META, Baby…!

Ich lebe im Moment in einer Welt, in der die Perspektive ständig wechselt. Das liegt nicht etwa am Einsatz bewußtseinserweiternder Mittel, hoher Reisegeschwindigkeit, oder etwa übergebühr hohem Medienkonsum, sondern daran, dass ich als Ausbilder für Ausbilder gefordert bin! Jede Person, die dazu aufgerufen ist, anderen etwas vermitteln zu wollen (oder zu müssen?), steht häufiger vor dem Problem, die eigenen Befindlichkeiten, Ideen, Überzeugungen und Wissensbestände hinterfragen zu müssen. Man kann das natürlich auch sein lassen, und einfach seine unhinterfragten Dogmen raushauen – dann wird’s halt oft Kacke. Denn so, wie sich die Welt ändert – was wir als gültigen Allgemeinplatz einfach mal stehen lassen dürfen – ändern sich auch die Bedingungen, zu denen das Leben so ganz allgemein stattfindet. Insbesondere im hochsensiblen Feld der Pädagogik. Wir arbeiten, wie die meisten anderen Wissenschaften auch, stets mit dem Vorläufigen; also Theorien, die auf Erkenntnissen basieren, die immer so lange als nicht widerlegt gelten, bis jemand bessere Erkenntnisse findet. (wer sich für eine Betractung hierzu interessiert: Thomas S. Kuhn, „The structure of scientific revolutions.“).

Es ist diese zwangsläufige Vorläufigkeit, die viele Menschen irritiert und dazu führt, dass man verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen immer wieder unterstellt, dass sie ja gar kein praktisch verwertbares Wissen produzieren würden. Das ist jedoch nicht wahr. Unsere ganze Existenz basiert auf Vorläufigkeiten – oder weiß irgendjemand da draußen zufällig genau, was morgen um 12:47:33 Ortszeit in Tokio passieren wird? Die Zukunft bleibt, allem Bemühen zum Trotze, eine ständige Unbekannte, die sich erst in dem Moment da sie passiert ist, in ein Gegebenes verwandelt hat. Manchmal mit, sehr viel öfter jedoch ohne unser Zutun. Unsere kleinen Affengehirne kommen anscheinend mit dieser Ambivalenz, Ambiguität, Unsicherheit, überhaupt mit dem DAZWISCHEN aber gar nicht gut klar! Weshalb wir immerzu nach sofort verfügbaren, möglichst einfachen, möglichst sicheren Lösungen und Plänen verlangen. Aber für das UNSICHERE gibt es keine Blaupause, für die Zukunft keinen alle Eventualitäten berücksichtigenden Plan, der uns sanft und sicher ans Ziel führt. Mal davon abgesehen, dass individuelle Ziele sich erheblich unterscheiden…

Es bedurfte in meinem Fall einiger Jahrzehnte, um dieses Maß an Einsicht und gelegentlich mittlerweile sogar Gelassenheit im Angesicht der undurchschaubaren Grenze der nächsten Sekunde zu erlangen. Was nichts über die Fähigkeit Anderer hierzu aussagt, denn diese Aussage ist ja nur anekdotische Evidenz. Wenn ich mich jedoch umsehe in den Debatten unserer Zeit, gleich auf welchem gesellschaftlichen Feld, dann komme ich nicht umhin, einen eklatanten Mangel an Einsicht in die eben ausgeführten Sachverhalte erkennen zu können. Und in einigen Fällen würde ich sogar ein bewusstes Ignorieren zum Vorantreiben der eigenen Agenda unterstellen wollen. Denn jede Menge Menschen da draußen, die den Wunsch nach der einfachen Antwort offenkundig instrumentalisieren, haben sowohl den Intellekt als auch die Fähigkeiten, zu den gleichen Schlüssen zu kommen, wie ich! Neurechte Vordenker und Agitatoren zum Beispiel. Aber das trifft eigentlich auf Vertreter jeder Himmelsrichtung im politischen Spektrum zu…

Wenn man aus der isometrischen Draufsicht wie beim guten alten Diablo auf die Sache blickt – also die Meta-Perspektive einnimmt, wie man heute so schön sagt – stellt man fest, dass man selbst seinen Ansprüchen auch nicht annähernd so oft gerecht wird, wie man sich das gerne erzählt. Das unbewusste Streben nach einer positiven Erzählung des eigenen Selbst steht uns beim Erreichen des hehren Zieles SELBSTREFLEXION also ziemlich oft im Weg. Man könnte sich jetzt also dazu hinreißen lassen, aus diesem Grunde die virtuelle Flinte ins Korn zu werfen, und mit einem metaphorischen Schulterzucken in die couchige Komfortzone der selbstgebauten Illusion von Sicherheit und Beständigkeit zurückkehren, um Wandel, der sich als automatisches Ergebnis des komplexen Systems „Menschheit“ ergibt immer und immer wieder als Bedrohung zu interpretieren – mit dem Ergebnis, dass man entweder zum Nazi wird, in Schockstarre verharrt oder der Depression anheimfällt. Das ist mir als Lösung aber zu billig: Depression kenne ich schon aus eigener Anschauung und habe keinen Bock mehr darauf. Schockstarre widerspricht 100% meinem Selbstbild als Macher und Problemlöser! Und Nazis sind und bleiben für immerdar Scheiße!

Also krieche ich einmal mehr mit Mühe auf die Meta-Ebene und schaue mir in einem selbstgefälligen Anfall von Masochismus jene Dinge an, die ich in den letzten Wochen so verzapft habe. Zum Kritisieren findet man natürlich immer was; hier hätte man schneller, dort ein wenig präziser und obenrum ein bisschen feinfühliger sein können. Aber ich bin jetzt an dem Punkt zu sagen, dass 70% für die nächste Zeit reichen müssen. Und gönne mir, weil das auch mal sein muss, einen arroganten Spruch dazu: MEINE 70% müssen andere erst Mal erreichen! In diesem Sinne wünsche ich allen ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°44 – Wege durch unser Gehirn

Kreativtechniken. Der Begriff suggeriert, dass jedes Wesen nur bestimmte Methoden braucht, um Wunderbares vollbringen zu können. Das ist natürlich eine Illusion, denn genausowenig, wie einen Yoga ohne das richtige Mindset gelassener, oder geringerer Alkoholkonsum automatisch zu einem besseren Menschen macht, genügt es natürlich NICHT, einer Anleitung aus dem Netz der Netze zu folgen, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Zumal derlei Heilsversprechen meist von der unheiligen Idee beseelt sind, dass wir alle unbedingt effektiver, produktiver, gesünder, gelassener, gewasmanwillter werden MÜSSTEN. Nur um uns dann – getreu Bukowski – noch etwas mehr abstrampeln zu können, um für jemand anderes einen Haufen Geld zu verdienen. Denn das ist es doch, worum es im Kern solcher Ratgeber immer geht – wirtschaftliche Leistung. Alles ist dem Primat des Gottes Mamon unterworfen. Erst haben wir uns säkularisiert, um das Joch der Ausnutzung durch die organisierte Kirche abwerfen zu können, die jahrhundertelang Macht absorbviert hat. Und dann haben wir diese Macht Menschen übertragen, die lediglich an etwas andere Formen von Ausnutzung glauben – Geld.

Im Grunde ist es vollkommen egal, welche der vielen Techniken zur Ausnutzung meines kreativen Problemlösungspotentials ich nutze; sofern ich die Früchte dieser Arbeit mir selbst zukommen lassen kann. Denn viel zu oft stehen das erzielte individuelle Salär, und was ein beliebiger Arbeitgeber mit der Leistung seiner Mitarbeiter erwirtschaften kann, in keinem Verhältnis zueinander. Oder aber, es wird schlicht kein Nutzen für die Menschen, oder sogar für die Gesellschaft als Ganzes hergestellt, sondern lediglich totes Fiatgeld Anderer gemehrt, die damit sehr lebendig um sich werfen. Aber das ist nur die (meine) halbe Wahrheit. Denn es gibt sehr wohl Aufgaben, die Kreativität fordern (und folglich auch Techniken benötigen, um diese Kreativität zu fördern), für die sich aus meiner Sicht die Anstrengung lohnt, und bei denen ich bereit bin, meine Energie zu teilen. Anderfalls wäre ich im Bereich (berufliche) Bildung im Gesundheitswesen vermutlich vollkommen falsch unterwegs.

Ich bilde im Moment wieder Praxisanleiter aus. Diese Woche habe ich sie in Prozesse eingeführt, die einem helfen, Lernaufgaben und Lerner zu analysieren, um halbwegs zielgenau zu den richtigen Unterrichtsabläufen und Methoden zu kommen; ich habe sie diese Methoden auch clustern lassen, um sich einen Überblick über die Möglichkeiten zu verschaffen. Und ganz Meta ihren Blick für das eigene Tun geschärft. Denn wenn Ausbilder, neben Kreativität, eines wirklich jeden Tag brauchen, ist das ein reflektierter Umgang mit den eigenen Vorstellungen, Ideen, Bedürnissen und Schwächen. Vor jedem Lehr-/Lern-Prozess steht die Selbstreflexion des Pädagogen! Ausbilder ausbilden zu müssen, ist die Königsklasse, die Formel 1 der Erwachsenenbildung; denn hier geht es zuvorderst um die (teilweise unbewussten) Vorstellungen, Einstellungen und auch Dogmen, die wir alle mit uns herumtragen. Und die den hochsensiblen Prozess des Ermöglichens, den Verfechter der konstruktivistischen Pädagogik zu inszenieren versuchen manchmal nicht nur negativ beeinflussen, sondern glatt verhindern.

Das Problem dabei ist, dass wir immer unsere Biographie mit in den Lehrsaal bringen. Und damit eine Menge Ballast, den abzuwerfen alles andere als leicht ist. Denn eine weitere Binse der konstruktivistischen Pädagogik ist, dass ICH andere Menschen nicht ändern kann! Ich kann ihnen nur den Spiegel vorhalten und hoffen, dass sie im Prozess ihre eigenen Problemstellen finden lernen. Prinzipiell können allerdings wesentlich mehr Menschen mit der richtigen Anleitung und Einstellung pädagogisch tätig werden, als man das auf den ersten Blick meinen wollen würde. Dazu bedarf es allerdings einerseits eines humanistisch-positiven Menschenbildes (und das sage ausgerechnet ich… 😉 ) und andererseits der richtigen mentalen Karten, um sich in seinem eigenen Kopf zurecht finden zu können. Beides kann man erwerben – nur nicht jeder Mensch gleich schnell und/oder gleich gut. Und Manche können das gar nicht… So oder so genügt es nicht, mal eben eine Mindmap hinzuschmieren und zu glauben, dann wüsste man Bescheid. Solche Prozesse brauchen Tiefe und Zeit. Womit wir wieder beim Gott Mamon wären. Denn Zeit ist, einem nach wie vor populären Slogan zufolge, Geld! Doch wann immer ich für Ressourcen kämpfe, sei es Zeit, Raum, Ausstattung, so renne ich an die Wand der „Wirtschaftlichkeitsberechnung“. Und jedes Mal, wenn ich meine pädagogischen Ansprüche auf diese Wand schreibe und mich selbst in der seltsamen Spiegelung betrachte, merke ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieser Selbstbetrug auffliegt. Denn es gibt KEINEN goldenen Mittelweg zwischen pädagogischer Qualität und wirtschaftlichem Sachzwang. Dieser Kompromiss bleibt immer ein fauler!

Auch als Podcast…

The weather outside is frightful…

Ich wähne mich fast immer einen wenig sentimentalen Menschen. Das ist natürlich falsch, denn es gibt sehr wohl Reize, die mich in besonderem Maße emotional triggern, so wie das bei fast jedem Anderen auch der Fall ist; man merkt es mir nur vielleicht nicht ganz so oft an, wenn ich das nicht möchte. Und natürlich hängt es vom jeweiligen sozialen Setting ab, was ich rauslasse und was nicht. Ich habe die Tage – einmal mehr – über Rollenübernahme nach George Herbert Mead gesprochen und dabei einen Vortragsstil gewählt, den ich schon öfter benutzt hatte, bin dieses Mal jedoch an einigen Stellen auf Grund des Zuhöhererkreises ein wenig tiefer eingestiegen. Dabei ist mir aufgefallen, dass es von den Dingen, die ich nicht explizit im Giftschrank meiner Seele eingeschlossen habe, nur Weniges gibt, womit ich hinsichtlich des Teilens mit Anderen ein Problem habe. Natürlich ist der Prozess dennoch selektiv, und ich erzähle gewiss nicht jedem Newbie im Arbeitsumfeld sogleich meine ganze Lebensgeschichte. Aber es wirft für mich eine Frage auf, die mich ein wenig unruhig macht: wenn ich manchmal schon Musik nutzen muss, um meine aufgestauten Emotionen rauslassen zu können, was ist dann da unten noch alles weggeschlossen?

Und dann ging ich gestern Abend nach einem Essen beim Italiener mit meiner besten Ehefrau von allen durch das Schneetreiben zurück nach Hause! Für unsere Gegend ein, in den letzten Jahren langsam seltener werdendes Ereignis, dass für mich jedoch immer ein Throwback in glücklichere Tage meiner Kindheit bedeutet. Eine Zeit, als ich die Last von Verantwortung und Verpflichtungen noch nicht kennengelernt hatte. Während meine Frau vor allem darüber besorgt war, wer am nächsten Morgen den Gehsteig würde räumen müssen, empfand ich einfach nur Freude. Denn für mich war es ein perfekter Abschluss eines schönen Abends, der quasi als Entschädigung für eine lange und anstrengende Arbeitswoche herhalten musste, in welcher die Zahl der aktuellen Probleme einmal mehr tendenziell eher zu- anstatt abgenommen hatte. Dieser Umstand macht manchmal zwangsweise aus meinem Herzen eine Mördergrube, weil ich eben nicht ALLES, was mich umtreibt zwanglos mit jemand anders diskutieren kann bzw. darf. Und da sind solche Momente, in denen die Sorgen kurz davontreiben dürfen, wie die Schneeflocken im Wind höchst kostbar und daher willkommen. Die Tatsache, dass ich dann heute Morgen den Gehssteig geräumt habe, tat dem keinen wirklichen Abbruch. Ich betrachte diese Wahrnehmung übrigens als Beweis, dass es im zuvor erwähnten Seelen-Giftschrank doch nicht ganz so schlimm aussehen kann, wenn etwas so einfaches und doch rätselhaftes wie Schnee mich glücklich machen kann. Was mich am meisten fasziniert, ist der akkustische Dämpfungseffekt. Die ganze Welt ringsum klingt irgendwie „eingepackt“ und damit weit weg, wenn Schnee in nennenswerter Menge irgendwo liegen bleibt. Ich interpretiere es so, dass dieses reduzierte Hören ein „Weit-weg“-Gefühl aufkommen lässt. Und seien wir doch mal ehrlich: wir alle wollen ab und zu einfach nur weit weg von alledem, was uns hier auf Trab, im Stress, zu beschäftigt zum leben hält – oder…?

Mittlerweile nutzen auch die Kinder den Wetterumschwung, und ich hänge wieder meinen Gedanken nach. Wie immer wollen einige Dinge erledigt, andere für die nächste Woche geplant werden, weil Bildungsarbeit oft kein Wochenende kennt. Aber just jetzt, wo ich die Bilder von gestern Abend noch einmal gesehen habe, ist der Entschluss gereift, dass ich das alles auch noch morgen tun kann. [Eine Anmerkung am Rande: ich bin wirklich positiv beeindruckt von der Qualität meiner Handycam! Die kommt natürlich in vielerlei Hinsicht nicht an die Abbildungsleistung meiner OMD heran, aber im Vergleich zu vor einigen Jahren kann man jetzt selbst im Dunkeln ganz achtbare Bilder machen.] Der Blick aus meinem Fenster offenbart immer noch ein Winterwonderland, dass mich lächeln lässt. Ich weiß gar nicht, warum dass so ist – und es ist auch vollkommen gleichgültig. Hauptsache, das gute Gefühl darf noch ein bisschen bleiben. Denn selbst mein eben erst abgelaufener Urlaub über Weihnachten und Sylvester konnte keine solche Stimmung zaubern, und ich will sie behalten! Natürlich wird die weiße Pracht angesichts der Örtlichkeit dank steigender Temperaturen bald verschwunden sein. Doch vielleicht konnten meine Lieben und ich bis dahin ein bisschen Winter tanken. So seltsam das auch klingen mag, gerade jetzt, brauchen wir das. Ich wünsche jedenfalls allen, die Schnee nicht mögen viel Langmut – und allen anderen ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°48 – Lizensiert…?

Es gibt so eine ungeschriebene Konvention, dass sich bestimmte Genres, bzw. bestimmte Settings nur mit den dafür vorgesehenen Regelwerken realisieren ließen. Wir wollen zur Abwechslung mal Vampire? Kein Thema, White Wolf hat da was im Angebot! Wir suchen nach der detailliertest möglichen Fantasy-Spielumgebung? Hey, gab’s da nicht DSA? Cyberpunk ist uns ohne Magie und Metamenschen zu öde? Auf auf, zum Schattenlauf! Das ließe sich jetzt sicher noch eine Weile fortführen, wenn ich Menschen langweilen wollte. Worauf’s hinausläuft ist Folgendes: allzu leicht mache ich im Hobbyumfeld das Ausleben MEINER Phantasie, MEINER Kreativität, MEINER schrägen Träume abhängig von der Verfügbarkeit eines Konsumproduktes. Denn hey, sorry falls ich da Illusionen zerstöre, jene Verlage, die Rollenspiel-Regelwerke herstellen und vertreiben, wollen damit Geld verdienen! Das ist eine Industrie. Und spätestens seit DnD 5E dank der verstärkten Präsenz von Pen’n’Paper in den Mainstream-Medien boomt (siehe etwa ab 2016 „Stranger Things“), läuft das Geschäft wohl ganz gut.

Das führte in den vergangenen 20+ Jahren durch die sogenannte Open-Gaming-License 1.0 (gibt’s seit Edition 3) von Wizzards of the Coast (dem Hersteller von DnD) dazu, dass im Windschatten von DnD andere, artverwandte Regelwerke entstanden sind, welche sich der grundlegenden Spielmechaniken von DnD bedienen, aber eigenständig funktionieren – und für ihre jeweiligen Autoren Geld verdienen dürfen. Gleiches gilt für verschiedene Komplementär-Produkte wie Bücher, Magazine, You-Tube-Kanäle, Patreons und Anderes, bei denen das Geschäftsmodell auf der eben erwähnten OGL 1.0 basiert – die WOTC jetzt vermutlich durch eine neue Version ersetzen wird, die – wenn man den geleakten Dokumenten glauben möchte – faktisch die Arbeit all dieser Fans zu deren Eigentum machen würde. Zumindest wird das gerade befürchtet. Es gibt den einen oder anderen You-Tube-Kanal, dem ich folge, weil ich mich für Rollenspiel nun mal interessiere, und vieles, was in DnD wahr ist auch in anderen Regelwerken gilt; und zwar vollkommen unabhängig von den regelmechnischen Aspekten. Und die könnten nun alle verschwinden…

Wenn ich sage, dass ich das traurig finde, geht es mir natürlich auch um den Umstand, dass man da ein paar Menschen ohne größere Not einfach mal die Lebensgrundlage killt. Vor allem aber führt es einem drastisch vor Augen, dass selbst ein – immer noch – relatives Nischenhobby nicht davor gefeit ist, auf Teufel komm raus monetarisiert werden zu müssen. Dass ist, was ich meinte, als ich eingangs vom sich-abhängig-machen von Konsum-Produkten sprach. Es ergeben sich immer Auswirkungen auf das Tun und Lassen der jeweiligen Fanbase, wenn es zu wirtschaftlich motivierten Verwerfungen im Kosmos eines bestimmten Franchises kommt; und da ist es vollkommen egal, ob sich’s dabei um diese neue, geile Serie auf Flix, Prime oder Plus handelt, oder eben um das favorisierte Pen’n’Paper-Regelwerk.

Vor diesem Hintergrund bin ich dann doch ganz froh, dass ich in den letzten 25 Jahren ein eigenes Regelwerk entwickelt und gepflegt habe, dass mit Costum-Anpassungen an verschiedene Settings und mehreren zeitgleich gespielten Kampagnen zwar nur einem sehr kleinen Personenkreis bekannt ist – dafür aber nix extra kostet, außer Zeit und Ideen. Und das natürlich an den in meinen Runden vorherrschenden Style of Play angepasst ist. Wir probieren immer mal wieder etwas kommerzielles aus und natürlich stehen in meinem Regal auch verschiedene Systeme aus den letzten 30 Jahren, die selbstverständlich hier und da als Inspiration herhalten mussten. Und ich lasse mich auch gerne mal vom Zauber eines anderen Regelwerkes einfagen. Aber zumeist bleibt der Schuster bei seinen Leisten. Und ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass – sollte jemals jemand diese Regeln nutzen wollen – ich diese ohne große Probleme zur Verfügung stellen könnte. Ich vermarkte das nur nicht, da im Homebrew-PDF nicht nur gemeinfreie Artwork drin ist. Da es aber nur zum nicht-gewerblichen Hausgebrauch genutzt wird, entsteht da kein Urheberrechtsbruch.

Wie dem auch sei; ich fände es nice, wenn sich mehr Leute ihrer eigenen Kreativität und Fantasie bemächtigen, anstatt irgendeinem offenkundig hungriger gewordenen Konzern ihre Kohle in den Rachen zu werfen. Man sollte dazu vielleicht noch wissen, dass WOTC Hasbro gehört (ja, genau die, denen z. B auch „Transformers“, „Power Rangers“ und „My little Pony“ gehören – passt ja ganz gut zusammen, oder?). Ich weiß, dass Spielleiten nicht einfach ist. Darum schreibe ich hier ja ein Ratgeberbuch, dass nix kostet. Das eigene Spielleiten wird nämlich besser, wenn man nicht nur vorgefertigte Produkte nutzt, sondern eigene Module, Abenteuer und schließlich Kampagnen entwickelt. Denn was MEIN Tisch braucht, kann irgendein Designer bei WOTC oder irgendeinem anderen Hersteller gar nicht wissen! Vielleicht schreibe ich bis zum Jubiläumspost mal ein kleines How-To-Design. Nachdem ich jetzt mal wieder zwei Runden als SL fortführen konnte, und einige spontane Einfälle hatte, ist die Energie auch wieder da. In jedem Fall wünsche ich euch eine gute Woche. Wir hören uns und bis dahin – always game on!

Auch als Podcast…

Verdient…?

Es ist so eine typische alte deutsche Unart, dass man über Geld nicht spräche. Ich meine, seien wir doch mal ehrlich: spätestens mit den explodierenden Verbraucherpreisen für fast ALLES seit Beginn des völkerrechtswidrigen Überfalls Russlands auf die Ukraine IST Geld, oder besser der Mangel daran, in der öffentlichen Wahrnehmung überall. Was wird nicht über die teilweise existenziellen Probleme vieler Menschen geschrieben, gewettert, geweint, gewünscht, gewasweißichnochallest; aber mal über das eigene Gehalt bzw. dessen Höhe zu reden – da herrscht oft Fehlanzeige. Mir ist das ehrlich gesagt Wumpe, wenn jemand mein Gehalt kennt. Ich habe kein Non-Disclosure-Agreement darüber unterschrieben. Und ich finde es problematisch, wenn man Gehaltsintransparenz als Machtinstrument zu missbrauchen versucht. Und genau das passiert. Spätestens, wenn man sein Gehalt selbst verhandeln muss, weil es keinen Tarifvertrag gibt. Aber selbst mit Tarifvertrag gibt es Spielräume, die ausgeschöpft werden können. Auf meinem eigenen Gehaltszettel stehen im Moment übrigens rund 6000,00€ Brutto/Monat + Jahressonderzahlung, die einem 13. Monatsgehalt entspricht. Das Netto bei Lohnsteuer-Klasse 3 könnt ihr euch selbst ausrechnen. Und meine Frau hat ein eigenes Einkommen. Das ist, was ich meine, wenn ich sage, unsere Familie ist existenziell abgesichert. Aber ob ich VERDIENE, was ich BEKOMME, das steht auf einem ganz anderen Blatt Papier…

Das Leben treibt manchmal seltsame Blüten…

Ich sage ja immer, dass die Kommentarspalten oft viel interessanter sind, als die eigentlichen Artikel. ZON Arbeit hat einen Aufruf veröffentlicht, dass man sich doch anonym melden könne, um mitzuteilen, ob man seinen Arbeitgeber hinsichtlich der effektiven Arbeitszeit im Home-Office belüge. Wurde heute morgen veröffentlich (es ist ja nur in wenigen Bundesländern heute gesetzl. Feiertag, so etwa in Ba-Wü, wo ich wohne). Es gibt natürlich noch keine Ergebnisse, aber in den Kommentaren tauchte dann eben auch mehrfach die Aussage auf, dass man halt tue, worauf man lustig sei, sobald die eigentliche Arbeit (also vermutlich der zugewiesene Workload) erledigt sei. Das wirft ein paar Fragen auf, die ich hier nicht abschließend beantworten kann, weil die Antworten, welche andere geben könnten sehr individuell ausfallen dürften. Also ran an die Fragen:

  • Ist diesen Leuten klar, dass es sich bei solchem Verhalten, wenn man die aktuelle Gesetzeslage in Betracht zieht in einem Festanstellungsverhältnis ggfs. um Arbeitszeit-Betrug handelt, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt? (Ich frage für einen Freund…)
  • Wie misst man individuelle Workloads? Individuelle Performance differiert nämlich teilweise erheblich. Und manche Tätigkeit ist überhaupt nur schwer zu bemessen; nämlich eigentlich nur über abgeschlossene Projektschritte, nicht über die aufgewendete Zeit.
  • Wie misst man den betrieblichen Gegenwert individueller Workloads? (Ich verweise noch mal auf das eben Gesagte).
  • Wie bewerte ich bei der Entgeltung von Home-Office den Umstand, dass ca. 30% der täglichen Büroarbeitszeit (also knapp 2,5h bezogen auf einen 8h-Tag!) NICHT für Arbeit aufgewendet werden, sondern für informelle Gespräche, Kaffeeholen, etc.?
  • Ich formuliere schärfer – ist Präsentismus tatsächlich effektiver und produktiver?
  • Wie finde ich die sogenannten Low-Performer, egal ob in Präsenz oder im Home-Office?
  • Ist eine bestimmte Bandbreite der Performanz nicht eine logische Folge natürlicher Bandbreite des Mensch-Seins; also eine Folge von Genetik, Erziehung und Sozialisation? Also mithin von Vorbedingungen, auf die man am Arbeitsplatz nur sehr bedingt Einfluss nehmen kann?
  • Und wie geht man mit solchen qua-natürlichen Divergenzen um?

Letztenendes geht es darum, immer neu einen Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finden zu müssen, was sich immer häufiger als Problem darstellt. Ich habe selbst Personalverantwortung und ich würde von mir behaupten wollen, dass ich geneigt bin, Menschen mehr als eine Chance geben zu wollen. Aber auch ich habe äußere Begrenzungen, bin Einflüssen und Vorgaben unterworfen, die ich NICHT ignorieren kann. Und muss liefern. Oft genug entstehen daraus Konflikte, die ich nicht, oder aber nur unter Schmerzen und erheblichem persönlichem Einsatz lösen kann. Und ich stelle immer häufiger fest, dass ich nicht mehr bereit bin, einfach für andere mitzuperformen, weil auch ich physische und psychische Limits habe; ich habe das vergangenes Jahr bereits mehrfach schmerzhaft aufgezeigt bekommen. Und bin jetzt an dem Punkt, dass ich mich selbst schützen werde, auch wenn das bedeutet, Menschen vor den Kopf stoßen zu müssen.

Zurück zur Eingangsfrage: Verdient, oder nicht verdient, dass ist hier die Frage des Chefs? Wenn diese so einfach zu beantworten wäre (und ich habe in meiner Fragesammlung einige Komplexe des Organisations-Managements noch überhaupt nicht berührt), gäbe es nicht jene Menschen, die sich damit wissenschaftlich und beruflich beschäftigen. Wir sind also wieder mal beim leidigen Thema „Leistungsträger“ angekommen. Und was ich dazu an anekdotischer Evidenz aus meinem Tätigkeitsbereich (HiOrgs so ganz im allgemeinen) beitragen kann, wirft die dringende Frage auf, warum so vieles noch immer so verdammt unprofessionell, wurschtig, nach Nase und Lust anstatt Sachlage gehandhabt wird; und gefühlt viel zu oft Jene mit der größten Fresse und den lautesten Eigenwerbungs-Beiträgen weiterkommen, anstatt Jene, die einerseits erstmal nur ihren Job machen, andererseits aber stets bereit sind, reflektiert auf die Zukunft zuzugehen?

Sagte ich nun, ich hätte keine Ahnung, wäre das gelogen. Denn Fakt ist, dass erfolgreiches Verhalten imitiert wird (hier als erfolgreich im Sinne von, „bringt persönliches Vorankommen!“ zu verstehen, nicht jedoch im Sinne von „bringt die Organisation und alle Beteiligten voran!“). Und so reproduziert sich an entscheidenden Stellen oft Verhalten, das mit den prominent aufgehängten Lippenbekenntnissen aus irgendwelchen Leitbildern ungefähr so viel zu tun hat, wie Hackbraten mit Atomphysik. Geht man so reflektiert auf die Zukunft zu. Nö, wieso denn – Tradition ist doch Fortschritt genug, oder? Ob ich auf einen Lottogewinn hoffe, um mal ein paar Jahre was anderes machen zu können? Ja, irgendwie schon. Mal schauen. Ab Montag ist wieder Tretmühle angesagt. Euch ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Generation WTF!

Man hört ja immer viel über Generationen und wie sie sich übereinander beschweren; dass die Einen den Anderen dies oder jenes wegnehmen würden; und immer ist irgendwie Zoff. Klingt wie ein typisches Familienfest, wenn irgend jemand mal wieder „aus Versehen“ den Nazi-Onkel eingeladen und neben das vegan-queere Lebensabschnitts-Meerschweinchen der Tochter gesetzt hat. Harmonisch geht anders. Vielleicht kann man sich mal ein bisschen entspannen, wenn man sich folgendes klarmacht: sogenannte Generationen (oder besser Alterskohorten) sind wissenschaftliche Mengenbildungskonstrukte, die man zur besseren Beschreibbarkeit komplexer sozialer Phänomene benötigt; was mitnichten bedeutet, dass jedes Mitglied einer beliebigen Generation alle (oder auch nur viele) Merkmale teilt, welche zur Beschreibung dieser Kohorte benutzt wurden. Einfacher (und etwas platter) gesagt: wir sind zuerst einfach alle nur Menschen und jedes Tierchen hat seine Pläsierchen

Ich hoffe, hier sind die Pläsierchen erfüllt…

Ich arbeite durchaus gelegentlich sozialwissenschaftlich; das bleibt als Berufspädagoge und Ausbilder für Ausbilder immer mal wieder notwendig. Und trotzdem kann ich mit vielen Zuschreibungen einfach nix anfangen. Ich z. B bin ein „white middle-aged cis-gender male“, und damit etwa aus Sicht der Feministen*innen, der woken political-correctnes-Wächter und verschiedener anderer Gruppierungen einer jener Büttel des Status Quo, welcher für ALLES aktuelle Übel der Welt Verantwortung trägt und daher geschmäht werden muss, wann immer er den Kopf zu heben beliebt. Wenigstens bin ich nicht auch noch „Boomer“, das wäre des Guten dann doch zu viel (ich gehöre übrigens zur „Generation X“). Aber was bin ich denn, wenn nicht das ETIKETT, welches man mir (und vielen Anderen) unreflektierter Weise aufzukleben beliebt? Dass ich ein Nerd bin habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten schon erwähnt. Ich habe mich der Generation X NIEMALS als typischer Vertreter zugehörig gefühlt. Selbst heute, da ich zumindest äußerlich weitestgehend das Leben eines guten altmodischen Spießers führe, habe ich mit großen Teilen meiner Generation nichts am Hut. Weil die Idioten immer noch das alte „Das haben wir aber schon immer so gemacht“-Lied singen. Ich bleibe da lieber bei meinem Nerd-Kram:

Immer wieder ernte ich für den Hinweis, dass ich Pen’n’Paper-Rollenspieler bin, ein äußerst breit gefächertes Bündel an Reaktionen. Und gelegentlich sieht man hinter der Stirn des Gegenübers auch die Frage, wie man sich als Erwachsener noch mit solchem Kinderkram beschäftigen kann? In „Stranger Things“ spielen schließlich 11jährige das. Ganz so früh habe ich zwar nicht angefangen (ich war 15), aber ja – mein Start lag auch noch in den 80ern des vergangenen Jahrhunderts. Damals hatte ich meine erste Phase mit Computerkram schon hinter mir, war ein typischer Brillenschlagen-Körpergulasch-Außenseiter-Nerd. Und auf der Suche nach etwas, dass mir mit den vielen schrägen Bildern in meinem Kopf helfen könnte. Ich würde nicht sagen, dass mir damals schon bewusst war, was Kreativität bedeutet [heute allerdings umso mehr, als ich endlich Ausdrucksformen gefunden habe, die meinem cerebralen Modus operandi auch außerhalb des Zockens entgegen kommen]...

Ich habe auch in anderen Bereichen (Nachhaltigkeit, Teamführung, Kommunikation) einiges dazugelernt, und bin immer noch damit beschäftigt. Und ich erfuhr, dass Generationen gar nicht so homogen sind, wie das durch die Medien manchmal suggeriert wird. Ein einziger Blick in die Sinus-Milieus offenbart, wie vielschichtig selbst das Innenleben einer Kohorte aussehen kann. Das Wichtigste, woran es mir aber noch deutlich fehlt, ist gegenseitiges verbales Abrüsten, also eine Normalisierung der intergenerationalen Beziehungen. NEIN, nicht alle Alten (oder Älteren) sind ignorante Deppen, die den Planeten verschwenden, GENAUSOWENIG, wie alle Jungen FfF-Anhänger sind, die aktiv nach einer nachhaltigeren Welt streben. Stereotypen haben einen, wenn es um wichtige Zusammenhänge geht, noch nie weitergebracht. Bestenfalls sind sie gelegentlich für ein Futzelchen Satire geeignet (und nicht so, wie das sinnentleerte Geheule einiger Y-ler und Z-ler in diesem Artikel auf ZON Campus; wenn es Satire wäre, könnte man es gerade noch mit einer 4 mit Arschtritt bewerten – so ist das Geschreibsel einfach nur altersdiskriminierender Dreck [Gottseidank hinter der Paywall]).

Welcher Generation ihr angehört, ist ziemlich unwichtig, denn euer Leben ist, was ihr selbst daraus macht. Seid selbst der Wandel, den ihr in der Welt sehen wollt – wundert euch aber bitte nicht, wenn andere u. U. konträre Meinungen haben und nach anderem Wandel streben. Miteinander darüber dann in Diskurs zu treten nennt man übrigens „Demokratie“. Ich wünsche euch noch einen schönen Abend und eine gediegene erste Restwoche 2023.

Auch als Podcast…

Das ist PRIVAT!

Einigen wir uns mal schnell darauf, dass unsere Privatsphäre uns in vielerlei Hinsicht vollkommen egal ist, nicht wahr? Andernfalls würden wir nicht eine Taschenwanze bei uns tragen, die uns monatlich mit minutiösen Berichten darüber irritiert, wo wir überall waren, was wir dort möglicherweise getan haben (die beste Ehefrau von allen und ich waren z. B. viel zu oft schlemmen…) und wen wir getroffen haben könnten. Ja, natürlich, ihr da draußen stellt alle diese Funktionen wie Standortbestimmung, etc. ab, damit ihr nicht gläsern werdet, verwendet nicht diesen grünen Messenger von Meta, seid nicht bei Fratzenparty, etc. Ist recht. Euer Smartphone ist bei diesem Wettbewerb trotzdem smarter als die allermeisten von euch – Ätsch! Und seien wir doch ehrlich – ohne diese persönlichen Daten würde z.B. die Navigation durch Google Maps nicht annähernd so gut funktionieren. Und so lange ich Netz habe, gibt’s halt kaum was Zuverlässigeres. Besonders rutschig wird der Untergrund, wenn man einen Insta-, oder (Gott behüte) Tiktok-Account hat. Ist umsonst, oder? Ihr zahlt halt mit der Verdatung eures Lebens für den Spaß und die Infos. Es ist ein Deal, der beiden seiten Vorteile bringt – aber nur einer Seite Nachteile – uns individuellen Nutzern.

Let’s be lazy!

Wir sind – im übertragenen Sinne – der Content, der antisoziale Medien wertvoll macht. Die Dinge, die wir dort tun, die Kulturartefakte, die wir produzieren, die potentiellen Trends, die wir durch Mitmachen hypen oder grounden, unsere Kreativität, Energie, Zeit, die wir in das Mitmachen investieren – das ist der Rohstoff, aus dem die Betreiber ihren Profit generieren. Und sie tun dies auf genau eine Art – indem sie uns mit gezielter Werbung zuspamen und so Konsum antreiben. Antisocial Media sind also in zweierlei Hinsicht eine treibende Kraft des Klimawandels: a) weil die entstehenden CO2-Emissionen erheblich sind und b) weil der durch Antisocial-Media-Nutzung befeuerte Konsum (Stichwort Influenzeranzien) nochmal verstärkte CO2-Emissionen durch Rohstoffabbau, Produktion, Güterverkehr, etcpp. erzeugt. Und wir superlazy social-media-sloths raffen noch nicht mal, das wir doppelt ausgenutzt werden! Aber es ist doch so entspannend und macht doch so viel Spaß… Ja verdammt, das ist leider wahr; und ich selbst kann meine Hände hier natürlich auch nicht in Unschuld waschen! Was soll man also tun – sich wieder vollkommen ins Private zurückziehen?

Natürlich nicht, denn das Private gilt schon seit der zweiten Welle des Feminismus in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts – vollkommen zurecht – als politisch! Insofern Jede und Jeder von uns sich selbst zum Lobbyisten und zum Träger politischer Verantwortung werden kann – UND SOLLTE – haben wir also vor einiger Zeit mit Social Media erstmals ein Tool in die Hand bekommen, uns zu ermächtigen und demokratische Prozesse wirklich in die gesellschaftliche Breite zu tragen. Demokratie abseits der, oft in ihren Traditionen als erstarrt und nur noch wenig wirksam wahrgewordenen Institutionen schien uns wieder in greifbare Nähe gerückt. Und mit dem Aufflammen des „Arabischen Frühling“ und verschiedener „Graswurzelbewegungen“ in seinem Windschatten, wie etwa „Occupy Wall Street“ fühlte es sich Anfang der 2010er so an, als wenn sich unsere Welt tatsächlich zum Besseren ändern könnte. Das Einzige, was freilich davon übrig bleibt, sind Failed States (Syrien, Lybien, Ägypten) und die Erkenntnis, dass technische Tools zur Aktivierung der Menschen und ein bisschen Radau alleine noch lange keine nachhaltigen demokratischen Prozesse ans Laufen bringen. (vgl. hierzu Morozov 2011, S. 305 ff.). Stattdessen haben wir im Ergebnis die oben bereits sattsam beschriebene Konsumbefeuerungsmaschine zur täglichen Verfügung. Politik wird – selbst in unserem demokratischen Staat BRD – immer noch allzu oft durch gewählte Stellvertreter gemacht, die nur zu gerne ihr eigenes schwarzbraunblaues Süppchen kochen.

Wir hingegen ziehen uns viel zu oft cocoonened in unsere angebliche Privatsphäre zurück (und damit aus der Verantortung), um zur Ablenkung so lange Netflix schauen zu können, bis der eklatante Mangel an demokratischer Selbstwirksamkeit nicht mehr ganz so sehr wehtut. Konsum funktioniert! Darauf angesprochen sagt so Mancher unwirsch: „Das ist meine Angelegenheit, lass mein Engagement mal meine Sorge sein!“, was so viel heißt wie „Verpiss dich, dass ist PRIVAT!“. ABER ES IST NICHT PRIVAT! Der freie Marktplatz der öffentlichen Meinung kann niemals privat sein, der „zwanglose Zwang des besseren Arguments“ muss erlebt und erduldet, der notwendige Diskurs geführt werden, um sich den Problemen unserer Zeit GEMEINSAM in angemessener Form annähern zu können. Wie lange muss ich mir noch irgendwelchen Rotz in den Antisozialen Medien anschauen oder anhören, der Tausend mal mehr Reichweite als irgendwelcher sinnvoller Content hat? Wie oft muss man Menschen aus ihrem Sesseln kippen, bevor sie anfangen aufzustehen? Wie oft muss man jemanden auf den Hinterkopf schlagen, bevor er/sie sich selbst des Gehirnes ermächtigt, welches offenkundig konsumbetäubt immer noch im Auslieferungszustand mit Werkseinstellungen vor sich hin sintert?

Ich könnte diesen verdammten Aufruf wahrscheinlich in exakt einem Jahr einfach kopieren und eins zu eins (evtl. mit ganz leichten Überarbeitungen) wieder hier posten – und viele würden sich wundern, warum er auf einmal so genervt klingt. Denn offenkundig haben viel zu viele Mitmenschoide nur noch die Aufmerksamkeitsspanne eines Eichhörnchens! Schwamm drüber. Mal sehen, was 2023 bringt. Ich habe – immer noch und allen Erfahrungen zum Trotze – Hoffnung. Denn hätte ich die nicht, hätte ich schon lange aufgegeben. Also enttäuscht mich nicht! Bis die Tage.

  • Morozov, Evgeny (2011): The Net Delusion. The dark side of internet freedom. New York: PublicAffairs, member of Perseus Books Group.
Auch als Podcast…