Postmoderne Gedanken N°2 – Partikula…was?

Es gab mal eine Zeit, die ist noch gar nicht so lange her, da war die Welt einfach. Es gab zwei Machtblöcke: die Kommis und die Kappis. Die hatten Bomben und Panzer und was weiß ich nicht alles und standen sich gegenüber. Unversöhnlich! Feinde für immer, weil der Dogmatismus das so wollte. Man könnte es, euphemistisch, als weltanschauliche Differenzen beschreiben, oder man sagt einfach, wie es war: Zwei Gruppen von Idioten, die mit der Ideologie des jeweils anderen nichts anfangen konnten, hätten dafür bei erster sich bietender Gelegenheit die Welt gesprengt. Das Potential dazu hätten sie auf dem Höhepunkt des kalten Krieges in ca. 71-facher Ausführung gehabt.

Man kann Gott oder irgendeinem anderen mythologischen Prinzip danken, dass es bis heute nicht dazu gekommen ist. Weltanschauliche Differenzen gibt es allerdings immer noch zuhauf. Oder, besser gesagt: es gibt heute davon mehr denn je. In der eben von mir beschriebenen Zeit, die laut Geschichtsbüchern mit dem Mauerfall 1989 und dem damit einhergehenden Zerfall der UdSSR zum 25.12.1991 endgültig endete, war das nicht so. Die größte Differenz zwischen den beiden Machtblöcken war stets der Umstand gewesen, dass in den Staaten des Westens über weite Strecken der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinweg eine Demokratisierung stattfand, die erst mit dem Beginn der neoliberalen Ära unter Reagan und Thatcher den Anfang ihres Endes fand.

Mit dem Zerfall des Ostblocks jedoch kamen das alte Blockdenken und damit eine komplette Weltordnung zu ihrem Ende. Als Jugendlicher erlebte ich 1989/90 die Wende intensiv mit (wir waren ’90 auf Klassenfahrt nach Berlin mit Boxenstop in der thüringischen Provinz), ohne dass mir damals bewusst wurde, wie unfassbar das Ganze wirklich war. Erst viel später begriff ich, dass das Ende des Ostblocks für die Nationen Europas und ihrer Bewohner gleichzeitig auch das Ende aller Gewissheit war. Vorher gab es – zumindest subjektiv – ein geregeltes Welt- und Feindbild. Danach gab es nur noch die Notwendigkeit, eine eigene Haltung finden zu müssen. Und das hat nicht immer so gut geklappt…

Das ist natürlich nur eine Seite der Medaille. Jener Prozess, der uns alle als Individuen unserer Orientierung beraubt hat und den Ulrich Beck – nicht ganz untreffend, aber auch nicht annähernd umfassend korrekt – in seiner „Risikogesellschaft“ beschrieb, begann letzten Endes schon mit der Aufklärung und den ihr folgenden politischen Umwälzungen: die französische Revolution und ihre Kinder, Kriege in Europa, eine neue Ordnung der alten Welt, etc. Er kulminierte nun erneut mit dem abermaligen Zerfall einer, als unumstößlich betrachteten, Weltordnung.

Wenn man so will, war der Beginn der Moderne, der für die westlichen Nationen durch die Aufklärung in Europa markiert ist, auch der Beginn der Individualisierung und Partikularisierung unserer Gesellschaften. Wenn man einmal wirklich darüber nachdenkt, ist die politische Aufteilung einer Gesellschaft in drei, oder gar nur zwei politische Großlager (vulgo: Volksparteien) von Anfang an hanebüchener Quatsch. Denn sie bildet die gesellschaftlichen Realitäten nicht ansatzweise ab! Wer einen kurzen Blick in die soziologische Milieuforschung riskiert, dem fällt auf, dass dort bis zu 10 solcher unterschiedlicher Lebensstile differenziert werden, die selbstverständlich auch mit unterschiedlichen politischen Grundhaltungen einher gehen. Sieht man sich die dazu gehörenden Beschreibungen einmal genauer an, wird einem rasch klar, warum die „Volksparteien“ ihre Bindungskraft verloren haben: es gibt Alternativen.

Genau das zeichnet das Wahlergebnis in Thüringen vom gestrigen Abend nach. Es gibt da für mich keine Verwunderung. Allerhöchstens darüber, dass viele Andere so verwundert sind. Denn vom sozialwissenschaftlichen Standpunkt aus ist das Ergebnis ebenso verständlich wie vorhersehbar. Aber darüber will ich hier gar nicht reden.

Achten Sie auf die Farben…

Mich interessiert die Partikularisierung unserer Gesellschaft; und dabei vor allem, wie wir diese wahrnehmen. Dem geneigten Leser wird nicht entgangen sein, dass die Färbung des Tortendiagramms nicht der üblichen politischen Farbenlehre entspricht. Und was wäre, wenn genau das der Fall wäre? Wenn Menschen nicht nach bewusster parteipolitischer Präferenz entscheiden, sondern nach Gefühl? Nach Einzelpersonen, die eben sympathisch oder unsympathisch sind? Politiker neigen immer dazu, Erfolg für sich zu reklamieren und Niederlagen auf das Team zu schieben. Aber ich bin mir sicher , von den 31% Wählern, welche sich gestern für die Linke entschieden haben, gaben die wenigsten Bodo Ramelow, oder der Arbeit der Rot-Rot-Grünen Koalition ihre Stimme. Die allermeisten entschieden sich für den Kandidaten vor Ort, der Ihnen am besten in den Kram passte; ohne Ansehen der Landes- oder Bundespolitischen Auswirkungen.

Weil Partikularisierung der Gesellschaft eben auch ein Zurückgeworfen-Sein des Individuums auf sich selbst in seiner unmittelbaren Lebensrealität bedeutet; und damit auch eine Individualisierung und Entsolidarisierung der jeweiligen Interessen einhergeht. Wenn es in meinem Dorf gerade nicht so gut läuft, ist es mir doch Wumpe, ob die Zahlen im Land stimmen, denn es ist meine Hood, die gerade den Bach runtergeht, weil keine Sau sich für den Thüringer Wald interessiert – außer man geht gerne Wandern. Das ist natürlich nur ein Beispiel und lässt sich in anderen Regionen Deutschlands beinahe 100% analog durchdeklinieren. Volksparteien sind deshalb keine Volksparteien mehr, weil es das eine Volk sowieso nie gab und heute eben Alternativen zu CDU/CSU und SPD existieren, die als randständig zu bezeichnen, wie Matthias Dell heute morgen auf Zeit online korrekt bemerkte, an der Lebensrealität voll vorbei geht.

Doch was hat das mit der Postmoderne zu tun? Ganz einfach: So wie die Moderne, wie im ersten Beitrag dieser Reihe ausgeführt ein uneingelöstes Versprechen geblieben ist, so ist auch die parlamentarische Demokratie viele Lösungen schuldig geblieben, die zu liefern sie angetreten war. Der öffentlich dokumentierte Verfall der ehemaligen Volksparteien ist somit ein Zeichen gesellschaftlichen Wandels, das ernst genommen werden muss; und zwar gerade nicht, indem man sich auf alte Werte zurück besinnt und wieder Politik wie in den 50ern macht, sondern die aktuellen Fragen wieder in einer Tiefe und Sinnhaftigkeit diskutiert, die tatsächlich Sachlösungen zulässt, anstatt jede Woche eine neue Sau durchs mediale Dorf zu treiben. Das wäre für eine Weile eine Zumutung sowohl für die Bürgerinnen und Bürger, als auch für die Politiker. Doch es ist eine Notwendigkeit, denn im Moment verwechseln die allermeisten Politiker Gestaltungsanspruch und Machtanspruch in unzulässiger Weise miteinander. Doch über das Thema reden wir ein anderes Mal. Der nächste Beitrag befasst sich mit der Frage nach der Legitimität von Private-Public-Partnerships. Bis dahin eine gute Zeit.

Auch zum Hören…

Der verwirrte Spielleiter #12 – Erzähl doch einfach…!

Puh. Schon wieder eine Weile her, dass ich was zu meinem Hobby N°1 geschrieben habe. Könnte daran liegen, dass es in den letzten Monaten nicht immer so präsent war. Wir hatten schon ein paar Gelegenheiten zum Zocken und die Nächste nähert sich gerade; doch insgesamt waren andere Dinge gerade ein wenig wichtiger. Sei’s drum.

Auch wenn man sein 30jähriges Bühnenjubiläum als SL hinter sich gebracht hat, trifft man immer noch auf Fragestellungen, die – wenngleich auf den ersten Blick trivial – bei näherer Betrachtung doch die eine oder andere Überraschung mit sich bringen. Nach allem, was ich über das Rollenspiel erzählt habe, ist allen Beteiligten klar, dass es sich dabei um ein soziales Spiel handelt, welches von Kommunikation lebt, vom Treffen von Entscheidungen und der Abwägung, welche Konsequenzen diese haben werden; und natürlich auch von der Rhythmik der Geschichte, die direkten Einfluss darauf ausübt, ob Immersion und Player-Investment entstehen, oder eben nicht.

Abseits aller Vorgedanken, Vorplanungen und Vorbereitungen bleibt das Spielleiten selbst stets zuerst ein Akt des Erzählens. Ich habe hinsichtlich dieses Umstandes im Netz so einige Meinungen gefunden, die von der Notwendigkeit schauspielerischen Könnens des SL bis hin zum bloßen Zur-Kenntnis-Geben von Informationen durch den SL reichen. Natürlich gebe ich durch mein Narrativ Informationen weiter. Ohne Informationen entsteht keine Geschichte, die wir zusammen weitererzählen können. [Damit wirklich klar wird, wovon ich rede, ist es dieses Mal tatsächlich sinnvoll, den zugehörigen Podcast anzuhören]: Verdeutlichen wir uns, was das bedeutet. Stellt euch Folgendes vor: „Ihr betretet das zweite Untergeschoss des Parkhauses. Alle Lampen sind aus. In der linken hinteren Ecke hört ihr ein seltsames Kratzgeräusch.“

Ja soweit ganz ok. Die relevanten Informationen wurden vermittelt. Kann man so stehen lassen. Oder wir legen noch ein Brikett nach und verändern lediglich die Stimmlage und Sprachrhythmik vom „Credible-Stile“-Nachrichtensprecher zu… etwas anderem: „Ihr betretet das zweite Untergeschoss des Parkhauses. Alle Lampen sind aus. In der linken hinteren Ecke hört ihr ein seltsames Kratzgeräusch.“

So. Alle fertig? Dann habt ihr jetzt ein Bild im Kopf und ich könnte wetten, dass, wenn man Photos eurer Vorstellung anfertigen würde, sehr unterschiedliche Ergebnisse zu Tage kämen. Vor allem sehr unterschiedlich zu dem, was ich im Kopf habe. Vielleicht wurde irgendwas dazu imaginiert, was ich gar nicht beschrieben habe, weil die Szene an einen Film, ein Buch oder sonstwas erinnert. Vielleicht habe ich auch – ohne das zu wissen – eine Saite eures emotionalen Instruments bespielt, die gewisse Ängste triggert. Und vielleicht habt ihr gar keine Vorstellung, was das soll, weil ihr noch nie einen einzigen verdammten Horrorfilm gesehen habt. Was weiß ich schon…

Fakt ist, im Pen&Paper habe ich damit eine Szene gesetzt, mit der nun etwas passieren wird. Einer der Spieler wird sicher fragen, ob sein Charakter mehr wahrnehmen kann, bevor er sich in die Richtung bewegt. Einer wird sich umschauen, ob er das Licht in Gang setzen kann. Wieder ein anderer wird seine Waffe bereit machen, weil er eine Konfrontation erwartet. Und einer möchte vielleicht lieber das Weite suchen. All das erreiche ich mit 21 Worten; und meiner Stimme als Instrument. Ich brauche dabei keine überbordende Vielzahl an Adjektiven („pittoresk“ ist mittlerweile zu einem Hasswort geworden) und Füllworten – tatsächlich ist tatächlich tatsächlich überflüssig! Klar soweit? Verbale Kommunikation braucht Klarheit und Klarheit wird durch zu komplexe Konstrukte eher beeinträchtigt. Und das MIR, dem Meister des Schachtelsatzes!

Doch zurück zur Frage: nur Info oder echte Narration? Beide Varianten erfüllen ihren Zweck. Und es ist gewiss eine Frage der Übung, ob ich mit meiner Stimme etwas anderes – ober besser gesagt, etwas mehr – erzeugen kann, als das monotone Leiern eines schlecht gealterten Tonbandes. Wenn man mich jedoch fragte, was für mich beim Erzählen meiner Geschichte wichtig ist, so würde ich sicher darauf hinweisen, dass ich auch eine gewisse Stimmung mit transportieren möchte. Zum einen, weil eben nicht jedes Setting die gleiche Grundstimmung, die gleichen Spielprämissen und Ziele hat. Und zum anderen, weil immer gleich klingende NSCs sowohl Spieler als auch SL nach einer Weile nerven. Die Stimme ist ein Instrument, bei dessen Nutzung wir durch ständigen Gebrauch besser werden können. Wenn wir das denn wollen.

Bevor ich jedoch die Spieler ihre Charaktere in eine solche Szene eintauchen lassen kann, muss ich selbst dort gewesen sein. Dass ist der wirklich essentielle Teil jeder Vorbereitung: ich muss diese Bilder, die Szenen, an denen von den Charakteren Entscheidungen eingefordert werden, und sie im Gegenzug für den weiteren Verlauf einer Geschichte relevante Erkenntnisse gewinnen können vorher selbst gesehen haben. Ich muss die Details kennen, welche sich in dem Wimmelbild verstecken und alle relevanten Fragen meiner Spieler ad hoc beantworten können. Das ist, was ich meinte, als ich sagte, dass die Nexus-Vortex-Methode mitnichten weniger Arbeit für den Spielleiter bedeutet. Sie eröffnet mir allerdings im Gegenzug wesentlich größere Flexibilität, wenn es um die unvorhersehbaren Eskapaden meiner Spieler geht. Die sind ja aber das Salz in der Suppe meiner Runden.

In jedem Fall danke ich für die Aufmerksamkeit des Publikums und hoffe, dass bis zum nächsten Verwirrten Spielleiter nicht ganz so viel Zeit vergeht – always game on!

Auch zum Hören – diesmal besonders…

Postmoderne Gedanken N°1 – Was ist modern?

Unsere Zeiten sind schon schwierig. Strukturkrisen in der Wirtschaft. Klimawandel. Faschisten allenthalben. Und zwischendrin wir Menschen. Nicht wenige von uns sehnen sich nach der „Guten alten Zeit“; einem Sehnsuchtsort, der in etwa aussieht wie… ja wie sieht denn dieser Ort aus? So wie die 50er und 60er? Mit ihrem Alt- Nazis in jeder Verwaltung, mangelhaften Frauenrechten und fragwürdiger Mode – aber keinen Fragen, weil sich alle wieder Schweinebraten leisten können? Wie die 70er mit ihren Protesten, dem Terrorismus und noch fragwürdigerer Mode? Oder etwa wie die 80er, als sich alle im subjektiven Wohlstand eingeigelt hatten, während die aufkommenden Reaganomics anderorts bereits den neoliberalen Niedergang der (angeblichen) Post-WK II.-Blütezeit einläuteten? (Und das bei teilweise wirklich allerfragwürdigster Mode…)

Sicher hat jeder ein etwas anderes Bild von diesem Ort, der höchstens jenseits von Raum und Zeit jemals existieren konnte, im Kopf. Und es ist auch hoch wahrscheinlich, dass dieses Bild von Kindheitserinnerungen durchdrungen ist, die bekanntermaßen nicht allzu präzise sind. Das macht diese nicht weniger wertvoll. Nur sind sie als Basis eines Verlangens nach gesellschaftlichem Wandel eine eher dürftige Angelegenheit. Einigen wir uns also darauf, dass diese „Gute alte Zeit“ so, wie wir sie annehmen, wenn überhaupt jemals, so nur in unserer Phantasie existiert hat. Was uns nun leider ratlos im Hier und Jetzt zurücklässt. In den modernen Zeiten. [An dieser Stelle ist aus meiner Sicht ein kleiner Hinweis auf den Film „Modern Times“ von und mit Charles Chaplin von 1936 angezeigt…]

Die „Moderne“ war damals und ist es noch heute, ein hoch diskussionswürdiger Begriff, denn die Grundlagen, die sie geschaffen hat, wie etwa die Trennung von Kirche und Staat, die Aufklärung, technischen Fortschritt und schließlich das Entstehen moderner, rechtsstaatlich-demokratischer Staatswesen werden heute dadurch konterkariert, dass die Macht, die in der Demokratie ja angeblich vom Volke ausgehen soll, wohl eher in den Händen jener liegt, welche die wirtschaftlichen Strippen ziehen. Diese Zusammenhänge sind ja nicht neu; andernfalls hätte es Denker wie Karl Marx und Friedrich Engels, sowie etliche, sich auf deren Werke beziehende, politische Umwälzungen des 20. Jahrhunderts niemals gegeben. Und nicht umsonst gab es dann in den 80ern wieder Dystopien zu lesen, in denen Mega-Konzerne die faktische Weltherrschaft übernommen hatten und die einfachen Menschen zusehen durften, wie sie zurecht kommen. Lest mal William Gibsons Neuromancer-Trilogie. Ätzende Gesellschaftskritik im Science-Fiction-Gewand.

Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen 30 Jahren nochmals verschärft. Die Globalisierung (in diesem Zusammenhang als Globalisierung des Kapitals zu verstehen, nicht etwa als eine Bewegung, welche Menschen aus aller Welt einander näher bringt) hat die Möglichkeiten geschaffen, Dystopien wie bei Gibson wahr werden zu lassen. Und auch, wenn wir noch nicht ganz so weit sind, zeigen sich doch bereits beunruhigende Tendenzen in diese Richtung; nur ohne Cyborgs… Colin Crouch z.B. zeigt in seinen Büchern zum Begriff „Postdemokratie“ einen weitgehenden Rückbau des Staates zugunsten privatwirtschaftlicher, am Markt orientierter Strukturen auf. Nun werden die ganzen „Leistungsträger“ und Kapitalistenunken wieder rufen, dass der Markt es auf lange Sicht schon regeln wird. Wie wahrscheinlich der Eintritt dieser Behauptung ist, kann man am deutschen Gesundheitswesen beobachten, dass seit Ende der 90er dereguliert wurde und jetzt – mit Verlaub – vollkommen im Arsch ist.

Und immer noch stehen die Menschen – und ich natürlich mit ihnen – im Hier und Jetzt und fragen sich, wie es weitergehen soll, bzw. welche Fragen die richtigen sind. Denn nicht einmal darüber herrscht Konsens. Die Welt ist – auch, wenn das wie eine Binsenweisheit klingt – tatsächlich so unüberschaubar geworden, so multioptional und divers und komplex, dass wir uns davon überfordert, geängstigt und gehetzt fühlen. Nicht ganz zu Unrecht. Und nun… nun klammern wir uns an jene, die uns versprechen, die „Gute alte Zeit“, diese Illusion aus 1001 kindlichen Nacht zurückzuholen. Und wir folgen denen, wie die Ratten dem Mann mit der Pfeife

Was ist also modern? Oder besser, die Moderne? Sie ist ein gedankliches Konstrukt, losgelöst von Raum und Zeit. Einst war sie ein Versprechen. Das Versprechen, dass es allen Menschen irgendwann gut gehen würde, dass alle Probleme gelöst und die Leiden der Welt beendet werden würden. Selbstverständlich wurde dieses Versprechen nie eingelöst, denn die Moderne ist keine göttliche Kraft, sondern lediglich eine von Menschen gemachte Idee. Und wie das mit dem Menschen so ist…; jeder macht Seins. Worte wie Solidarität, Gemeinwohl, Teilhabe genießen in einer Gesellschaft, deren Teilnehmer durch und durch auf sich selbst zurückgeworfen sind keinen allzu hohen Stellenwert. Die „Leistungsträger“ höhnen laut, dass die weniger Glücklichen wohl nicht genug geleistet haben. Und ein jeder versucht, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen.

Betrachten wir die Moderne also als ein Versprechen, dass von Opportunisten um deren eigenen Profites Willen gebrochen wurde, bleibt nur übrig, sich zu fragen, was denn danach kommt. Im Kopf vieler Menschen ist die Moderne ja ein stetiges Hier und Jetzt, dass sich mit jedem Tag weiter in eine (oft ungewisse) Zukunft transzendiert. Diese Denke aufzubrechen und Wege abseits der ausgetreten Pfade aufzuzeigen, war und ist das Begehren der Postmoderne. Zu zeigen, dass auf eine überkommene Idee zu warten nicht unsere einzige Option ist! Darüber möchte ich in nächster Zeit ein bisschen weiter nachdenken und euch daran teilhaben lassen. Keine Sorge, es wird nicht zu kompliziert…

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Erwachsen bilden #08 – Geht’s auch gerechter…?

Neue Projekte geben einem die Chance auf einen Burnout. OK, das war jetzt böse und auch ein bisschen unredlich, denn eigentlich bin ich im Moment voller Energie und Tatendrang. Was daran liegen könnte, dass ich a) mit einem höchst spannenden Projekt betraut wurde und b) überdies wieder im Lernmodus bin. Zu (b) kann ich sagen, dass die Aufnahme eines Masterstudiums von mir schon lange eingeplant war, weil der Weg, den ich nun gehen will und soll noch mehr Wissen und Kompetenzen verlangt, als ich mir schon angeeignet habe. Ich sage ja schon seit Jahren, dass die Ausbildung von Notfallsanitätern auch für die Ausbilder ein Lernprozess ist. Nun darf ich das, einmal mehr, am eigenen Leibe erfahren.

Wenn man eine Institution, quasi von Grund auf, mit aufbauen darf, bedeutet das natürlich einerseits viel Verantwortung; aber auch große Gestaltungsspielräume. Natürlich sind gewisse Regeln, die von der übergeordneten Organisation gesetzt werden ebenso verbindlich, wie die gesetzlichen Regularien und Anforderungen. Trotzdem bleibt ein weites Feld, auf dem viel möglich ist. Mir geht es dabei nicht nur um die Inhalte, sondern vor allem auch um die Kultur einer Organisation. Die Inhalte meines Feldes sind weitestgehend klar. Da wird Rettungsfachpersonal ausgebildet, welches später in Deutschland tätig werden soll. Doch der Weg dahin, junge Menschen zu Rettungs- und Notfallsanitätern wachsen zu lassen, ihnen zu vermitteln, wie man seine Arbeit nicht nur mit dem Kopf und den Händen, sondern eben auch mit dem Herzen macht, das ist ein steiniger; in mehr als einer Hinsicht eine Herausforderung.

Ich habe vor einigen Wochen bereits etwas über die Notwendigkeit für einen Kulturwandel in meiner Profession geschrieben. Also, eigentlich betrifft dies ja das ganze Gesundheitswesen, aber wir wollen es ja mal nicht gleich übertreiben. Doch etwas zu verändern, beginnt denn bekanntlich zunächst bei einem selbst. Und eingedenk dessen, was ich damals von mir gab, mache ich mir natürlich Gedanken darüber, wie ich eine solche Kultur von Grund auf in in dieser Institution etablieren kann, die ich aufzubauen mit aufgerufen bin. Denn was wäre ich für ein Heuchler, wenn ich diese Chance nicht ergreifen würde? Die Chance, nicht nur meine Kollegen, sondern eben auch die Auszubildenden vom ersten Tag an daran zu gewöhnen, sich ihren Fehlern konstruktiv zu stellen und daraus zu lernen. Und diese Einstellung, diese positive, gerechte Fehlerkultur auch in die Organisationen zu tragen, in denen sie später tätig werden.

Im Moment ist das nur ein Traum, aber ich werde mein Möglichstes tun, um ihn wahr werden zu lassen, so gut es mir eben möglich ist. Denn als Ausbilder ist mein wichtigstes Ziel, die mir anvertrauten Menschen dazu zu befähigen, ihr bestmögliches Selbst zu werden. Nicht nur beruflich, sondern in ihrer Gesamtheit als Person. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen pathetisch, aber ich bin ein Idealist. Kann man als Schimpfwort benutzen, wenn man möchte. Oder man akzeptiert einfach, dass man selbst der Wandel sein muss, den man in der Welt sehen möchte. Man weiß heute, dass auch Ghandi seine bigotten Seiten hatte; doch das macht diese Worte trotzdem um nichts weniger wahr.

Am Ende des Tages möchte ich mir sicher sein können, dass meine Bemühungen hilfreich waren, meine Profession – für die ich immer noch brenne – und das auch das Gesundheitswesen als Ganzes ein bisschen besser zu machen. Nicht nur fachlich, sondern eben auch menschlich. Andernfalls könnte man nämlich hübsche kleine Unterrichtungsroboter vorne in die Klassenzimmer stellen. Doch es ist die Hitze der Reibung, welche durch Ambivalenz und Ambiguität entsteht, die das Feuer des Lernens immer wieder entfachen kann. Und diese Reibung entsteht nur in der Zwiesprache mit einem geeigneten Subjekt – einem Lehrer. Und auch wenn das Wort „Lehrer“ für so manchen einen negative Konnotation hat, weil die Erinnerungen an die eigene Zeit im allgemeinbildenden Schulsystem vielleicht nicht die allerbesten sind, bleibe ich dabei, dass ein Pädagoge im beste Wortsinn zum Lernen anstiften kann.

Dabei ganzheitlich vorzugehen – d.h. nicht nur Skills in die Auszubildenden hinein zu trommeln, sonder sie tatsächlich auch als Menschen wachsen zu lassen – ist mein erklärtes Ziel. Und ich würde mich freuen, wenn ich dabei selbst auch dazu lernen kann. Denn auch der Pädagoge selbst kann nur besser werden, wenn er sich an etwas reiben muss. Also, wenn er auf seine Fehler aufmerksam gemacht wird. Ich freue mich auf die neuen Aufgaben und das Lernen. Und wie sieht es mit euch da draußen aus?

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Ein Sieg…?

Entwickelt sich für das Berufsbild „Notfallsanitäter“ nun doch alles zum Guten? Ich weiß nicht; und wenn ich ehrlich bin, will ich noch nicht einmal spekulieren. Immer wieder wird, insbesondere von manchen Vertretern meines Berufsstandes, über den Lobbyismus der Ärzte gegen eine Substitution ärztlicher Maßnahmen durch Medizinalfachpersonal hergezogen. Es scheint manchmal, als wenn ständische Vertretungen der Ärzteschaft auf Standpunkten aus dem vergangenen Jahrhundert beharren, weil sie um ihre Pfründe fürchten. Doch ist dies tatsächlich der Fall?

Könnte es nicht eher so sein, dass diese Ständevertreter – angesichts ihres Alters und ihrer durchschnittlichen Positionen – einfach nicht mitbekommen haben, dass sich der Berufsstand des Rettungsfachpersonals in den vergangenen 25 Jahren erheblich weiter entwickelt hat? Dass der NotSan von heute mit dem RettSan von damals nur noch wenig gemein hat? Denn betrachten wir die Situation einmal nüchtern, sind die neueren Vertreter meiner Disziplin keine einfachen Befehlsempfänger mehr, sondern werden mit dem Handwerkszeug ausgestattet, selbst qua-wissenschaftlich die immer neuen Erkenntnisse der Evidenz-basierten Medizin sich anzueignen.

Zweifellos können manche das besser und andere weniger gut. Dennoch bleibt im Mittel eine deutlich verbesserte Fähigkeit, auf die Neuerungen und die damit einher gehenden Anforderungen des Feldes reagieren zu können. Doch diese Erkenntnis ist bei den Herren Standesvertretern der Ärzteschaft, in deren Köpfen wir immer noch dämliche Krankenträger sind, einfach noch nicht angekommen. Dies zu verändern, ist eine der Herausforderungen.

Ich habe mir heute morgen im Parlamentsfernsehen die öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses angesehen und musste ja ein bisschen schmunzeln, als der Vertreter der Bundesärztekammer sagte, dass man die Notwendigkeit sähe, auch andere hochschulisch-pädagogisch gebildete Menschen, nämlich z.B. Ärzte in die Leitung von OTA-Schulen berufen zu können. Um es aus der Sicht des studierten Berufspädagogen noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Ärzte sind allein Kraft ihres Studiums NICHT befähigt, pädagogisch tätig zu werden! Dazu mangelt es ihnen an der dazu notwendigen Ausbildung. Es mag von Fall zu Fall Ärzte geben, die dies zumindest teilweise durch Begabung ausgleichen können; aber das reine Fachwissen genügt nicht, um dieses auch didaktisch sinnvoll und dem Adressaten angemessen vermitteln zu können. Und es wäre mir sehr recht, wenn manche – allzu arrogante – Vertreter der ärztlichen Zunft dies endlich einmal zur Kenntnis nähmen.

Alle gestrigen Darlegungen wurden nun gewürdigt und heute morgen haben die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD ihren gemeinsamen Antrag auf Änderung des NotSanG zurückgezogen. Das heißt, die Bundesratsinitiative, welche von Bayern und Rheinland-Pfalz initiiert wurde, ist wieder im Rennen. Man könnte das als einen Sieg betrachten. Wäre da nicht der Umstand, dass das Einfügen einer begrenzten Befugnis zur Ausübung der Heilkunde im Rahmen der in der Ausbildung vermittelten Fähigkeiten in das NotSanG vermutlich zu kurz greift.

Eine Novelle des Heilpraktikergesetzes (HPG), welche für einzelne nicht-ärztliche Medizinalfachberufe jeweils – stets am Stand der medizinischen Forschung und der Tiefe der Ausbildung orientierte – Kompetenzen freigibt, wäre wesentlich sinnvoller und würde auch andere Berufsgruppen mit ähnlichen Problemen, wie etwa die Hebammen, Physiotherapeuten, etc. aus der Schusslinie nehmen. Aber das würde ja bedeuten, dass man zugeben müsste, dass a) unser Gesundheitswesen ziemlich kaputt ist und b) die deutsche Form der Arztausbildung auch nicht mehr der Weisheit letzter Schluss… Und so was glaubt ja keiner. Oder?

Komme es wie es mag, ich kann noch lange keinen Sieg erkennen. Dennoch bin ich froh, dass dieser halbherzige Quatsch von den GroKo-isten erstmal vom Tisch ist. In jedem Fall bleibt noch viel zu tun. Habe ich erwähnt, dass ich mich in die Schöpfung einer zweiten Braunwalder Erklärung involviere? Schönen Tag noch.

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Music was my first love…

I’ll start with a confession on this one: maybe the years as a paramedic have damaged my mind more, than just a taint bit. Nowadays it seems to me, as if i can only cry and scream, when music unlocks those hallways in my mind, where raw emotions are tucked away safely, for noone else to see. I don’t think, this happened for convenience. I’d rather believe, it’s a subconsciously implemented safeguard against even more mental damage. In my trade, you get to experience people in their darkest hours on a quite regular basis. And even though today, I’m more occupied with teaching the skills of my art to trainees, I still live through those intense moments, from time to time.

It doesn’t happen intentionally, but sometimes, when I’m wandering the internet, I almost naturally take a stop on one of those sites, where you can listen to music. My taste is somewhat simple: I like music, that is made with hearts and hands. I don’t dig most contemporary pop music too much, although I happen to find single pieces, which appeal to me. But for the most part, I like old school rock and metal. And yes, I espacially like the oldies and classics.

All the while drifting from song to song, not always staying to the end, I might reach that point – it doesn’t happen always, not even often – where those previously mentioned hallways open up, to let out those tears, held back for a thousand and one reasons. And although I always feel a little odd afterwards, it’s always a liberating experience. Because it give’s me proof, that my emotions haven’t died yet, despite all the crazy shit, I have seen in more than 25 years in prehospital emergency care.

One of my favourite songs of all times is „Strange World“ from Iron Maiden’s first album. When bass and guitar beginn to sing with each other, I always get the feeling, I should have become a bass player instead. Steve Harris is a freaking genius as bass player and song writer also; I know, this is only my little opinion, but to me it has a meaning, and there are a some feelings transported through this song, that I can relate to far too easy. I read it as a song about depression, and I had visitations from the darkness – my old friend – often enough, to recognice it in other people…

I would bet, I’m not the only one, who has his mind opened up by music like that. And although other people will most certainly like different kinds of music, the basic principle stays the same. I obviously don’t talk too much about those moments, because I feel, they’re private. And I most certainly wouldn’t invite anybody, to share them with me. Not even my wife. Because there are things, that need to stay private, no matter how intimate you might be with someone else. And I love my wife very much. But if I should guess, she has those special private moments too, that she would never share with anyone. Not even me. And that’s OK!

Music really was my first love. My lady was my second and thankfully, I don’t know, which of both will be my last, to stay true to the song. If I had any saying in that, both would come to an end at exactly the same moment. That would be fates greatest possible present to me. If you like to share your thoughts, feel welcome. Otherwise, simply have a good time.

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Erwachsen bilden #07 – Die große Le(e/h)re…

Selbstzweifel sind ein alter Bekannter, der immer mal wieder zu Besuch kommt. Geht vermutlich jedem so. Und so lange man sich nicht gerade darin ertränkt, ist das auch keine große Sache. Mit sich zu hadern, die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse noch mal überprüfen zu wollen (im Zweifel auch durch jemand anders), ist doch irgendwie ein Zeichen für die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Allerdings sagt Paracelsus ja, dass jedes Ding ein Gift ist; nur die Dosis macht, das ein Ding kein Gift ist…

JA, er meinte das pharmakologisch. Und trotzdem ist es für viele andere Dinge des alltäglichen Lebens ebenso wahr. So auch mit Bezug auf das Selbstwertgefühl. Zu viel ist nicht gut (=> Egoismus, Narzismus), zu wenig ebenso wenig (=> Selbstzweifel bis zur Depression). Um den gesunden – also den, nach Paracelsus, nicht-toxischen – Bereich zu finden und beibehalten zu können, braucht es einiges an Selbstdisziplin; und manchmal auch externe Hilfe.

Wir alle erzählen gerne eine positive Geschichte unserer selbst. Man möchte ja mit sich selbst im Reinen sein. In der Sozialpsychologie spricht man von der Selbstwirksamkeit des individuellen Narrativs. Unsere Persönlichkeit besteht, von außen betrachtet, aus vielen verschiedenen Rollen, die wir miteinander integrieren müssen: Elternteil, Kind, Lebensgefährte, Freund, Feind, Kollege, etc. Alle Rollen tragen in sich unterschiedliche Anforderungen an uns. Vom Praxisanleiter oder Ausbilder wird etwas anderes erwartet, als vom Vater oder Ehemann. Klingt logisch, oder?

Dennoch wirken diese unterschiedlichen Rollen aufeinander; immerhin sind sie alle gleichzeitig ein Teil von uns, der zu gewissen Zeiten rausgeholt und präsentiert wird. Das heißt, Handlungsmuster einer Rolle können durchaus auf eine andere Rolle überstrahlen und diese so modifizieren. Oft geschieht das unbewusst und solche Muster, die sich in all unseren Rollen wiederfinden, sind hoch integrierende Bestandteile unserer Persönlichkeit. Manchmal ist es eine charmante Macke, die zu einem persönlichen Kennzeichen wird; manchmal eine Handlungsressource (wie etwa Ordnungssinn), die uns sogar hilft, unseren Alltag besser zu bestreiten.

Gehen wir mit unseren Rollen allerdings zu bewusst um – d.h. „spielen“ wir eine Rolle bewusst aus – kommen wir vermutlich als wenig authentisch rüber. Sind wir einfach nur wir selbst, geben wir uns u.U. gegenüber unseren Mitmenschen der Lächerlichkeit preis, oder machen uns durch den hohen Grad an Selbstoffenbarung angreifbar für jene, die Schwächen ihrer Mitmenschen gerne ausnutzen. Psychopathologisch betrachtet sind solche Menschen, die ihre Stärke aus der Schwäche anderer ziehen wollen oder müssen, natürlich eigentlich die schwächeren Menschen…

Mich persönlich treibt, mit Blick auf diese Gedankengänge die Frage um, wie ich auf jene Menschen wirke, die mir zur Ausbildung/Betreuung anvertraut sind. Sieht man sich das Auftreten der sogenannten Generation Z an, aus der sich mittlerweile fast alle Azubis in meinem Berufsfeld rekrutieren, so stelle ich fest, dass die jungen Leute sich ihres Marktwertes besser bewusst sind, das auch einsetzen und insgesamt häufig fordernder gegenüber ihren Ausbildern und dem Betrieb sind. Das lässt Menschen meiner Generation (der Definition nach Generation X) oft ratlos zurück. Ich wurde von meinem Vater mit Arbeit als Wert an sich vertraut gemacht und lebe das bis heute. Es ist quasi teil meiner professionellen DNA. Doch diese jungen Menschen fragen – ohne dass ich das hier bewerten möchte – zunächst, was der Betrieb für sie tun kann. In meiner Generation wurde dieses Frage noch umgekehrt gestellt. Und so gut wie alle Entscheider, die ich kenne, stammen ebenso aus meiner Generation. Was zu Konflikten führen kann…

Denn einerseits bin ich natürlich aufgerufen , „ihnen etwas beizubringen“ (wer weiß, dass ich konstruktivistisch denke, dem wird klar sein, dass „etwas beibringen“ eine vollkommen verkehrte Vorstellung von Lernen ist); andererseits ist Berufsbildung immer auch, ein Stück weit, Persönlichkeitsbildung. Und der Generation-Gap stellt manchmal einen nebligen Ozean dar, auf dem sich’s nur schwer navigieren lässt. Denn natürlich muss jeder, neben den universellen, unverhandelbaren Werten (wie etwa den Menschenrechten), die ich natürlich auch beim Unterrichten vertrete, seinen eigenen moralischen Kodex entwickeln. Sie dabei zu unterstützen, ist eine meiner Aufgaben. Und keine leichte…

An dieser Stelle sei angefügt, dass ich keinen weltanschaulichen Unterricht mache. Politik, Ethnie und Religion haben keinen Platz, wenn man Notfallsanitäter ausbildet, weil diese Dinge keinen Platz im Rettungswagen haben. Vor den Naturgewalten und dem Rettungsdienst sind alle Menschen gleich. Ich will lediglich, dass meine Azubis in der Lage sind, sich stets eine informierte Meinung zu bilden.

Also versuche ich, sie zur Selbstreflexion zu führen. Mal mehr, mal weniger erfolgreich. Aber nun wird hoffentlich klar, das Selbstzweifel sowohl ein alltägliches, als auch ein Meta-Problem meiner Arbeit darstellen. Denn im trüben Wasser der fortlaufenden Entwicklung des Berufsfeldes Rettungsdienst, sowie der Gesellschaft und ihrer Kultur, in die es eingebettet ist fischen zu müssen, ist für mich selbst gleichsam ein Lehr- und Lernprozess. Dabei tagtäglich sozial adäquat, fachlich korrekt und Bedürfnis-orientiert zu handeln, ist eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle, denn ich empfinde dabei durchaus Erfüllung. Allerdings ist nicht immer ganz klar, ob ich im jeweiligen Subjekt meines Tuns Lehre oder Leere erzeuge. Aber ich versuch’s weiter. In diesem Sinne, noch ’n schönen Tag.

Auch zum Hören…

Krieg, Kommerz, Kunst oder Krempel?

Podcasting. Man setzt sich vor ein Mikrofon und spricht hinein. Digitales Equipment, das viele Menschen sowieso zu Hause stehen haben (Desktop-Rechner, Laptop, Convertible, Tablet, grad egal) besorgt die Aufzeichnung und für lau, bzw. wirklich schmales Geld zu mietender Webspace dient als Plattform zur Verteilung der Inhalte. Das gibt’s schon seit bald 20 Jahren, ich selbst mache das seit ca. 2007. Mal mehr, mal weniger intensiv. Momentan nutze ich selbst Podcasting nur als komplementäres Angebot im Rahmen dieses Blogs. Sozusagen als „Hör-Blog to go“. So war es eigentlich ursprünglich auch gedacht, allerdings ohne die lesbare Variante.

Nun kommt Bewegung in das Thema, weil es Media-Plattformen gibt, die Geld in die Szene pumpen. Es geht darum, auch dieses publizistische Phänomen, das Soziologen lange als ein möglicher Beweis der Long-Tail-Theory galt, zu monetarisieren. Weil man nun mal mit allem Kohle machen können muss. Der verfickte Mamon regiert unsere Welt. Wie ich dazu stehe, muss ich vermutlich nicht erklären. Allerdings gehen mir dazu ein paar Gedanken durch den Kopf, mit denen ich nicht hinter dem Berg halten möchte.

Für mich hatten Bloggen und Podcasten immer was mit der Demokratisierung der Medienlandschaft durch das Internet zu tun. Natürlich ist das politologisch und soziologisch gesehen eine Sichtweise, die deutlich zu kurz greift. Wie Evgeny Morozov in seinem viel beachteten Buch „The Net Delusion“ schreibt, ist die Chance, im Internet zu publizieren für sich betrachtet schön, aber kein Selbstläufer, der zu mehr Freiheit, Demokratie oder Liberalismus führen würde. Einerseits, weil Vertreter unterschiedlichster Interessen die Weiten des Netzes nutzen können, um ihre Agenda voranzutreiben. Man denke dabei z.B. an Breitbart News. Zum Anderen bedeutet, eine Meinung zu haben und diese öffentlich vertreten zu können noch lange nicht, das diese deshalb automatisch legitim, fundiert oder gar relevant wäre.

Diese Ausführungen im Hinterkopf erscheinen soziale Medien gar nicht mehr so sozial. Öffentliche Meinung ist etwas, dass man gezielt manipulieren kann. Die Meinungen darüber, ob das legitim im Sinne des Erhalts einer Gesellschaft und ihrer Kultur ist, gehen weit auseinander. Am einen Ende stehen jene, die eine auf frei verfügbaren Informationen fußende öffentliche Meinung für gefährlich halten. Walter Lippmann legte dazu 1922 in seinem Buch „Public Opinion“ eine mögliche Blaupause dar, die von autokratisch orientierten Kräften auch heute noch gerne genutzt wird. Edward S. Herman und Noam Chomsky haben die Wirksamkeit solcher Prozesse 1988 in ihrem Buch „Manufacturing Consent“ in erster Linie beschrieben, um solche verdeckt ablaufenden Prozesse entkräften zu können. Ich empfehle, beide im englischen Original zu lesen. Fakt ist, dass die Zahl der Markteilnehmer, die auf solche Art ihre Ziele verfolgen, durch die Medienformen Blog, Podcast und Vodcast exponentiell zugenommen hat. Ob zum Guten oder zum Bösen, muss sich erst noch entscheiden.

Dennoch darf man getrost davon ausgehen, dass die Auswirkungen, welche das Netz auf Teilhabe-Prozesse in Gesellschaften hat, noch lange nicht erkannt werden können. Die Analysen rings um den Cambridge-Analytica-Skandal z.B. sind nicht ansatzweise abgeschlossen und das Rätsel, ob die damals abgeschöpften Daten tatsächlich zur Wahl Donald Trumps beigetragen haben, wird wahrscheinlich erst irgendwann gelöst werden können. Realistischerweise werden wir erst in ein paar Jahrzehnten wirklich verstehen, was im Moment in den sozialen Medien gerade passiert. Zum einen, weil die Dynamik der Entstehung öffentlicher Meinung Walter Lippmann und auch andere, spätere Theoretiker mittlerweile in ihrer Wucht lügen straft. Und weil die Psyche des Menschen, aller Forschung zum Trotze in vielerlei Hinsicht immer noch eine Black Box ist, deren Inhalt wir oft nur schätzen können.

Was nun das Bloggen und Podcasten angeht: etwas realistische Selbsteinschätzung tut jedem gut. Was ich hier veröffentliche, ist selbst in einem guten Monat maximal ein Nischenprodukt. Nicht, weil ich hier dauernd vollkommenen Blödsinn von mir gebe – was von Fall zu Fall möglich sein mag – sondern, weil die Aufmerksamkeit an sich eine sehr wankelmütige Geliebte ist. Zu viele Angebote stürmen tagtäglich auf unsere Sinne ein und lassen unser ARAS allzu oft rat- und rastlos zurück. Steigt vielleicht deshalb die Zahl der Krankenfehltage auf Grund psychiatrischer Erkrankungen nach wie vor stark an? Ich weiß es nicht, aber von der Hand zu weisen ist der Gedanke wohl kaum. In jedem Fall konkurriere ich mit vielen anderen Angeboten, von denen – ein wenig Arroganz gestatte ich mir dann doch – so manches deutlich zweifelhafter ist, als meines. Vermutlich denkt so manch anderer das auch von seinem eigenen.

Jetzt diese Domäne des Self-Publishing mit Kommerz fluten zu wollen, macht mich dennoch ehrlich gesagt wütend. Wieder wird ein Bereich des Webs, in dem man mit etwas Geduld durchaus hochwertige, interessante und relevante Nischenpublikationen finden kann zugekleistert mit kommerzieller Kacke. Womöglich muss ich dann solche Gruselfiguren wie Mario Barth als Blogger erleben? Reicht es nicht, dass sich mit Seiten wie „Tichys Einblick“ schon die Faschos in die Blogospäre trauen? Muss ich dann auch noch irgendwelche sendungsbewussten Schwachmaten und Möchtegern-Komiker ertragen?

Schaut euch den Fußball an. Das große Geld macht ihn seit Jahrzehnten immer kaputter. Wird beim Bloggen auch nicht lange dauern. Spätestens, wenn jetzt irgendeines von diesen chronisch überbewerteten, nur am Börsengang orientierten Start-Ups daher kommt und Hektoliterweise Gehirn-Jauche ins Netz pumpt; schön dekoriert als „authentische Blogs von echten Menschen“. Wohin auch immer der Zug fährt – ich bleib noch ’ne Weile hier und mach mein Ding. Vielleicht ziehen die Zecken irgendwann weiter und fahren woanders das nächste große Ding für ihre Konten. C U!

Auch zum Hören…

Was war heute noch…?

Tag der deutschen Einheit. Feiertag. Irgendwelche – selbst gefühlt wichtigen -Menschen schwingen Reden über das Tun, das Lassen, das Müssen, das Dürfen; über Klima und Greta, über Flucht und Merkel, über alles Mögliche und vor allem das Unmögliche, weil angeblich nicht bezahlbare – nur nicht über die Menschen, denen zu dienen diese Volksvertreter eigentlich aufgerufen wären.

Dies wird mitnichten eine Hassrede über unsere Politiker. Das überlasse ich gerne den Faschisten, den Nazis, den Ewiggestrigen, die wie ein Herbststurm über unser Land gekommen sind und sich berufen fühlen, alles nieder zu reißen, was Generationen vor ihnen aufzubauen vermochten. Denn diese Randfiguren der Globalisierung werden kein Vermächtnis erschaffen, dass zu erinnern auch nur eine Sekunde wert wäre. Ebenso wenig, wie ihre Nazi-Vorbilder. Wenn noch einmal einer von Autobahnen anfängt, vergesse ich mich öffentlich und gewalttätig…

Nein! Dies ist der Ausdruck tief empfundener Scham über den Zustand unserer Nation. Über Menschen, die nicht mehr zu einander finden, weil Dogmen schwerer wiegen, als Menschlichkeit. Über die idiotische Journaille, die den Faschisten nach dem Maul redet, weil sie Scheu vor einer Konfrontation haben. Als wenn man neo-faschistische Knallchargen wie Gauland (der Name ist offensichtlich Programm), Höcke und Bierlein auch nur im Ansatz programmatisch oder inhaltlich ernst nehmen könnte? Diese Menschoiden faseln vom vierten Reich und sogenannte Reporter sagen „Ja, diese Bedenken muss man ernst nehmen…“. Bitte? Geht’s noch?

Ferner empfinde ich Scham über mich selbst. Zu lange habe ich gedacht, dass man diesen Menschen zuhören, ihre Ängste verstehen lernen muss; dass es einen Weg gibt, ihnen zu helfen, ihre Chancen auf Teilhabe wieder auf wirklich demokratische Weise wahrnehmen zu können. Was für ein Narr ich doch war! Die wollen Feuer. Also werden sie von mir Feuer bekommen. Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn mehr, zwischen Menschen zu unterscheiden, die von wahrhaft neofaschistischer Gesinnung sind und denen, die einfach nur nach einfachen Lösungen für die komplexen Probleme unserer Zeit suchen. Denn es macht am Ende keinen Unterschied, auf wessen Schultern die nächste Machtergreifung stattfindet.

Ich bin Sozialdemokrat! Einer, der immer wieder an den neoliberalen Vollidioten wie Scholz verzweifelt, die in der CSU programmatisch zweifellos besser aufgehoben wären. Und ich habe es satt, dass in Diskussionsrunden des öffentlich-rechtlichen Fernsehens Menschen ihren Geifer verspritzen dürfen, deren einziges Programm darin besteht, alles zu hassen, was ihnen fremd vorkommt und was sie nicht verstehen können. Und wenn man die öffentlich demonstrierte Blödheit und Indolenz Alexander Gaulands und die Unverschämtheit Björn Höckes in Betracht zieht, verstehen die aber auch gar nix. Wie man solche Vollpfosten wählen kann, die ein Parteiprogramm voller noch neoliberalerem und kosnservativerem Nonsens geschrieben haben, als man das von der CSU gewöhnt ist, verstehe ich bei allem gutem Willen nicht mehr.

Tag der deutschen Einheit? Ein Fanal ist dieser Tag. Eine gottverdammte Schande für jeden, der nicht aufsteht und den Faschisten die Stirn bietet. Irgend jemand schrieb in der Kommentarspalte eines Zeitartikels dieser Tage, dass es falsch sei, wenn man den Faschisten keine Bühne biete, immerhin hätten wir die freie Meinungsäußerung in den Grundrechten verbrieft. Was er dabei übersieht ist der Umstand, dass die AfD-Faschisten auf dieses Grundrecht pochen, jedoch selbst nur wenig davon halten, wenn es gegen sie selbst eingesetzt wird. Wer immer noch nicht begriffen hat, dass diese AfD keine bürgerlich-konservative Partei ist, sondern ein Sammelbecken für Nazis, Rassisten, Identitäre, Reichsbürger und was weiß ich noch alles, dem kann ich leider nur schweren Realitätsverlust attestieren.

Facebook-Entfreunden werde ich solche Leute trotzdem nicht. Da wo Faschos Hetze präsentieren, kriegen sie von mir Contra. Und witziger Weise verschwinden sie nach kurzem Schlagabtausch zumeist und suchen sich andere Orte, an denen sich ungestörter Hetzen lässt. Um es mit Alexander Gaulands unsterblichen Worten zu sagen: Lasst sie uns jagen, wo immer der Faschos hässliche Fratze sich zeigt. Treibt sie zurück in ihre Löcher und überlasst ihnen nicht die Öffentlichkeit. Die sind nicht das Volk – die sind einfach nur traurige, hasserfüllte Gestalten, denen es den Raum zu nehmen gilt. Wer sich bemüssigt fühlt, mir zu helfen, oder dies zu teilen: ich habe keine Angst vor Menschen, die – wie Höcke – armselig mit Konsequenzen drohen, die eintreten, wenn sie dann endlich an der Macht sind. Die haben keine Ahnung, worauf sie sich einlassen, denn sie werden die Macht nie erringen, wenn wir das verhindern. Gemeinsam! Schaffen wir das, können wir auch wieder stolz erhobenen Hauptes die „deutsche Einheit“ feiern…

Auch zum Hören…