Zimboplag – oder warum kopieren auch legitim sein kann!

„Denke nie gedacht zu haben, den das Denken der Gedanken…“ und so weiter und so fort. Sie kennen den Spruch von Kästner vermutlich, man könnte das als Allgemeingut bezeichnen, das immer mal wieder zitiert wird; zu Recht, wie ich finde, denn es ist ein guter Spruch. Darüber hinaus funktioniert er auch als Sinnbild für die feine Linie zwischen Zitat und Plagiat oder manchmal auch zwischen tatsächlich selbst drauf gekommen und woanders geklaut.

Menschen bekommen ihre akademischen Würden im Nachhinein aberkannt, weil andere Menschen mit Akribie – man könnte es weniger freundlich auch Dippelschisserei nennen – deren Dissertationen auf Fehler überprüfen. Ich behaupte mal, so gut wie jeder längere wissenschaftliche Text enthält zumindest Flüchtigkeitsfehler, womit eine solche Suche als selbst erfüllende Prophezeiung betrachtet werden kann. Insbesondere, wenn man sich moderner Methoden des Textvergleichens bedienen kann.

Die Frage ist also nicht, ob plagiiert wird oder wurde. Im Zeitalter des Internet, wo Copy=>Paste so einfach ist wie das Einmaleins, beklagen sich immer mehr Hochschulprofessoren über die wachsende Zahl von mehr oder weniger gewichtigen Betrugsversuchen, wobei ich davon überzeugt bin, dass ein nicht unerheblicher Teil davon nichts mit Betrügen zu tun hat, aber dazu später mehr. Wichtiger ist, geschieht bzw. geschah es denn tatsächlich mit Vorsatz? Kann man das daraus erwachsende Produkt eventuell dennoch als original und originell einstufen? Und was verspricht sich der Plagiatjäger davon, jemanden des – vermeintlichen – Betruges zu entlarven?

In der ersten Frage klang bereits an, dass ich nicht überzeugt bin, dass jedes Plagiat auch tatsächlich bloßes Abschreiben ist. Vielmehr ist, wenn man die oftmals begrenzte Reichweite der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit und des individuellen Variantenreichtums in Betracht zieht die Wahrscheinlichkeit gar nicht so gering, dass ein einigermaßen begabter Student bei Kenntnis der Grundlagen im Kontext einer bestimmte Frage zu den gleichen Schlüssen kommt wie andere vor ihm; und diese dann auch zumindest ähnlich formuliert, insbesondere, wenn man sich der eigentümlichen Sprachkonventionen des akademischen Alltags bewusst ist. Muss man diesem armen Tropf dann das Pech der späteren Geburt vorhalten? Ich finde nicht. Wenn jemand allerdings eine bereits vorbestehende längere Textpassage eins zu eins wiedergibt, darf man zumindest am lauteren Charakter seiner Bemühungen zweifeln.

In meinem Artikel zu Recyclingkreativität sprach ich bereits davon, dass die Zitation, Neuinterpretation und Neumodellierung tradierter Kulturbestände durchaus achtbarer Teil des kreativen Prozesses sind – auch weil nicht jeder zur creatio ex nihilo fähig ist – und gleiches sollte auch im akademischen Bereich gelten. Wir sollen uns ja nicht vollkommen von den „Klassikern“ lösen, aber eben hier ist es stets eine Gratwanderung zwischen unreflektierter Reproduktion – vulgo Wiederkäuen – und dem Begreifen und Vernetzen des Studierten, die den Unterschied ausmacht.
Manche Sachverhalte sind so komplex, das es wenig alternative Möglichkeiten gibt, sie zu erklären als mit eben den Worten Desjenigen, der sie zuerst für andere zugänglich gemacht hat. Hier Plagiarismus zu unterstellen grenzt an Bigotterie.

Es ist also zumindest in einigen Fachdisziplinen – insbesondere den Geisteswissenschaften und den Künsten – sehr schwer, heraus zu finden, ob jemand bewusst plagiiert hat; allerdings sollte meines Erachtens hier auch gefragt werden, ob derjenige dann aus den Bauteilen nicht vielleicht doch etwas Neues, Bedenkenswertes, vielleicht sogar Wertvolles geschöpft hat, das den Umstand schluderiger Arbeit wenigstens etwas mildert. Die Originalität des erarbeiteten Ergebnisses sollte demnach in der Gesamtbetrachtung durchaus beachtlich werden.

Was nun allerdings die Jagd nach Plagiaten angeht, bin ich zwiegespalten. Auf der einen Seite ist es wohl notwendig, die gewaltige Menge an für eine akademische Karriere zu verfassenden Papieren durchaus diesbezüglich zu durchleuchten, wenngleich, wie ich bereits dargelegt habe harte Kriterien oft eine Mangelware darstellen.

Wenn sich allerdings irgendwelche Netzbürger auf einem Kreuzzug befinden, um Dissertationen von Personen des öffentlichen Lebens zu zerpflücken, die in ihren Augen Amt und Würden nicht verdient zu haben scheinen, muss die Frage erlaubt sein, wie viele von denen wohl von der politischen Opposition alimentiert wurden, ebendies zu tun. Oder anders gesagt: es ist ihnen wahrscheinlich vollkommen wurscht, ob der Von und Zu ein guter Jurist sein könnte, Hauptsache, er wird für den Bajuwarischen Flügel des politischen Christentums in unserem Land nicht mehr öffentlich tätig.

Derlei hat nichts mit der Frage nach akademischer Integrität zu tun! Hier geht es nur darum, politische Gegner zu demütigen und zu demontieren. In einer medial befeuerten Erregungsbürgerlichen Gesellschaft, wie sich unsere bunte Republik im Moment darstellt, sind solche Kampagnen – die sehr einfach für jedermann publizierbar sind – nichts weiter als Mittel zum Zweck. Es MUSS jede Woche eine andere Sau durchs Dorf getrieben werden, sonst erlahmen die Auflagen- bzw. Klickzahlen und die Werbekunden bleiben aus. Man mag sich also fragen, woher nur immer all die willfährigen Menschen mit ausreichend Zeit kommen, welche stets zur rechten Zeit Skandale liefern.

Ob ihnen wohl auffällt, dass sie mit dieser Redundanz sich solange selbst plagiieren, bis das Interesse daran vollends erlahmt ist…?

PS: Auch wenn ich das hier geäußerte stets selbst erdacht habe, bin ich nicht so töricht zu glauben, dass solche Gedanken nicht schon ein anderer gehabt haben könnte – ob er sie dann auch geäußert hat, prüfe ich nicht nach, denn selbst wenn es so wäre, würde das den Wert meiner Worte um nichts schmälern.

Wegschauen?

Voyeurismus ist mir ein Greul. Könnte an meiner beruflichen Sozialisation als Rettungsmensch liegen. Ich hasse Gaffer, denn obschon es wohl ein zutiefst menschliches Bedürfnis ist, Anteil am Schicksal Anderer nehmen zu wollen, pervertiert die Art, in der wir heute unsere Umwelt wahrnehmen allzu oft allzu offenkundig den ursprünglichen Zweck des Hinschauens; es geschieht nicht mehr unter dem Aspekt der Anteilnahme und des eventuell Helfen Wollens sondern unter der Maßgabe, fette Action zur Unterhaltung mitnehmen zu können, weil einen unterbewusst die vermeintliche Bedeutungslosigkeit der eigenen Existenz anödet.

Was könnte da besser helfen, als ein bisschen Panem et Circenses – nur dass heute kaum jemand mehr so weitsichtig ist, öffentlich und gesellschaftlich akzeptiert auf einem von Zirkusrängen umfriedeten Plätzchen Kämpen mit Schwertern und sonstigen lustigen Männerspielzeugen aufeinander los zu jagen, um die Menge für einen Nachmittag die Last ihrer Existenz vergessen lassen zu können. Man empfindet es dem Bekunden nach weitläufig als anstößig, Gladiatoren zur Belustigung zu beschäftigen, wenn man mal von der weitestgehend als zumindest physisch ungefährlichen Variante aus dem amerikanischen Fernsehen absieht.

Doch dieses vordergründige Paradieren von political correctness ist ein nur leidlich funktionelles Tarnmäntelchen für den seit den Tagen Neros ungebrochenen Drang, Gewalt als Unterhaltung konsumieren können zu wollen. Gleichwohl es einen deutlichen Unterschied zwischen dem Anschauen eines Actionfilmes – der ja genau zum Zwecke der Befriedigung dieses Bedürfnisses produziert wurde – und dem Beiwohnen bei der Verübung echter Gewalt zum Schaden Dritter gibt, ist der Mechanismus, der dem Drang hinsehen zu müssen zu Grunde liegt in meinen Augen der Gleiche: Wir wollen jemand anders bluten sehen als uns selbst!

Oh ja, die meisten Menschen lieben es, die Anderen bluten zu sehen, egal ob nun im wahren Wortsinne, oder doch eher metaphorisch. Wenn das Schicksal sich nicht mich gekrallt hat, ist es eine Mischung aus Erleichterung, Schadenfreude Überraschung und Angst, die unsere Biochemie zu einem qua-erotischen Cocktail der Befriedigung abmixt, welcher durchaus den Wunsch nach mehr erzeugen kann. Und wie man durch diverse Populärwissenschaftliche Veröffentlichungen ja wissen könnte, ist unser Belohnungssystem durch die ambivalente Mischung aus Verlockungen und Barrieren welche unsere durchzivilisierte Welt bereit hält ja sowieso dauerhaft aus dem Tritt.

Offensichtlich ist es eine Art Kahneman’sche(*) Unschärferelation im Gehirn, die unsere Wahrnehmung von den guten und den schlechten Tagen zuungunsten der ersteren modifiziert, was zum einen hohe Scheidungsraten begünstigt und zum anderen auch verstehen lässt, warum wir den Kick des Leids der Anderen anscheinend brauchen; nämlich um uns der – wenn auch fragilen – Existenz unseres eigenen bisschen Glückes zu vergewissern. Immer und immer wieder.

Ich hasse Gaffer trotzdem, denn wenn sie nur einen kleinen Teil ihres Gehirns zum Denken über ihr eigenes Tun und Lassen, über Konsequenzen und Verantwortung nutzen würden, anstatt sich einfach den Fängen ihrer ubiquitären Konsumlust hinzugeben, könnte diese Welt ein um ein vielfaches besserer Ort sein. Denn manchmal ist Wegschauen tatsächlich die bessere Wahl…

* Daniel Kahneman – „Schnelles Denken, langsames Denken“

Der falsche Moment? (Postmodern N°1)

Der Blick über die Stadt schweift durchs Dunkel, denn wie so oft, wenn ich mich an meine Texte mache, ist es spät, was daran liegt, dass die Fülle der Dinge des Tages bewältigt sein möchte, bevor man sich eine wenig Muse zur Kontemplation nehmen kann. Ich kann es auch nicht zwingen. Ich habe diesen Umstand schon des Öfteren erwähnt, aber es ist so gut wie unmöglich, etwas Sinnbringendes zu erzeugen – gleich ob einen Text, oder etwas Visuelles – wenn man nicht in einer Stimmung ist, welche es den Gedanken erlaubt, zu fließen. Nicht selten sitze ich an meinem Arbeitsplatz und denke … und denke … und denke … und es passiert … genau gar nichts!

In solchen Momenten schicke ich meinen mentalen Büroboten durch die Archive, ob er nicht doch noch irgendwo eine nicht zu verbrauchte Idee entstauben könnte; ganz selten findet er noch was Brauchbares, dass ich nicht schon zu häufig durch die Wortmaschine gedreht habe, aber manchmal verstreicht eine Weile, in der es mich einfach nicht packen will.

Und dann ist da der Augenblick! Ein Moment, in dem ich eine – zumindest in meinen Augen – wirklich gute Denkfigur zustande bringe und habe vielleicht gar nicht die Chance, mir dazu Notizen zu machen, oder es ins Diktiergerät zu sprechen. Oh ja, ich habe eines, doch ich vergesse es immer und selbst mein allgegenwärtiges Smartphone – ja auch einen solchen Fluch habe ich mir vor ein paar Monaten aufgeladen – welches ja auch über eine Audionotizenfunktion verfügt, bleibt ungenutzt in der Hosentasche, weil ich ein verdammt altmodischer Typ bin. Ich mag Notizzettel oder ein Whiteboard, auf die ich meine kryptischen Hirnejakulationen schmieren kann, um sie dann später zu ordnen. Doch nicht immer ist zugegen, was man sich gerade als Medium der Transformation von der bloßen Idee zum bewusst Gedachten wünscht und bevor man einen Moment findet, es tatsächlich zu fassen, gleich wie roh und unpoliert es auch zuerst daher kommen mag, ist es oft auch schon wieder im Nirvana des allzu leicht Vergessenen entschwunden.

Kairos; der günstige Moment! Eigentlich der günstige Moment für eine Entscheidung, später – in der Renaissance – zu occasio der günstigen Gelegenheit geworden, versinnbildlicht durch eine weitgehend unbekannte griechische Gottheit, die sich durch eine Nähe zu den Göttern der zufälligen Fügung namentlich Tyche), der Strafung menschlichen Hochmuts (da haben wir Nemesis) und dem Götterboten (natürlich der olle Hermes) auszeichnete. Und tatsächlich passt diese Ordnung, denn mancher Moment für Entscheidungen verstreicht allzu schnell, ist in seinem Auftreten und den Konsequenzen sehr dem Zufall überlassen und allzu oft fällen wir geblendet von der vermeintlichen Brillanz unsers Intellekts Entscheidungen, ohne wirklich zu wissen, was wir da gerade tun.

Es liegt mir fern, behaupten zu wollen, dass es immer so abläuft, doch beispielsweise bei der Ex-Post-Betrachtung verschiedener wichtiger Entscheidungen der letzten Jahre in der Politik oder der Wirtschaft (hier vor allem dem Finanzsektor) drängt sich der Verdacht auf, dass entweder der Kenntnisstand sehr dürftig oder der Horizont so manchen Entscheiders sehr begrenzt gewesen sein muss, sonst hätten wir heute wohl keine Wirtschaftskrise. Oder hat denen allen der Kairos einen Streich gespielt, so wie es mir recht oft mit meinen Ideen passiert? Sind die richtigen Zeitpunkte verpasst oder einfach nur lausig ausgenutzt worden? Auch wenn der Gedanke verlockend ist, die durchaus gravierenden Probleme unserer Zeit dem Schicksal oder einen schlichten Mangel an göttlicher Intervention mittels des inspirativen Funken anlasten zu wollen, würde ich eher dazu tendieren, einigen Leuten einen eklatanten Mangel an korrektem Timing und dem für komplexe Entscheidungen notwendigem Wissen zu unterstellen.

Nun ist der Typus der entwickelten Industriegesellschaft – und in genau so einer leben wir hier in der bunten Republik Deutschland ja – vor allem durch eines gekennzeichnet; nämlich die außerordentliche Komplexität, welche mit der Ausdifferenzierung der mannigfaltigen funktionalen Subsysteme und der daraus notwendigerweise erwachsenden Verflechtung derselben einher geht. Im Klartext bedeutet das, wenn wir mal das viel beschriebene Modell der frühindustriellen Fließbandarbeit, wie sie z.B. Henry Ford zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seinen Automobilfabriken eingeführt hat als Analogie benutzen wollen, dass eine Menge unterschiedlicher Arbeitsschritte notwendig sind, um ein Auto zu bauen, dass es aber immer nur ein Teil der Belegschaft versteht, einen bestimmten Schritt zu vollziehen und alle anderen irgendwann zum Stillstand kommen müssten, wenn man eine der vielen hoch spezialisierten Komponente aus dem Gesamtablauf entfernten würde. Zwar sind gesellschaftliche Prozesse nicht linear wie ein Fließband, womit das Beispiel unvollkommen ist, aber man gewinnt eine Idee, dass es sehr dumm sein könnte, z.B. allen Bauern die Existenzgrundlage zu nehmen, eigene Rohstofflieferanten auszuklammern oder das Schulwesen noch weiter zusammenzukürzen; denn alles interagiert miteinander und die Qualität der Ergebnisse des Gesamtsystems korrespondiert mit denen der Teilsysteme.

Dieses Maß an Komplexität in seiner Gänze durchschauen zu wollen, wäre eine Aufgabe, die den alten Sisyphos wie einen Faulenzer dastehen ließe. Es gibt viel zu viele Spieler auf dem Feld, zu viele Partikular- aber auch Gruppeninteressen und damit zu viele mögliche Stellgrößen, als das ein Mensch oder auch nur eine vergleichsweise kleine Gruppe, die wir in diesem Kontext mal Politiker nennen wollen im Ansatz dazu befähigt sein könnte, derlei zu bewerkstelligen.

Ohne jetzt politische und wirtschaftliche Fehlentscheidungen en complet rechtfertigen zu wollen, würde ich hieraus dennoch die Annahme ableiten wollen, dass der Kenntnisstand Vieler, welche sich letzthin – oder auch schon vor längerem, wenn wir in historischen Zeiträumen denken mögen – in der wenig beneidenswerten Position wieder gefunden haben, solche Entscheidungen treffen zu müssen in der Tat eher begrenzt gewesen sein dürfte. Womit sich auch das Problem mit dem Kairos erklären dürfte, denn in der Vielzahl sich nur schemenhaft zu erkennen gebender Momente den richtigen für die richtige Wahl zu finden, gleicht damit eher einem Glücksspiel denn einem bewusst-kognitiven Prozess.

Und damit habe ich meinen ganz persönlichen und vermutlich für jede Region unserer Welt differierenden Anfangspunkt der Moderne ausgemacht; nämlich den Zeitpunkt, da die Komplexität einer Gesellschaft so rapide zuzunehmen beginnt, dass eine echte zentrale Steuerung mangels Möglichkeit zur Überblickung aller für eine Entscheidung Ausschlag gebenden Sachverhalte nicht mehr leistbar wird. Also den Moment, da der Kairos nicht mehr für das Kollektiv von herausragender Bedeutung ist, sondern nur noch für das Individuum. Individualisierung ist damit ein sich aufdrängendes Stichwort, das dem Soziologen Ulrich Beck zugeschrieben werden muss, damit mich hier keiner des Plagiarismus bezichtigen kann. Also schließe ich diese Ausführungen mit einer neuen Frage ab:

Was bedeutet Individualisierung?

Damit diese Antwort nicht zu trocken werden möge, will ich mich dran versuchen, den Sachverhalt ohne Verweise auf andere zu ergründen. Was mich dazu bringt, das ich geschwind was zum Thema Plagiarismus zwischen schieben muss, denn Original ist nicht immer originell und zuviel Zitate kommen einem Selberdenkverbot gleich, doch dazu alsbald mehr.

Altes Denkfutter, frisch poliert!

Ich habe mich dazu entschieden, ein paar ältere Texte nach dem Redigieren zu veröffentlichen, da diese aber nochmals umfangreicher sind, als meine „normalen“ Blogposts, die ja auch eher mächtig daher kommen, kommen diese auf eine eigene Seite, die sich über das Header- oder das seitliche Menü aufrufen lässt

=> Po(pulär)philo(sophie) à la Zimbo

Wenn’s interessiert…

Postmodern – was issen des? (Postmodern N°0)

Also, wenn man einfach nur das Wort auseinander dröselt, bedeutet es „Nachmodern“, weil die Vorsilbe „post“ nach bzw. danach bedeutet. Mit dem Wort modern wird es dann allerdings schon problematisch, weil zum Einen die Ansichten darüber was modern sei, doch sehr deutlich differieren und zum Anderen mit diesen Worten bereits ein Irrtum begangen wurde. Es geht nämlich nicht darum, WAS man als modern betrachtet, sondern WANN. Nun, für die Kulturgeschichtliche Epoche der Moderne kann man zumindest so etwas wie einen Anfang angeben; nämlich den Zeitraum zwischen Ende des 18ten und Mitte des 19ten Jahrhunderts, als die europäischen Staaten sich langsam vom feudalen zum bürgerlichen Gesellschaftsmodell zu entwickeln begannen. Wobei auch diese Angabe bereits Einschränkungen enthält, weil sie auf einer sehr eurozentrischen Weltsicht beruht. Woanders auf dem Globus haben sich Gesellschaften – nicht zuletzt allerdings auch unter dem Einfluss der europäischen Staaten als Kolonialmächte – zu anderen Zeiten auf andere Art entwickelt.

Wollen wir aber um der Einfachheit Willen annehmen, die Moderne als Zeitalter habe ca. mit der Staatsgründung der USA bzw. der französischen Revolution begonnen. Wann beginnt dann die Nachmoderne? Gestern? Nach dem Ende des 2. Weltkrieges? Nach dem Ende des ersten Weltkrieges? Noch überhaupt nicht? Und was kennzeichnet eine solche Epoche? Ich meine, wenn wir heute von modern sprechen, was meinen wir im Kern damit? Mit einem Tablet auf den Knien in der Monorail zur Arbeit fahren? Die Freiheiten und den Pluralismus, welche entwickelte Demokratien ihren Bürgern bieten? Bürgerbewegungen für einen ökologisch nachhaltigeren Umgang mit unserer Umwelt? Alles zusammen, oder gar nichts davon, oder wie jetzt…?

Wenn man Literatur zum Thema wälzt, dann tauchen verschiedene Namen auf und philosophische Konzepte, die so weit vom Leben der Menschen weg sind, dass es einem sehr schwer fällt, guten Gewissens behaupten zu können, dass die Philosophie die Mutter aller Wissenschaften sei. Das Meiste davon ist für den Ottonormalverbraucher – und übrigens auch für mich – schwer verdaulich und macht kaum Sinn, so dass es für mich, auch wenn ich manches zumindest faszinierend finde, dennoch an der Zeit sein dürfte, mir meine eigenen Gedanken dazu zu machen.

Sicherlich werde ich jetzt nicht mit einer Definition aus meinen Augen anfangen, das wäre nicht nur schlechter Stil sondern schlicht unredlich, weil man die verschiedenen Aspekte eines so komplexen Begriffes ja erst einmal überdenken sollte, aber ich will ein paar Fragen formulieren, die des Nachsinnens wert sein könnten und mich darum bemühen, dann und wann in nächster Zeit je eine nach bestem Wissen, Gewissen und sonstigen -issen zu beantworten.

Darum hier die erste Frage: Wo beginnt für mich ganz persönlich die Moderne?

Mal schauen, was mir so einfällt.

Wer braucht denn heute noch den Papst?

Ein Anachronismus. Aus der Zeit gefallen, überkommen, versteinert im Zinober der ureigenen Rituale, nicht Reformfähig oder Reformwillig, gestrig in den Ansichten und in keinster Weise politisch, selbst da nicht, wo viele es sich wünschen würden. Das Bild, welches viele Menschen heute von der katholischen Kirche haben, ist wenig schmeichelhaft und in mancherlei Hinsicht vermutlich – leider – gar nicht so falsch. Genau deswegen ist es aber so wichtig, sich einmal kurz ein paar Gedanken darüber zu machen, ob diese Umstände die Institution katholische Kirche en complet entwerten, oder ob nicht doch manches, auch wenn dies auf den ersten Blick seltsam erscheinen mag, vielleicht irgendwie einen Sinn hat.

Es ist oft so, dass man sich ein schnelles Urteil erlaubt, basta, zack und weg, ohne sich die Dinge genau anzuschauen, ohne sich zu fragen, was einen eigentlich dazu gebracht hat, genau das zu denken und nicht etwa irgendwas anderes. Erfahrung aus erster Hand, Erfahrungen aus zweiter, dritter oder vierter Hand, also mit anderen Worten Dummgebabbel? Wie seriös sind die Quellen, auf welche man sich berufen kann, wie breit die empirische Basis? War es nur ein singuläres Ereignis, dass einen zu einer Meinung geführt hat, oder durfte bzw. konnte man mehr Erfahrung sammeln? Die Komplexität der eigenen Informationen, vielleicht vernetzt mit anderen Wissensgebieten – das, was der Volksmund gerne den Blick über den Tellerrand nennt – ist nicht unbedingt kausal für ein realistischeres Urteil, aber sie macht es zumindest wahrscheinlicher.

Wenn wir den Blick nun wieder zurück schweifen lassen zur Eingangs erwähnten Institution, was kommt einem da zuallererst in den Sinn? Die Bilder eines müden alten Mannes, der in recht spektakulärer Weise seinen Rücktritt von einem der prominentesten Ämter der Welt verkündet hat. Skandalöse Enthüllungen über das ausschweifende, missbräuchliche Verhalten so mancher gebildeter Männer, denen wir eigentlich das Etikett eines Behüters, eines Helfers, eines Seelsorgers geben wollen, da sie Kraft Amtes die Nächstenliebe im altruistischen Sinne für sich gebucht haben müssten? Beeindruckende Bauten, die bis heute den Geist der Geschichte atmen? Den kleinen Abzug auf unserer Steuererklärung? Die eigene Hochzeit? Was kommt da alles zusammen, was bedeutet es, wenn es denn überhaupt noch eine Bedeutung hat und wie gehen wir mit der daraus erwachsenden Ambivalenz um? Mit dieser Mischung aus so vielen gegensätzlichen Bildern und Symbolen, die mehr verwirren, als sie Klarheit zu schaffen vermögen…

Sicherlich kann man nicht behaupten, dass jene, welche üblicherweise die Entscheidungen über die Wege der Kirche zu treffen haben sonderlich jung, sonderlich modern oder irgendwie säkular orientiert wären, wobei letzteres für sich betrachtet auch als Markenkennzeichen verstanden werden könnte. Von Kirche erwartet man gemeinhin, evoziert von den vorhin beschworenen Bildern, ein würdevolles Verhalten, eine Orientierung an tradierten Werten, so etwas wie eine Insel der Ruhe in einem Ozean aus digital beschleunigtem, hohlem Geplapper, welches leider auch unsere Informationsmedien heutzutage nur allzu oft dominiert.

Doch bleibt, auch wenn man sich darauf einlassen möchte, seine individuellen Betrachtungsweisen durch eine bewusste Reflexion an einem sehr alten Spiegel zu entschleunigen der Umstand bestehen, dass zwischen den Kurienkardinälen und der weitaus größten Zahl ihrer Schäfchen ein nicht unerheblicher Altersunterschied besteht, der den Verdacht eines Generationenkonfliktes aufkommen lassen könnte. Darüber hinaus wirft eine sich verändernde Welt, mithin eine sich globalisierende, mit all den dazu gehörenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen Fragen auf; neue Fragen, auf welche die alte Antworten und Denkmuster vielleicht nicht mehr wirklich passen. Auch wenn ich durchaus davon überzeugt bin, dass in der gesammelten Erkenntnis älterer Epochen so manch Hilfreiches liegt, das auch heute noch Probleme zu lösen helfen könnte. Allerdings ist es dazu notwendig, das Alte mit neuen Augen zu betrachten. Und dazu taugen die alten Herren in Soutane meist nicht wirklich.

Und hier liegt, wenngleich ich heute nicht aufgebrochen bin, um Vatikanbashing zu betreiben, das größte Problem. Die der katholischen Kirche zu Grunde liegende Hierarchie, welche in Punkto Strukturkonservierung unglaublich effizient ist, macht es notwendig, sich lange hochzudienen bevor man an eine einigermaßen einflussreiche Position gelangen kann. Das ist ein wenig wie der – hier um der Wirkung willen stereotyp beschriebene – Lebensweg des Parteisoldaten, der auf der Durchmessung zumeist notwendigerweise Kontur gegen Compliance tauscht.

Will heißen, ist man oben, will man nix mehr ändern, weil man gelernt hat, das Veränderung u.U. Privilegien beschneidet, Strukturen zuungunsten von Planungssicherheit beeinflusst und somit oft auch Machtverteilungen verändert. Wer aber erst einmal Macht erlangt hat, behält sie auch ganz gerne. Und wer sich durch eine so komplexe Struktur wie die katholische Kirche hindurch gearbeitet hat, ihre Geheimnisse und Rituale kennen und schätzen gelernt hat, der wird wenig daran interessiert sein, all das zu gefährden.

Auch wenn sich die katholische Kirche gerne apolitisch gibt, haben Indiskretionen der Vergangenheit gezeigt, dass es sehr wohl Verflechtungen zwischen sakral und säkulär gab und wohl auch noch gibt, die durchaus die Wahrnehmung politischer und wirtschaftlicher Interessen beinhalten – von irgendwas muss die Kirche als Institution ja auch leben, nicht wahr? Doch auch bei Betrachtung all dieser strukturellen Probleme und historisch gewachsenen Widersprüchlichkeiten muss man anerkennen, dass die auf geniale Art institutionalisierte ideelle Reichhaltigkeit und Reichweite bis heute beachtlich sind.

Ich würde es als Übertreibung bezeichnen, Kirche heute immer noch als sinnstiftend anzusehen. Das mag im Mittelalter gegolten haben, doch seit dem Ende der vormodernen Zeit haben sich die Dinge ein wenig gewandelt; der Mensch hat herausgefunden, dass das Individuum an und für sich nicht nur ein Recht auf Subsistenz sondern auch auf sein wahrgenommen werden, seine eigene Meinung und die Vertretung seiner Interessen gegenüber anderen hat, ohne dass dies dem Lehnsherren gefallen muss. Und mit den Rechten und Interessen des Individuums tut sich Mutter Kirche immer noch schwer – andererseits gibt es ja auch eine Menge moderner säkularer Staaten, welche die Menschenrechte tagtäglich mit Füßen treten, bzw. mit Knüppeln malträtieren. Aber darüber reden wir lieber ein anderes Mal. Denn allen offensichtlichen Defiziten zum Trotz wirkt die katholische Kirche für viele bis heute als eine Quelle der Inspiration, der Motivation und eines Ausgleichs, der vielerorts weltlich nicht zu bekommen ist.

Bei aller Zwiespältigkeit, welche mich ansonsten beim Betrachten dieses wahrhaft altmodisch strukturierten Konglomerats von manchmal allzu bemüht wirkender gläubiger Demut und Gelehrsamkeit überkommt, muss ich respektieren dass der Glaube, den diese Institution spendet, offensichtlich die Kraft hat, Elend zu lindern, Hoffnung zu geben und das auf eine Art und Weise wie es keine moderne, weltliche Organisation vermag. Ich persönlich würde mir zwar wünschen, dass man im Vatikan das eine oder andere zu überdenken beginnt, aber sich dieser Faszination zu entziehen, gelingt auch mir nicht vollkommen. Vielleicht doch ein guter Grund sich ab und an mit Anachronismen zu arrangieren…?

Nur so als Randbemerkung: der Umstand, dass ich selbst für meinen persönlichen Glauben an Gott kein irgendwie institutionalisiertes Gewand – also eine Kirche im Sinne der Organisation wie auch als Gebäude – brauche, steht aus meiner Sicht kaum im Widerspruch zum Gesagten, muss doch jeder seinen spirituellen Weg selbst finden. Und wenn der für viele immer noch unbedingt durch das Portal eines Sakralbaus führen muss, dann ist das halt so. Ich erwarte nur, dass man sowohl meinen Glauben als auch den des Kirchgängers in gleichem Maße respektiert. Und dabei ist die katholische Kirche leider auch noch ordentlich hintendran. Aber vielleicht kann Franziskus es ja besser…

Alles nur Äußerlichkeiten…

Reduziert werden auf das, was man sehen kann. Ein Gefühl, dass viele Menschen mit Erschrecken weit von sich weisen, weil sie es fürchten, weil sie sich gedrängt vom allüberall herrschenden Überschuss an dem, was unsere Wahrnehmung uns als Ästhetik vorgaukelt überwältigt und entwertet fühlen, niedergeworfen von dem kaum kompensierbaren Gefühl optischer Unzulänglichkeit. Unsere Wahrnehmung ist dabei wie ein Bumerang, der uns trifft, wann immer wir uns von den aufpolierten Hochglanzbildern blenden lassen, welche Andere auf das Postament mit dem Namen Schönheit zu hieven die Frechheit besitzen.

Ich mag einen kleinen Schuss Polemik und Populismus, weil viele meiner Pointen ohne nicht funktionieren würden, aber es griffe wohl deutlich zu kurz, wenn ich mich darauf beschränkte, jetzt wieder singulär die bösen, bösen Medienfuzzis zu schelten, die uns andauernd mit delikat angerichteten sexy Häppchen beliefern, von denen wir unseren Blick nur ungern abwenden, weil diese Bilder gleichsam im besten wie im schlechtesten Sinne Symbole sind – Symbole für das, was wir an uns selbst gerne entdecken wollen würden: ein Äußeres, dass Begehrlichkeit weckt, dass uns Türen öffnet und ein wilderes, erfüllteres Leben verspricht.

Mit Versprechen ist es ja nun so, dass sie meist entgegen aller Schwüre dann gebrochen werden, wenn es uns den größten Schmerz bereitet. Murphys Law gilt eben auch für weiche Faktoren des sozialen Miteinanders. Was aber nun die Symbolik angeht, so lässt sich sagen, dass der schlechteste Sinn sich darin erfüllt, dass die gezeigten Bilder überstilisierte, mit normalem Aufwand unerreichbare Ideale zeigen. Das Ironische daran ist, dass wir – egal ob in Kenntnis, Unkenntnis oder Verleugnung des vorgenannten Umstandes – dennoch nach dieser optischen Perfektion gieren, die anscheinend eine Projektionsfläche für in den allermeisten Fällen nicht erfüllte Träume bildet. Oder anders gesagt ein Versprechen, auf das wir uns einlassen, obwohl wir wissen, das es nie eingelöst werden wird; nie eingelöst werden kann. Denn dafür müssten wir die Realität bescheißen können.

So und jetzt trösten wir uns erstmal ein bisschen damit, dass wir im Grunde ja alle so gebildet, so reflektiert und zutiefst empathisch sind, dass wir trotz der ganzen vorgeblich ästhetischen Verrenkungen die wirklich wichtigen inneren Werte sofort erkennen können, zu schätzen wissen und uns von visuellen Komponenten ja eigentlich gar nicht täuschen oder ablenken lassen… Ja klar und Luzifer verkauft Jakuzis mit eingebauter Kühlung.

DAS ist Perfektion – allerdings nicht optische sondern selbstbetrügerische. Ich habe eigentlich kein großes Problem damit, mich dazu zu bekennen, dass mir bestimmte Formen der Hochglanzoptik durchaus zusagen und das ich eher dazu neige einer schönen Frau hinterher zu sehen, als einem Mauerblümchen oder gar jemand hässlichem. Es ist, so meine ich, nicht verwerflich sondern zutiefst menschlich, sein Augenmerk, ja vielleicht auch seine Begierde auf etwas oder jemand schönes auszurichten. Es schmeichelt nicht nur dem Auge, es weckt auch meine Phantasie. Allerdings bleibt es auch beim Kopfkino, was daran liegt, dass ich visuell überaus ansprechende Träumereien, Wunschvorstellungen und Hirngespinste in der Hollywood-Kategorie sehr gut von meiner Lebensrealität zu trennen vermag, ohne diese dabei herabwürdigen zu müssen. Ich übe mich in mentalem Eskapismus schon ziemlich lange, ohne dabei jedoch die für ein prolongiertes Funktionieren als produktives Mitglied der mich umgebenden Gesellschaft notwendigen Faktoren aus den ebenso metaphorischen Augen verlieren zu müssen. Eigentlich ist das auch nicht sehr schwer. Eigentlich…

Das Entscheidende hier ist, das man lernt zu begreifen, dass die Janusköpfigkeit uns allen vom Beginn unserer bewussten Indiviuums-Werdung mitgegeben wird. Nicht nur Typen mit dem Sternzeichen Zwilling, wie ich einer bin. Es ist vielmehr eine Basisfunktion, die alles Soziale aber auch die zutiefst intimen Bereiche erst richtig gut funktionieren lässt. Bei mir selbst bezeichne ich es als Bedienoberfläche, welche wie bei jedem einigermaßen gut funktionierendem Computer für den jeweiligen Benutzer ein wenig anders aussieht, aber dennoch die angemessenen und notwendigen Funktionen beherbergt. Man könnte es auch als ein Arsenal von Masken betrachten, die wir je nach sozialem Anlass und Umfeld aufsetzen, um die Ansprüche der jeweiligen Gegenüber erfüllen zu können. Abhängig vom Grad der Intimität einer Beziehung beschreibt die Maske einen größeren oder geringeren Abstand zu unserer wahren Persönlichkeit, die sich gerade in der Abgrenzung bestimmter Areale ihrer selbst von fast allem und jedem definiert, obwohl wir uns erst im sozialen Vollzug als Individuen realisieren. Klingt das kompliziert? Ist es nicht…

Es ist wie ein Tanz vor einem Spiegel, bei dem wir uns mal annähern und mal wieder entfernen, bei dem sich je nach Winkel zur Oberfläche immer andere Facetten unseres Selbst zeigen und bei dem wir nur dann so langsam werden, dass auch bedeutsame Details sichtbar werden, wenn wir genau diese Wahrnehmung unserem Betrachter gewähren wollen. Gleichsam haben wir aber im Taumel der Bewegung trotzdem nie eine Hundertprozentige Kontrolle über das, was unser Gegenüber sehen kann und dennoch können – oder wollen – wir das Spiel nicht beenden, denn dieser Tanz ist unser Leben und gleich wem wir in diesem Spiegel begegnen, er oder sie wird mindestens ein Bild von dieser Begegnung mitnehmen.

Genau deshalb sind Äußerlichkeiten genau DAS – einfach nur das Außen; und diese Bemerkung weißt dem Außen keinerlei Wertung zu. Der Tanz zeigt nicht nur Außen, er zeigt auch das Innen. Wer sich einmal die Mühe gemacht hat, echte Tänzer länger und genauer zu beobachten, dem fällt es leicht, die Analogie zu verstehen, denn selbst mit grell geschminkten, dauernd lächelnden Gesichtern und fest betonierten Frisuren zeigen die Augen, die winzigen Regungen der Mimik, der Habitus sehr genau, was sich unter der Oberfläche tut. Und in aller Regel ist das viel interessanter als das ganze Brimborium außen rum – obwohl es nicht selten durchaus schön anzuschauen ist. Die Kunst liegt darin, die Optik schlicht als Optik sehen und gegebenenfalls einfach genießen zu können und sich trotzdem der Existenz des Innen bewusst zu sein. Man muss ja nicht immer nach einem Zugang zu den inneren Werten suchen…