Zufriedenheit N°6 – Bleib rätselhaft!

Es ist, milde formuliert, irritierend, mit was für einem Scheiß sich das Feuilleton des Öfteren auseinandersetzt. Ich las heute morgen, dass die ARD ein Unterformat ihrer Reihe „Wissen vor Acht“ mit dem Titel „Sprüche vor Acht“ plant. Da sollen Redensarten erklärt werden. Nun weiß ich, dass es jede Menge Menschen gibt, die in Ermangelung besserer Ideen immer noch die gruseligen Hauptprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsumieren. Eben jener Anstalten, die immer wieder (grundlos) rumjammern, dass die Zwangsabgabe nicht hoch genug sei, produzieren dabei mit Hilfe ihres unfassbar riesigen, und unfassbar nutzlosen Verwaltungsapparates nicht selten kapitalen Bullshit. So mancher Redakteur bei ZON und anderswo wäre ohne die Ausfälle des ÖR wahrscheinlich arbeitslos. Unter Beachtung des Umstandes, wie viele Menschen in Deutschland ein Smartphone besitzen, und wahrscheinlich zumindest googeln können, stellt sich mir nun die Frage, welchen Sinn oben genanntes Format haben sollte?

Glaubt die ARD, damit ihrem Bildungsauftrag nachzukommen? Das käme dann ein paar Jahrzehnte zu spät. So was hätte vielleicht vor 25 Jahren noch Sinn gemacht, aber heute? Versucht man dem eigenen Anspruch als Hüterin von Kultur gerecht zu werden? Was soll dann der Tatort, der mittlerweile nur noch aus (falschen) Milieustudien und kaputten Kommissaren:innen besteht? Versuchen die dann etwa witzig zu sein? Sorry, aber die Domäne haben die Spartensender und eigenen Landesanstalten schon seit Jahr und Tag besetzt. Und das immer noch besser, als die Privaten. Ich glaube ja, dass in manchen Köpfen von so genannten Verantwortlichen immer noch diese strikte Trennung von Hochkultur und Populärkultur existiert, die – PARDON – Unfug ist. Obsolet, Kann auf den Müll. Ich habe vor ein paar Jahren mal einen Artikel über Recycling-Kreativität geschrieben, der mir gerade wieder in den Sinn kam. Warum gibt es überhaupt so eine gedankliche Trennung: Oper ist Kunst, Heavy-Metal ist Geschmackssache, „Faust“ ist Literatur, Comics sind Schund, „Panzerkreuzer Potemkin“ ist ein Zeitdokument, „Guardians of the Galaxy“ hingegen irrelevante Unterhaltung, usw.? Ich zitiere mich mal selbst:

„Zum einen vermisse ich einen wichtigen Aspekt der Prozessualität von Leben und (menschlichem) Schaffen, nämlich den der je individuellen wie auch zeitgenössischen Eigenheiten der kreativ tätigen Menschen. Methoden ändern sich, Materialien und Techniken ändern sich; und natürlich ändern sich auch die Menschen. Das was wir als tradierte Güter ehemaligen Kulturschaffens mit uns herum tragen mag eine gewisse Präsenz haben doch es diktiert nicht mein eigenes schöpferisches Tun. Ich nutze Geschriebenes, Gemaltes nicht als Blaupause für meine eigenen Werke, so wenig wie die viele andere dies tun. Vielmehr ist diese dem Wandel innewohnende Varianz Motor für Vielfalt, für Innovation. Mag sein, dass einmal Gedachtes oder Gemachtes hie und da seinen Widerhall in den Kreationen kontemporärer Künstler findet, doch dies entwertet die Kunst in keinster Weise, wenn die Idee und Erkenntnis des Künstlers in ihm selbst gereift ist und so seinem Werk zur Kraft gereicht, Idee und Erkenntnis zu transportieren. Wie oft denkt man einen Gedanken, nur um später herausfinden zu müssen, dass ein Anderer diesen auch schon hatte. Dennoch ist der vielleicht auf ganz anderem Wege dahin gelangt und wird für sich reklamieren, von selbst darauf gekommen zu sein, selbst wenn es auch vor ihm schon mal jemanden gegeben haben sollte, usw.“

http://unlimited-imaginations.com/recyclingkreativitat-gibts-sowas-uberhaupt

Doch das ist ja nur der eine Aspekt. So sehr ich dafür eintrete, Leben, Kultur und Kunst als Prozesse zu betrachten, die ständig neue Iterationen durchlaufen, um dabei immer wieder neue, erstaunliche, schöne, gruselige, widersinnige, widerspenstige, fordernde und sonst wie spannende Produkte hervorzubringen, möchte ich mich der Ergebnisoffenheit dieser Prozesse verpflichten. Die politische Bedeutung von „ergebnisoffen“ wird von den Menschen ja oft mit „haben die doch schon im Hinterzimmer ausgekungelt und jetzt tun sie nur noch für eine Weile so, als wenn sie nach einer tollen neuen Lösung suchen“ übersetzt. Und so ganz falsch ist das ja leider oft auch gar nicht, wenn man sich auf eine geringe Anzahl mehr oder weniger opportuner Lösungen festlegt, anstatt wirklich über den Tellerrand zu schauen. Die Suche nach einem Atommüllendlager in Deutschland illustriert das höchst eindrucksvoll. Kultur und ihre Produkte (die wir manchmal als Kunst wahrnehmen) sind jedoch tatsächlich ergebnisoffene Prozesse im besten – manchmal auch schlimmsten – Sinne des Wortes. Forrest Gumps Pralinenschachtel in riesengroß…

Für mich macht das den Reiz aus. Die „Klassiker“ der Weltliteratur werden in Schulen in dem – nicht selten vergeblichen – Versuch genutzt, grundsätzliche Prinzipien menschlichen Miteinanders zu versinnbildlichen. Beim „Fänger im Roggen“ geht es nicht um das Sezieren der Worte, sondern um’s Erwachsenwerden, um die Kritik an der nivellierten Mittelstandsgesellschaft der USA in den 50ern. Ich habe das Buch nie gemocht, weil ich „Holden Caulfield“ vom ersten Moment an für einen Idioten, einen narzisstischen, selbstmitleidigen Schwafler hielt. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Und ich denke, ich war nicht der Einzige. Im Musikunterricht müssen sie immer noch unnötigerweise soziodemographische Fakten zu Komponisten auswendig lernen. Die Liste ließe sich noch ein Stück weiterführen, doch was ich eigentlich sagen will, passt in einen Satz: etwas ist kein Klassiker, nur weil es mal irgendwann für irgendwen eine gewisse Relevanz besessen haben mag. Ich tue mir schwer damit, in Songs von „Capital Bra“ irgend eine nennenswerte Schöpfungshöhe zu erkennen. Und dennoch reflektiert der dämliche Bruder den Zeitgeist. Zeitgeist muss einem halt nicht unbedingt gefallen…

Kulturprodukte und Kulturpraktiken ändern sich, Sinnzusammenhänge und Relevanz ändern sich, doch so lange Kunst die Funktion erfüllt, Menschen zum Denken und Fühlen anzuregen, bleibt ihr Zweck auch unter sich verändernden Vorzeichen erhalten. Sie soll faszinieren, Fragen stellen, ohne gleich platt eine Antwort mitzuliefern. Sie soll uns unsere Gefühle bewusst werden lassen; die Guten wie die Schlechten. Sie soll uns mithin dazu bringen mehr Mensch zu sein. Und dazu darf Kultur auch gerne mal rätselhaft bleiben. Viel zu oft ziehen wir unsere Taschenwanze hervor, um eine Frage instant beantworten zu können, wenn ein wenig Kontemplation enthüllen könnte, dass nicht die Antwort das Ziel war, sondern der Denkprozess. Wie beim Wandern, so ist auch beim Denken oft der Weg das Ziel, weil wir am Weg wachsen! Am Ziel wächst höchstens mein Ranzen, wenn es dann ans Schnabulieren geht… Bitte nicht missverstehen: ich schnabuliere auch gerne. Aber mehr Zufriedenheit erfahre ich entlang des Weges. Und Zufriedenheit ist mir im Moment noch immer ein rares Gut, für welches ich gerne Mühen auf mich nehme – solange ich das selbst bestimmt tun kann! Ich wünsche ein schönes Wochenende.

Zwangsentschleunigung

Wie ich die Tage so eine Straße in meiner Hood hinunter ging, fiel mir eine recht lange Schlange vor einem der Geschäfte auf. Ich hatte wohl gehört, dass der Inhaber sogar in den überregionalen Medien ein gewisses Echo erfahren hatte, aber das sah doch schon ein bisschen nach Hype aus. Sei’s drum. Was mich daran wirklich interessiert, ist der Umstand, dass wir wieder viel öfter zum Schlange stehen gezwungen sind. Und so sehr man auch in der Situation darüber fluchen mag, dass das soviel Zeit kostet, so sehr sollte man sich doch später fragen, was man denn mit dieser Zeit ansonsten angestellt hätte…? Ich meine, es ist ja nicht so, dass wir alle Beschäftigungen nachgingen, von deren schneller Erledigung Leben abhängen würden. Bei mir war das für eine lange Zeit meines Lebens der Fall (einen Rettungswagen ruft man manchmal tatsächlich in höchster Not); aber heute als Lehrer und Schulleiter ist das Gros der Anfragen an mich weder zeit noch kritisch.

Man könnte es auch anders formulieren: warum in Drei Teufels Namen glaubt jede:r/s , keine Zeit zu haben. FoMO? Auf wie viele Ereignisse oder Personen glaubt ihr denn, reagieren zu können, bzw. zu müssen? Mangelndes Selbstwertgefühl, weil man irgendwo nicht dazugehört, oder bei irgendwas nicht mitreden kann mag sich zunächst unangenehm anfühlen. Ich rate dennoch dazu, das Gefühl zu kultivieren und daran festzuhalten; denn das Gegenteil davon ist, zu allem und überall seinen Senf dazugeben zu müssen, egal, ob man tatsächlich etwas beizutragen hat, oder einfach nur seine Fresse aufreißen will. Das Ergebnis sind mit verbalem Dreck vollgespammte Kommentarspalten und ein Übermaß an televerbalem Hass, dass auch irgendein hastig zusammengeschustertes Gesetz nicht wird eindämmen können. Denn das Problem ist nicht juristischer, sondern sozialer Natur.

Wäre es nicht toll, wenn man im Internet auch erst mal Schlange stehen müsste, bevor man seinen Scheiß absondern kann? Man müsste erst den ganzen Text lesen, dann ein paar Verständnis-Fragen beantworten und dürfte erst fünf Minuten später kommentieren. Das ganze Erregungsgebäude der sozialen Medien würde wahrscheinlich in kürzester Zeit in sich zusammenfallen, weil die meisten Menschen weder die Geduld, noch die notwendige Sachkenntnis haben, zu den allermeisten Dingen irgendwas SINNVOLLES beizutragen. Also würde die Aufmerksamkeit zum nächsten „Snipet of Info to go“ shiften. Und ich bliebe von unfassbar viel Dummheit verschont. Wird natürlich kein Betreiber freiwillig tun, weil dauernde Erregung die Basis des ganzen verdammten Geschäftsmodells von social media ist. Da kann dieser selbstgefällige Weltverschlechterer Zuckerberg noch so telegen in die Linse grinsen – ohne die dauernde Aufregung würde sein Unternehmen nicht mal mit einem Bruchteil des Marktwertes von aktuell ca. 870 Milliarden Dollar gelistet! Und jeder dumme kleine Klick macht diesen riesigen Haufen Scheiße noch wertvoller!

Das Internet als Demokratisierungsmaschine? Stewart Brands „Whole Earth Catalogue“ bereitete bereits Ende der 60er, Anfang der 70er des letzten Jahrhunderts geistig den Weg für solcherlei Ideen. Dass diese schon vor 10 Jahren von vielen als tot betrachtet wurden, lässt sich in Evgeny Morozovs Buch „The Net Delusion“ gut ablesen. Ich bin mir immer noch nicht sicher, was ich von der Idee insgesamt halten soll. Aber ich glaube fest daran, dass wir gut daran täten, die Menschen zum echten Nachdenken zu zwingen, bevor wir ihnen die Erlaubnis geben, sich unreflektiert zu äußern. Ohne Zweifel lebt die Demokratie vom Diskurs auf einem öffentlichen Marktplatz der Meinungen; als solcher kann das Internet durchaus fungieren. jedoch folgt ein solcher Diskurs üblicherweise Regeln und beinhaltet – wenn auch nicht eine Übereinstimmung in den Sachfragen – so doch Respekt für das Gegenüber und das Anerkennen der Tatsache, dass es andere Meinungen neben der eigenen gibt und dass diese ebenso legitim sein können wie meine – sofern diese Meinungen begründet werden können!

Und mit dem letzten Satz sind wir bei den Leerdenkern angekommen. Die Begründbarkeit einer Meinung konstituiert sich nämlich nicht darin, dass andere diese teilen, sondern dass es objektive Tatsachen gibt, die diese Meinung plausibel machen; z.B. wissenschaftliche Erkenntnisse. Auch die Normen des Zusammenlebens (also z.B unsere Gesetze) geben gute Hinweise auf das Sag- und Denkbare. Man könnte jetzt entgegnen, dass neue Meinungen auf diese Art unterdrückt werden könnten, was undemokratisch wäre. Und diese Entgegnung ist nicht falsch, wie meine super-woken hipster-Nachbarn und ihr sauber dogmatisch imprägnierter eco-political-correctness-Habitus beweisen. Offenheit beinhaltet auch, sich unangenehmen Erkenntnissen stellen und gelegentlich eigene Positionen räumen zu müssen. Das können allerdings weder die eben genannten, noch die Leerdenker – die dogmatisieren, anstatt zu diskutieren. Und nähme man ihnen mittels einer Warteschleife den Wind aus den Segeln, fingen sie vielleicht mal an zu denken, anstatt zu tippen.

Aber wahrscheinlich erwarte ich zu viel. 10 – 15% Idioten kann ja jede Demokratie ab. Um die Leerdenker mache ich mir also keine Gedanken mehr. Die verschwinden irgendwann wieder in ihren eigenen Echokammern und geilen sich aneinander auf. Schlimmer sind die sendungsbewussten, weißen, urbanen, cisgender-Mittelschichtler, die genauso glauben, die Weisheit gepachtet zu haben, wie die Leerdenker. Die nehmen sich nämlich vielleicht die fünf Minuten, um an ihrem Text zu feilen… Schöne Pfingsten. Und in der Schlange bitte immer brav auf’s Drängeln verzichten, ihr Mitmenschoiden. Tschüss.

Zwischenruf N°6 – oder, warum Einsamkeit mir verlockend erscheint!

Wir leben im Anthropozän – eigentlich sollte man es aber lieber Humanoblödozän oder Terradestruktozän nennen. In jedem Fall erscheint mir die Gesellschaft von Menschen, die ich mir nicht dazu ausgesucht habe, mir nahe zu sein, gerade äußerst wenig verlockend. Ich habe mich in den letzten Tagen bewusst zurückgenommen. Nix kommentiert, noch nicht mal viel gelesen, außer dem einen oder anderen Zeitungsartikel. Ich habe mich mit Absicht NICHT in irgendwelche nutzlosen Fratzenbuch-Diskussionen hineinziehen lassen, obwohl es ein paar Mal im Tippfinger gejuckt hat. Denn ich weiß, dass dies in meiner gegenwärtigen Gemüts-Verfassung nur wieder die, neulich benannte Escher-Spirale in Gang setzen würde, die zu bremsen ich mir nun für vier Tage alle Mühe gegeben hatte. Und so langsam hilft das sogar. Nur muss ich heute leider wieder zu Arbeit.

Nein, ich hasse nicht meine Arbeit! Auch nicht die mit meinen Schülern! Und es gibt ein paar Kolleginnen und Kollegen, die ich wirklich gern habe. Aber eben auch welche, die mich mal gern haben können. Und es ist dieses „nicht-über-mich-selbst-verfügen-dürfen“-Gefühl, dass mir im Moment die größten Schmerzen bereitet. Wenn man eh in einem Loch sitzt, auch noch das Gefühl zu haben, andauernd fremdgesteuert zu werden (auch wenn das tatsächlich NUR ein Gefühl ist), hilft nicht dabei, wieder auf die Spur zu kommen. Wobei natürlich die Frage gestellt werden dürfen muss, was denn „wieder auf die Spur kommen“ tatsächlich bedeuten soll? Bezogen auf den Job geht’s dabei doch um Nützlichkeit und Produktivität im wirtschaftlichen Sinne. Ich erzeuge keinen pekuniären Gewinn => ich bin nicht produktiv. Und dabei ist es heutzutage leider unerheblich, ich welcher Art von Gewerk man unterwegs ist. Man muss verdammt noch mal liefern!

Ich werde ja nicht müde, jedem der es wissen will, und auch denen, die es eigentlich nicht wissen wollen, zu sagen, dass Produktivität in meinem Metier a) natürliche Grenzen hat (denn jeder von uns bringt halt nur eine gewisse Ausstattung mit), b) meine Ressourcen endlicher sind, als ich gehofft hatte und c) Kreativität nun mal Ruhe, Zeit und Raum braucht. Wer tatsächlich glaubt, pädagogisches Arbeiten sei NICHT notwendigerweise auch kreatives Arbeiten, den lade ich dazu ein, sich mal eine Woche mit mir hinzusetzen. Es ist ja nicht so, dass man mir nicht sogar zuhört. Nur habe ich das Gefühl, dass man nicht versteht, was ich sage. Vielleicht ist es auch nur das Eingebunden-Sein der Anderen in ihre eigenen Abhängigkeiten und Nöte; ob es das war, oder aber schlichte Ignoranz Anderer dazu geführt hat, dass ich mich mal wieder so unsagbar ausgezehrt fühle, vermag ich nicht zu sagen. Letzten Endes ist es eigentlich auch egal.

Denn die Alternativen wären, keine Kohle nach Hause zu bringen, weil ich da nicht mehr arbeite (und woanders vielleicht auch nicht) und damit meine Familie im Stich zu lassen; oder weiter zu machen, bis ich vollkommen ausgebrannt bin (KEINE OPTION!). Der Zwischenweg wird wohl sein, meine Produktivität für eine Weile herunterzufahren und zu sehen, wie das Andernorts ankommt. Vermutlich nicht gut. Aber das kann ich aushalten, wenn ich dafür wieder mit mir selbst ins Reine komme. Denn das ständige Reduziert-Werden auf meine bloßen Funktionen ist mir mittlerweile so sehr zuwider, dass ich das nur schwer in Worte fassen kann. Ich würde mich gerne wieder als Mensch fühlen – vor allem als selbst bestimmter Mensch. Das scheint aber gegenwärtig nicht vorgesehen. Ein Dilemma, für das es keine einfach Lösung gibt, denn die Gesellschaft hat dieses Dilemma scheinbar für (fast) alle geschaffen.

Klingt das mal wieder wie einer meiner Anti-Kapitalismus-Rants? Vielleicht. Und das, obwohl mein Job wirklich alles andere als ein Bullshit-Job ist. Aber wann immer aus einer sinnerfüllten Aufgabe ein Geschäft wird, bleiben bestimmte Aspekte des Mensch-Seins unweigerlich auf der Strecke. Das scheint ein Naturgesetz zu sein. Ich werde versuchen, mich auf’s neue damit zu arrangieren und meine Aufgaben erledigen, so gut es eben geht. Aber ich beginne mich zu fragen, welche Alternativen es geben könnte, selbst wenn diese mit gewissen Einbußen für mich verbunden wären. Ich weiß nämlich wirklich nicht, wie viele solcher Talfahrten ich noch aushalte. Für’s Erste ist damit genug von meiner verdammten Depression gesprochen. Mal sehen, was die neue Woche bringt. Wir hören uns.

Der verwirrte Spielleiter N°32 – entgleist?

Ich habe wieder angefangen Material zu schreiben. Nachdem ich mich über die letzten Monate ziemlich leer gefühlt habe (woran das wohl liegen mag?), stelle ich fest, dass mit ein wenig freier Zeit meine Lust am Geschichtenerzählen schnell zurückkehrt. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich in den letzten Wochen – oder eher Monaten? – auch an meinen freien Tagen Dinge getan haben, die nicht unbedingt der Erholung dienten. Aber wenn du mit deinen Problemen in einer Escher-Spirale gefangen bist (fühlt sich an, wie einen Berg hochrennen, obwohl man eigentlich dauern fällt, und man merkt auch noch, dass nix vorwärts geht), wird jeder noch so kleine Blick über den Tellerrand ziemlich schwer. Aber jetzt geht’s schon wieder ein bisschen.

Jedenfalls habe ich mich in den letzten Tagen mit Core-Story und Meta-Plot für die nächsten Sitzungen in meinem neuen Homebrew-Projekt „Cavai“ beschäftigt; Seite um Seite füllte sich, während meine Ideen an Kontur und Tiefe gewannen. Ich denke gerne mit meiner Tastatur. Das ist natürlich im übertragenen Sinne zu verstehen: ich entwickle meine Ideen, während ich sie digital erfasse. Dass ist mit meinen Visualisierungen für den Unterricht übrigens genauso. Ich bin nicht besonders gut darin, etwas on the fly auf’s Flipchart oder Whiteboard zu scribbeln. Aber, wenn ich mir mein Tablet und etwas Zeit nehme, bekomme sogar ich, der Strichmännchen-Bändiger, halbwegs achtbare Skizzen zuwege. Und so ist es auch mit meiner Schreiberei. Ich hacke meine unsortierten Gedanken in die Tastatur, wie sie aus meinem Hirn purzeln, und erst wenn sich so die erste Seite oder auch mehr gefüllt hat, fange ich mit dem redigieren an.

Ich habe mir als Ersatzbefriedigung für mangelnde Spielsitzungen in den letzten Monaten immer mal wieder Videos von Matt Colville reingezogen. Schließlich muss man ab und an ja mal über sein SL-Dasein nachdenken; außerdem ist er recht unterhaltsam, wenn man sich an seine Sprechgeschwindigkeit gewöhnt hat. Die Tage sah ich ein Video, in welchem er sich mit Railroading befasst hatte. Und er sagte etwas, dass mich faszinierte: Man darf die Auswahl der Spieler (Player Choice) beschränken, nicht jedoch ihren Handlungsspielraum (Player Agenda). Und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr stimme ich ihm zu. Es mag auf den ersten Blick wie ein Verstoß gegen die „Wir sagen nicht nein zu den Spielern“-Regel wirken, wenn ich die Auswahl begrenze. Aber tatsächlich tut das jedes Regelwerk, dass wir kennen, egal ob Pen’n’Paper oder MMMORPG. Es gibt eine vordefinierte Liste von Charakteren und Gestaltungsmöglichkeiten – genau die und nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Und auch, wenn ich gelegentlich die Stimme eines alten Freundes im Hinterkopf höre, der mich fragt, warum er keinen Drachen spielen darf bin ich davon überzeugt, dass seine Chars trotzdem die volle Freiheit zur Entfaltung haben.

Durch diese Auswahl limitiere ich bestimmte Dinge, und ich zwinge die Spieler, bewusst darüber nachzudenken, was ihre Chars brauchen. Was sie später mit diesen, aus einem – zugegeben allerdings recht großen – fixed set generierten Chars machen, findet sich. Denn natürlich fangen sie auch immer prompt damit an, herauszufinden, wie man alle Grenzen austestet. Meine, die der Spielwelt, die des Regelwerkes… Und wieder schlägt die Limitierung der Auswahl zu. Indem ich Storyhooks und interessante NSCs präsentiere, limitiere ich Auswahl. Denn natürlich beißen die Spieler an! Sie wollen ja spielen. Denn wenn jemand nun etwas tun wollen würde, dass sich vollkommen abseits des eigentlichen Story oder gar der Meta-Plots bewegt, würde ich sagen: ja, können wir machen. In zwei Wochen, wenn ich dafür auch etwas vorbereitet habe. So viel Ehrlichkeit müssen meine Spieler dann vertragen.

Tatsächlich jedoch passiert so etwas so gut wie nie. Echt jetzt! Ein anderer SL hat es mal als „den Plotbus vorbeifahren lassen“ bezeichnet. Steigt ein, oder lasst es. Ihr könnt auch was anderes machen, dass ist dann aber vielleicht sehr viel langweiliger als der vorbereitete Content. Railroading fände in dem Moment statt, in dem ich sie stattdessen mit Gewalt einspuren und an bestimmten, präzise ausgeplanten Szenen vorbei fahren würde, einfach weil ich will, dass sie diese Szenen mitbekommen. Ganz finster wird es, wenn diese Szenen genauso ablaufen, wie ich sie mir vorgestellt habe – ganz egal, was die Chars tun, oder lassen! Ist mir passiert, war scheiße, egal ob als SL oder Spieler! Deshalb bleibe ich bei meiner schon genannten Nexus-Vortex-Methode, bei der ich Reize gezielt setze und abwarte was passiert, der Weg durch die Story aber nie vorgegeben ist. Ich habe beim Spielleiten schon ein paar Szenen im Kopf, sowie Ziele, Pläne, Handlungsrepertoires, Schrullen, etc. meiner Schlüssel-NSCs. Der Plotbus und das Regelwerk sind also meine Limitierung der Spieler-Auswahl, und die Nexus-Vortex-Methode meine Art, den Spielern und ihren Chars ausreichend Handlungsspielraum zu geben.

Jetzt muss es nur noch wieder richtig losgehen, damit ich den ganzen Scheiß, den ich mir habe einfallen lassen auch an meinen Spielern ausprobieren kann. Ob sie es schaffen werden, alle Probleme zu lösen? Keine Ahnung. Aber ich hoffe wirklich, dass wir beim Versuch einen Heidenspaß haben werden. In diesem Sinne – I always wanna game on!

Vatertag…

Der erwartete Zusammenbruch hielt sich – Gottseidank – in Grenzen. Mag dem Umstand geschuldet sein, dass ein antizipierter Termin im Anschluss an die Lehrveranstaltung ausfiel, und ich mich nicht noch als Bonus zu den 3,5h im Auto und 7,5h im Lehrsaal mit Themen auseinandersetzen musste, für manche von denen es im Moment einfach noch keine gute Lösung gibt. Sei’s drum. Ich sitze nun am späten Vormittag in meinem Heim-Büro und beschäftige mich mit Dingen, die nix mit Arbeit zu tun haben. Zumindest nicht direkt. Ist ja aber auch Vatertag – und damit in meinem Heimat-Bundesland Feiertag. Nichts muss, vieles darf, alles kann. Läuft…

Das Problem ist ja immer, dass man Denkkreisläufe nur sehr schwer unterbrechen kann. Sich selbst STOP! zuzurufen, um mit dem Grübeln aufhören zu können, ist zumeist ziemlich witzlos. Insbesondere, weil wir soziale Wesen sind. Existierte ich als Solitär in dieser Welt, würde mich viele Dinge ja gar nicht anfechten, aber die Menschen um mich herum senden unablässig auf den verschiedensten Frequenzen (Watzlawicks. 1. Axiom: Man kann nicht NICHT kommunizieren!); und vieles davon sind Ansprüche, die an mich gerichtet sind. Und viele dieser Ansprüche sind ja gerechtfertigt, weil ich a) Ehemann und Vater bin, b) Freund bin, c) (gerne) Lehrer bin, d) (gerne) Kollege bin und e) dafür in manchen Fällen auch Geld bekomme. Mischbefunde sind natürlich jederzeit möglich.

Ist eine Botschaft in der Welt – und damit im Geist des Empfängers – hört sie ja aber nicht auf zu wirken, nur weil Feierabend ist. Überhaupt ist Feierabend so ein Thema. Ich las heute morgen auf Zeit Online (wo auch sonst) einen Artikel mit dem Titel „Home-Office ist ein Privileg der Reichen“. Die Aussage ist aus mehreren Gründen Bullshit. Unter anderem, weil mitnichten jede:r im Home-Office ein Spitzensalär bekommt. Aber das ist aus meiner Sicht nebensächlich. Wichtig ist mir eher der Umstand, dass die immer gerne als Beispiel für die vermeintliche Ungerechtigkeit von Home-Office herangezogenen Handwerker und Facharbeiter aus dem Produktionsgewerbe am Schichtende den Kittel in den Spind hängen und es damit gut ist. Die nehmen sicher auch Zwist und Probleme aus dem Arbeitsumfeld mit nach Hause, aber der Impact ist erfahrungsgemäß nicht so, als wenn man frisch aus der anstrengenden VK in die Küche spaziert, wo gerade Home-Schooling stattfindet und zum Ausgleich dann manchmal am Feiertag, oder gegen 23:30 Abends die letzten Mails und Präsentationen bearbeitet werden! Feierabend passiert da öfter den Anderen…

Ich bin weit entfernt von Jammern – ich möchte einfach keinen weiteren Zwist haben, nach dem Motto: „Der/die da hat’s aber besser als ich, weil der/die von zu Hause arbeiten darf!“ Das ist nämlich, ernsthaft betrieben, kein Zuckerschlecken! Zwist und Spaltung haben wir doch schon mehr als genug in unserem Lande. Und Sorgen sowieso. Würde ich nämlich nicht den ganzen Mist immerzu zu Hause haben (sowohl oft buchstäblich, als eben auch als Anforderung in meinem Kopf) wäre ich nämlich nicht schon wieder im tiefen dunklen Tal unterwegs. Die Pandemie fordert von jeder/jedem auf individuelle Weise ihren Tribut. Ich hab’s mit der Arbeit übertrieben. Andere wünschten sich vermutlich, sie hätten welche. Und für uns alle ist der Mangel an Austausch, der Wegfall von so etwas wie Normalität und Ablenkung nach nunmehr 15 Monaten immer schwerer zu verkraften. Da nutzt auch Klatschen keinem was…

Was mich wirklich nervt ist, dass es mir momentan immer schwerer fällt, zwischen den legitimen und den illegitimen Ansprüchen an mich trennscharf zu unterscheiden. Was dazu führt, dass die Sortierung vielleicht nicht immer sachrichtig ausfällt. Aber im Moment ist es mir alles viel zu viel; und ich wünschte, ich könnte den beruflichen Bereich mal wirklich ausblenden. Genau das jedoch will gegenwärtig einfach nicht klappen. Ich möchte an dieser Stelle nicht missverstanden werden: ich liebe meine Arbeit immer noch. Und genau deswegen mache ich weiter, wenn stoppen besser wäre. Denn meine Familie und meine Freunde liebe ich noch mehr, nur sind die ins Hintertreffen gekommen. Ausgerechnet der Ort, wo ich Ruhe finde. Dieses Paradoxon aufzulösen könnte etwas Kraft und Zeit kosten. Daher bitte ich, es zu entschuldigen, wenn ich vielleicht in nächster Zeit manchen Dingen eine Absage erteilen werde, auch wenn sie mir eigentlich wichtig sind. Denn keiner von uns hat unbegrenzt Power. Ich muss erst wieder zu meinen 70% zurückfinden. Mal schauen. Wir sehen uns… und, by the way: Schönen Vatertag!

Ende Gelände!

Ich hatte wirklich gedacht, ich könnte es wegdiskutieren. Oder wegarbeiten. Oder weglaufen. Oder wegzocken. Oder wegmasturbieren. Irgendwas, dass einen auf den Weg bringt; aus diesem elenden Dilemma, dauernd zu müssen und eigentlich… um’s Verrecken nicht mehr zu können! Ich hatte gedacht, ich hätte es im Griff. Klar geworden, dass ich mich volles Programm selbst belüge, ist mir gestern, als ein Kollege morgens zunächst darüber verwundert war, dass ich so wach und aufgedreht sei, nur um mich dann nachmittags darauf hinzuweisen, dass ich voll Scheiße aussehen würde. Und das obwohl objektiv alles Bombe läuft. Aber subjektiv ist nix Bombe. NIX, VERDAMMT NOCH EINS!

Ich renne meine Projekten und meiner Zeit schon lange hinterher. Das liegt zum einen an meinem Credo erst mal „vielleicht“ zu sagen und es probieren zu wollen, wo andere sich schon kopfschüttelnd abwenden. Und zum anderen daran, dass man deshalb glaubt, ich sei belastbar. Oh, ich erfülle meine Aufgaben. Zumeist sogar gut und halbwegs pünktlich. Aber es kostet immer mehr Kraft. Und jetzt stelle ich fest, dass die Batterie leer ist. Oder, wie es ein Meme auf Facebook neulich (sinngemäß zitiert) so treffend ausgedrückte: „…kaputt, denn die Ladung geht immer gleich wieder flöten!“ Ich merke das daran, dass sich meine negative Energie, die ansonsten in mir selbst unterwegs bleibt, um bestenfalls mal einen voll derben Spruch zum Vorschein zu bringen, sich plötzlich, unkontrolliert und mit teils erschreckenden Effekten auf Andere richtet. Und wenn ich das Gefühl bekomme, etwas oder jemanden schlagen zu wollen, nehme ich immer etwas.

Ich werde also morgen für eine weder einfache, noch kurze Aufgabe meine verbliebenen Reserven zusammennehmen, meine übliche Bedienoberfläche rauskehren und den Shit rocken, wie so viele mal zuvor auch schon. Dann werde ich irgendwann zu Hause ankommen und abwarten, wie schlimm der Zusammenbruch wird. In einem anderen Zeitalter, in einem Prä-Covid-Zeitalter war „zu Hause“ meist (nicht immer, aber oft) ein Ort an dem man dann irgendwie runterkommen, sich erden und wieder zum Mensch werden konnte. Doch auch der Rest der Familie geht auf dem pandemüden Zahnfleisch und sehnt sich ein Ende dieses Wahnsinns herbei. Denn auch die haben angefangen, ihre individuellen Dämonen mit Wucht aufeinander loszulassen. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Nur habe ich nicht mal mehr die Kraft, damit umzugehen…

Es ist also, wie es ist – die Depression ist zurück. Volles Programm. Und ich habe keinen Plan B (geschweige denn X), keinen Nerv, keine Kraft und keine Perspektive. Nehme ich mich jetzt einfach raus, geht das wichtigstes Projekt meines Berufslebens womöglich den Bach runter. Nehme ich mich nicht raus, gehe womöglich ich den Bach runter. Beide Varianten beinhalten Schmerz, Verlust, vielleicht Katharsis und – mit etwas Pech – eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung meines Beitrags zum Familieneinkommen. Versteht ihr ganzen selbsternannten Leistungsträger da draußen jetzt, warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen? Also werde ich erst mal weitermachen, damit wenigstens an der Front alles gut bleibt und mich nach Hilfe umtun, in der Hoffnung es – einmal mehr – wieder irgendwie gerissen zu bekommen. Wir hören uns…

Hoch die Hände – Quarantäne-Ende!

Ich habe meine Zeit abgesessen! Und musste nach dem Frühstück natürlich erst mal meiner Resozialisierung frönen. Langer Spaziergang im Waldpark (mildes Wetter, ein wenig Sonne, wenig Menschen => TOLL!) vs. Einkaufen gehen (zu viele distanzfreie, kinnatmende Menschoiden => KOTZ!). Die Bilanz muss damit bis hierhin dennoch mindestens als ausgeglichen gelten. Hätte ich mir am Samstag Vormittag aber auch denken können. Was für mich den eindeutigen Ausschlag zur positiven Seite gibt, ist Folgendes: kaum dass ich angefangen hatte, ein paar Kilometer zu gehen, flossen auch die Gedanken wieder freier und ich kann ein, zwei Ideen für die Lösung anstehender Probleme als Extra auf der Habenseite verbuchen. „Hammer-Awesome!“ um mal ein paar unserer ehemaligen FSJler zu zitieren. Die emotionale Talsohle scheint einmal mehr so langsam aber sicher durchschritten. Die nächsten Rückschläge kommen bestimmt…

Heute ist übrigens der 08.05. Tag der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands. Mein ganz persönlicher Anti-Nazi-Feiertag. Ein großartiger Tag! So entsetzlich tragisch, dass es erst 12 lange Jahre des Wahnsinns brauchte, bevor es schließlich zu einer Kapitulation kommen musste, um der NS-Diktatur ein Ende zu setzen; aber dennoch – das „1000-jährige Reich“ kam zu einem Ende, lange, bevor es seine gesetzten Ziele (die Unterjochung des freien Lebens, wo immer es hinkommen würde) erreichen konnte. Immerhin…! Umso wichtiger, nicht zu vergessen, wohin ein bisschen unreflektiertes Mitläufertum hier, ein wenig blinde Verehrung für „starke Führer“, gemischt mit ein paar Spritzern Geltungssucht und der Angst vor wirtschaftlichem Misserfolg führen konnten – und auch wieder führen könnten! Denn die letzten, die es noch selbst gesehen haben, sterben langsam aber sicher aus. Und mit ihnen offenkundig auch ein wichtiger Teil der Erinnerung, der uns gemahnt, Antidemokraten die Stirn zu bieten, wo immer wir sie finden. Gleich ob man sie sich einem als grölende Vollhonks oder unter dem Mäntelchen der Gelehrsamkeit präsentieren. Doch genug von Arschlöchern.

Jetzt kommt ein Satz, der seltsamer klingen mag, als er sich für mich anfühlt: ich will mal versuchen, mit etwas weniger EGO auszukommen. Ich hatte ja hier schon mal darüber reflektiert, und bin nun zu der Erkenntnis gereift, dass mein EGO manchmal viel zu viel will, ohne zu wissen, was es eigentlich braucht. Ich bin damit höchstwahrscheinlich nur einer von vielen Menschen. Das ändert aber nichts daran, dass es sich so anfühlt, als sei es JETZT FÜR MICH höchste Eisenbahn, daran etwas zu ändern. Dabei geht es mir nicht um diese „Minimalismus-Bewegung“ und auch nicht um „Fridays For Future„; denn wenn man’s nur tut, um sich gut zu fühlen, oder wenigstens sein Gewissen zu beruhigen, ist das kein Überzeugungs-Handeln, sondern einfach nur Egoismus. Wobei sinnvolles Handeln aus egoistischen Gründen nicht automatisch entwertet ist. Ich will jedoch an die Wurzel gehen, und es mit etwas weniger EGO zu versuchen. Würden wir das alle tun, entfielen solche Dinge wie Konkurrenzkampf und Gier nach mehr Wohlstand, und damit unnötiger Konsum ebenso wie Ressourcenverschwendung als Ausdruck der zwei Erstgenannten, mit der Zeit von ganz alleine. Vielleicht niemals bis auf Null. Aber eine Reduktion würde uns ja auch schon erheblich weiterbringen.

Ich glaube ja immer noch, dass jeder Mensch auf seine Weise nach etwas Sinn im Leben sucht. Einfach nur existieren oder subsistieren, um dem Erhalt der Spezies zu dienen, soll alles sein? Damit klarzukommen, ist mitnichten einfach. Und in hoch ausdifferenzierten Gesellschaften, die heute nun mal die Norm bilden, ist es auch nicht mehr so einfach, weil alles mit allem zusammenhängt, ohne das wir die tatsächlichen Funktionen noch wirklich begreifen können. Dazu fehlt uns häufig das mentale und kognitive Rüstzeug. Abstraktes Denken verlangt nämlich Zeit, Muße und Konzentration – das genaue Gegenteil eines heute üblichen Tagesablaufes. Und deshalb werde ich versuchen, mir diese Freiräume wieder zu schaffen. Auch mit Hinblick auf meine berufliche Tätigkeit. Es kann nicht sein, dass wir nur noch von Termin zu Termin, von Video-Call zu Telefonat und wieder zurück zu Emails hetzen – und im Effekt das tatsächliche produktive Handeln seinen Stellenwert gegenüber dem Buzz und Plingplong des alltäglichen Kommunikations-Makramees verliert. Dem muss ich Einhalt gebieten – andernfalls kann ich die Dinge, die zu tun ich eigentlich aufgerufen bin nicht leisten! Mal sehen, wie das bei meinem Arbeitgeber ankommt… In jedem Fall wünsche ich uns allen einen schönen Muttertag.

Zwischenruf N°5 – Pandemüdistan

Bekanntermaßen liegt Vulgarien hinter Kannitverstan, rechts von Aggrokko. Nun ist ein neues Land auf meiner Karte des Wahnsinns aufgetaucht: Pandämonium, ähm sorry, ich meinte natürlich Pandemüdistan. Jenes sagenumwobene Reich des – subjektiv – auf ewig mit-sich-selbst-eingesperrt-seins. Ich habe gemerkt, dass ich mich dort mittlerweile häuslich einzurichten begonnen habe, als ich heute Mittag einen Ratgeber-Post mit Tipps für die gute Gestaltung von Videokonferenzen las (KOTZ!) – und mich nach ca. 90 Sekunden zu fragen begann, warum zum Teufel ich Allgemeinplätze konsumiere, deren Inhalt mir schon seit Monaten bekannt ist; irgendwas müsste doch auch ich dazu gelernt haben, oder?

Meine Knie sind wund. Ich rutsche nämlich dauernd auf ihnen herum, während ich bete, dass jenes schwache Licht am Ende des Tunnels, dieser Silberstreif am Horizont, diese Ahnung von Sommer nicht wieder von Borniertheit, Arroganz, Egoismus und Narzissmus meiner Mitmenschoiden zunichte gemacht wird. Impffortschritt! Langsam, aber sicher sinkende Inzidenzwerte! Zaghaft positive Prognosen für den zweiten Pandemie-Sommer! Ich bebe vor Glück, wenn ich mir vorstelle, diesen Jahr vielleicht ein bisschen in die Wärme reisen zu dürfen, andere, schöne Orte sehen zu können (natürlich unter Beachtung der hygienischen Schutzregeln) und den Wahnsinn des letzten Jahres un petit peu von mir abgleiten zu lassen. Oh, welche Wonnen warten dort auf mich…

Klang bis hierhin ein bisschen egoistisch, oder? Ich will zugeben, dass ich dünnhäutiger geworden bin. Ungefähr bis zu dem Punkt, da ich schon bei der aller geringsten Wahrnehmung von Pandemioten endlos ausrasten könnte – Kettensägen jonglierend Amoklaufen erscheint mir unter solchen Umständen durchaus als angemessene Freizeitbeschäftigung! Das sollte wohl alles über meinen Gemütszustand aussagen. Und da gönne ich mir eben dieses bisschen Egoismus; ist mehr zum Schutz der Anderen, dass versteht ihr doch, nicht wahr? Denn die Alternative wäre unter Umständen weder hygienisch, noch appetitlich. Scherz kurz beiseite. Wir gehen alle auf dem emotionalen Zahnfleisch. Die einen mehr, die anderen weniger. Was ich hier postuliere, ist also eher ein verzweifelter Versuch, meiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass es ab jetzt tatsächlich besser werden könnte – weil ich ansonsten in Kürze vollkommen frei drehen muss!

Meine Phantasien sind nur ein Stummer schrei nach Frieden
Meine Sneaker sehnen sich nach etwas Freiheit
Zu einem Urlaub nach Italien es mich triebe
Wir alle brauchen  jetzt Corona-freie Zeit

Oooohohoh - COVID!

Vielleicht ein bisschen holprig getextet, aber besser geht das gerade nicht mehr, nachdem ich heute den ganzen Tag in Videokonferenzen unterwegs war und jetzt, wo’s draußen stockdunkel und nasskalt ist, mal wieder mit meinen Gedanken um die Kontrolle über mein Sein ringe. Dieses Mal habe ich gewonnen. Eigentlich könnte ich über kleine Erfolge und Fortschritte berichten, über Veränderung und Erneuerung. Aber dazu fehlen mir im Moment Muße und Antrieb. Vielleicht die Tage. By the Way – Sonntag ist Muttertag! Save the date – tut euren Müttern was Gutes, wenn ihr (noch) könnt. Und ansonsten: Bauch rein, Brust raus, Nase in den Wind (und Maske drüber) – es geht vorwärts. Gute Nacht.