Gehöre ich zur Generation Post-X? (MOOC #iddg13 – No 2)

Ich habe versucht, mich zu analysieren. Nicht bezüglich meines mentales Status – dazu wäre ich eh nicht qualifiziert – sondern hinsichtlich meiner Vergleichbarkeit als individueller Typus mit dem Homo Zappiens, von dem im Bezug auf den MOOC ja dauernd die Rede ist. Wenn ich’s recht verstanden habe, ist dieser mutmaßlich neue, oder auch kürzlich erst als solcher identifizierte Typus von sozialer Entität durch seine Verwurzelung in der Multimedialität gekennzeichnet; Multitasker, Collaborative Worker, verspielter Teamplayer, digital höchst vernetzt und in den social media quasi omnipräsent. Also jemand, der sich im Web und all seinen Ausdrucksformen zu Hause und vermutlich auch abgebildet fühlt.

Neulich sprach ich hier davon, dass ich die Begriffe „netizen“ und „digital native“ wenig griffig fände, weil trotz des potentiell erreichbaren Grades an Verdatung und an medialer Präsenz, trotz des Entstehens eines digitalen Ich, das komplementär zum materiellen Ich auftritt und dennoch bisweilen völlig entkoppelt davon agieren zu können scheint eine Abbildung realer gesellschaftlicher Prozesse noch lange nicht in dem Umfang stattfindet, der es als glaubwürdig erscheinen lässt, sich selbst als im Netz geborenen Bürger betrachten zu dürfen.

Wenn ich mich aber selbst weder als netizen noch als digital native betrachten würde, obwohl ich doch durchaus einen veritablen Teil meiner Zeit in der Virtualität verbringe, stellt sich die Frage, in wie weit virtuelle Persönlichkeit und materielle Persönlichkeit einander durchdringen – oder besser, ob die von mir gedachte Komplementarität zweier Personas nicht vielleicht doch schon in einer Synthese zu münden beginnt.

Jedenfalls konnte ich – subjektiv – einige Aspekte des Homo Zappiens auch an mir ausmachen, obwohl ich rechnerisch wohl schon zur Vorgängergeneration gezählt werden müsste. Das parallele Erledigen verschiedener Tasks – wenn wir ehrlich sind ist es ja eher eine Art Erfordernis- und Lustgesteuerter Zeitmultiplex – das spielerische und dennoch auch Bedarfsmotivierte Hineinarbeiten in eine Materie, der ständige Blick über Tellerränder, der Umgang mit verschiedensten Personen über verschiedenste Kanäle, all das sehe ich auch bei mir. Wahrscheinlich ist allerdings der Grad der Ausprägung vergleichsweise eher reprimiert.

Größter Unterschied dürfte aber sein, dass für mich die Präsenz in den social media, überhaupt die Nutzung des Web in unterschiedlichster Form nur eine Kultur- und Kommunikationstechnik unter Vielen ist. Diese lässt aber erst zusammen mit den anderen, tradierten, in diesem Zusammenhang schon beinahe altbacken wirkenden Aspekten meines Daseins als soziale, politische und professionelle Entität ein vollständiges Bild meiner Selbst entstehen.

Mein Selbstbild als soziales Wesen an sich, als Healthcareprofessional, als Student der Bildungswissenschaft und noch manches mehr wird durch die Nutzung der sich immer weiter vervielfältigenden Möglichkeiten und Formen von social media, von crowd und cloud als neuen Orten der Begegnung und des Miteinanders auf persönlicher und professioneller Ebene verändert. Einschneidender verändert, als ich mir das je hätte träumen lassen. Und doch bleiben manche Dinge immer gleich…

Sicher ist für jemanden, der nicht dem Präinternetzeitalter entstammt, nicht mit drei Fernsehkanälen auskommen musste und Telefonzellen fast nur noch aus Movieclips kennt zumindest in weiten Teilen das Hineinwachsen in den Gebrauch von Medien anders verlaufen als zum Beispiel bei mir; dürfte also ein wesentlich intuitiverer Umgang mit den Gadgets des 21. Jahrhunderts zu erwarten sein. Und doch spielt das soziale Miteinander auch für die „Generation Post-X“ die Hauptrolle. Die Wege der Kommunikation und Interaktion mögen sich heute von Face-to-Face oder klassisch fernmündlich zu den endlos scheinenden asynchronen Varianten verschoben haben, das Hauptthema bleibt dennoch der Mensch.

Gerade, wenn sich die Dinge im Umbruch befinden, wenn Veränderungen zuerst vor allem Anderen die Unsicherheit des Zukünftigen zeitigen – noch viel mehr als zu dem Zeitpunkt, da Ulrich Beck seine „Riskogesellschaft“ postuliert hat – wenn die Rasanz, mit welcher die technische Entwicklung die soziale gerade überholt hat anscheinend den Homo Zappiens geradezu beflügelt, bleibt er doch immer als Erstes ein Mensch mit menschlichen Bedürfnissen – nach Nähe, nach Liebe, nach Anerkennung und Respekt. Erst wenn diese und noch andere emotionale Grundbedürfnisse gestillt sind, beginnt der Hunger nach Neuem, nach Erfahrungen und Abenteuer seine kulturellen Handlungen zu dominieren, denn unsere Homebase of Exploration bleibt zumeist ein Leben lang der Ort, wo wir unser emotionales Fundament verorten. Wo auch immer den der Einzelne gefunden haben mag.

Zumindest entspricht dieser Gedankengang meinen persönlichen Beobachtungen, die natürlich erstmal kaum wissenschaftlichen Wert haben, insofern sie nicht nach streng empirischen Maßgaben erhoben und gedeutet wurden. Allerdings ist dies eine ex post Betrachtung dessen, was sich bisher abgespielt hat. Und Vorhersagen auf der Basis gesammelter Erfahrungen sind im sozialen Bereich zumindest schwierig.

Ich bin also höchst gespannt, was ich durch den MOOC an Erfahrungen und Erkenntnissen mitnehmen kann, die mich auch meiner persönlichen Situation neue Perspektiven abgewinnen lassen.

Der MOOC #iddg13 an der Fernuni Hagen

Es wird viel gesprochen und hoffentlich auch diskutiert werden über die Prozesse, mittels welcher die so genannten neuen Medien unsere Art, Sachverhalte und Wissen zu rezipieren und zu internalisieren immer weiter verändern bzw. schon verändert haben. Immerhin stehen Gewohnheiten zur Disposition – und mitnichten nur die des Lernens.

Kultur als prozessuales Konstrukt unterliegt gerade jetzt, da wir uns quasi an die digitale Revolution gewöhnt zu haben scheinen vielleicht Verwerfungen, die wir noch nicht erahnen können, oder ob unserer Faszination für die Wunder der IT auch nicht sehen wollen. Verwerfungen, die aus der Frage rühren, wie viele von uns fähig und auch Willens sind, sich einem als Konsequenz des technisch Möglichen erwachsenden Diktat des technisch Notwendigen zu unterwerfen? Weiß ich was ich will, oder muss ich was ich kann?

Auch Bildung mit, durch, über und wegen neuer Medien ist nicht frei von der Frage nach Machtverhältnissen und -interessen, nach Einflussnahmen und Entscheidungsfreiheit, nach Partizipation, nach Rechten und Pflichten Diesen Umstand im Sinn bin ich gespannt, ob auch hierauf Antworten gegeben werden können, oder ob wir erst noch ein Weilchen warten müssen, was die Büchse der Pandora of New Media so zu bieten hat.

Auf jeden Fall freue ich mich auf das Lernerlebnis, einen hoffentlich regen Austausch und erhoffe mir eine Menge Input auch von jenseits des Tellerrandes. Auf gutes Gelingen für alle Teilnehmer!

Heya Longa, bischd du soziaal, odda was?

Für die Vielen, welche des Mannheimerischen nicht mächtig sind zum Verständnis: die Äußerung konstituiert die Frage, ob man sozial sei; vermutlich gestellt in einem wenig formellen Kontext. Tja, das ist aber auch eine gute Frage, oder? Wenn man die verschiedenen Definitionen von „sozial“ betrachtet, also zum einen die Gesellschaft betreffend, dann sich auf das Zusammenleben im direkten Lebensumfeld beziehend und schließlich den zur Frage stehenden Grad der Dienlichkeit des Einzelnen für das Allgemeinwohl thematisierend ist „sozial“ ein sehr komplexer Begriff, der die erschöpfende Beantwortung der Eingangsfrage mit Ja oder Nein kaum zulässt.

Die Meisten werden jetzt sagen, dass ich Blödsinn erzähle; ja sicher sind sie doch sozial, sie können schließlich mit Anderen interagieren, ohne gleich dem Erstbesten eins in die Fresse schlagen zu müssen, weil er halt kein Fan von – setze hier den Namen deines Lieblingsclubs ein – ist, ihnen die geäußerte Meinung zur Tagespolitik nicht passt, oder dieses Individuum zufällig kein Deutscher ist. Wir sind ja alle so tolerant.

Die selben Menschen skandieren, wenn sie dann in der Fankurve stehen irgendwelchen Adrenaligeschwängerten Unfug, der mit der Androhung von körperlicher Gewalt zu tun hat – das ist nicht nett und für friedliches Miteinander problematisch. Wer das nicht glaubt, schaue sich die „freundlichen Rangeleien“ zwischen Fanformationen an, die regelmäßig zu Polizeigroßeinsätzen mit Festnahmen und Verletzten führen. Derartiges Verhalten ist asozial, denn es kostet MICH, der mit egal welcher Form von Mannschaftssport nichts am Hut hat Steuergeld, welches ich z.B. lieber in die Erziehung und Ausbildung meiner Kinder investiert sähe.

Klarstellung: Ich habe nichts gegen Menschen, die Sportveranstaltungen beiwohnen im Allgemeinen. Die Allermeisten gehen da hin, um mit Gleichgesinnten ein paar Stunden Spaß haben und den öden Alltag vergessen zu können und das respektiere ich zutiefst. Ich persönlich habe einfach nur andere Hobbys. Ärgerlich machen mich nur Jene, die offensichtlich keinen anderen Weg kennen, ihre überschüssigen Aggressionen zu kanalisieren als sich zu prügeln. So was finde ich armselig!

Doch damit nicht genug! Wann immer es zu einer mehr oder minder öffentlichen Auseinandersetzung mit bzw. über politischen Themen kommt, dominieren Minuten nach dem Beginn nur noch undifferenzierte, unter offensichtlich mangelhafter Kenntnis des Sachverhalts geführte, vollkommen überemotionalisierte und andere Meinungen von vornherein ausschließende Gefechte das Bild, deren Informationstransfergehalt gegen Null geht. Dieses Verhalten ist ebenso asozial, denn es verschwendet MEINE und anderer Leute Zeit und behindert überdies demokratische Prozesse, weil solche Personen leider auch noch über ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein verfügen; bzw. recht gerne denen hinterher laufen, die ein solches haben und es am besten verstehen, die „Naistdochwahr“, „Daswirdmandochaberwohlnochsagendürfen“, „Dasistaberso!“ oder ab und an auch mal die „Jetztistaberschluß!“ Fraktion bedienen. Also jenes politische Milieu, dass sich beidseits des Farbenmeridians als Deutungshoheit beanspruchende Hauptempörungsgruppe geriert und Menschen mit der Suggestion an sich zu binden sucht, dass es auf komplexe Fragen immer eine einfache Antwort gibt. Was für eine gequirlte Grütze!

Über Rassismus, dem ein wesentlich differenzierterer Wirkmechanismus zu Grunde liegt als „Ich hasse dich, weil du nicht von hier bist und darum nicht zu UNS gehörst!“, werde ich jetzt hier nicht auch noch anfangen zu referieren, das hebe ich mir lieber für einen eigenen Post auf. Nur soviel: auch wenn man nicht jeden Tag seine Bomberjacke und seine Springerstiefel anzieht, seinen Basi einpackt und loszieht um Türken zu klatschen, kann man Kraft seines Tuns oder auch Lassens ein grausamer Rassist sein – und auch das ist ASOZIAL! Habens auch alle gehört? ASOZIAL!

Also zurück zur Eingangs gestellten Frage, nämlich ob jemand sozial sei. Ich beziehe das jetzt mal auf mich und muss es mit einem Teils-Teils beantworten. Und zwar weil ich weniger für die Gesellschaft tue, als ich könnte, oder mir zuzumuten wäre und in einer Demokratie ist JEDER dazu aufgerufen, etwas zu geben und nicht immer nur zu nehmen. Nur dann wird Demokratie auch tatsächlich demokratisch im Sinne von Teilhabe am gesellschaftlichen Prozess. Warum geben toll ist, da komme ich die Tage mal drauf zurück. Ich werde zu gewissen Zeiten immer noch Opfer meiner eigenen Vorurteile, wenn ich mit Menschen interagiere, die nicht von hier sind, was auch immer „von hier sein“ zu bedeuten haben mag. Und ich nutze dann und wann meine kognitiven Fähigkeiten, um mir Vorteile bei was auch immer zu verschaffen. Meistens ist das eher uncharmant als tatsächlich Böse, aber es ist eben auch nicht unbedingt sozial.

Und wo steht ihr nun, wenn ihr es euch tatsächlich gestattet, einen langen, prüfenden, vielleicht zur Abwechslung mal schmerzhaft scharfen Blick in den Spiegel zu tun? Das kann in diesem Fall nur jeder für sich selbst beantworten, aber ein wenig mehr Ehrlichkeit bei der Selbstkritik würde schon helfen, unsere Welt ein großes Bisschen besser zu machen. Nachdenken, bevor man redet hilft übrigens auch.

A snippet of democray!

Netzneutralität. Oh je, oh je, was für ein grausiges Wort. Als wenn ein Netz wüsste, wann es neutral zu sein hat? Wenn überhaupt, kann man vielleicht davon sprechen, dass es Netzregulationsneutralität geben müsste; also dass das Auffinden und Erreichen jeder Art von Content im Web durch technische Maßnahmen wie etwa die 75 Gigabyte-Drossel der Telekom nicht erschwert werden darf. Natürlich wird sich kein von Lobbyfragen geplagter Politiker dazu durchringen können, mal eben anzurufen und die Jungs beim Magentafarbenen T zu fragen, ob sie noch alle Latten am Zaun haben.

Abseits der wohlfeilen Polemik kann man sagen – die müssen Geld verdienen, dass sind sie ihren Mitarbeitern und Shareholdern schuldig. Andererseits ist ein solcher – wenig subtiler – Eingriff in Marktmechanismen scharf an der Kante zum unlauteren Wettbewerb. Wenn es mit der aktuellen Tarifstruktur nicht klappt, müssen sie halt ihre Produkte anders kalkulieren – sofern man denn am aktuellen Serviceprovidermodell festhalten möchte.

Ich denke, es ist an der Zeit, über eine Demokratisierung des ZUGANGS zum Internet zu reden. Erst vor kurzem hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil festgestellt, dass der Internetzugang für die Lebens- und Haushaltsführung von überragender Bedeutung ist. Im Lichte einer solchen Aussage versteige ich mich zu der Forderung, dass der Internetzugang für jeden, wenn nicht gänzlich frei wie etwa in Finnland, so doch zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellt werden muss. Kein Shareholdervalue, keine Resellergeschäfte, kein Gerangel um Frequenzen und Technikstandorte.

Mir ist durchaus bewusst, dass ich weder der Erste bin, noch der Letzte sein werde, der diese Forderung explizit formuliert; das macht diesen Äußerung jedoch nicht obsolet. Vielmehr sollte jeder, der ähnlich denkt und seine Interessen als Bürger auch tatsächlich einmal vertreten sehen möchte sich anschließen und ebenfalls SINNVOLLE Forderungen stellen – und zwar öffentlich! Bezüglich des auf die Straße Bringens unserer Sorgen aber auch unserer Ideen sind wir nämlich hinter den meisten anderen europäischen Staaten deutlich hinterher.

Mir ist bewusst, dass eine rein marktwirtschaftliche Gestaltung die Pluralität der Zugangsmöglichkeiten fördert, doch hier ist es wie im Gesundheitswesen, wo man sich zu ähnlichen Idiotien hinreißen lässt; nämlich eine fundamental wichtige Komponente des Daseins – und als nichts weniger muss man das Web heute wohl betrachten – darf man nicht zur Ware und zum disponiblen Spekulationsobjekt machen, um somit die Verfügbarkeit gleichzeitig wieder einzuschränken. Bürgernetz anstatt Bürgerversicherung, das wäre mal was! Dann könnte man solche Dinge wie Authentifizierung bei Geschäften und beim Versand wichtiger Dokumente bei Bedarf in einem Aufwasch mit erledigen – ups, jetzt habe ich wohl etwas zu weit gedacht. Sorry…

Bin isch Netizen, oder was?

Ich liebe Kunstwörter. Ich meine „Netizen“, dieser Zwitter aus Net und Citizen ist doch schon ein echtes Hochlicht, ähm ich meine Highlight. Hm…na gut, ich will jetzt keine Schelte auf im englischen originierende Sprachimporte absondern. Tatsächlich ist es so, dass das Gros der Innovationen und damit auch der zugehörigen Begrifflichkeiten in der Netzwelt (noch) halt aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum kommt; aber ich finde den Begriff Netizen genauso wenig griffig wie etwa „digital native“. Der eine impliziert, dass es so etwas wie ein digitales Bürgerdasein gibt, was effektiv nicht der Fall ist und der Andere, dass man so sehr im weltweiten Datengewebe zu Hause ist, dass man sich als „dort geboren“ fühlt.

Was für ein Bullshit!

Ich werde jetzt nicht meine mentalen Büroboten ins Archiv jagen, um dort Sozialisationstheorien und andere Perlen menschlichen Denkens heraus zu suchen, welche zum Beispiel erklären, dass die Persönlichkeit des Menschen als denkendem und fühlendem Wesen sich nur in der Interaktion mit Anderen als Prozess des Erlebens und Erlernens von Rollen vollziehen kann; ich finde die Idee vom symbolischen Interaktionismus toll, aber gute Denke alleine macht noch keine Gesellschaft. Jedoch kann fast jeder Mensch – egal ob Denker oder Malocher – sehr genau fühlen, dass man so ganz alleine ziemlich beschissen da steht, dass uns ein innerer Drang nach Kommunikation, nach Austausch, nach Anerkennung und auch Liebe innewohnt, der sich Erfahrungsgemäß am allerbesten durch ungefilterte soziale Kontakte stillen lässt.

Der Mensch, so als Wesen ganz im Allgemeinen entsteht in der realen Welt und auch wenn die Ideen davon, was Realität überhaupt ist auseinander gehen mögen, wird man schnell feststellen, dass diese einen ganz leicht am Arsch packen kann; was die eine oder andere philosophische Betrachtung im hier und jetzt deutlich an Wert verlieren lässt. So oder so ist unsere Lebenswelt, unsere Kultur ein prozessuales Konstrukt, will sagen sie entwickelt sich so, wie wir Menschen, unsere Ideen und unsere Technik sich entwickeln – immerzu weiter, ohne dass man genau wüsste, wohin die Reise gehen könnte. Daraus schließe ich allerdings mal einfach so, dass unsere Heimat, ganz gleich für wie unglaublich vernetzt und oberhipp verdatet wir uns auch halten mögen hier und jetzt existiert und auf uns wirkt.

Wenn sich der Informatikstudent Captain Oberschlau an seinen Rechner setzt und einen auf „digital native“ macht, sieht er seine wunderbare neue digitale Welt eingefärbt durch die Wahrnehmungsmuster, welche ihm Papi, Mutti, sonstige Verwandten, vor allem aber auch seine Schulkameraden und wen er sonst noch so schon gekannt haben mochte mit auf den Lebensweg gegeben haben; dieses Päckchen kann man weder verschicken noch wegschmeißen, es begleitet uns ein Leben lang und egal, wie wir unser Leben managen, mit Sinn und Unsinn befüllen oder stylen mögen, unserer Sozialisation können wir nicht wirklich entkommen.

Womit der Terminus „digital native“ nicht mehr als ein Synonym für den unerfüllbaren Wunsch bleibt, nicht in einer Realität leben zu müssen, welche uns durch irgendwelche gefühlten Mängel nicht befriedigen kann. Ich bin übrigens gern ein Kind des spießigen Real-Lebens – es hat den entscheidenden Vorteil, mich zum Besitz eines Rückgrats zu nötigen, welches einem bei der Entscheidungsfindung durchaus hilfreich ist.

Womit wir zum Netizen kämen. Ach es liegt mir eigentlich fern, schon wieder Mitmenschoiden mit Vorliebe für Slogangläubigkeit einen Mangel an Rückgrat und ein Übermaß an Beliebigkeit vorzuhalten, aber dieser Kunstbegriff, der bislang nur mit heißer Luft aber wenig Leben gefüllt wurde, macht mir eine klassische Zangenbewegung der Verbalkavallerie so einfach, dass ich mich nicht zurück halten kann.

Gäbe es im Internet tatsächlich transparente demokratische Prozesse und so etwas wie eine digitale Staatsbürgerschaft, könnte man den Begriff Netizen eventuell rechtfertigen. Doch so wenig, wie man die Ströme der Information und die mannigfaltigen Einflussnahmen durch unerkannte Individuen und Institutionen hierauf nachvollziehen kann, lässt sich in der Weite der virtuellen Ödnis eine Struktur erkennen, die auf einen Ausgleich zwischen Allgemein- und Partikularinteressen hinarbeitet – ein solches digitales Analogon zum halbwegs funktionellen Staat in der realen Welt gibt es nicht; ergo gibt es auch keinen Netizen. Basta! Hierzu darf man auch gerne mal „DAS Internet gibt’s nicht“ lesen…

Kurzer Exkurs: Foren, Boards und andere Möglichkeiten des Meinungs- und Informationsaustausches auf der Mikro-, maximal aber Mesoebene sozialer Systeme sind weder demokratisch, noch gleichen sie Interessen aus; und da die dort anzutreffenden Protagonisten zu einem sehr großen Prozentsatz anonym agieren, herrscht wenig Scheu, den Grundsatz des konsensuell orientierten Dialoges einfach zugunsten der Krawallmacherei über Bord zu werfen. Den Konsens braucht eine Demokratie aber nun mal, um funktionieren zu können. Außerdem ist die Zahl der Beteiligten jeweils durch die Technik oder den schlichten Mangel an Motivation, sich selbst zu involvieren eingeschränkt, womit keine repräsentative Abbildung relevanter gesellschaftlicher Prozesse im digitalen Raum stattfindet. Exkurs Ende!

Wenn wir aber weder in der digitalen Unwirklichkeit geboren werden noch dort als Bürger leben können, was soll dann der Hype um liquid democracy, um das Web 2.0 oder vielleicht auch bald 3.0, um Partizipation und Demokratisierung durch Vernetzung? Ist das alles nur Geschwätz?

Mitnichten! Jedoch bleibt, wie schon so oft in der Geschichte die Entwicklung unserer sozialen Skills offensichtlich hinter der technischen weit zurück. Das Internet hat tatsächlich im Bereich des Informationsaustausches bereits eine Entwicklung vom klassischen passive receiver broadcasting früherer Medienepochen hin zu einer Vielzahl kritisch mitmachender receiver-broadcaster-nodes hingelegt. Man kann sich selbst zu einem Informationskontenpunkt erheben, auch wenn dies natürlich ein gewisses Maß an Arbeit und Mühe bedeutet.

Aber diese Mühe lohnt sich, denn selbst wenn nicht Jeder zu einem Knoten im Netzwerk wird, hat sich die Menge der verfügbaren Informationen, aber auch die Meinungsvielfalt pluralisiert. Man bekommt heute seine Nachrichten nicht nur vom örtlichen Blättchen direkt zusammen mit der gewünschten Konformitätsmeinung des Medienmachenden geliefert. Jedes Ding lässt sich nun aus mehreren Blickwinkeln beleuchten.

Diese neue Freiheit ist zugleich aber auch der Fluch des Mitmachwebs. Wie kleine Kinder finden wir als Erstes heraus, wie man damit Unfug anstellen kann; wir lassen unsere Meinung kaufen, wir rennen Trends hinterher oder helfen, sie hochzujuxen, wir geben unreflektiert unseren Senf zu allem, von dem wir meinen, wir hätten eine Meinung dazu, wir lieben, wir begaffen, wir verachten, lassen uns blenden und es geschehen, wenn aus zweifelhaften Motiven heraus Personen des öffentlichen Lebens demontiert werden (hierzu mehr unter „Zimboplag – oder warum kopieren auch legitim sein kann!„). Kurzum, wir machen alle Fehler, die das Handbuch ausweist; und noch ein paar mehr, die keiner vorhersehen konnte.

Ich sagte vorhin, es fände keine repräsentative Abbildung relevanter gesellschaftlicher Prozesse im Internet statt – allerdings findet man einen Querschnitt durch die Gesellschaft, alle Fähigkeiten und Unfähigkeiten, alles Gute und alle Schlechtigkeit inclusive. Und so wie unsere reale Welt sehr weit davon entfernt ist, perfekt zu sein, oder es auch nur in absehbarer Zeit werden zu können beinhaltet auch das Web bei aller möglichen Freiheit jede Menge Probleme und Fallen, derer wir uns gewärtig sein sollten. Es gibt vielleicht aller Verdatung zum Trotz keine richtigen „Netizens“ und „digital natives“, sehr wohl aber sind wir soziale Entitäten die auch in digitalen Kontexten existieren. Ein Avatar ist so begriffen viel mehr als ein Bildchen neben einem Forumspost; er bedeutet, dass es ein zweites, komplementäres ICH im Netz gibt, dass aber bei den allermeisten erst noch lernen muss, auch komplementär zum ersten, realen ICH zu agieren.

Wenn wir uns bewusst werden, dass das Netz uns tatsächlich ungeahnte Gestaltungsspielräume und Partizipationschancen einräumt, wenn EGO (real) und ALTER (virtuell) zu einem werden, kann aus dem Web 3.0 oder vielleicht dann auch 4.0 etwas Großes werden. Bis dahin müssen wir aber erstmal lernen, das dauernde virtuelle Empfangs- und Sendebereitschaft ohne Reflektion und echtes Miteinander noch KEIN digitales Bürgersein an sich darstellt.

A snippet of perception?

„New Media“ – das Schlagwort unserer Zeit, ganz so als wenn nicht jedes Medium, das wir ja so gut zu kennen glauben, zur Zeit seiner Einführung eine Umwälzung, vielleicht sogar eine Revolution gewesen wäre. Nur das den neuen Medien des 21. Jahrhunderts das Revolutionäre bisher aus meiner Sicht ein Wenig abgeht. Quasi en passant steigert sich – stets lautstark beworben – die Zahl der möglichen Anwendungen für in immer vielfältigerer Form miteinander vernetzte Gadgets, oder schon bekannte Gerätetypen. Doch der Sinn dieser oder jener Innovation erklärt sich nicht von selbst; was aber der Fall sein müsste, wenn eine Innovation als solche erkannt und angenommen werden soll.

Vielmehr hat die Marketingbranche das Szepter übernommen und die Art, wie wir New Media wahrnehmen so geformt, dass es einfach das Herz des Lifestyles ist, dieses oder jenes Technospielzeug haben zu müssen, um am Puls der Zeit sein zu können. Willfährig glauben wir das und kaufen.

Doch der Umstand, dass manche Aspekte der so genannten neuen Medien unsere Wahrnehmung der Welt bereits beeinflusst haben und dies auch weiter tun werden, dass wir dadurch anfälliger für die Manipulationen der Meinungsmaschinen geworden sind, dass wir anstatt uns selbst dieser Werkzeuge zu bemächtigen und zum vernetzten Sender zu werden einfach immer noch weiter so konsumieren, wie wir es im Zeitalter des passive receiver broadcastings getan haben, all diese Nachteile, die wir uns höchst selbst eingebrockt haben, treten einfach nicht ausreichend ins Bewusstsein.

New Media – das ist nicht einfach nur ein Schlagwort, dass uns den Weg zum hippsten Gadget weist, das ist ein Synonym für die Möglichkeit, sich selbst in vollkommen neuer Form seines sozialen, politischen und auch wirtschaftlichen Selbst zu bemächtigen. Das WIE ist dabei zunächst nicht wichtig, sondern nur das Erkennen, DASS es so ist. Wirklich revolutionär würden die neuen Medien in dem Moment, da sie helfen, unser Leben positiv zu beeinflussen, anstatt es einfach nur abzubilden oder sogar zu verkomplizieren. Aber der Weg dahin scheint lang und steinig; vielleicht kennt ja Maps den richtigen Weg…?

Ich bin kompliziert! (Postmodern N°2)

Und individuell! Oder so ähnlich, oder vielleicht doch nicht? Auf jeden Fall bin ich…ähm…ja; ja also auf jeden Fall bin ich!

Vielleicht klingt dies wie das Gestammel eines Idioten und ich bin keinesfalls darüber erhaben, manchmal groben Unfug abzusondern, doch tatsächlich wirkt das zuvor geäußerte für mich mehr wie ein Symptom dafür, wie man sich als Mensch in einer entwickelten Gesellschaft Anfang des 21. Jahrhunderts so fühlt – nämlich desorientiert.

Ich könnte es mir jetzt verdammt einfach machen und sagen, dass liegt halt daran, dass die alten Werte immer mehr verfallen und zuallererst die kaum noch vorhandene Moral dazu führt, dass eben einfach mal alles geht. Und wenn alles geht, geht irgendwann nix mehr, weil keiner mehr weiß, wohin er wann gehen sollte, oder warum.

Doch ganz so simpel will ich dann doch nicht argumentieren, bin ich doch ein erklärter Feind des Biertischparolierens. Darüber hinaus ist an der Individualisierung bei weitem nicht Alles schlecht. In einem Punkt mag der Herr Ulrich Beck, seines Zeichens Soziologe allerdings Recht behalten haben – die Lebensrisiken für den Einzelnen haben tatsächlich deutlich zugenommen, doch das liegt mitnichten nur am Werteverfall, oder nur am „zügellosen Kasinokapitalismus“, oder nur an der Rasanz der technischen Entwicklung, oder nur an der zunehmenden Komplexität unserer Kommunikations- und Informationsstrukturen, oder nur an schwindender Transparenz politischer Prozesse, oder nur… Ach ich könnte hier wohl noch ein wenig fortfahren, aber ein sture Aufzählung wird uns an diesem Punkt wohl kaum weiterbringen, also versuche ich mich an einer kurzen Erklärung, auch wenn wenige Worte nicht meine Stärke sind.

Mit dem Begriff Individualisierung meint man, dass es „früher“ eine „Normbiographie“ gegeben hat; im Sinne von geboren werden, aufwachsen, zur Schule gehen, einen Beruf lernen, arbeiten, in Rente gehen, sterben und auf dem Weg noch geschwind eine Familie gründen, um neues Blut in den Kreislauf zu bringen. So oder ähnlich. So kennen wir es von unseren Eltern. Vielleicht kennen die es noch von ihren Eltern. Aber dann hört es mit diesem „früher“ auch schon auf, denn diese „Normbiographie“ bezieht sich auf jene, im geschichtlichen Kontext äußerst kurze, Periode der Prosperität seit dem zweiten Weltkrieg bis zum Beginn der aktuellen Weltfinanzkrise. Und man konnte sie höchstens in den entwickelten Nationen der ersten Welt finden.

Spult man das Wahrnehmungstape aber ein bisschen weiter zurück, dann findet sich dort recht schnell eine andere Normbiographie, nämlich die nach Ständen differenzierten Lebensmodelle vordemokratischer Feudalgesellschaften, in denen man in seine Stellung im Leben hineingeboren wurde und dort – mit ganz wenigen Ausnahmen – bis zu seinem Tode verblieb. Bauer blieb Bauer, Adel blieb Adel. Möchte man nun tatsächlich nach dem Beginn des Zeitalters der Individualisierung fragen, dann würde ich persönlich den Beginn desselben eher an der Schwelle von der vordemokratisch-agrarischen zur entwickelten Industriegesellschaft verorten. Nicht mit einem Schlag, aber doch innerhalb weniger Jahrzehnte pluralisierten sich die Gesellschaftsstrukturen so grundlegend, wie es die Jahrtausende zuvor nicht vermocht hatten.

Nun hinkt die soziale Entwicklung der technischen seit jeher hinterher, weil wir Menschen uns offensichtlich gerne an beständig wiederholbaren Erfahrungen und tradierten Erklärungs- und Deutungsmustern orientieren. Eine hergebrachte Hierarchie oder Struktur zu modifizieren, oder gar komplett ad acta zu legen fällt uns verdammt schwer. Den Satz „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“ kann man als Allgemeinblatz abtun oder den tieferen Sinn zu verstehen versuchen. Ich verstehe ihn so, dass es den Menschen schwer fiel, eine neue Rolle zu finden, nachdem die alte gerade darin begriffen war, sich in Wohlgefallen aufzulösen. Das führte zu sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verwerfungen, denn manche reagierten schneller auf die sich wandelnden und wachsenden Strukturen eines neuen, ungelenken Gesellschaftstypus. Sie wurden zu Nutznießern, alle anderen zur Subsistenzmasse, auf deren Schultern sich eine neue Hierarchie gen Himmel stemmte. Heute nennen wir das Kapitalismus und finden es gut…oder?

Formal betrachtet stehen wir heute vor genau den gleichen Problemen, nur lautet das Schlag(un)wort des 21. Jahrhunderts Globalisierung. Als wäre eine jede entwickelte Industriegesellschaft für sich nicht schon ein überaus kompliziertes Gebilde mit einer nicht übersehbaren Zahl von möglichen Stellgrößen, kommen jetzt lauter solche Pluralitätskolosse zusammen und bilden EINE Weltwirtschaft. Das dies genauso wenig ohne Opfer, Verluste und Verlierer einhergehen kann, wie einstmals das Zeitalter der Industrialisierung, muss jedem klar sein, der nicht vollkommen blind für Zusammenhänge durchs Leben wandert.

Individualisierung meint – sehr vereinfachend zusammengefasst – die Notwendigkeit, sich in einer Welt, die eben durch ihre wachsende soziale, wirtschaftliche und politische Pluralität weniger Orientierung bietet seinen eigenen Weg suchen zu müssen. Das, was vor einer Generation noch festgeschrieben zu stehen geglaubt wurde, löst sich auf in einem Meer aus Möglichkeiten, doch die Kriterien, auf Grund derer man wählen könnte sind im gleichen Zug knapper geworden.

Ist dies ein Schreckensszenario? Nicht unbedingt, denn auf der anderen Seite wird dies neue Zeitalter immer mehr Menschen in die Situation bringen, über ihre eigenen Belange auch selbst entscheiden zu können. Der Preis, den wir für etwas Neues zahlen müssen ist fast immer, uns des Alten entledigen zu müssen. Das Problem in diesem Fall besteht nicht in dem Umstand entscheiden zu dürfen, sondern entscheiden zu müssen. Die Welt dreht sich weiter und Pandoras Büchse lässt sich nicht mehr schließen. Da die Welt sich verkompliziert hat, bleibt mir keine Wahl, als selbst kompliziert zu sein, um dem Druck der Aufgabe gerecht werden zu können, mein Leben selbst zu bestimmen. Nur wer sich informiert und der Möglichkeiten selbst bemächtigt, wird den – immer nur individuell – richtigen Weg finden.

Und was hat die Individualisierung nun mit dem Begriff Postmodern zu tun?

Für mich ganz einfach Folgendes: Wenn die Moderne, vom Ende der vordemokratischen Gesellschaft bis heute EIN – langes – Zeitalter der Individualisierung war und wir tatsächlich am Ende der Moderne stehen sollten, dann würde Post-Modern einfach nur Prä-Wirwissensnicht bedeuten.

Vieles, was man über die von mir jonglierten Begriffe in der Literatur findet, ist aus meiner Sicht – und ich halte mich ehrlich für einen einigermaßen gelehrsamen Menschen – für’s Leben an sich belanglose Hirnwichserei. Wenn Philosophie Antworten auf Fragen von Belang geben können soll, wäre es manchmal sinnvoll, wenn man wenigstens ein paar so formulieren würde, dass nicht nur Fachleute in der Lage sind, zu verstehen, wovon die Rede ist.

Wie wäre es mit folgender Frage:

Was IST unsere Moderne und ist sie am Ende?

Ich will bald versuchen, meine Antwort darauf zu geben.