angezeigt wäre und ihre Bedürfnisse hintenan stellen, weil im Moment Anderes wichtiger ist. Sie können es nicht. Sie konnten es nie, und sie werden es auch fürderhin nicht können, weil sie Menschen sind! Soweit bin ich mit der Sache versöhnt. Was nichts daran ändert, dass ich jedem dieser Covidioten auf Fratzenbuch jeden Morgen eine in die Fresse schlagen könnte für ihren Egoismus, ihre Dummheit, ihre Arroganz, ihre Indolenz und ihre Beleidigungen. Aber es gibt so viele von denen, dass ich Angestellte bräuchte, um alle gleich behandeln zu können, also muss ich das wohl lassen…

Was tue ich also nun? Ich mache Urlaub. Nicht etwa in der Eifel, sondern in Indolentien und Ignoranzien, lass die Deppen schwadronieren und mache mein Ding. In aller Ruhe, höflich und mit Maske, sofern nötig. Gott möge mir noch etwas mehr Gelassenheit geben, dann könnte da was draus werden. Ich werde mich NICHT, wie mancher aus meiner Timeline in unnötige Diskussionen um das Für und Wider der Alltagsmaske verstricken lassen und nur die Quellen rezipieren, die meine Meinung bekräftigen. Das systemische Denken geht in Zeiten des Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-Seins, wie etwa jetzt, offenkundig verloren. Es wäre an der Zeit, dieses wieder zu kultivieren. Auch, wenn man sich fragen sollte, ob tatsächlich das Leben oberstes Primat allen politischen Handelns sein sollte, oder doch die Menschenwürde; und wie man Beide unter einen Hut bekommt? Ich wünsche frohe Pfingsten. Möge beim Nachdenken über solche Fragen der Heilige Geist auch über euch kommen…

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Der verwirrte Spielleiter #21 – Struktur, Baby, alles braucht Struktur…

Ach Gottchen, über was alles wir schon gesprochen haben: dass Rollenspiel von den Entscheidungen seiner Spieler und den damit verbundenen, vom SL zugemessenen Schwierigkeiten bestimmt wird. Dass ich demgemäß eine flexible Möglichkeit benötige, das jeweilige Szenario entlang der Bedürfnisse und Ideen der Spieler laufen zu lassen (a.k.a. Nexus-Vortex-Methode). Dass ich manchmal auch Action (also Konflikte, wie z.B. Kämpfe) bringen muss, um eine Situation auflösen zu können. Und dass Pacing, also die Rhythmik des Szenarios einen manchmal vor Probleme stellt. Und in der letzten Folge sprach ich auch über das Showrunning. Doch wenn wir uns all das zusammen anschauen, wird klar, dass ich auch in jedem einzelnen Szenario – oder jeder Sitzung – an Hand einer übergeordneten Struktur arbeiten muss…

Ich höre sie schreien, die „RAILROADING“-Rufer, die jetzt bestimmt denken, Struktur bedeutet zwangsläufig einen Mangel an Flexibilität und damit wirklich freien Spieler-Entscheidungen Doch wenn wir uns die Struktur üblicher Pen’n’Paper-Szenarien ansehen, ist es eigentlich ganz einfach zu verstehen, dass dem nicht so ist:

Situation => Motivation/Ziel => Entscheidung => Spezifische Aktion => Auflösung gemäß Spielmechanik => Resultat => neue Situation!

Die Situation ergibt sich (zu Anfang) aus dem Narrativ des SL. Die Spieler leiten aus dem Narrativ ihre Motivation, bzw das präzise Ziel ab, aus dem sich Handlungsmöglichkeiten ergeben und treffen eine Entscheidung darüber, wie sie vorgehen wollen. Das betrifft sowohl Einzelaktionen wie „Ich greife den dritten Ork von links an“, wie auch kritische Pläne wie „A kappt die Telefonleitung und den Strom, B gibt von gegenüber Deckung, C hält das Fahrzeug bereit, D und E gehen rein und holen die Geisel.“ Der SL trifft – in Abhängigkeit von der Situation und den gültigen Regeln – seinerseits eine Entscheidung über die zu meisternden Schwierigkeiten und gemäß der Spielmechanik wird ermittelt, ob die Aktion(en) Erfolg haben, oder nicht. Dieses Resultat erzeugt eine neue Situation, die nach genau den gleichen erzählerischen Regeln behandelt wird, wie eben beschrieben.

Was sich von Szene zu Szene unterscheidet ist nicht die stets gleiche, zu Grunde liegende Struktur, sondern lediglich die Art der hier erforderlichen Aktionen und die dazugehörige Spielmechanik zur Auflösung der Frage, ob’s klappt, oder eben nicht. [Justin Alexander vertritt in dieser Artikelreihe übrigens die Ansicht, dass der gute alte Dungeon Crawl als Archetypus für jede Art von Struktur herhalten muss. Soll sich jeder seine Meinung zu bilden, ich halte das für zu simplifizierend. Insgesamt ist sein Blog „The Alexandrian“ dennoch sehr lesenswert.] Was sich nun unterscheidet, ist tatsächlich nur die Art der regelmechanischen Auflösung der jeweiligen Szenen: reden wir über Rätsel und Probleme lösen, über Kampf, oder über social events in play? Regelwerke bieten hierfür häufig Mechaniken an, die sich zum Teil erheblich unterscheiden. Manche lassen aber auch einfach immer den gleichen Würfel mit unterschiedlichen Modifikatoren werfen und moderieren die notwendigen Erfolgszahlen, um das notwendige Maß an Spannung hinsichtlich Erfolg/Misserfolg zu schaffen. Ist aber auch egal; Hauptsache, am Ende steht eine Auflösung der Szene/Aktion.

In jedem Fall bedeutet es, dass ich eine Struktur-Mechanik habe, die es mir eindeutig erleichtert, meine Sitzungen zu planen und durchzuführen. Indem ich meinen Spielern so – durch die Hintertür – Aufgaben zu geben versuche, indem ich ihre Aufmerksamkeit fokussiere, schaffe ich quasi Handlungsdruck für meine Spieler und stupse sie in eine gewisse Richtung. Man darf mich bitte nicht falsch verstehen: die Effekte meiner Beschreibungen sind keinesfalls vorhersagbar. Manchmal könnte ich auch einen Plot-Bus vorbeifahren lassen und es käme das Gleiche dabei raus; nämlich nix. Und manchmal werfen sie sich auf Details, die ich nie auf dem Plan gehabt hatte. Spielt man ein wenig Open World, muss man allerdings auch damit rechnen, dass die Spieler manchmal „lost in translation“ sind…

Die obige Beschreibung soll meine Nexus-Vortex-Methode noch einmal etwas präziser darstellen. Mir ist bewusst, dass ich, vermutlich auf Grund meiner Erfahrung viele Dinge intuitiv abhandele, mit denen ein unerfahrener SL wahrscheinlich seine liebe Müh und Not hätte. Doch wenn ich mir einmal die Mühe mache, die Ziele und Motivationen der NSCs zu durchdenken und danach mit denen der Spieler und ihrer Charaktere zu vergleichen, weiß ich, welche Entscheidungsmöglichkeiten ich anbieten muss, um das Spiel im Fluss zu halten. Allerdings ist es manchmal schwierig die lang-, mittel- und kurzfristigen Ziele der Spieler und ihrer Charaktere herauszubekommen. Denn manchmal nutzt diesbezüglich fragen wenig, wenn man nur ein „Och, schauen wir mal“ zu hören bekommt; dafür dann aber lange Gesichter, wenn irgendwelche Pläne voll in die Binsen gehen, oder Ziele nicht erreicht werden können.

Wenn man allerdings gar nicht fragt, sondern einfach sein Ding durchzieht (was ich gelegentlich auch mal tue, besonders, wenn ich einfach kein Feedback bekomme und welches provozieren möchte…), darf man sich halt nicht wundern, wenn hinterher alle gefrustet sind. Ist mir neulich passiert, weil ich a) wirklich nicht wusste, wohin die Spieler und ihre Chars jetzt wollten und b) die Spieler nicht miteinander gesprochen haben. Passiert. Muss man mit leben. Und ändert nichts daran, dass ich zumeist versuche, oben beschriebene Methode zu nutzen. Ich würde mich aber sehr dafür interessieren, ob jemand anders mir mal sein Strukturmodell und seine Methoden erläutern möchte. Ich würde mich sehr freuen und wünsche allen bis dahin – always game on!

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Erwachsen bilden #16 – Technik ist Trumpf?

Ich gebe es an dieser Stelle immer mal wieder ganz gerne zu – ich bin ein technikaffiner Mensch, ich spiele gerne mit (neuen) Gimmicks und versuche dabei meist selbstständig herauszufinden, wie etwas funktioniert – früher bedeutete das: ich (in der Hinsicht typisch männlich) nahm die Bedienungsanleitung erst zur Hand, wenn es gar nicht anders ging. Nun werden mit zunehmendem Alter die Gimmicks teurer und komplexer. Überdies hat meine jugendliche Sturheit mutmaßlich mindestens ein Gerät getötet. Also bin ich heute um einiges vorsichtiger und lese Manuale. Ich bin dabei immer noch ungeduldig, aber auch das wird sich irgendwann im nächsten Jahrzehnt noch geben … hoffe ich …

Man ist im Unterrichtsalltag ja dazu aufgerufen, einen gewissen Methodenpluralismus zu beüben. Will heißen 24 Powerpoint-Folien/Sekunde = Film sollte eigentlich – vor allem in der offiziell Lernfeld-zentrierten Berufsausbildung – nicht mehr vorkommen. Insbesondere deswegen, weil visuell aufbereitete Informationen in einer prozessualen Struktur wie unserem Gesundheitswesen – genau wie Medikamente – eine Halbwertszeit haben. Was bedeutet, dass man Foliensätze irgendwann auch mal bearbeiten, bzw. korrigieren muss. Das wird offensichtlich allenthalben gerne mal vergessen.

Nun ist es so, dass die zwei vorgenannten Mechanismen in ihrer Dualität tödlich für den Unterrichts-Erfolg wirken können; und das auf verschiedene Arten:

  • Materialien, deren Informationsgehalt überaltert, führen zu nur teilweise korrekten oder sogar vollkommen falschen Lehr-Aussagen der Dozenten => jeder Dozent ist dazu verpflichtet, sein Fachwissen regelmäßig zu überprüfen und evtl. durch die Evidenz überholte Aussagen zu korrigieren.
  • Dem Dozenten mangelt es an Zeit, die vorgenannte Aufgabe angehen zu können, weil dafür keine Deputate vorgesehen sind => strukturelles Problem, dass sich leider – auch wenn Chefs das gar nicht so gerne hören im Sinne einer besseren Lehre nur mit Geld bewerfen lässt; also mit mehr Deputaten und damit mehr Personal…
  • Methodenpluralismus unterbleibt auf Grund mangelnder Medienkompetenz der Dozenten => diese muss aufgebaut, bei Bedarf angepasst und erhalten werden; womit wir wieder bei der Personal-Problematik wären. Aber gute Lehre kostet halt Geld!
  • Methodenpluralismus geschieht, doch Medien werden eingesetzt, weil es „cool“ ist, diese Medien einzusetzen => Medium und Content lassen sich nicht auf beliebige Art voneinander trennen und re-kombinieren. Manchmal verlangt die Struktur einer Information nach einem bestimmten Transportmittel, manchmal nicht. Hier sinnvolle Entscheidungen treffen zu können, ist aber trainierbar.
  • Das eben Gesagte gilt genau gleich auch für technische Gimmicks, die im Unterricht zu Einsatz kommen (sollen). Man muss immer hinterfragen, aus welchem Motiv heraus ich eine Technik einsetze. Wenn’s nur darum geht, dass die Technik geil ist – LASST ES!

Auch mich juckt es immer wieder in den Fingern, wenn ich was Neues vor die Flinte kriege. Von Hochglanz-Prospekten mit vollmundigen Werbeversprechen („… das wirkt Wunder für Ihren Workflow!“) sollte man sich eigentlich schon lange nicht mehr beeindrucken lassen; und doch, und doch… Ich habe da meine persönliche „Rule of Cool“. Wenn mich etwas flasht, klicke ich es weg und schaue es mir am nächsten Tag genauer an. Wenn mich irgendwas daran immer noch flasht – ihr ahnt es schon – lege ich es weg und schaue es ein paar Tage später noch mal an. Dann beginne ich zu recherchieren: Nutzer-Erfahrungen (aber bitte nicht von der Anbieter-Webseite), bei Technik Reviews in Fachzeitschriften und schließlich die Überlegung, wie ich es einsetzen würde. Und ganz ehrlich – wenn mir nicht relativ spontan einfällt, was ich damit machen würde, verwerfe ich die Idee. Nicht jedoch meine Notizen, denn vielleicht gibt es ja zu einem späteren Zeitpunkt einen durchaus sinnvollen Verwendungszweck.

Auf diese Art spart man Geld und Nerven – und seinen Schülern die eine oder andere halbgare Unterrichtserfahrung, von der ich zuerst geträumt hätte, dass sie einfach bombastisch sein würde 😉 . Es gibt zweifellos Tools, die heute aus einem halbwegs sinnvollen Berufsschul-Unterricht in meinem Fachbereich einfach nicht mehr wegzudenken sind: eine Schul-Cloud, Beamer, Mikros, Kameras und AV-gestütztes Debriefing, Anbindung der mobilen Endgeräte der Schüler, usw.. Doch bei allem Fortschritt dürfen wir bitte nicht glauben, dass die Technik nun unsere Arbeit als Pädagogen erledigen würde.

Die wird durch Gimmicks vielfältiger und möglicherweise auch ein bisschen leichter. Aber den Unterricht vorzubereiten, um dadurch die richtigen Fragen parat zu haben – diese Aufgabe wird uns auch in Zukunft niemand abnehmen. Mäeutik ist auch heute noch eine Kunst, welch der Pädagoge ohne Mühe beherrschen sollte. Womit wir wieder bei den Skills des Pädagogen angelangt wären: diese zu entwickeln und auch nach einem Uni-Abschluss zu fördern ist nicht nur sinnvoll, sondern höchst notwendig, wenn aus dem Flickenteppich rettungsdienstlichen Ausbildungsalltages irgendwann ein homogenes Konstrukt werden soll. Ich will das. Und ihr so…?

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Fresh from Absurdistan N°20 – Breaking Point!

Es gibt diese Momente im Leben eines und einer jeden, die man am liebsten ungeschehen machen, oder wenigstens aus dem Gedächtnis streichen möchte. Nun ist es so, dass wir uns an genau diese Momente natürlich stets am Besten erinnern, da sie uns – quasi als Fehlerfilter – daran gemahnen sollen, was man besser bleiben lässt. Funktioniert voll gut – NICHT! Wer mich näher kennt weiß, dass unter der zumeist gediegen-lustig daher kommenden Benutzeroberfläche Dämonen lauern, die uncharmant, unbeherrscht, laut und niederträchtig sind und manchmal zum Spielen nach draußen MÜSSEN…

Wie das Leben so spielt, gelingt es jenen Menschen, die uns am nächsten stehen, auch am leichtesten, solche Dämonen aus ihren Käfigen der Zivilisiertheit zu lassen. Zum Beispiel meine Kinder. Im Moment kann ich sie gerade mal wieder überhaupt nicht leiden, weil sie sich aufführen, als wenn Mama und Papa ein Selbstbedienungsladen wären, dessen Einrichtung man auch noch nach Belieben misshandeln kann. Ist ja nicht so, dass Eltern im Moment durch den Spagat zwischen Job und Homeschooling nicht sowieso schon extrem belastet wären. Und wenn die „lieben Kleinen“ dann noch ’ne Extraschippe obendrauf legen. Was soll ich sagen – heute ist dicke Luft und ich bin fast froh, dass ich später mal wieder im Einsatzdienst aushelfen muss.

Corona nötigt uns einfach zu viel Nähe auf und lässt zu wenig Platz für Distanz. Ist so ein Allgemeinplatz, der einfach noch mal gesagt werden musste. Aber da ist noch etwas, dass einfach mal gesagt werden muss, und zwar all den Kinderlosen da draußen, welche die unsägliche Frechheit besitzen, mir und meinesgleichen zu sagen, dass wir nicht so rum heulen sollen, wir hätten ja keine Kinder kriegen brauchen… HALTET… [Hier stand zuvor etwas sehr Unflätiges, dass ich durch folgenden frommen Wunsch an die vorgenannten Individuen ersetzen möchte: Mögen 1000 hungrige Termiten auf eurem mit Honig beschmierten Popo Samba tanzen, während eure Arme von zeitweiliger Parese befallen sind…] Wer zahlt in Zukunft eure Rente? Wer pflegt euch im Altersheim? Wer serviert euch das Essen, füllt eure Supermarktregale auf, erzeugt euren Strom, löscht eure Feuer und rettet eure Angehörigen vor dem Infarkt? Ich könnte hier noch beliebig viele andere Berufe einpflegen und ihnen allen ist eines gemein: ohne Nachwuchs gibt’s keine Dienstleistung und keine Produktion.

Jedes Mal wieder, wenn irgendwelche neuen Widrigkeiten auftauchen, die euch Sozial-Amateuren die Bequemlichkeit versauen, oder euch (subjektiv) irgendwas wegnehmen wollen, haut ihr auf die „Gefühlte-Ungerechtigkeits-Kacke“; und damit auf die Eltern. Und benehmt euch damit kein Jota besser, als meine 7- und 11-jährigen Töchter! Was ist nur in euch gefahren, dass ihr – genau wie die zwei – eurem Gegenüber die Wurst auf dem Brot nicht gönnt? Hattet ihr als Kinder zuwenig Liebe? Ist auch egal. Denn ich bin am Breaking Point! Ich kann und ich will nicht mehr:

Ich will mir nicht mehr das Gejammer anhören müssen, wie schlecht es irgendjemand geht! Ich will nicht mehr irgendwelche verschwubelte Verschwörungskacke in meiner Timeline sehen müssen! Ich will nichts mehr über Diktatur durch die Hintertür hören, wenn keiner von euch auch nur den leisesten Schimmer hat, wie sich Leben in einer Diktatur anfühlt – zieht nach Nord-Korea! Ich will kein Genöle über den Sommerurlaub, der wegen der Pandemie vielleicht storniert werden muss! Ich will nicht blöd angeschaut werden, wenn ich Menschoiden darauf hinweise, dass ein Mund-Nasen-Schutz auch Mund und Nase bedecken sollte, weil man den ansonsten auch genauso gut als Flatulenz-Filter tragen könnte! Und – Ich will keine Milliarde an die Lufthansa verschwendet sehen!

Ich will mehr Freundlichkeit! Ich will mehr Solidarität! Ich will mehr Vernunft! Ich will mehr Verständnis für die Sorgen der existenziell bedrohten Menschen! Ich will, dass meine Kinder begreifen, dass all das auch für mich extrem belastend ist! Ich will einfach mehr gesellschaftlichen und privaten Frieden – und habe einfach keinerlei Energie mehr übrig, mit jenen idiotischen, asozialen, egoistischen Menschoiden zu streiten, die solche Wünsche nicht verstehen können! Fahrt zur Hölle – aber bitte mit Ökostrom! Schönen Tag noch…

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Fresh from Absurdistan N°19 – Vatertag

Traditionen können etwas Wunderbares sein, wenn’s dabei nicht gerade um spitz zulaufende weiße Kappen und brennende Kreuze geht; oder ähnlichen Tand, welcher die Zugehörigkeit zu einer der vielen anderen dummen Rassisten-Organisationen bezeugen soll. Tradition per se bedeutet erst mal nur eine überlieferte Kulturpraxis, an der schon meine Vorväter (und -mütter) Freude hatten. Nun haben Menschen allerdings diese dumme Angewohnheit, Dinge zu (ihrer) Tradition zu erklären, wenn es ihrem verqueren, von Dogmen zugekleisterten Weltbild in irgendeiner Weise dienlich ist. Ein gutes Beispiel sind die Pegidioten, denen entgangen ist, dass Deutschland schon immer ein Ein- und Durchwanderungs-Land war; nur dass es früher keinen Armleuchter gab, der die Losung Nationalstaat ausgegeben hatte. Als wenn Bayern und Bremer tatsächlich so viel gemeinsam hätten… Nun ja.

Jedenfalls gibt es in unseren Breiten eine Menge Brauchtum, dass mit Hingabe gepflegt wird – z. B. der Vatertag. Wie viel sorgfältige Vorbereitung es doch braucht, um für den Spaziergang durch den Wald eine ausreichende Versorgung mit gekühltem Alkohol und eine ansprechende Menüplanung zusammenzustellen und umzusetzen. Schade nur, dass man sich für den Heimweg so oft auf den Rettungsdienst verlässt. Bei mir hätten die eine Falttrage dabei und müssten jene, die sich (mal wieder) vollkommen abgeschossen haben, selbst nach Hause schleifen – Verursacherprinzip und so…

Jedes Jahr an Christi Himmelfahrt nehmen sich gute deutsche Männer – ob’s denn alles Väter sind, will an dieser Stelle gar nicht geprüft sein – also ein Herz und gehen Saufwandern. So weit so schlecht. Was machen die Mädels derweilen? Das Essen? Die Kinder hüten? Eine Mädels-Saufwanderung? Ich stolperte gestern Abend über einen Essay auf Zeit online, in dem eine junge Autorin beklagte, sich unvermittelt durch den Corona-Lockdown in einer traditionellen Rollenteilung wiederzufinden – Frau steht am Herd und Mann tut, was Mann halt so tut… Es entspann sich ein Gespräch mit der besten Ehefrau von allen, nachdem ich ihr den Artikel vorgelesen hatte. Und ich denke immer noch darüber nach.

Wir waren uns einig, dass man einerseits dahin kommen muss, dass Frauen und Männer mit ihrem Leben anfangen können müssen, wonach auch immer ihnen der Sinn steht. Das ist heute noch lange nicht gegeben; gläserne Decken gibt es überall in der Gesellschaft. Allerdings übersieht die Autorin etwas Entscheidendes, wenn sie sich fast schämt, dass ihr Backen Spaß macht: es war, wie sie freimütig zugibt, ihre eigene Entscheidung, die sogar zu einem Lustgewinn geführt hat; warum problematisiert sie ihren eigenen Willen, etwas zu tun, dass einem tradierten Rollenmuster ähnelt? Etwa nur, gerade weil es einem tradierten Rollenmuster ähnelt und damit ihr Bekenntnis zum Feminismus in Frage stellt und sie sich darüber schämt? Oder weil es die Wirkmacht von Sozialisation offenbart, obwohl sie doch im Bewusstsein für den Feminismus erzogen wurde?

Zweifellos sind tradierte Rollenbilder in den Köpfen der Männer genauso stark, wie in denen der Frauen; was oft gruselige Auswirkungen hat, wie Joko und Klaas mit ihrer Produktion „Männerwelten“ beeindrucken dargelegt haben. Und eben so zweifellos gibt es immer noch mehr als genug Männer, die sich weder in ausreichendem Umfang an der Care-Work beteiligen, noch ihren besseren 75% mit dem Respekt begegnen, den sie verdient haben. Doch ich möchte an dieser Stelle eine Lanze brechen für jene Männer, die eben genau das tun und deren Beitrag zur Emanzipierung der Frau immer totgeschwiegen wird. Und ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es – allen Gender-Studies über die soziale Strukturierung von Geschlecht zum Trotze, die den Einfluss der Sozialisation auf Geschlechts-Rollenbilder aufgedeckt haben – biologische Unterschiede gibt, die sich bei weitem nicht auf die Reproduktionsorgane beschränken.

Insbesondere die neurophysiologischen Unterschiede können hier als Erklärung dienen, warum manche Dinge so passieren, wie sie passieren – ohne dass dies in irgendeiner Form eine Entschuldigung für das Verhalten vieler meiner Mit-Macho-iden sein soll. Wir sind zweifellos am Vatertag 2020 noch nicht so weit, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Und dass die Corona-Krise uns ausgerechnet in diesem Gesellschaftsbereich auch noch zurückwirft ist mehr als nur bedauerlich. Aber wir könnten ja mal anfangen und den Vatertag als Grund nehmen, uns wie Väter zu benehmen und nicht wie affektinkontinente Brüllaffen. Ich werde mich dann demnächst mal um’s Essen kümmern. Bei dem Wetter mache ich natürlich den Grill an – ich schneide dabei das Grill-Gemüse selber, decke den Tisch (OK, heute machen das vielleicht unsere Kids), räume hinterher ab, etc. Und ihr anderen (Möchtegern)Väter da draußen? Wie sieht’s mit euch aus?

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Der verwirrte Spielleiter #20 – from a showrunners perspective…

Ich sprach bislang viel über das aktuelle managen von Spielsitzungen (a.k.a. Abenteuer). Über technische Fragen der Entscheidungsfindung, über das Vorbereiten der Geschichte und das tatsächliche Storytelling. Doch über das Showrunning einer zusammen hängenden Reihe von Spielsitzungen (a.k.a. Kampagne) habe ich noch gar nicht viel gesagt. Ich nenne es Showrunning, weil’s genau dieser Job in einer Serienproduktion ist, den der SL neben dem Rollout des jeweiligen Abends noch mit erledigen muss. Und eigentlich ist diese Funktion genauso wichtig, wie die anderen.

Wenn ich nur One-Shots (also Abenteuer für einen Abend) spiele, was bei manchen Settings, bzw. zum Cool-Down während einer langen Kampagne manchmal ganz nützlich und auch spaßig sein kann, muss ich mir über das Showrunning keine Gedanken machen, denn die Chose ist nach einer Folge gelaufen. Wenn ich aber eine ganze Staffel laufen lassen möchte – mir also eine Kampagne ausgedacht habe, die nicht nach der Pilotfolge sterben soll – dann brauche ich verschiedene Plotlininen, wiederkehrende NSCs, einen Plan der Umgegend und noch einiges mehr. Und ich muss wissen, wie die einzelnen Teile dieses Puzzles zusammen passen; oder besser gesagt, ich muss Buchführung betreiben, wie sich die Passung im Verlauf durch die Aktionen meiner Chars ändert. Denn die lassen am Gefüge meiner Geschichten üblicherweise keinen Stein auf dem anderen.

Als Showrunner muss ich also einen Metaplot entwickeln, der zum Setting und zur Core-Story passt und genügend Storyhooks bieten, um die Charaktere in meinen kranken Mist rein zu ziehen. Ich könnte jetzt so was Allgemeines sagen wie: schaut Filme, lest Bücher und dann klaut die besten Ideen. Und ganz grundsätzlich wäre dieser Ratschlag weder falsch noch nutzlos. Aber das tun die Allermeisten ja eh schon. Die Fragen, die man sich meines Erachtens stellen muss, sind folgende:

  • Gab’s davor eine andere Kampagne? Falls ja – wurde sie auf Eis gelegt oder richtig abgeschlossen? […und zum richtigen Abschließen einer Kampagne muss ich bei Gelegenheit einen eigenen Post schreiben…]
  • Habe ich mich mit den Spielern über das Setting verständigt? (Ich habe z. B. jemanden unter meinen Spielern, der mit Steampunk nix anfangen kann.)
  • Habe ich mich mit meinen Spielern über das Regelwerk verständigt. [Exkurs: Ich mach’s mir leicht. Ich benutze ein Homebrew-System, dass wenig umständlich an unterschiedliche Settings angepasst werden kann und entwickele ständig neue Ableger. Wenn man aber ein bestehendes Regelwerk nutzen und nur ein bisschen anpassen müssen möchte, gibt es jedoch schon verschiedene Systeme am Markt, die relativ wenig Regellastig sind.]
  • Wenn ich meine Kampagnen-Idee ausformuliert habe, wie wahrscheinlich wäre es, dass einer meiner Charaktere in das Geschehen einsteigen wollen würde?
  • Aus welchen Gründen würde dieser Char das tun wollen?
  • Und wie sieht es diesbezüglich mit meinen regulären Spielern aus?
  • Was sagen andere SL, die nicht in dieser Kampagne spielen werden? Nutzt deren Input, um eure Ideen zu reflektieren. Die machen euch meist gnadenlos auf Plotholes und andere Probleme aufmerksam.
  • Und zuletzt – wie viel Workload wird das für mich produzieren? Seid bei der Antwort bitte ehrlich!

Ich schreibe gerne und viel – und natürlich besonders gerne für mein Hobby N°1. ABER… ich habe weder immerzu die Zeit, noch bin ich immerzu inspiriert. Man sollte sich nicht zuviel vornehmen, nicht zuviel in eine Geschichte packen wollen, die Welt nicht gleich völlig aus den Angeln heben wollen. Es sei denn, es ist eure eigene. Aber selbst dann würde ich zu Beginn erst mal kleine Brötchen backen… Zumeist brauchen Spieler etwas, um sich an ihre Charaktere zu gewöhnen. Ein neuer Char ist wie ein neues Paar Schuhe, das noch nicht richtig sitzen will. Man braucht etwas Zeit, bis es richtig bequem wird. Und diese Zeit muss man sowohl sich selbst, als auch den Spielern zum Warmwerden mit etwas Neuem geben. Sonst sind Enttäuschungen auf beiden Seiten vorprogrammiert.

Wenn die obigen Fragen halbwegs hoffnungsfrohe Antworten erzeugt haben, baut euch einen Char und spinnt ein wenig in und mit eurer eigenen Geschichte herum. Nicht, um Lösungswege auszuprobieren, sondern, um eine Gefühl für die Welt und deren Bewohner, deren Konflikte und Allianzen zu bekommen. Dann seid ihr bereit, loszulegen. Aber Obacht! Denkt immer an die zuvor erwähnte Buchführung. Denn das, was einmal eure Geschichte war, wird nun bald die Geschichte aller Beteiligten sein. Und wenn ihr jemanden fragt, der Fernsehserien entwickelt und produziert hat, werdet ihr feststellen, dass die sich auch nicht alles von Anfang an ausdenken, sondern sich manchmal auch von der Zuschauermeinung treiben lassen. Insbesondere, wenn die Serie schon länger läuft. In jedem Fall würde ich mich freuen, von neuen Geschichten zu hören, denn das Wichtigste am Pen’n’Paper ist und bleibt – always game on!

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Erwachsen bilden #15 – Blended Learning reloaded…

Wie vor ein paar Tagen angedeutet, habe ich letzte Woche einen Kurs zu Ende gebracht, der in Präsenz anfing, den Schulschließungen folgend, auf einer eigens schnell gebauten Online-Plattform als Selbstlernphase fortgeführt wurde und nun wieder in Präsenz zum Abschluss kam. Mein Resümee in einem Satz: Rettungssanitäter/Innen kann man „blended“ nur gut ausbilden, wenn man die Konzepte vorher erprobt hat! Das war in diesem Fall nicht möglich, da ich die entsprechenden Materialien auf die Schnelle nebenher entwickeln musste.

Dabei standen mir mehrere Dinge im Weg: ich bin zwar studierter Pädagoge, aber kein Mediendesigner. Ich habe Ahnung von web-basierten Anwendungen, bin jedoch auf diesem Feld bestenfalls semi-professioneller Autodidakt, kein Profi. Und alles allein, ohne großen Vorlauf und angemessenes Zeitportfolio bauen zu müssen, bedeutet ebenfalls, qualitative Abstriche machen zu müssen. Ich will nicht nölig klingen, aber das hätte besser gehen können und müssen. Immerhin habe ich während dieses Prozesses für die Zukunft, sowohl technisch als auch didaktisch, einiges dazu gelernt.

Zum einen kann ich jetzt den Zeitbedarf für derartige Kurse wesentlich besser einschätzen; geht einfach mal davon aus, dass die Vorbereitung des Contents für eine Online-Plattform ungefähr das 1,0 – 1,2fache der Zeit in Anspruch nimmt, die ihr beim gleichen Modell im Lehrsaal stehen würdet – zuzüglich des Moderations-Aufwandes! Zum anderen konnte ich mir neue Techniken aneignen (und mich trotzdem davon abhalten, noch mehr Spielzeug zu kaufen 😉 ). Damit ihr euch mal eine gute Idee von richtigem E-Moderating verschaffen könnt, empfehle ich übrigens diese Publikation:

Salmon, Gilly (2011): E-Moderating. The key to teaching and learning online. 3rd edition, New York: Routledge

Wobei ich sagen darf, dass der Zuspruch zu social-media-plugins, wie Foren u. Ä. sehr unterschiedlich sein kann. Wenn es nicht explizit Teil einer Aufgabenstellung ist, wird da wenig passieren, außer dem, was vom Moderator gesendet wird. Interessanterweise muss man allerdings auf asynchrone Reaktionen auf den unterschiedlichsten Kanälen gefasst sein, sofern man diese anbietet. Ich empfehle daher auch bei einem blended course die Integration eines offenen Webinars, da dies einen gangbaren Mittelweg zur persönlichen Klärung offener Sachverhalte bietet.

Was mich am meisten überrascht hat, waren die positiven Reaktionen auf die, von mir produzierten Video-Tutorials und kommentierten Präsentationen, die anscheinend tatsächlich als hilfreich zur Selbststrukturierung des Stoffes empfunden wurden. Ich werde versuchen, weitere Fragen zu den Online-Anteilen in der Zukunft zu beantworten – auch für mich selbst. Denn insbesondere die didaktische Dramaturgie (also das Skripting) ist bei Online-Medien oft ein Problem. Für den Anfang kann ich jedoch sagen, dass es auch mit eher geringem technischen Aufwand (z.B. hinsichtlich des „Studio-Equipments“ wie Mikrofone, Kamera, etc.) funktioniert. Ein weiterer Literaturhinweis zu Grundsatzfragen:

Kerres, Michael (2013): Mediendidaktik. Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote. 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.

Die im Verlauf der letzten Wochen, entstandenen Medien werden in der nächsten Zeit überarbeitet und in eine andere, stabilere Plattform mit größerer Reichweite portiert, damit sie zukünftig zeitnah zur Verfügung stehen und es überdies erlauben, dieses Kursformat auch ohne Pandemie-Lockdown-Not anders zu gestalten. Ich würde mich über Fragen und Anregungen sehr freuen und wünsche euch einstweilen eine schöne Woche.

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Fresh from Absurdistan N°18 – Endlich mal raus!

Du kannst nicht nur zu Hause hocken und, trüben Gedanken nachjagend, ewig auf diese dämlich-kleinen Displays glotzen – in der trügerischen Hoffnung, dass irgendjemand die Pandemie JETZT für beendet erklärt. Egal, ob man mit den Maßnahmen insgesamt d’accord geht, oder nicht, ab und an muss man raus, also haben wir uns was angeschaut, dass wir, obschon es absolut in der Nähe liegt schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr angeschaut haben: die Hinterburg und die Burg Schadeck (auch bekannt als „Schwalbennest“) in Neckarsteinach. Hach, was war des schee… 😉

Fresh from Absurdistan N°17 – Sollen doch die Reptiloiden sie holen…!

Attila Hildmann, Xavier Naidoo und andere Pauschalreisende zu den Aluhuten rauschen die Facebook-Threads rauf und runter. Man könnte meinen, das nicht wenige Menschen sich hier quasi eine Ersatzreligion besorgen: wenn man schon nicht mehr der Regierung und den Spezialisten glauben will, weil sie einem die Förmchen weggenommen haben – ICH will reisen, ICH will shoppen, ICH will feiern, ICH will alles sofort und ohne Einschränkung, ist mir doch Scheißegal, dass ICH Omma Brömmelkamp mit ihrer COPD damit umbringe – haben anscheinend neue Heilsbringer gefunden: einen zweifelhaften Buchautor, der zufällig auch vegan kochen kann – haha, wohl zuviel von seinem Essen genascht, haha – und eine schon seit eh und je nervtötende Heulsuse aus meiner Heimatstadt.

Der Besuch der Youtube-Uni ist somit wohl neuerdings nicht nur den Impfgegnern und neurechten Faktenallergikern vorbehalten; ne, ne, neuerdings finden sich immer mehr „normale Leute“, die nicht nur glauben, alles besser zu wissen, sondern dies auch mit nie gekanntem Sendungsgbewusstsein in die Timelines von jedem spülen, der sich nicht mit Waffengewalt dagegen wehrt. Was am traurigsten daran ist? Der Umstand, dass die meisten dieser Menschoiden leider mutmaßlich auch das Wahlrecht haben.

Soll ich ehrlich sein: der Text klingt wütender als ich mich momentan tatsächlich fühle. Meist empfinde ich einfach nur Mitleid mit diesen Wesen, an denen unser Bildungssystem offenkundig versagt hat. Und das ist mitnichten die Schuld der Lehrer, auf denen man ja immer gerne rumhackt. Ich habe die allermeisten Pädagogen in den letzten Wochen als engagiert, motiviert, reflektiert und selbst lernwillig erlebt. Für Leute, die unterrichten – und das schließt mich selbst, wenn auch in einem anderen Segment ja ein – ist es auch eine Zeit des Lernens! Was von den ganzen intellektuell überforderten im Netz immer recht gerne übersehen wird.

Was jedoch den Zustand unseres Bildungswesens angeht: kein einziger Cent sollte in Kredite für gestrige Wirtschaftszweige, wie etwa die zivile Luftfahrt gesteckt werden. Ich brauche die Lufthansa nicht. Und wenn man es sehr genau bedenkt, brauchen die allerwenigsten Menschen die Lufthansa; oder irgendeine Fluggesellschaft. Denn eines sollte man mal kapieren: Flugreisen sind – unter vielem anderen – schlecht für das Klima. Für die Angestellten ließen sich in einer ökologisch besseren Welt sicher andere Jobs finden. Nein, dieses Geld gehört in unserer Bildungsinfrastruktur und jenes Personal investiert, das die meisten klar denkenden mittlerweile hoffentlich mindestens genauso bitter vermissen gelernt haben, wie ich selbst.

Und ich vermisse unsere Lehrer nicht nur, weil meine „lieben Kleinen“ mich mittlerweile mit ihren Eskapaden die glatte Wand hochtreiben. Ich frage mich auch, wo sie waren, als diese ganzen Verschwörungstheoretiker aufgewachsen sind? Bewusst differenzierender Medienkonsum wurde in der Vergangenheit offenkundig entweder nicht, oder nicht ausreichend thematisiert. Anders sind Kommentarspalten voller Menschoiden nicht zu erklären, die jeden noch so abwegigen Scheiß zu glauben bereit sind, wenn er nur ihr krudes Selbst- und Weltbild bestätigt. Siehe Naidoo und Hildmann. Wenn diese ganzen Pfosten von den Reptiloiden geholt würden, wären die Viecher wenigstens mal zu was nutze. Aber auch auf die ist anscheinend kein Verlass mehr. Sind wohl auch nicht immun gegen Corona…

Es ist Sonntag. Morgen fängt für mich die Arbeit im Lehrsaal wieder an. Erstmal auf kleiner Flamme. Mal sehen, wie wir mit den ganzen Auflagen klar kommen. Denn ich muss für meine Teilnehmer Gas geben, um die – aus pädagogischer Sicht zumindest teilweise – verschwendete Lebenszeit irgendwie wieder reinzuholen. Es wird surreal werden. Wir leben immer noch in Absurdistan. Wahrscheinlich noch für eine lange Zeit. Wäre gut, wenn wir uns langsam dran gewöhnen könnten, anstatt bei Demos zusammen zu stehen und R mit Gewalt wieder hochzutreiben – JA, ICH MEINE EUCH ASOZIALEN, DUMMEN, EGOISTISCHEN ARSCHLÖCHER IN STUTTGART, MÜNCHEN UND BERLIN! Ich bin jedenfalls in meinem Absurdistan angekommen. Jetzt richte ich mich erst mal richtig ein. Und ihr so…?

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Fresh from Absurdistan N°16 – Ja, sind wir im Wald hier…?

Na, schön in den Mai getanzt? Bei mir hat sich wenigstens der Nacken rhythmisch bewegt, wenngleich ich sagen muss, dass alleine zu moshen wohl nicht das Selbe ist. Nun ja, drauf geschissen; Hauptsache meine Kopfhörer machen genug Druck. Und das können sie. Ansonsten ist alles beim Alten. Wir hocken, nach wie vor, daheim und versuchen uns an Aufgaben, für die man normalerweise studieren muss – und wenn mich jetzt jemand darauf hinweisen möchte, dass ich doch auch Pädagoge sei, möchte meine Rechte gerne einen Tunnel durch sein Fressbrett graben. Denn die eigene Brut beschulen zu müssen ist, als wenn du nackig durch einen Sandsturm laufen musst. Das schält dich bis auf die Knochen und reißt dir die Seele raus.

Schwamm drüber. Irgendwie geht’s ja immer weiter. Man könnte vielleicht befremdet sein, dass sich die Bundesliga so abmüht, wieder ans Laufen zu kommen. Auch wenn die überbezahlten Affen, die da unnötig Bälle durch’s Bild schieben offensichtlich weniger Ahnung von physical distancing haben, als meine Siebenjährige. Aber dazu hat Micky Beisenherz ja schon alles Relevante gesagt. Auch die Kaufprämie für Neuwagen ist voll die gute Idee – weil die allermeisten von uns ja während der Krise auch ordentlich durchverdient haben, weil sie nur zum Scheißen eine Pause machen konnten, aber ja eh kein Klopapier verfügbar war und deswegen jetzt alle ordentlich Fett auf der Kette haben… Kann dem Altmaier mal jemand ein Bildchen malen, damit er kapiert, was für einen Stuss er von sich gibt? Aber bitte nicht zu kompliziert, sonst perlts vor Anstrengung auf der Glatze.

Kurz zuvor rollte Wolfgang Schäuble ins Bild; und ich muss sagen, dass ich seine Äußerungen nicht im Ansatz so Menschen verachtend finde, wie Martin Klingst in seiner Kolumne. Wer genau liest, sieht, dass er den Hinweis auf die Menschenwürde als das höchste Gut, welches das Grundgesetz schützt – also ein noch höheres Gut als als das Leben an sich – zunächst auf sich selbst bezieht. Eine Denkfigur, die man angesichts seines Lebens und der Dinge, die er erdulden musste respektieren sollte. Mitnichten redet er hier einer Triage das Wort. Überdies sollte die Würde des Menschen auch beim Sterbeprozess geschützt werden. Etwas, womit man sich hier in Deutschland immer noch sehr schwer tut. Vielleicht war es das, was Her Schäuble sagen wollte? Vielleicht wollte er die ganzen Bedenkenträger auch einfach nur darauf hinweisen, dass das Leben nun mal eine sexuell übertragbare Krankheit ist, die zwangsläufig mit dem Tod endet?

Und nur mal so am Rande: wer ein bisschen Ahnung von Katastrophenmedizin und MANV-Stufen hat, weiß um die ethischen Dilemmata, die mit der Notwendigkeit einer Triagierung einher gehen. Dennoch wird derlei z.B. auch in der rettungsdienstlichen Ausbildung geschult. Reden wir hier also über etwas vollkommen Undenkbares? Nein, tun wir nicht. Insbesondere nicht unter dem Aspekt, dass eine Pandemie wie SARS-CoV2 ein zeitlich prolongierter, supranationaler MANV ist. Und auch, wenn keiner von uns gerne darüber redet: wenn es hart auf hart kommt, haben wir sehr wohl eine informelle Taxonomie zur Hand, um Entscheidungen treffen zu können.

Wie man’s auch dreht und wendet – dieses verdammte Virus beherrscht immer noch unser Leben. Und zwar nicht nur dadurch, dass der Lockdown – wenn auch in abgeschwächter Form – immer noch anhält, sondern vor allem durch das mediale Bombardement, dass Stunde um Stunde neue Berichte produziert, die sich allzu häufig nur in Nuancen voneinander unterscheiden. Denn im Stundentakt entstehen keine neuen Erkenntnisse. Allerdings kann ich im Stundentakt die Menschen entweder noch ängstlicher, paranoider und neurotischer machen – oder noch gleichgültiger, egoistischer und aggressiver. Beide Varianten sind dem Gemeinwesen wenig zuträglich. Und es wäre wirklich mal an der Zeit, dass die Medienschaffenden ihre wenig rühmliche Rolle in der Corona-Krise noch mal überdenken. Rezo hat dazu ein paar gute Gedanken geäußert und ich hätte auch Bock drauf. Wie sieht’s mit euch da draußen aus?

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