Der verwirrte Spielleiter #21 – Struktur, Baby, alles braucht Struktur…

Ach Gottchen, über was alles wir schon gesprochen haben: dass Rollenspiel von den Entscheidungen seiner Spieler und den damit verbundenen, vom SL zugemessenen Schwierigkeiten bestimmt wird. Dass ich demgemäß eine flexible Möglichkeit benötige, das jeweilige Szenario entlang der Bedürfnisse und Ideen der Spieler laufen zu lassen (a.k.a. Nexus-Vortex-Methode). Dass ich manchmal auch Action (also Konflikte, wie z.B. Kämpfe) bringen muss, um eine Situation auflösen zu können. Und dass Pacing, also die Rhythmik des Szenarios einen manchmal vor Probleme stellt. Und in der letzten Folge sprach ich auch über das Showrunning. Doch wenn wir uns all das zusammen anschauen, wird klar, dass ich auch in jedem einzelnen Szenario – oder jeder Sitzung – an Hand einer übergeordneten Struktur arbeiten muss…

Ich höre sie schreien, die „RAILROADING“-Rufer, die jetzt bestimmt denken, Struktur bedeutet zwangsläufig einen Mangel an Flexibilität und damit wirklich freien Spieler-Entscheidungen Doch wenn wir uns die Struktur üblicher Pen’n’Paper-Szenarien ansehen, ist es eigentlich ganz einfach zu verstehen, dass dem nicht so ist:

Situation => Motivation/Ziel => Entscheidung => Spezifische Aktion => Auflösung gemäß Spielmechanik => Resultat => neue Situation!

Die Situation ergibt sich (zu Anfang) aus dem Narrativ des SL. Die Spieler leiten aus dem Narrativ ihre Motivation, bzw das präzise Ziel ab, aus dem sich Handlungsmöglichkeiten ergeben und treffen eine Entscheidung darüber, wie sie vorgehen wollen. Das betrifft sowohl Einzelaktionen wie „Ich greife den dritten Ork von links an“, wie auch kritische Pläne wie „A kappt die Telefonleitung und den Strom, B gibt von gegenüber Deckung, C hält das Fahrzeug bereit, D und E gehen rein und holen die Geisel.“ Der SL trifft – in Abhängigkeit von der Situation und den gültigen Regeln – seinerseits eine Entscheidung über die zu meisternden Schwierigkeiten und gemäß der Spielmechanik wird ermittelt, ob die Aktion(en) Erfolg haben, oder nicht. Dieses Resultat erzeugt eine neue Situation, die nach genau den gleichen erzählerischen Regeln behandelt wird, wie eben beschrieben.

Was sich von Szene zu Szene unterscheidet ist nicht die stets gleiche, zu Grunde liegende Struktur, sondern lediglich die Art der hier erforderlichen Aktionen und die dazugehörige Spielmechanik zur Auflösung der Frage, ob’s klappt, oder eben nicht. [Justin Alexander vertritt in dieser Artikelreihe übrigens die Ansicht, dass der gute alte Dungeon Crawl als Archetypus für jede Art von Struktur herhalten muss. Soll sich jeder seine Meinung zu bilden, ich halte das für zu simplifizierend. Insgesamt ist sein Blog „The Alexandrian“ dennoch sehr lesenswert.] Was sich nun unterscheidet, ist tatsächlich nur die Art der regelmechanischen Auflösung der jeweiligen Szenen: reden wir über Rätsel und Probleme lösen, über Kampf, oder über social events in play? Regelwerke bieten hierfür häufig Mechaniken an, die sich zum Teil erheblich unterscheiden. Manche lassen aber auch einfach immer den gleichen Würfel mit unterschiedlichen Modifikatoren werfen und moderieren die notwendigen Erfolgszahlen, um das notwendige Maß an Spannung hinsichtlich Erfolg/Misserfolg zu schaffen. Ist aber auch egal; Hauptsache, am Ende steht eine Auflösung der Szene/Aktion.

In jedem Fall bedeutet es, dass ich eine Struktur-Mechanik habe, die es mir eindeutig erleichtert, meine Sitzungen zu planen und durchzuführen. Indem ich meinen Spielern so – durch die Hintertür – Aufgaben zu geben versuche, indem ich ihre Aufmerksamkeit fokussiere, schaffe ich quasi Handlungsdruck für meine Spieler und stupse sie in eine gewisse Richtung. Man darf mich bitte nicht falsch verstehen: die Effekte meiner Beschreibungen sind keinesfalls vorhersagbar. Manchmal könnte ich auch einen Plot-Bus vorbeifahren lassen und es käme das Gleiche dabei raus; nämlich nix. Und manchmal werfen sie sich auf Details, die ich nie auf dem Plan gehabt hatte. Spielt man ein wenig Open World, muss man allerdings auch damit rechnen, dass die Spieler manchmal „lost in translation“ sind…

Die obige Beschreibung soll meine Nexus-Vortex-Methode noch einmal etwas präziser darstellen. Mir ist bewusst, dass ich, vermutlich auf Grund meiner Erfahrung viele Dinge intuitiv abhandele, mit denen ein unerfahrener SL wahrscheinlich seine liebe Müh und Not hätte. Doch wenn ich mir einmal die Mühe mache, die Ziele und Motivationen der NSCs zu durchdenken und danach mit denen der Spieler und ihrer Charaktere zu vergleichen, weiß ich, welche Entscheidungsmöglichkeiten ich anbieten muss, um das Spiel im Fluss zu halten. Allerdings ist es manchmal schwierig die lang-, mittel- und kurzfristigen Ziele der Spieler und ihrer Charaktere herauszubekommen. Denn manchmal nutzt diesbezüglich fragen wenig, wenn man nur ein „Och, schauen wir mal“ zu hören bekommt; dafür dann aber lange Gesichter, wenn irgendwelche Pläne voll in die Binsen gehen, oder Ziele nicht erreicht werden können.

Wenn man allerdings gar nicht fragt, sondern einfach sein Ding durchzieht (was ich gelegentlich auch mal tue, besonders, wenn ich einfach kein Feedback bekomme und welches provozieren möchte…), darf man sich halt nicht wundern, wenn hinterher alle gefrustet sind. Ist mir neulich passiert, weil ich a) wirklich nicht wusste, wohin die Spieler und ihre Chars jetzt wollten und b) die Spieler nicht miteinander gesprochen haben. Passiert. Muss man mit leben. Und ändert nichts daran, dass ich zumeist versuche, oben beschriebene Methode zu nutzen. Ich würde mich aber sehr dafür interessieren, ob jemand anders mir mal sein Strukturmodell und seine Methoden erläutern möchte. Ich würde mich sehr freuen und wünsche allen bis dahin – always game on!

Auch zum Hören…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert