Der verwirrte Spielleiter N°38 – Ganze Welten…?

Das Gesicht von namenlosem Entsetzen verzerrt, Schweißperlen von der Stirn wischend, und unartikulierte Laute vor sich hin brabbelnd, blättert der Spielleiter hektisch in seinen Aufzeichnungen hin und her, weil irgendein*e Spieler*in ein obskures Detail über einen vergessenen Aspekt der Welt abgefragt hat… Wenn euch so etwas tatsächlich zustößt, dann sind vorher ein paar Dinge schief gelaufen. Eines davon ist zu viel Vorbereitung! Ein anderes zu wenig Vorbereitung! Und noch ein weiteres – schlechte Vorbereitung! Aber, eines nach dem anderen. Das erste, was man sich zu diesem Post hinter die Ohren schreiben sollte: Rollenspiel ist das, was die jeweilige Gruppe daraus macht. Manche SLs und Spieler*innen vertiefen sich gerne in die „Lore“ (zu deutsch „Überlieferungen“), also die Hintergründe, die Geschichte, das scholastische Wissen über die Spielwelt. Man könnte argumentieren, das große Teile von Lore einfach nur Fluff sind; also nicht zwingend für die Geschichte wichtig, wohl aber für die Atmosphäre. Oft stimmt das. Manchmal jedoch sind Teile der Lore auch Plotdevices. Und genau da beginnen die Probleme, denen ich mich gleich zuwenden möchte. Andere SLs und Spieler*innen sind jedoch mit weit weniger Lore zufrieden; und das ist gut so, denn weiter oben sagte ich ja schon, das Rollenspiel das sei, was die eigene Gruppe jeweils daraus macht. Aber auch das macht Probleme, wenn die amoklaufende Kreativität des SL und die Bedürfnisse der Spieler*innen konfligieren…

Nehmen wir an, ich habe mal wieder eine ganze Welt im Kopf, zusammen mit einer Core-Story, einem Metaplot, zentralen Figuren und Konflikten. Das passiert mir manchmal beim Kacken. Und wenn ich Glück habe, weiß ich die Hälfte davon noch, wenn ich es endlich an den Schreibtisch geschafft habe. Natürlich gefällt mir diese Kreation – ist ja schließlich meine! Und ebenso natürlich möchte ich – nein, WILL ich – dass meine Spieler*innen meinen Genius bewundern; und brenne folglich darauf, sie mit meiner Lore abzufüllen bis Oberkante Unterlippe. Vollkommen gleichgültig, was davon später tatsächlich wichtig wird. Einerseits könnte das der Neigung mancher Spieler*innen einen Riegel vorschieben, sich auf jede Andeutung des SL zu stürzen, wie Wölfe auf die Beute. Selbst, wenn es eigentlich nur Fluff war. Und sie jetzt nach einem Plothook suchen, wo ich NIEMALS einen geplant hatte. Schöner Mist. Werfe ich Ihnen eine unüberschaubare Anzahl von Informationshäppchen hin, wissen sie gar nicht, worauf sie sich zuerst stürzen sollen. Erzeugt allerdings nicht etwa nur eine Ablenkung von allzu offensichtlichen Plothooks, sondern zumeist vollkommene Konfusion. Und wenn ich dann als SL auch noch erwarte, dass sie – Plotdetektoren gleich – das eine, wichtige Stück Info in diesem Chaos finden, habe ich mich geschnitten. Man kann die Geschichte auch zu gut verstecken (schaut euch „Die Legende von Buster Scruggs“ an, dann wisst ihr was ich meine). DAS IST ZUVIEL VORBEREITUNG.

Der Gegenpol ist genauso uncharmant. Ich hatte keine Zeit, keine Lust, oder keine Ideen und jetzt ist Sitzung. Ja, dann nehme ich halt den einen NSC und das bisschen, was ich mir irgendwo aus der Hirnwindung leiern konnte, und prügele die Chars (und damit auch die Spieler) auf Linie. Nehmt meinen Roten Hering, oder sterbt, ihr Narren! Railroading? Ja vielleicht…? Oder ich bin sogar für’s Railroading zu lazy, und lasse sie halt einfach planlos durch irgendwas stolpern, spielleite also 100% reaktiv. Kann man schon mal machen, aber sehr oft endet das einfach in tödlicher Langeweile für meine Spieler*innen. Weil sie nicht wissen, was überhaupt das Ziel ist – und folglich keine Motivation entwickeln. Weil ich als SL dauernd dazu gezwungen bin, für Nachfragen in meinen Regelbüchern, Weltenbüchern oder Notizen (sofern überhaupt vorhanden) zu blättern, und on the fly Entscheidungen zu treffen. Die dann vielleicht noch nicht mal irgendwo dokumentiert werden, weil ich dafür auch zu faul bin! DAS IST ZU WENIG VORBEREITUNG.

„Und was ist dann schlechte Vorbereitung?“ fragt ihr nun. Aus meiner Sicht, wenn ich zu viel Vorbereitung mit Railroading paare. Ich habe etwas ausgearbeitet. Und vielleicht ist das sogar spitzenmäßiger Content. Aber ich habe mir dabei Nebenstraßen zugemauert und mich auf einen Course of Action eingeschossen, den ICH als SL realisiert sehen möchte. Und dabei vergesse, dass wir GEMEINSAM eine Geschichte erzählen, und das Limelight für NPCs am Spieltisch nichts zu suchen hat, es sei denn, die Spieler*innen lassen es zu, oder fordern es sogar ein. Und ja, das passiert allen dann und wann. Es ist dabei vollkommen unerheblich, ob es „nur“ um kleinere Ereignisse geht (in jedem Spielleiterhandbuch steht ja irgendwo „start small“), oder um den Krieg der Welten. Die Spielercharaktere bekommen das Limelight, sie sollen strahlen dürfen. Auch, wenn sie dabei erheblich ramponiert werden, wie’s die Tage mal wieder passiert ist.

Ich hatte davon berichtet, dass mir ein High-Fantasy-Stadtstaat, NSCs, und Happen von Geschichte, inclusive einem halben Dutzend Plothooks einfach so aus der Feder geflossen sind (wortwörtlich, da mit Tinte handschriftlich niedergelegt); die Spieler haben dann bei der Charaktererschaffung noch ein weiteres halbes Dutzend dazu gelegt. Bombig. Also habe ich das Schmieden der Gruppe diesmal tatsächlich im Feuer vollzogen; inclusive einem Barden, der ein Lied darüber schreibt. Alles Weitere wird sich finden. Worauf ich aber hinaus will. ist Folgendes: ich habe Vorbereitung getroffen, ich hatte NSCs, Orte, etc. bereit. So viele davon, dass es auf den ersten Blick nach zu viel Vorbereitung aussah. Ich konnte mich jedoch des Fehlers erwehren, sie gleich mit allem zu überschütten. Ich habe ihnen immer genau soviel hingehalten, dass sie Lust hatten, mehr rauszufinden; habe NSCs nach Notwendigkeit mehr ausgeschmückt, als zuerst intendiert und Ihnen die Chance gegeben, den Weg durch meine chaotischen Notizen selbst zu finden.

Das ist, was man üben muss. Der Ratschlag „Start Small“ ist insofern korrekt, als die Spielumgebung für die Spieler*innen und ihre Charaktere überschaubar bleiben muss. Die Detailiertheit bei der Ausarbeitung sollte dennoch durchaus eine gewisse Tiefe haben. Wenn mich ein Spieler fragt, ob es einen Rüstschmied gibt, muss ich den parat haben (im Zweifel auch incl. eines Stat-Blocks). Die Tiefe, in welcher ich die Ausarbeitungen dann nutze, hängt von den Spielern ab. Und wenn ich hinterher vorbereitetes Material übrig habe, dass nicht gleich genutzt wurde, weil die Chars zunächst achtlos dran vorbei gelaufen sind, ist es ja nicht wertlos oder für den Eimer. Auch für Chars und Orte gilt, man sieht sich im Leben immer zwei Mal. Will sagen, Material auf Halde zu haben, wird sich später im Verlauf einer Kampagne als nützlich erweisen. Spätestens dann, wenn ihr mal keine Zeit, oder keine Nerven für viel Prep (Preparation – Vorbereitung) hattet, blättert ihr einfach ein paar Seiten zurück, et voilá – Plot to go! Man braucht also keine ganzen Welten. Wohl aber ein paar sorgsam und mit gewisser Detailverliebtheit ausgearbeitete Orte, die für die Spieler*innen realistisch genug wirken, um die „suspension of disbelief“ für eine Weile am Leben zu halten. Denkt dabei an Film- oder Seriensets und die Liebe, mit der die Setdesigner Fantasiewelten zum Leben erwecken. Als SL seid ihr auch immer selbst Setdesigner; wohlwissend, dass es zunächst vollkommen genügt, die sichtbaren Teile der Welt auszuarbeiten. Damit hat man schon viel zu tun. Und genau deshalb muss ich mich jetzt verabschieden. Wir hören uns. Bis dahin – always game on!

Auch als Podcast…

Was heißt hier „Oldschool“…?

Ich war noch nie dieser jemand mit der hübschen Handschrift. Zu Schulzeiten musste ich mindestens bei zwei Gelegenheiten eine Klausur später abtippen, und bekam dafür eine halbe Note Abzug. Wenn heutzutage jemandem meine Notizbücher in die Finger fielen, müsste diese Person für die Dechiffrierung vermutlich einen Robert Langdon, so einen Spezialisten für Horrorglyphen anheuern. Hieroglyphen sind dem Namen nach ja heilige Zeichen… Meine Handschrift hat sich irgendwann in meinen späten Jugendtagen von dem, was man üblicherweise in der Grundschule beigebracht bekommt zu einer Art Druckschrift entwickelt, deren Hastigkeit allerdings oft der Unterscheidbarkeit der Vokale den Garaus macht. Oder einfacher ausgedrückt: je flotter, desto Sauklaue. Und das, obwohl ich mich wieder des Schreibens mit dem Füller befleissige.

Viele Dinge des beruflichen Alltages, meine Blogposts, meine Bücher, und noch manches Andere entstehen zum größten Teil ungefiltert an der Tastatur. Ich bin trotz der Vielschreiberei immer noch kein wirklich guter Maschinen-Schreiber, aber das ist mir egal; vermutlich, weil meine Denk- und Schreibgeschwindigkeit zumeist ziemlich gut harmonieren. Ich musste allerdings im Rahmen meines Studiums wieder Klausuren schreiben; und die schreibt man mit der Hand. 8-9 Seiten Din-A4 in 2 Stunden! Ich habe hinterher immer einen Krampf im Griffel. Weshalb ich angefangen habe, wieder viel mehr handschriftlich zu arbeiten. Ich habe, unter Anderem ein Journal für meine Arbeit (To-Do-Listen, Ideen, Termine, Fragestellungen, etc.) und mehrere für den privaten Gebrauch. Meine letzten Kampagnen für’s Pen’n’Paper existieren nur auf dünn beschriebenen, mit Skizzen und NSC-Stat-Blöcken durchsetzten A4-Seiten; sorgsam in Klarsichthüllen in einem Ringbuchordner verwahrt. Die Kampagnen-Notizen für meiner eigenen Charaktere landen, wie meine Arbeitsnotizen auch, in diesen klassischen Blanko-Notizbüchern mit Lederoptik-Einband und Markierungsbändchen…

Womit wir beim Thema wären. Ich frage mich immer wieder, was „Oldschool“ eigentlich bedeutet? Schwingt da so eine Nostalgie des Vermissens der guten alten Zeit mit? Die es ja nachweislich nie gegeben hat, außer man findet es toll, in zugigen Hütten ohne Strom zu leben und in einen Eimer neben dem Bett zu scheißen! Oder ist es doch eher so ein ironisches Bemitleiden des Ewiggestrigen, der Technikverweigerer, der Analog Natives…? [Wobei sich verschiedene, vornehmlich jüngere Leute folgender Tatsache gewärtig sein sollten: Leute wie ich haben JEDE technische Entwicklung seit den frühen 90ern des 20. Jahrhunderts mitgemacht, sind mit all dem aufgewachsen, und kennen mehr als nur die polierten User Interfaces – WIR sind die echten Digital Natives!] Für mich ist Oldschool auch weniger eine Begriff, denn ein ganzes Sammelsurium an Erfahrungen und Gefühlen. Kurz gesagt, derTeil meiner Persönlichkeit, der meine bisherige Biographie gegen mein tägliches Neu-Erleben austariert, und mir so jenes Gefühl von Kontinuität gibt, welches Menschsein überhaupt erst möglich macht. Wir alle sind darauf angewiesen, uns selbst in diesem komplexen Dingens namens Leben zu verorten. Und wir tun dies, indem wir eine fortlaufende Geschichte unserer Selbst erzählen. Wenn dabei die Plotholes so groß werden, wie in manchem Hollywood-Blockbustern, ist unsere identität im Arsch.

Allerdings unterliegt man dabei nur zu gerne einem Wahrnehmungs-Bias. Denn natürlich ist das tägliche Konfrontiert-Sein mit der Notwendigkeit des Weiter-Machens anstrengend! In der Folge suchen wir unterbewußt Zuflucht an jenen Orten unserer Biographie, die wir (Verklärung durch zeitliche Verzerrung inklusive) als schöne, einfache, gute Zeiten erinnern. Und da haben wir sie, die gute alte Zeit! Alles nur Psycho-Ballast! OK, das war ein bisschen böse und selbstverständlich ist es legitim, ab und zu einfach mal wieder ein Eis haben und schaukeln gehen zu wollen. Doch das ist natürlich nicht so einfach. Also ist mein Schreiben mit dem Füller in altmodisch anmutenden Notizbüchern natürlich nicht nur Übung für Uni-Klausuren, sondern Ausdruck meines unterbewussten Wunsches, die ganze Scheiße mal für eine Weile sein zu lassen und wieder Kind (oder wenigstens Jugendlicher) sein zu dürfen. Was gewiss nicht passieren wird. Aber das Ventil tut ganz gut. Und weil es zudem meinem persönlichen Lern- und Denkstil entgegen kommt, wird es auch zukünftig dabei bleiben, dass ich zwischen dem digitalen und dem analogen Pol pendele und mir das – subjektiv für mich – Beste aus beiden Welten nehme. Vielleicht täte uns allen etwas mehr Oldschool manchmal ganz gut. In diesem Sinne – eine gute und gesunde neue Woche.

Auch als Podcast…

Unkreativer Samstagmorgen…

An manchen Tagen fange ich einfach mit dem Schreiben an, und schaue mal, wo mich der Flow hinträgt. Heute ist das nicht anders. Oft läuft nebenbei leise irgendwelche, tendenziell chillige Musik; wobei die Kategorisierung „chillig“ ja sehr subjektiv ist. Im Moment benutze ich „Stranger Synths“ auf YouTube. Wer hier eine Namensverwandschaft zu einer recht bekannten Netflix-Serie zu erkennen glaubt – STRIKE! Bin halt ein Kind der 80er. Und ein großer Popculture-Nerd. Ist gerade von Vorteil, denn ich habe mich die Tage durch ein tiefes Eintauchen in mein wohl wichtigstes Hobby von Sorgen und Problemen abgelenkt, die eventuell durch den Umstand ausgelöst sein könnten, dass mein Vater am Montag 88 geworden wäre. An solchen Punkten denkt man immer nach. Nach gängigen Taxonomien hätte ich damit wohl eher eine dysfunktionale Coping-Strategie angewendet. Nun ja, drauf geschissen… Das neue Jahr hat – zumindest beruflich – angefangen, wie das alte geendet hat: viel Arbeit, viele Anforderungen, und nicht immer ausreichende Ressourcen. Ich laufe mal wieder auf Messers Schneide – ABER, ich finde dennoch immer wieder und immer noch meinen Weg. Und ich stelle fest, dass mir das Ablegen schlechter Angewohnheiten langsam aber sicher etwas besser gelingt. Mehr Zug fahren, weniger Bier trinken, weniger Prokrastinieren und mehr gerissen kriegen. Bleibt nur die Frage, wann das mit dem Schaffen wieder zu viel wird? Auch darauf wird es bald eine Antwort geben. Aber genug des Vorgeplänkels!

Ich hatte eine kurze Konversation mit meiner Frau, in welcher sie über einen Forumseintrag erzählte: Eine andere Künstlerin berichtete davon, dass ihre Freunde ihr absprächen, „wirklich zu malen“, weil sie Teile ihre Bilder von Vorlagen abpausen würde. Was mich zu der Aussage verleitete, dass man ja alleine in die technischen Skills des Malens und Zeichnens erstmal eine Menge Zeit investieren müsse. Selbst bloßes „Kopieren“ erfordert ja schon gewisse Fertigkeiten. Anlass für die Unterhaltung war übrigens der Umstand, dass die beste Ehefrau von allen gerade – als Geschenk – einen Manga-artigen Charakter aus einem Videospiel mit Acryl auf einen Keilrahmen zaubert. Ich könnte das nicht; und ich habe sie schon öfter bei solchen Aktionen beobachtet. Ich bin zwar ein sehr visueller Mensch und übe schon eine Weile das Fotografieren; aber Malen ging immer an mir vorbei. Jedenfalls war ich gleich wieder drin in einer Denkspirale über das Thema Recyclingkreativität. Ich hatte dazu schon vor Jahren mal was geschrieben.

Das Künstler ältere Werke „re-mixen“ ist – mit Blick auf die Musik – ein alter Hut. Die Kulturschaffenden sind dabei immer auf dem schmalen Grat zwischen Schaffenskraft und Plagiarismus unterwegs. Nicht selten fallen sie dabei runter. Nichtsdestotrotz finde ich es frech, jemanden dafür abzuqualifizieren, dass er oder sie re-mixt. Insbesondere, wenn man nicht im Ansatz über die gleichen Skills verfügt, die dieses „Plagiieren“ ermöglichten. Bei wissenschaftlichen Arbeiten ist es einfach nur schäbig, denn dazu braucht man heutzutage nur noch <copy> & <paste>. In der Kunst besteht natürlich die Gefahr, dass die Recyclingkreativität zu <copy> & <paste> degeneriert. Aber da ist kein Kausalzusammenhang. Ich muss hier immer an meinen Musikunterricht in der gymnasialen Oberstufe denken. Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ (mein Lieblingsbild bis heute ist der „Gnomus“) – und was Isao Tomita ziemlich genau 100 Jahre später mit einem (1975 noch sehr neuen) Sythesizer daraus gemacht hat. Damals wusste ich die Lektion noch nicht zu schätzen. Heute umso mehr! Das war Recycling-Kreativität, denn das Originalwerk hat inspiriert, wurde auch zu Teilen kopiert, aber nie plagiiert. [An dieser Stelle wurde das Schreiben eine Weile unterbrochen und anstatt „Stranger Synths“ Tomitas „Pictures at an exhibition“ gelauscht. Doch diese Musik forderte mich kognitiv zu sehr, die konnte ich nicht nebenbei hören…]

Ich habe irgendwo gelesen, dass Recyclingkreativität oder „recreativity“ auch zum Problem für den Künstler selbst werden kann, wenn man sich in einer Feedbackschleife fängt, weil man immer wieder sein eigenes Werk zitiert. Und dadurch vielleicht andere Einflüsse unterbindet, die einen weiter bringen könnten. Ich denke nicht, dass Selbstplagiat ein Vergehen ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Lern- bzw. Übungseffekt bei redundantem Selbstzitat irgendwann zum Erliegen kommt; man wird zunächst nicht mehr besser, dann langsam uninteressant und in der Folge irgendwann irrelevant. Das gilt übrigens nicht nur für Künstler, sondern auch für Lehrer. Vielleicht ist es das, was mich manchmal so kribbelig macht? Dieses Gefühl, nichts Neues, Originelles, Relevantes mehr beizutragen, weil meine Inspiration träge und selbstgefällig geworden ist? Das Problem dabei ist, dass Inspiration und Kreativität Muskeln sind, die regelmäßig trainiert werden MÜSSEN. Steckst du aber in der Tretmühle des LIEFERN-MÜSSENS fest, ist dein Kopf nicht frei für Originalität. Denn auch der originellste Geist braucht immer wieder neuen, externen Input, um selbst Neues schaffen zu können. Kunst und auch Lehre waren schon immer Zitat, Re-Mix, Collage, Interpretation, etc. Deshalb ist der oben beschriebene Vorwurf „nicht wirklich zu malen“, auch substanzlos. So lange man sich bemüht, die Vorlage als Inspiration zu betrachten…

Wenn ich auf meine Schreibe und mein Storytelling im Pen’n’Paper schaue, dann ist vieles davon auf den ersten Blick Plagiat. Weil ich natürlich über Jahrzehnte eine Unzahl an Science-Fiction-, Fantasy- und Horror-Romanen gelesen habe: und in der Folge manche Motive von stärkeren Erzählern entlehnt habe, als ich einer bin. Andererseits sind manche Themen, Erzählfiguren und Archetypen mittlerweile universal geworden. Also, was soll’s? Ich habe mich im Laufe dieses Textes mal wieder selbst zitiert; bin ich also noch kreativ? Mal schauen, was mir dazu einfällt. Einstweilen ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Bin ich faul…?

Bevor man anfängt, über diese Frage nachzudenken, sollte man ein paar Dinge klarstellen, die eigentlich klar sein müssten. Aber wie das mit dem Konjunktiv im Leben häufiger so ist; „hätte, könnte, sollte, müsste“ bringt einen nur manchmal weiter – und dann auch oft nur zum nächsten Prokrastinations-Schritt. Dinge erledigt zu bekommen, erfordert nämlich häufig, Entscheidungen treffen zu müssen. Nun tun wir das, mehr oder weniger bewusst, viele, viele Male am Tag. Jene Entscheidungen, derer wir uns klar werden, fordern uns aber kognitiv in erheblichem Maße. Und jetzt mal ganz ehrlich: lieber Döner, das Sub des Tages, oder doch was vom Schnell-Asiaten ist auch wirklich nicht trivial, oder…? Man merkt, wir sind schon mittendrin. Haben sozusagen Entscheidungs-Druck! Nicht schön, aber wahr. Und die Arten, auf die verschiedene Menschen damit umgehen sind – nun ja – höchst verschieden. Prokrastinieren (also Aufschieben und derweil was anderes machen, was auch irgendwie nach sinnvoller Aktivität aussieht) ist nur eine davon. Allerdings eine recht häufige.

Wir haben also einerseits das Prokrastinieren. Und auf der anderen Seite die bewusste, planvolle, gut getarnte Arbeitsvermeidung. Das sind zwei höchst unterschiedliche Dinge, denn die Prokrastinierer schämen sich in aller Regel für ihr Verhalten – Berufsfaulenzer scheißen darauf! Denen ist es vollkommen egal, dass andere ihre Arbeit mit erledigen müssen! Hauptsache, ihnen geht es gut! Das sind Egoschweine par excellence! Das Problem ist, die beiden Formen unterscheiden zu lernen. Denn die sichtbaren Auswirkungen sind oft sehr ähnlich. Bei beiden Formen finden wir irgendwann in aller Regel irgendeine Form von beobachtbarem Output-Mangel. Spricht man die betreffenden darauf an, wird der Prokrastinierer Taktik 1, also die Faule Ausrede benutzen, jedoch tatsächlich betroffen sein, und in der Folge versuchen, etwas an seinem Verhalten zu ändern. Beim Bummelstreiker jedoch finden wir unter Anderem folgende Taktiken:

  • die faule Ausrede („etwas Anderes war gerade wichtiger“, die wir ja auch beim Prokrastinierer finden)
  • die „Hab-dich-doch-nicht so“-Verteidigung („…SO wichtig ist das nun auch nicht, stirbt ja keiner dran…“)
  • die unschuldig-passive Gegenfrage („…oh, DU hast auch so viel zu tun…?“)
  • die aggressive Gegenfrage (…und was ist mit DEINEN Aufgaben?)
  • die gedrückte Tränendrüse („ich hab doch schon SOOOO viel zu tun“)
  • die Gesprächskreis-Verzögerung („…jaaaa, da müssen wir wohl mal mit den anderen drüber reden, wie die das sehen.“)
  • und in der Königsklasse, die Dilemma-Verteidigung („DANN GEH DOCH ZUM CHEF!“); Dilemma, weil niemand gerne als Petze da steht, der Gesprächsweg als mögliche Lösung jedoch gerade verbaut wurde.

Ich bin – zumindest gelegentlich – ein hoch selektiver Prokrastinierer. Es gibt ein paar wenige Aufgaben – sowohl im privaten, wie auch im beruflichen Umfeld – die mich mit solcher Macht abschrecken, dass ich durchaus große Längen gehe, um diese umgehen zu können. Klingt nicht gerade nach Homo Oeconomicus, wenn man mehr Energie in die Vermeidung von ETWAS steckt, als die Erledigung dieses ETWAS benötigen würde, oder? Nun ja, Prokrastinieren steht zu Recht NICHT in dem Ruf, gut durchdacht zu sein. Am Ende mache ich es dann meistens doch und fühle mich entsprechend mies. Bin ich also faul? Na ja, im Median aller Dinge, die so anfallen wahrscheinlich nicht fauler – oder fleißiger – als der Durchschnitt um mich herum. Wie das aber so ist, bildet der Median (oder Durchschnitt, wie der Volksmund sagt) die Realität oft nicht hinreichend ab. Habe ich 20 Menschen, von denen einer 810.000€ besitzt und 19, die jeweils nur 10.000€ haben, liegt der Median bei 1.000.000€ geteilt durch 20 = 50.000€ pro Person. Einmal kurz nachdenken; und hoffentlich verstehen, dass der Durchschnitt in diesem Fall Käse ist. Deshalb gibt es nicht nur in der Statistik, sondern auch im Rest des Lebens die Möglichkeit zur Einzelfall-Betrachtung – die gleichsam eine Aufforderung zur Einzellfall-Betrachtung darstellt!

Je treffgenauer ich Menschen mit Aufgaben versorge, die zumindest zu gewissen Teilen ihren Neigungen und Begabungen entsprechen; und je besser ich sie dabei unterstütze, diese Aufgaben zu erfüllen, die richtigen Ziele für sich zu finden, und diese auch zu verfolgen lernen, desto wahrscheinlicher wird es, dass Prokrastination irgendwann keine (nennenswerte) Rolle mehr spielt. Die hoch funktionalen Soziopathen, die immer nur anderer Leute Lorbeeren einsammeln und auf meine Kosten Dauerpause machen, erwischt man auf andere Art. Doch das ist vermutlich Stoff für einen anderen Post. Ich habe übrigens gerade prokrastiniert. Anstatt was für mein Masterstudium zu tun, habe ich diesen Post geschrieben. Jetzt fühle ich mich ein bisschen schuldig. Deshalb werde ich morgen etwas für mein Studium tun. Heute habe ich noch was besseres vor 😉 Schönen Samstag noch.

Auch als Podcast…

Warum zocken…?

Zuallererst – die in der Überschrift anklingende Frage kann jedes Hörende nur für sich selbst beantworten. Der Satz klingt Scheiße, aber bemühtes Gendern soll ja bekanntlich Krebs heilen helfen; oder so. Während ich hier sitze, und mich ein bisschen darüber ärgere, dass seit dem letzten Post zu viel Zeit ins Land gegangen ist, läuft im Hintergrund so ein 80s-Dark-Synthwave-Mix. Hätt‘ ich mir nie träumen lassen, dass die Dekade meiner Jugend später mal so trenden würde. Nun ja, ich genieße dann mal das Beste aus beiden Welten: Technik aus dem JETZT und vom GESTERN inspirierte Kulturprodukte. Solcherlei läuft häufig als Hintergrundgedudel, während ich alles mögliche schreibe; zum Beispiel auch meine Abenteuer. Womit wir ja auch schon mittendrin wären. Denn einer der Gründe, warum der Post hier etwas später kommt, als ursprünglich geplant, war die Spielerunde des letzten Wochenendes. Ich habe meinen Urlaub ausklingen lassen, indem ich SA und SO gespielleitet habe.

(c) by Monika Merz

Immer wieder ernte ich für den Hinweis, dass ich Pen’n’Paper-Rollenspieler bin, ein äußerst breit gefächertes Bündel an Reaktionen. Und gelegentlich sieht man hinter der Stirn des Gegenübers auch die Frage, wie man sich als Erwachsener noch mit solchem Kinderkram beschäftigen kann? In „Stranger Things“ spielen schließlich 11jährige das. Ganz so früh habe ich zwar nicht angefangen (ich war 15), aber ja – mein Start lag auch noch in den 80ern des vergangenen Jahrhunderts. Damals hatte ich meine erste Phase mit Computerkram schon hinter mir, war ein typischer Brillenschlagen-Körpergulasch-Außenseiter-Nerd. Und auf der Suche nach etwas, dass mir mit den vielen schrägen Bildern in meinem Kopf helfen könnte. Ich würde nicht sagen, dass mir damals schon bewusst war, was Kreativität bedeutet. Und als ich gefragt wurde, ob ich mal spielleiten würde, war das eher so zum Spaß, um mich auszutesten (und billig an ein paar Erfahrungspunkte zu kommen). Die haben sie sich dann allerdings hart erkauft. Und mein Feedback war gar nicht so übel. Von da an lief das halt so weiter. Und immer häufiger wurde daraus Zocken bei Zimbo…

Wenn ich heute so darauf zurückblicke, würde ich sagen, dass meine Runden am Anfang ziemlich einfach gestrickt waren. Allerdings hatte ich damals kein Geld übrig, also habe ich keine Abenteuer gekauft, sondern selbst welche geschrieben und abseits dessen alle möglichen Regelwerke ausprobiert. Und ich habe alle Fehler gemacht. Jene aus den Handbüchern, und noch ein paar, die bis heute nirgendwo beschrieben sind. Wie das so ist, interessierte ich mich zwischenzeitlich dann auch für Computerspiele, Konsolenspiele, andere popkulturelle Phänomene wie etwa Mangas und Anime – und ich habe gelesen. Sehr viel gelesen! Ich habe auch das Internet halbwegs früh nutzen gelernt. Und immer wieder stellte sich die Frage, was dieses Hobby für mich so kostbar macht, was mich auch nach teilweise längeren Phasen des Spielleiter-Burnouts immer wieder an den Spieltisch geführt hat? Und die Antwort war – für MICH – immer die gleiche: es ist eines der vielseitigsten, kognitiv forderndsten und kreativsten Hobbies überhaupt. Es hat mich gelehrt, die Welt um mich herum mit anderen Augen als meinen eigenen sehen zu können. Und es hat mir ein paar wenige wunderbare, dauerhafte Freundschaften beschert.

Und während all das passierte, wurde ich damit besser. Meine Geschichten wurden reifer, ein bisschen erwachsener, manchmal auch ein bisschen moralischer. Und trotzdem versuche ich immmer wieder, die Welt mit den Augen eines (allerdings höchst überdrehten) Kindes zu sehen. Natürlich designe ich jedes Abenteuer auch unter der Maßgabe, was MIR als Spieler gefallen würde, mit welchem Charakter ich das gerne spielen würde. Wohl wissend, dass die Charaktere meiner Spieler vollkommen anders aussehen und ticken werden; und dass sie vollkommen absurde Lösungsansätze versuchen werden, auf die ich in 1000 Jahren nicht käme. Also zocke ich immer noch Pen’n’Paper. Vielleicht auch, weil für wüstes Computer- und Konsolenzocken meine Reflexe einfach nie gut genug waren – schwamm drüber, ich versuche auch das gelegentlich trotzdem. Aber beim Pen’n’Paper, da kann ich meine Dämonen zum Spielen schicken, die Rampensau rauslassen und bösartig werden, ohne dass es jemandem weh tut. Und nur mal so am Rande: wenn man sich mit der Kulturgeschichte des Spielens ein wenig befasst, tritt die Erkenntnis zu Tage, dass Erwachsene zu allen Zeiten gespielt haben. Insbesondere zu den Zeiten, da man hätte annehmen könne, sie hätten dazu keine Zeit gehabt. Der Drang scheint also evolutionär angelegt zu sein.

(c) by Monika Merz

Mit einer Kategorie wie „Kinderkram“ kann ich also nichts anfangen, weil mein kreatives Denken das Spielen als Teil meiner sozialen DNA in sich trägt. Natürlich spiele ich heute andere Spiele, denn als Kind. Dennoch hat sich der Teil des Make-Believe, des Eigene-Welten-Schöpfens erhalten. Und darauf bin ich verdammt noch mal stolz. Matt Collville, ein Rollenspiel-Youtuber, dem ich folge, hat mal gesagt, dass in unserer Kultur das EGO der kreativ Tätigen einen schlechten Leumund habe, weil viele Menschen nicht verstehen, woher der intrinsische Drang käme, etwas erschaffen zu wollen Und deshalb die notwendige Mischung aus Spieltrieb, Neugier und Energie für Hybris hielten. Man macht sich schließlich keine Mühe, wenn man nichts dafür bekommt. Ich weiß nicht, ob er recht hat. Ich weiß aber, dass mein EGO zumindest diesbezüglich bestens entwickelt ist. Ich freue mich natürlich, wenn meine Kreationen Menschen gefallen; ich kann aber aus vollem Herzen auf jene scheißen, die nur negative Energie übrig haben. Steht zu eurer Kreativität! Steht zu euren Schöpfungen! Und habt Spaß dabei! Always game on!

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°37 – voll verkackt…

Ist mir jetzt tatsächlich drei Monate lang nix zu Pen’n’Paper eingefallen? Ne, ne, lass mal. Ideen hatte ich schon. Nur fast keinerlei Gelegenheit zum Zocken. Das bessert sich jetzt ein wenig, wobei solche Durststrecken ja schon mal vorkommen können. Ich habe mich damit jedoch anderweitig reichlich befasst. Hab ein größeres High-Fantasy-Abenteuer rings um eine Stadt mit einigem Potential geschrieben. Und an meiner aktuellen Kampagnenwelt Cavai gefeilt. Natürlich auch gelesen, Youtube geschaut, und mir so meine Gedanken gemacht. Immer wieder stolpere ich über Inspirationen, in deren Folge ich dann mechanische Aspekte meines Regelwerkes überdenke, verändere, ergänze. Und mir natürlich die Frage stelle, ob das alles so passt?

Man muss dazu Folgendes wissen: ich habe mein Regelwerk durchaus crunchy aufgebaut. Es nutzt jeweils unterschiedliche Würfel und Resolutionsmechaniken für die weltlichen und die magischen Fertigkeiten, sowie den Kampf. Es behandelt Attribute auch anders als Fertigkeiten. Das ergibt sich aus der Erfahrung mit, was weiß ich wie vielen Regelwerken über mehr als 30 Jahre SL-Tätigkeit hinweg; und den daraus resultierenden Erfahrungen. Ein Würfel für alles bietet zu wenig Realismus und zu wenige Failstates. Zu viele Regeln engen die Spieler-Freiheit ein. Zu wenige Regeln nötigen den SL zu mehr Arbeitsaufwand und mehr „on the fly rulings“. Ein goldener Mittelweg ist jedoch schwierig. Ich versuche diesen mit einem Hybrid aus Oldschool und Storytelling-System zu gehen. Nun habe ich erwähnt, dass ich durchaus crunchy arbeite. Daher könnte die folgende Äußerung verwirrend daher kommen: Meine Philosophie ist dabei, den Spielern*innen so viel Handlungs-Freiheiten wie möglich zu geben. Und den SL so viele Story-Freiheiten, wie möglich. Denn beide Seiten werden durch ein zu weites oder zu starres Regelkorsett – nach meiner persönlichen Erfahrung – vom Spielen abgehalten. Man mag mir entgegen halten, dass dies nur meine Partikularmeinung ist…

(c) by Monika Merz

Ich hole mal etwas weiter aus: viele Regelwerke lassen Anfänger-Chars ganz schön knabbern, weil man der Meinung zu sein scheint, dass es nur jene verdient haben, weiter zu kommen, welche zu leiden bereit sind. Nun ist das eine, der klassischen, dramaturgischen Erzählweise entlehnte Betrachtung. Helden müssen Katharsis durchleben, um zu wahrer Größe reifen zu können. OK with me! Anfangs wegen EINER einzelnen RVAG („Ratte von außergewöhnlicher Größe“) Angst vor dem Abkratzen haben zu müssen, erscheint mir aber doch etwas übertrieben. Insbesondere, wenn man davon ausgeht, dass die üblichen „Anfänger-Charaktere“ ja schon einiges an Fertigkeiten und Erfahrung aus ihrem bisherigen Leben mitbringen. Daher setzt mein System auf Chars, die von Anfang an Wumms mitbringen. Den sie auf Grund meines, nun ja, cineastischen Stils auch brauchen. Schwache „Anfänger-Chars“ haben nämlich auch mit Blick auf die dramaturgischen Erfordernisse der Erzählung einen erheblichen Nachteil: sie gehen zu schnell kaputt, wenn du ihnen einen echten Grund zum Reifen präsentierst. Ich brauche aber mehrere mögliche Ebenen des Scheiterns. Mit einem Trefferwürfel + KON-Modifikator ist da recht schnell Sense, wenn ich einen Kampf serviere.

Dafür haben Chars in meinem Regelwerk vermutlich keine ganz so steile „Lernkurve“, wie in anderen Systemen, wo z. B. pro Charakter-Level Dinge dazu kommen (etwa Trefferwürfel). Mein Regelwerk nutzt keine Level. Dennoch gibt es genug Möglichkeiten zum Wachstum und zur Differenzierung durch das Erlernen von Neuem; und das Verfeinern des Alten. Es gibt auch keine Archetypen / Klassen (Krieger, Kleriker, Barde, Magier, Dieb, etc.). Denn wenn ich mir etwa meine Berufsgruppe „Notfallsanitäter / Fachlehrer“ anschaue, existiert kein realweltliches Analogon zu einem Archetyp. Nur spezifisch ausdifferenzierte Sets von Kenntnissen und Fertigkeiten – eingebettet in das, was wir Persönlichkeit nennen. Oder etwa anders herum? Und mein Regelwerk nutzt keine Trefferwürfel. Denn der Trefferwürfel symbolisiert, wie viel ein Char einstecken kann und ist damit in vielen Systemen die wichtigste (teilweise einzige) Failstate-Steuerung => Je mehr du einstecken kannst, desto länger kannst du auch austeilen. Wenn es um taktisches Spiel und Monsterkillerei geht, ist das OK. Wenn es jedoch (auch) um die Geschichten gehen soll, ist das typische Schielen auf Erfahrungspunkte, um schnell hochleveln, min-maxen und etwas mehr aushalten zu können, einfach hinderlich. Denn es führt dazu, dass die Spieler die Probleme in der Geschichte, die Hindernisse auf ihrem Weg, mit den Werten auf ihrem Charakterblatt lösen wollen – nicht mit ihrem Hirn!

(c) by Monika Merz

Man möge mich bitte nicht falsch verstehen: in meinen Spielen wird AUCH gekämpft; aber es geht NICHT in der Hauptsache um’s Kämpfen. Physische Konfrontation ist EIN Mittel zum (erzählerischen) Zweck. Aber bei weitem nicht das Einzige. Und so, wie die Spieler mit ihren Chars – wenn man sie denn lässt (obacht Railroading!) – immer wieder viele höchst erstaunliche Wege gehen, erzeugt für mich die Mischung aus verschiedenen mechanischen Resolutionsmöglichkeiten auch eine Vielzahl an Möglichkeiten, auf diese Auswirkungen der Freiheiten meiner Spieler zu reagieren. Und sie auch mal scheitern lassen, ohne sie dabei gleich zu killen! Ein Charaktertod kann zwar ein ungeheuer starker erzählerischer Moment sein; und in den verbliebenen Chars Energien freisetzen, die ihre Spieler vorher selbst nicht für möglich bgehalten hätten. Aber das sollte etwas sehr Seltenes sein. Es sei denn, ich spiele „Aliens“ nach; da sind natürlich am Schluss immer alle tot. Mein Regelwerk kann, wenn es um den Kampf geht, und das Setting dies erfordert, sehr schnell sehr tödlich sein. Wenn das Setting jedoch mehr Heldenmut verlangt (etwa High Fantasy), lässt es auch durchaus den Einsatz cinematischer Stunts zu. Das ist, worum es mir geht – mit wenig Aufwand skalieren können und eine Basis haben, auf der on the fly rulings (also kurzfristig zu treffende SL-Entscheidungen über Regel-Interpretationen) konsistent zum jeweiligen Setting ohne langes hin und her getroffen werden können!

(c) by Monika Merz

Und was nun die Anwendung der verschiedenen Failstates anbelangt: JA, Chars müssen scheitern können! Scheitern darf aber nicht bedeuten, dass das Abenteuer oder sogar die Kampagne wegen eines verkackten Würfelwurfes zu Ende ist! Scheitern kann auch bedeuten, dass sich daraus Möglichkeiten für Charakterspiel ergeben, sogar Chancen, das Scheitern noch irgendwie zu verwerten – also quasi vorwärts zu scheitern (wie Matt Collville, das mal genannt hat). Denn Scheitern kann viele Gründe haben: schlechte Vorbereitung der SL, Fehlinterpretation der Infos, schlechte Ideen und / oder Pläne der Spieler für die Aktionen ihrer Charaktere, manchmal auch banales Würfel-Pech. Deswegen einzelne Chars oder gar die ganze Party zu killen, oder das Abenteuer entgleisen zu lassen macht niemandem Spaß. Und was am Ende keinen Spaß macht, hat am Spieltisch eigentlich nichts zu suchen. OBACHT: Drama gehört dazu. Und die meisten Spieler*innen lieben es, ihre Chars auch mal ein bisschen leiden zu sehen – wenn sie am Ende trotzdem die Helden des Tages sein können! Heute wird gezockt. Mal sehen, ob wir dieses Mal die Helden des Tages sein können, oder mal wieder vorwärts scheitern 😉 Wie auch immer – always game on!

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°38 – Koordination ist alles!

Et voilá, here we go again! Es wird mal wieder eifrigst über die Frage diskutiert, ob Schulen nach dem – in Baden-Württemberg noch – herannahenden Ferienende geschlossen bleiben sollen; und angesichts der steigenden Corona-Kennzahlen Fernlehre nicht besser wäre? Im Fall der spezialisierten Berufsfachschulen stellt sich diese Frage momentan nicht. 99% unserer Schülerinnen und Schüler sind immunisiert, wir haben strikte Regeln, und testen uns tot. Alles, damit wir ja nicht zumachen müssen. Weil viele Dinge, die wir schulisch vermitteln dennoch handwerklicher Natur sind, und nur mit den Händen wirklich begriffen werden können. Ich stehe dahinter, auch wenn ich mich natürlich ein bisschen unwohl fühle, da es mein Arsch ist, der gegrillt wird, wenn was schief geht. Schwamm drüber – auch das werde ich aushalten.

Der Urlaub neigt sich so langsam, aber sicher einem Ende zu, und just heute führte ich ein längeres Gespräch mit einem hoch geschätzten Kollegen. Es ging unter anderem um die Art, in der man mit Lehrkräften umgeht – und wie man Professionals transparent und vor allem wertschätzend, in alle Vorgänge einbindet. Es ist mittlerweile, zumindest wenn man ein bisschen aufmerksamer durch den Publikationswald schreitet, ein Allgemeinplatz, dass Mitarbeiter heutzutage tatsächlich MITarbeiten wollen, anstatt nur abarbeiten zu müssen. Insbesondere bei Lehrkräften, von denen man ja ein gewisses Maß an Selbstorganisation im Umgang mit ihren Schäflein erwartet, wäre es daher ein Widerspruch in sich, sie von bestimmten Planungs- und Entscheidungsvorgängen auszuschließen.

Schön wär’s…

Genau das passiert aber scheinbar mancherorts immer wieder. Vielleicht, weil man denkt, dass jemand, der führt, ALLES führen muss. Micromanagement ist jedoch der Tod jedweder Kreativität und jedweder situationsadäquater Lösung. Ich versuche wirklich, diesen Fehler nicht zu machen. Und trotzdem will ich immer noch viel zu viel selbst erledigen: weil ich glaube, es nicht richtig erklärt zu haben, mir nicht sicher bin, dass mein Gegenüber meine Vorstellung teilt, denke es besser zu können, etc. Dabei ist das ein Widerspruch zu allem, was ich im Unterrichtssaal zu leben versuche. Mir ist schließlich bewusst, dass MEINE Vorstellung einer Lösung oder eines Sachverhaltes niemals eins zu eins im Kopf meines Gegenübers als SEINE entstehen kann; schlicht weil das konstruktivistische Prinzip dies automatisch verhindert. Und wenn ich dächte, dass jemand etwas (noch) nicht so gut kann, wie ich, dann ist das ein Grund, diejenige / denjenigen dabei zu unterstützen, darin besser zu werden, anstatt ihm / ihr die Arbeit wegzunehmen, um diese selbst zu erledigen. Immerhin bin ich als Schulleiter auch Lernbegleiter meiner Mitarbeiter.

Diesen hoch idealisierten Anspruch erfülle ich natürlich nicht immer. Eigentlich nicht mal oft. Was mich ein wenig dauert. Andererseits sagt man ja, Selbsterkenntnis sei der erste Weg zu Besserung. Aber es ist wichtig. Es gibt im Umfeld einer Berufsfachschule so viele Dinge mit Koordinationsbedarf. Das fängt bei simplen Dingen wie der Personaleinsatz-Planung an (die ja auch den Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung tragen muss), und geht dann über Dinge wie Lehraussagenabstimmung, Contenmanagement, Betreuungsbedarf bei den Schülerinnen und Schülern, Materialbeschaffung und -wartung, Lagerhaltung, Lehrsaalmanagement, kurzfristige Kompensation von anderen Problemen aller Art, etc. Würde mir sowas keinen Spaß machen, wäre ich schon lange davongelaufen. Dennoch geht all das – wie ich immer besser zu akzeptieren lerne – nur zusammen! Was aber bedeutet, dass Kommunikation, Interaktion und Beratung, die ich recht häufig in verschiedensten Formen und Formaten unterrichte, tatsächlich essentielle Fähigkeiten sind.

Toll wär’s, wenn es anders ginge, oder…?

So, wie ich als Vorgesetzter und Fachlehrer den Leuten etwas zutrauen muss, bin ich aber auch immer wieder dazu aufgerufen, integrativ tätig zu werden. Denn Klassenverbände und Teams entstehen nicht von allein! Es gibt immer mal selbsternannte Solisten im Team, die (genauso, wie ich manchmal heute auch noch) denken, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten – und daher immer Recht wären! Die muss ich einbremsen. Und den anderen zu verstehen geben, dass es manchmal etwas Geduld und hier und da einen kleinen Schubs braucht. Es sind ja noch keine Meister vom Himmel gefallen; weder fachlich noch sozial. Und auch, wenn nicht jeder dieses – eher non-direktive – Beraten gleich gut versteht, ist es immer die erste Eskalationsstufe. Probleme muss man erst mal erkennen und verstehen, bevor man sie lösen kann. Und dann braucht es auch hierfür nicht selten mehr als eine Person, um tatsächlich zu einer funktionierenden Lösung kommen zu können. TEAMTogether Empowered And Motivated! Mal schauen, wie’s in den nächsten Wochen so läuft… Wir hören uns.

Auch als Podcast…

Happy new… whatever…

Das alte Jahr endete, wie bei verdammt vielen anderen Menschen auch, durch das ausdauernde Überbacken mit Käse. (Fast) Alles ist mit Käse überbacken besser; der Genuss ethyltoxischer Getränke half aber auch ein bisschen dabei. Das neue Jahr begann, wie bei vielen anderen Menschen auch, wie Tage eben beginnen: aufstehen, frischmachen, anziehen, frühstücken, etc. Der Unterschied zwischen dem Leben am 31.12.xx und dem am 01.01.xx besteht im Datum – allein im Datum! Neujahrsspaziergang, Restevernichtung am Mittagstisch, und exzessives, Wohlstandsverwahrlosung zelebrierendes Gammeln rundeten das Programm sorgsam ab. Soweit im Südwesten nichts Neues.

Raclette der Stufe 3… es hat nicht alles auf den Tisch gepasst.

Ich war morgens zu früh aufgewacht. Mitnichten das, nach derartig käsigen prandialen Detonationen durchaus erwartbare Albdrücken trug jedoch daran Schuld. Vielmehr hatte der Gedankenzirkus unversehens geöffnet; und der Zirkusdirektor meiner privaten Hölle gab eine To-Do-Listen-Galavorstellung. Am 01.01 gegen 06:40 kann ich auf sowas echt verzichten. Es gemahnte mich daran, dass ich für ’22 viel auf dem Zettel habe. Vielleicht zu viel? Ich weiß es nicht. In dem Moment wirkte es allerdings so einschüchternd, dass ich mit einem Schweißausbruch da lag und gerne spontan in ein anderes Universum gewechselt wäre. Selbst Bogenschütze in der ersten Reihe in Helms Klamm wäre in Ordnung gewesen. Wie das mit SOLCHEN Wünschen halt so ist – ich blieb genau da liegen, wo ich war. Und durfte weiter meinen, sich eintrübenden Gedanken nachhängen.

Wir neigen immer in den ungünstigsten Momenten dazu, uns selbst zu martern; und zwar, weil Entspannung oft dafür sorgt, dass unser Gehirn anfängt, nach weiteren Gefahren zu suchen. In unseren Schlafzimmern gibt es nun aber nur in sehr seltenen Fällen noch Säbelzahntiger (und noch seltener greifen uns diese physisch an). Und weil wir heute zu wenig physisch existenzielle Gefahrenquellen haben (warum gehen Menschen wohl Bungee-Springen, Fallschirmspringen, Downhill-Biken, etc….?), werden dann die Dinge greifbar, die wir (unserer Wahrnehmung nach) nicht gut, nicht gut genug, oder sogar gar nicht hinbekommen haben – könnte ja zu Problemen in unserem privaten oder Jobumfeld führen! Und schreiben uns die Schuld natürlich immer selbst zu, damit das schlechte Gefühl auch schön mächtig bleibt. Dass objektiv Manches einfach deshalb liegen bleibt, weil wir weder vier Arme, noch 48h-Tage zur Verfügung haben, gerät dabei zumeist aus dem Blick. Zumal diese Marter ja für andere auch durchaus nützlich ist. Was würden unsere Chefs denn ohne Mitarbeiter machen, die bei unerledigten Dingen Scham empfinden.

Ich möchte an dieser Stelle mal eine Lanze für das Nicht-Schaffen brechen. Wir leben in einer Zeit, in der Arbeitsverdichtung, zumindest in manchen Gewerken, keine Ausnahme mehr bleibt, sondern vielmehr die Norm geworden ist. Sich selbst eingestehen zu können, dass es JETZT gerade zuviel ist, sollte von den Anderen als Zeichen der Stärke, nicht der Schwäche wahrgenommen werden. Meine Mitarbeiter und ich haben in den letzten Monaten diesbezüglich (subjektiv) jedes Limit gerissen. Woran ich tatsächlich niemand speziellem die Schuld geben könnte – oder wollte! Ich habe es allerdings offen nach außen kommuniziert. Mal schauen, wie die Nachlese dazu ausfällt. Ich kann an dieser Stelle allerdings zwei Dinge ganz klar sagen: ich schäme mich für nichts! Und ich sehe auch nichts, dass man mir vorwerfen könnte – mit der möglichen Ausnahme, dass ich nicht früher personellen Entsatz besorgen konnte. Aber das der Markt schwierig ist, hatte ich ja prophezeit.

Ich rede immer wieder davon, dass ich meine Prioritäten neu sortieren möchte. Im Großen und Ganzen habe ich das getan. Letztlich gibt es da gar nicht so viel, was man bedenken muss: die existenziellen Bedürfnisse moderner Zivilisationsmenschen (Unterkunft, Sanitäranlagen, Essen, Kleidung, etc.) müssen gestillt sein; insbesondere, wenn man Verantwortung für seine Familie trägt. Alles, was der so genannten „Selbstverwirklichung“ dient, ist (so bitter das jetzt auch klingen mag) disponibel, nachgeordnet. Da ich meine abhängige Lohnarbeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aufgeben kann – und, zumindest zu einem gewissen Anteil auch noch nicht aufgeben möchte, weil sie spannend ist – um meinen bekloppteren Ideen nachzugehen, werde ich wohl noch eine Weile Sklave der Notwendigkeiten sein. Wäre ich allein auf der Welt, sähe das tendenziell anders aus. Wie’s auch laufend wird – ich stelle fest, dass meine Energie langsam aber sicher zurückkehrt. Und mit Hummeln im Arsch kann es eigentlich nur besser werden. Vielleicht sogar gut. Denn, um noch einmal ein wahrhaftiges Bonmot zu Wort kommen zu lassen: „…wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende!“ Wir hören uns…

Auch als Podcast…