Also ehrlich: es ist schon schön, wenn es Indikatoren dafür gibt, dass man gebraucht wird. Z. B. die eigenen Kinder, die einen frenetisch begrüßen, wenn man nach einem langen Tag nach Hause kommt, oder sich freuen, wenn man mal dazu kommt, sie selbst vom Hort abzuholen. Die Freude der Gattin über das Mittagessen, das zu Hause auf sie wartet, wenn man mal nicht Kernzeit arbeiten muss. Freunde, die sich Zeit für einen Spieleabend, ein Telefonat (>1h) oder ein Frühstücksgespräch nehmen. So kleine Dinge halt, die einem zeigen, dass man nicht alleine auf der Welt ist.
Und dann gibt’s die Momente, in denen man verflucht, dass man auch aus anderen Gründen und für andere Menschen, die wir mal Kollegen nennen wollen, wichtig ist: wenn man im Urlaub, im Krankenstand mit E-Mail, Telefonaten und Messenger-Nachrichten vom GmbH-Typ beglückt wird: „Geh mal, bring mal, mach mal, hol mal!“. Da könnt ich… OK! Ich bin natürlich zur Hälfte selbst dran schuld. Ich könnte ja auch einfach nicht drauf reagieren. Was allerdings bei manchen Menschen dazu führt, dass die Intensität der Anfragenflut noch größer wird. Weil geflissentlich davon ausgegangen wird, das Funktionsträger in Organisationen ihre Funktion immer und überall ausüben. Hierzu ein klares NEIN!
Und überdies eine Klarstellung: wenn ich morgens über den Hof gelaufen komme, beantworte ich keine Fachfragen oder Anforderungen, bevor ich nicht mindestens eingestempelt habe! Eigentlich wäre es für die Gesundheit der Nachfragenden gut, wenn sie mich erst meinen Kaffee trinken ließen; immerhin habe ich meine Affekte heutzutage halbwegs unter Kontrolle. Tote und Verletzte sind daher bislang ausgeblieben. Aber es nervt. Und das weiß man eigentlich so als Mensch auch. Doch die Idee von der ubiquitären Verfügbarkeit sozialer Dienstleistungen scheint sich irgendwie in die Gehirne meiner Kollegen geätzt zu haben.
Sitze ich dann im Büro und bin – OFFENSICHTLICH – auf etwas anderes konzentriert (könnte man am Blick auf den Bildschirm und der Bewegung meiner Finger auf einer Tastatur relativ simpel herleiten), kommen die lieben Kollegen hereingewalzt und fangen an, ohne Punkt und Komma auf mich einzureden. Ohne abzuwarten, ob ich jetzt gerade die zeitlichen und kognitiven Ressourcen für ihr Anliegen frei habe. NEIN – ich sitze nicht den ganzen Tag da und warte auf einen Partner für ein Schwätzchen. Es kann ab und zu mal vorkommen, dass ich mir Zeit für die informelleren Teile meiner Arbeit nehmen kann. Aber nur, wenn die anderen Dinge erledigt sind, oder etwas wirklich wichtig ist. Dann hat man aber trotzdem 30 – 60 Sekunden Zeit, zu warten, bis ich Kommunikationsbereitschaft signalisiere. Das hat was mit dieser altertümlichen Unart namens „Höflichkeit“ zu tun…
Besonders problematisch wird es jedoch, wenn Arbeit und Privates vollkommen entgrenzt werden, weil mich Erstere in das Letztere verfolgt. Z. B., wenn ich – für die Schnupfensaison vollkommen untypisch – mit einem wüsten Atemwegsinfekt auf der Schnauze liege, daher plötzlich nix mehr funktioniert, wie vorgesehen und ich mit fiebrigem Schädel von Zuhause aus Dinge managen muss, weil ich vorher schlicht keine Zeit hatte, einen Plan B für alle Fälle zu entwickeln. Mal davon abgesehen, dass das Ressourcen-Portfolio die frühzeitige Vorplanung für solche Eventualitäten schlicht nicht zulässt. Schade auch…
Ich mache im Moment einen auf One-man-show, weil das Projekt, mit dem ich nun betraut bin noch entwickelt wird und ich nebenher meinem bisherigen Arbeitsbereich am Laufen halten und dazu noch ab und an Blaulichtauto fahren muss. Ich sag’s wie’s ist: das klappt nicht immer ohne Reibungsverluste und Friktionen. Aber man hat bei meinem AG im Hause immer noch nicht vollständig begriffen, dass das Zeitalter der eierlegenden Wollmilchsäue vorbei ist. Endgültig!
Die Lehre, die ich für mich daraus ziehe ist Folgende: ich werde zumindest versuchen, für die Zukunft nur noch mit einem Plan B zu disponieren. Alles, was keinen Plan B zulässt, sollte nicht realisiert werden, weil es sonst hinterher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur unangenehme Fragen und lange Gesichter gibt. Und ein vollkommen ausgebranntes Ich – hatt‘ ich schon, brauch ich nich‘ noch mal. Ich bin mir ziemlich sicher, ähnliches schon mal geschrieben zu haben, doch im Moment nervt mich vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der man annimmt, dass ich zur Verfügung stehe, obwohl ich KzH bin. Na ja, ab Januar wird alles besser. So wie jedes Jahr. Au revoir.