Traditionen können etwas Wunderbares sein, wenn’s dabei nicht gerade um spitz zulaufende weiße Kappen und brennende Kreuze geht; oder ähnlichen Tand, welcher die Zugehörigkeit zu einer der vielen anderen dummen Rassisten-Organisationen bezeugen soll. Tradition per se bedeutet erst mal nur eine überlieferte Kulturpraxis, an der schon meine Vorväter (und -mütter) Freude hatten. Nun haben Menschen allerdings diese dumme Angewohnheit, Dinge zu (ihrer) Tradition zu erklären, wenn es ihrem verqueren, von Dogmen zugekleisterten Weltbild in irgendeiner Weise dienlich ist. Ein gutes Beispiel sind die Pegidioten, denen entgangen ist, dass Deutschland schon immer ein Ein- und Durchwanderungs-Land war; nur dass es früher keinen Armleuchter gab, der die Losung Nationalstaat ausgegeben hatte. Als wenn Bayern und Bremer tatsächlich so viel gemeinsam hätten… Nun ja.
Jedenfalls gibt es in unseren Breiten eine Menge Brauchtum, dass mit Hingabe gepflegt wird – z. B. der Vatertag. Wie viel sorgfältige Vorbereitung es doch braucht, um für den Spaziergang durch den Wald eine ausreichende Versorgung mit gekühltem Alkohol und eine ansprechende Menüplanung zusammenzustellen und umzusetzen. Schade nur, dass man sich für den Heimweg so oft auf den Rettungsdienst verlässt. Bei mir hätten die eine Falttrage dabei und müssten jene, die sich (mal wieder) vollkommen abgeschossen haben, selbst nach Hause schleifen – Verursacherprinzip und so…
Jedes Jahr an Christi Himmelfahrt nehmen sich gute deutsche Männer – ob’s denn alles Väter sind, will an dieser Stelle gar nicht geprüft sein – also ein Herz und gehen Saufwandern. So weit so schlecht. Was machen die Mädels derweilen? Das Essen? Die Kinder hüten? Eine Mädels-Saufwanderung? Ich stolperte gestern Abend über einen Essay auf Zeit online, in dem eine junge Autorin beklagte, sich unvermittelt durch den Corona-Lockdown in einer traditionellen Rollenteilung wiederzufinden – Frau steht am Herd und Mann tut, was Mann halt so tut… Es entspann sich ein Gespräch mit der besten Ehefrau von allen, nachdem ich ihr den Artikel vorgelesen hatte. Und ich denke immer noch darüber nach.
Wir waren uns einig, dass man einerseits dahin kommen muss, dass Frauen und Männer mit ihrem Leben anfangen können müssen, wonach auch immer ihnen der Sinn steht. Das ist heute noch lange nicht gegeben; gläserne Decken gibt es überall in der Gesellschaft. Allerdings übersieht die Autorin etwas Entscheidendes, wenn sie sich fast schämt, dass ihr Backen Spaß macht: es war, wie sie freimütig zugibt, ihre eigene Entscheidung, die sogar zu einem Lustgewinn geführt hat; warum problematisiert sie ihren eigenen Willen, etwas zu tun, dass einem tradierten Rollenmuster ähnelt? Etwa nur, gerade weil es einem tradierten Rollenmuster ähnelt und damit ihr Bekenntnis zum Feminismus in Frage stellt und sie sich darüber schämt? Oder weil es die Wirkmacht von Sozialisation offenbart, obwohl sie doch im Bewusstsein für den Feminismus erzogen wurde?
Zweifellos sind tradierte Rollenbilder in den Köpfen der Männer genauso stark, wie in denen der Frauen; was oft gruselige Auswirkungen hat, wie Joko und Klaas mit ihrer Produktion „Männerwelten“ beeindrucken dargelegt haben. Und eben so zweifellos gibt es immer noch mehr als genug Männer, die sich weder in ausreichendem Umfang an der Care-Work beteiligen, noch ihren besseren 75% mit dem Respekt begegnen, den sie verdient haben. Doch ich möchte an dieser Stelle eine Lanze brechen für jene Männer, die eben genau das tun und deren Beitrag zur Emanzipierung der Frau immer totgeschwiegen wird. Und ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es – allen Gender-Studies über die soziale Strukturierung von Geschlecht zum Trotze, die den Einfluss der Sozialisation auf Geschlechts-Rollenbilder aufgedeckt haben – biologische Unterschiede gibt, die sich bei weitem nicht auf die Reproduktionsorgane beschränken.
Insbesondere die neurophysiologischen Unterschiede können hier als Erklärung dienen, warum manche Dinge so passieren, wie sie passieren – ohne dass dies in irgendeiner Form eine Entschuldigung für das Verhalten vieler meiner Mit-Macho-iden sein soll. Wir sind zweifellos am Vatertag 2020 noch nicht so weit, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Und dass die Corona-Krise uns ausgerechnet in diesem Gesellschaftsbereich auch noch zurückwirft ist mehr als nur bedauerlich. Aber wir könnten ja mal anfangen und den Vatertag als Grund nehmen, uns wie Väter zu benehmen und nicht wie affektinkontinente Brüllaffen. Ich werde mich dann demnächst mal um’s Essen kümmern. Bei dem Wetter mache ich natürlich den Grill an – ich schneide dabei das Grill-Gemüse selber, decke den Tisch (OK, heute machen das vielleicht unsere Kids), räume hinterher ab, etc. Und ihr anderen (Möchtegern)Väter da draußen? Wie sieht’s mit euch aus?