Erwachsen bilden N°45 – Erziehungsauftrag…?

Um die Essentials auf den Punkt zu bringen: auch Berufsfachschulen haben einen Erziehungsauftrag! In einer Zeit, in der nicht wenige (vor allem junge) Menschen so ihre Probleme damit haben, in der dynamischen Realität einer sich – subjektiv dauernd – weiter partikularisierenden Welt anzukommen, ist es verdammt schwierig, Vorbild zu sein; weil man ja gar nicht weiß, A) welche Qualitäten das jüngere Gegenüber nun wirklich in einem Vorbild sucht, B) Menschen meines Alters per definitionem „cringe white middle-aged cis-gender males“ sind und C) ja eh keine Ahnung haben, wie das alles funktioniert, weil wir halt einfach Schuld sind. Woran, ist oft genug egal. An dieser Stelle wichtig: no insults taken, no fucks given. Ich jammere nicht drüber, sondern nehme das einfach hin, und bleibe, der ich war und bin. Wir sind also auf dem unebenen Terrain der Persönlichkeitsbildung angekommen, die auch ohne den ganzen Internet-Quatsch, die ganzen Unsicherheiten und verschiedene gesellschaftliche Großtrends (weniger Solidarität, mehr Egoismus, häufig Style over Substance, etc. – ich habe doch schon mehr als genug drüber gelabert…) schon immer schwierig genug gewesen ist. Ich war auch mal dort, wisst ihr.

Ich könnte mich jetzt darauf zurückziehen, es halt nur bei meinen Kindern zu versuchen; also das Erziehen meine ich. Und ich sage bewusst versuchen, denn in der Erziehung ist es wie im Krieg – noch kein Schlachtplan hat die erste Berührung mit dem Feind unverändert überstanden. ABER, ich bin eben auch Leiter einer Berufsfachschule. Und entgegen dem, was ich oft sehe – nämlich das die jungen Leute schlicht normiert und zu funktionierenden Vitalparameter-Mechanikern*innen gedrillt werden – habe ich einen eher Persönlichkeits-orientierten Ansatz. Ohne das richtige Bewusstsein für die eigene (Berufs-)Rolle, und vor allem auch das Werkzeug, diese bedarfsflexibel anpassen zu können, passieren mit den jungen Leuten nämlich zwei Dinge: Erstens werden sie verdammt schnell von der Alltagsrealität eingeholt, dass die weitaus meisten Patienten keinen lebensbedrohlichen Notfall nach Definition IHRES Handbuches haben, sondern irgendwelche sozialen, psychologischen, wirtschaftlichen Probleme, die Mangels Verfügbarkeit besser geeigneter Instanzen aus Sicht der Hilfesuchenden im Ruf eines RTWs münden. (der verlinkte Artikel ist auf Zeit Online hinter der Paywall, allerdings bisher eine der besten Reportagen, die ich je dazu gelesen habe). Das führt zweitens in der Folge zu Desillusionierung und nicht selten zu einem zügigen Berufsfwechsel (=> Fachkräftemangel anybody…?).

Okay, ich habe erklärt, WARUM ich einen Erziehungsauftrag in der Berufsfachschule sehe. Das erklärt aber natürlich noch keinen Meter, WIE man das dann anstellt, wenn es doch oft genug einen gewissen Graben zwischen Fachlehrer*in und Schüler*innen gibt? Und der resultiert nicht immer aus dem Alter der Fachlehrer*innen. Häufig genug werden heute sehr junge Kollegen*innen in den „Schuldienst“ rekrutiert, wenn sie schon früh ein gewisses Talent für die Betreuung von Auszubildenden zeigen. Es ist aber ein himmelweiter Unterschied, auf seinem Rettungswagen, oder bei Praxisanleitungen auf der Wache ein paar wenige Individuen an die Hand zu nehmen, oder vor einer vollen Klasse zu stehen, in der naturgemäß kein dauerndes Eingehen auf Partikularbedürfnisse möglich ist. Es kommt in der Folge immer wieder zu folgenden Prozessen:

  • Mangelnde analytische Distanz: Da man der im Lehrsaal vertretenen Peergroup subjektiv näher ist, verwechselt man Schüler*innen mit Freunden oder Kollegen. So funktioniert Lehren aber nicht! Denn am Ende muss ICH unzweifelhaft objektiv bewerten können, ob die Person vor mir für diesen Job geeignet ist, oder nicht. Und „Oder nicht“ ist niemals eine populäre Ansage!
  • Doppelbelastung Studium – Lehre: Das muss man wollen. Und es wird von so manchem Schulleiter auf Lehrerfang gerne freundlich kleingeredet, dass man bis zum Abschluss oft genug auf dem Zahnfleisch gehen wird… Folglich schmeißen nicht Wenige alsbald das Handtuch und suchen sich was anderes.
  • Unsicherheiten im Umgang mit dem Curriculum: Da steht eine Menge Zeug drin, das nicht auf den ersten Blick intuitiv zugänglich ist. Warum man manchmal Umwege gehen muss, um ans Ziel kommen zu können, erschließt sich einem oft erst mit wachsendem Alter und zunehmender Erfahrung.

Zusammengefasst braucht es eine gewisse charakterliche und fachliche Reife, um junge Erwachsene für das Berufsleben fit machen zu können. Kommen wir direkt zum WIE zurück: Fachlehrer*innen sind Role-Models! Vorbilder! Um dies sein zu können, müssen Sie aber über ein paar Eigenschaften verfügen, die aus meiner Erfahrung heraus unabdingbar sind, um Persönlichkeitsbildung im Gegenüber ermöglichen zu können: Situationsadäquate Kommunikation. Zuverlässigkeit. Integrität. Führungsstärke. Fachwissen und Fertigkeiten. Diese Dinge wachsen jedoch nicht auf Bäumen, sondern nur durch angeleitete Erfahrung in den Fachlehrer*innen selbst. Das bedeutet, bevor das Lehrpersonal erzieherisch tätig werden kann, muss es erst mal selbst erzogen werden! Menschen lernen relativ viel am Modell und durch Imitation, was schließlich durch Reflexion des Erlebten und Gefühlten zur Integration in das eigene Handlungsrepertoire führt / führen kann. Abkürzungen funktionieren hier NICHT! Und das ist bei sozialen Skills leider nicht anders. Was bedeutet, dass sowohl unser Unterricht, als auch unser kollegialer Umgang miteinander nicht nur fachlich, sondern auch sozial fordernd sein muss. Lernen ist eine Zumutung, die nur außerhalb der Komfortzone wirklich zum Erfolg führen kann. 24 Folien Powerpoint pro Sekunde mögen einen Film ergeben – Notfallsanitäter*innen, welche diese Bezeichnung auch wirklich verdienen, ergibt das aber nicht! Wie man die Schüler*innen tatsächlich aus ihrer Komfortzone und hinein in echtes Lernen holt, dafür gibt es übrigens genausowenig eine Musterlösung, wie für die Notfallbilder, welche erlernt werden müssen – auch wenn Schüler*innen niemals müde werden, danach zu fragen.

GOTT WÜRDE ICH MICH FREUEN, WENN JEMAND MIT MIR ZU DISKUTIEREN ANFINGE! Schönen Tag noch.

Ach wenn’s doch einfach wär…

Ich hatte dieser Tage ein bisschen mehr Zeit zum Nachdenken als sonst. Das soll nicht heißen, dass mehr dabei rumgekommen wäre. Ich lag halt einfach nur krank im Bett und hatte sonst nichts zu tun, außer mit dem Versuch des Genesens beschäftigt zu sein. „Wir sind schon komische Tiere“ dachte ich da so bei mir; Zufriedenheit und Glück scheinen uns so sehr zu beschäftigen, weil wir stets so sehr damit beschäftigt sind, danach zu suchen, ohne doch je zu verstehen, worin sich beides tatsächlich realisiert. Ich las dieser Tage eine Artikelreihe auf Zeit Online, die sich mit dem Sinn des Lebens beschäftigt; und ich muss unumwunden sagen, da war jetzt nichts Neues, Bahnbrechendes dabei. Im Gegenteil klang für mich Vieles (obschon dabei Studien zitiert wurden) eher nach Küchenpsychologie, denn nach seriöser Wissenschaft, was wohl daran liegen muss, dass manche Wissen Schaffende doch eher normativ anstatt deskriptiv suchen. Sieht man ja auch immer an den Studien, welche die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ in Auftrag gibt… Nun ist der Sinn des Lebens etwas höchst individuelles, höchst subjektives, höchst dynamisches. Mit 20 habe ich darüber ganz anders gedacht, als heute, mit fragendem Blick auf die Große Fünf im Leben. Und dann kommt dieser Moment, wo man Resumée ziehen möchte.

Ob die Eule wohl auch nachdenkt…?

Ne, ne, ne, Leute; für ein Resumée oder Memoiren bin ich noch viel zu jung. Aber jeder Mensch sollte gelegentlich innehalten, um zu bewerten, wo er steht, herauszufinden, wo er als nächstes hin will, und was ihn auf dem Weg dazwischen so alles erwarten könnte. Und das ist nicht unbedingt nur räumlich zu verstehen. Obschon Reisen natürlich auch ein wenig geplant werden wollen. Ich führte heute ein – unerwartetes, aber dennoch hoch willkommenens – Gespräch mit jemandem, den ich eine ganze Weile nicht gesehen hatte, und bei dem dennoch gleich klar war, dass wir immer noch auf der gleichen Wellenlänge schwingen. Unser Gespräch berührte dann auch – neben einigem Anderen – den oben bereits angesprochenen Aspekt des Glückes. Und damit natürlich auch den der Wünsche und Bedürfnisse. Mein Gegenüber äußerte dabei, dass er glücklich damit sei, relativ wenig materielle Bedürfnisse zu haben; was ich für mich selbst ebenso unterschreiben wollen würde. Es gibt ein paar Dinge, die ich als Werkzeuge für meine Kreativität nutze, und noch weniger Gegenstände, die in mir ein echtes Haben-Will-Gefühl auslösen. Es ist dann aber mehr der Wunsch des Benutzens dieser Objekte, als der des Besitzens. In manchen Fällen ist beides leider nicht voneinander zu trennen, so dass ich den neuen Grill halt doch kaufen muss. Andererseits werden noch viele andere neben mir davon profitieren… 😉

Mir ist der Schauwert meiner Besitztümer relativ Wumpe, so lange ich damit das tun kann, wofür ich die Dinge angeschafft habe. Nutzen und Funktion stehen – auf meiner Agenda – über ästhetischen Gesichtspunkten; wobei manchmal beides schwer zu trennen ist, weil insbesondere bestimmte hochwertige Konsumgüter wie etwa Kameras bewusst nicht nur mit mit Blick auf die Nutzungs-Ergonomie und den Gebrauchswert, sondern eben auch ein gefälliges Äußeres designed werden. Andernfalls wäre eine ganzer Berufsstand seinen Job los. Sagen wir mal so: wenn denn das Design wenigstens der Funktion folgt und nicht etwa umgekehrt, nehme ich das so hin. Aber Manchmal stelle auch ich erst im Nachhinein fest, dass ich mich in etwas verrannt habe, das Spielkind in mir unbedingt etwas ausprobieren wollte, weil’s doch so hübsch war…! Insofern bin ich am Ende des Tages genau so sehr oder wenig Mensch, wie alle anderen auch. Fehler inklusive. Und dann ärgere ich mich über mich selbst, weil man das Geld vermutlich besser für etwas anderes hätte verwenden können.

Und da sind wir dann an dem Punkt, den jeder für sich selbst klären muss: wie viel braucht es wirklich, um sagen zu können, „ich/wir habe/n keine existenziellen Sorgen!“? Und wenn tatsächlich mehr verfügbar wäre, wie viel davon wäre ich bereit zu geben, ohne dass die existenzielle Unsicherheit in meinem Kopf zunähme? Denn Glück und Sinn entstehen nicht in der Garage an meinem Lamborghini Aventador, oder beim Wochenendtrip nach London, Barcelona, Rom oder sonstwo; und auch gewiss nicht durch den Erwerb des jeweils neuesten Flagship-Phones xxxxxxx (setzen Sie hier die Marke Ihrer Wahl ein). Sondern – zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil – durch unsere Beziehungen, durch unser Miteinander, durch das Teilen: das Teilen von Erlebnissen, Erinnerungen, Interessen, Erfahrungen, Erkentnissen, Fähigkeiten… und ja, auch durch das Teilen von Ressourcen. Doch wenn man sich die Kommentarspalten der Medien Tag für Tag ansieht, dann wollen so verdammt viele nichts mehr teilen, haben so verdammt viele sich so sehr in ihrem Egoismus-Kokon gleichgültigen Auf-Andere-Herab-Blickens eingesponnen, dass sie sich selbst nicht mehr im Spiegel sehen können. Dabei braucht es Selbstreflexion so sehr – um herausfinden zu können wo man steht, wo man als nächstes hin will; und schließlich, um beurteilen zu können, was einen auf dem Weg dazwischen so alles erwarten könnte – und wer einen eventuell dabei begleiten könnte und auch wollte! Aber wenn man sich diese Mühe machte, wäre ja – paradoxerweise – plötzlich so vieles so viel einfacher. Stattdessen jedoch verschließen wir uns lieber, und jammern rum „Ach, wenn’s doch mal einfach wäre…!“ In diesem Sinne, schöne Restwoche.

Ein kreatives Leben…?

Kreativität wird heute in vielerlei Hinsicht auf den Aspekt ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit reduziert, als Akt des Lösens von Problemen für Andere zum Zwecke des Geldverdienens begriffen. Wenn ein Unternehmer (oder aber eine verantwortliche Person in dessen Diensten) sagt, man müsse kreativ werden, bedeutet das im Klartext, dass man innovative Wege suchen soll, die mentale Kraft der Mitarbeiter zu monetarisieren. Und in einem gewissen Umfang mag das auch legitim sein, denn schließlich werden Leute, etwa in meiner Position vor allem als Troubleshooter, also Problemlöser bezahlt, die mittels jeweils neuer Ideen die auftauchenden Herausforderungen meistern helfen sollen. Und solche Herausforderungen tauchen mit unschöner Regelmäßigkeit auf. Kreativität bedeutet in so einem Kontext, über situationsadäquate Handlungskompetenz zur Lösung variierender Probleme zu verfügen. Aber Kreativität ist so viel mehr als dass – muss so viel mehr als das sein! Denn nehmen wir mal an, Musiklosigkeit würde als mechanistisch lösbares Problem gesehen; und kahle Wände als bloßer Anlass, psychomotrische Geschicklichkeit zu üben. Wie viel weniger reich wäre doch unsere Welt ohne Kunst.

Das hier ist KEINE Kunst – das sind Wildschweine… 😉

Kreativität bedeutet zunächst, seine Lebens-Umgebung wahrzunehmen; und zwar nicht einfach nur unter dem Gesichtspunkt des sich-in-ihr-bewegen-müssens, sondern als Stimulans für alle Sinne. Die Umwelt in ihrer Vielgestaltigkeit ist voller Ambivalenz, voller Fragen, voller oberflächlicher Sinnlosigkeiten und Ambiguität. Dies alles aushalten zu können, ohne dabei gleich durchzudrehen, ist für mich eine der bemerkenswertesten Eigenschaften des Menschen. Noch bemerkenswerter ist allerdings der Umstand, dass wir so viele Mittel und Wege gefunden haben, diese Spannung zu thematisieren und für uns und Andere greifbar zu machen. Denn DAS ist Kunst für mich – der Versuch, mit dieser Welt und ihren vielen Baustellen irgendwie klarzukommen, und gleichsam mit anderen in Kontakt zu treten, um in deren Erfahrungswelt eintreten zu dürfen. Der Mensch ist ein hoch soziales Tier und sucht Verbindung auf vielerlei Arten. Freundschaften, mehr oder weniger klassische Paarbeziehungen und Familienbildung, aber eben auch künstlerischer Ausdruck, der versucht ANDEREN etwas von MIR nahezubringen, dass sich aus verschiedenen Gründen vielleicht nicht so gut mit Worten ausdrücken lässt. Kunst ist Kommunikation! Auch wenn, wie bei Sprache, die Dekodierung der gesendeten Botschaft der Kenntnis des verwendeten Code-Schlüssels bedarf. Andernfalls versteht man nur Bahnhof und Bratkartoffeln.

Für klassische Kommunikation leuchtet das vermutlich ein. Verstehe ich die Sprache des Gegenübers nicht (mir fehlt also der Code-Schlüssel), kann die Person senden, so viel sie will – wir werden nicht auf einen Nenner kommen. Bei Kunst jedweder Art ist das für viele Menschen allerdings nicht ganz so einleuchtend, weshalb Kunstwerke, deren Code man nicht versteht, nur zu gerne als Müll abgetan werden. Ganz analog dazu, dass man Menschen, deren Kultur man nicht versteht gerne auf exakt die gleiche Art entwertet. Insbesondere in der Kunst der Moderne, wo die Abstraktion des Objektes nun doch oft ein ziemlich hohes Level erreicht, mangelt es nicht wenigen Menschen am richtigen Code-Schlüssel. Diesen zu erwerben bedarf allerdings des bewussten Auseinandersetzens mit dieser Kunst, nicht jedoch der Ablehnung aus Nichtverständnis. Doch viele machen es sich gerne einfach und suchen den Fehler beim Künstler; sowas nennt man einen Circulus Vitiosus, oder Teufelskreislauf. Der Grund ist häufig in Unbildung oder gefährlichem Halbwissen zu suchen. Beides entsteht, weil nicht unerhebliche Teile unserer Gesellschaft und auch die allgemeinbildenden Schulen nicht ihrem Auftrag nachkommen, unsere Kinder für ihre Umwelt und die Spannungen in dieser hinreichend zu sensibilisieren. Und ich richte diese – möglicherweise wohlfeil daherkommende Kulturkritik – explizit auch an mich selbst.

Hat man aber nun für sich solche Code-Schlüssel zu wenigstens ein paar Türen in Reichweite gefunden, entsteht irgendwann unter Umständen in einem der Drang, es selbst mal mit Kunst im weiteren Sinne zu versuchen, angetrieben von dem Wunsch mit eigenen Mitteln anderen Menschen die eigene Sicht der Dinge, eigene Ideen, Spinnereien, Fantasien und Projekte nahebringen zu wollen – weil man zu der Überzeugung gelangt ist, dass diese individuellen Ausdrücke der eigenen Kreativität für andere einen Wert haben könnten. Und wenn es nur der Wert des Unterhalten-Werdens sei. Und dann stellt man fest, dass andere Menschen sich nicht sonderlich für die eigenen Kulturartefakte interessieren, und manche einen sogar anfeinden, weil sie denken, dass jemand, der sich selbst mühevoll die Empfindsamkeit für bestimmte künstlerische Ausdrucksformen beigebracht hat und diese nun ohne erkennbares wirtschaftliches Vewertungsinteresse zum Besten gibt ein arroganter Spinner sein muss, der sich für was Besseres hält – am Ende glaubt der noch, er sei ein Intellektueller. Das ist ja wohl die Höhe… Sagen wir mal so: es braucht schon ein gewisses Ego, um einfach mal davon auszugehen, dass die eigenen Produkte, gleich welcher Art, irgendjemanden interessieren könnten.

Auf diese Art entstehen übrigens auch die erfolgreichen Künstler, die dann Geld damit verdienen können. Die Allerwenigsten Kultur-Schöpfenden kommen allerdings jemals so weit. Ich selbst bin bislang nicht so weit gekommen, bezeichne mich aber sehr wohl trotzdem als jemanden, der ein kreatives Leben lebt und stolz darauf ist. Und ja – manchmal werde ich auch missverstanden, weil dem Gegenüber der Code-Schlüssel fehlt. Macht aber nichts! Ich bin gerne auch beim Erlernen einer neuen Sprache behilflich, die nicht mit Worten gesprochen wird. Einstweilen wünsche ich einen guten Start in die neue Woche.

Sinn-l-Ich!

Raide-Wendungen. Es gibt viele davon und jene mit englischen Wurzeln werden gefühlt immer mehr. Eine von Ihnen verursacht imho immer wieder semantische Probleme: „Das macht Sinn!„. Warum die Falschverwendung auf Grund der wörtlichen Übersetzung des englischen „That makes sense!“ schwierig im Bezug auf den Sinngehalt sein kann, will ich kurz zu erklären versuchen. Vergewissern wir uns zunächst über den Umstand, dass der so einfach daherkommende Begriff „Sinn“ keinesfalls eindeutigen Bedeutungsgehalt hat. Sinn kann in der Philospohie und Linguistik – je nach Theorie – als Synonym für Bedeutung (im Englischen „meaning“), Bedeutungsumfang (also ALLES, was unter einem Begriff subsummiert werden kann), Bedeutungsinhalt (Spezifika, die verschiedene, mit einem Begriff gemeinte Dinge gemeinsam haben) oder Bedeutungsausprägung im wortwörtlichen (im englischen „sense“) verwendet werden. Was gerade gemeint sein könnte erschließt sich, egal ob beim gesprochenen Wort oder einem geschriebenen Text, oft erst aus dem Kon-Text – also dem Sinn-Zusammenhang (ich bitte das Wortspiel zu entschuldigen). Dies im Hinterkopf gehen wir nun an die Frage, ob man Sinn überhaupt herstellen („make“ oder „machen“) kann?

Welche Bedeutung mag das hier wohl haben…?

Geht man davon aus, dass man etwas – also irgendein Ding, oder einen Sachverhalt, z.B. etwas so allgegenwärtiges wie „Mensch“ – mit einem Begriff benennt, der einem selbst DIE (eine mögliche) Bedeutung des Dinges erschließt, macht das in der Tat Sinn; allerdings nur für denjenigen, der diese Begriffszuweisung gerade vorgenommen hat! Der Begriff „Mensch“ z. B. kann aber einen speziellen Menschen, die Gesamtheit der Gattung, eine spezielle Gruppe innerhalb dieser Gattung, eine Schnittmenge mehrerer spezieller Gruppen innerhalb dieser Gattung, eine Dichotomie zur Abgrenzung vom Gegenteil (also etwa KIs) oder das spirituell aufgeladene Abbild Gottes auf Erden meinen – je nachdem, wen man gerade fragt. Wenn einer nun also versucht, Sinn herzustellen, indem er einen Begriff – für sich mit einer speziellen Bedeutung versehen – benutzt, entsteht der Sinngehalt (also das, was semantisch wahrgenommen wird) für das Gegenüber trotzdem aus dem, von Gegenüber interpretierten Bedeutungszusammenhang. Sinn wird daher mitnichten gemacht, sondern emergiert – taucht also aus der Menge möglicher Bedeutungen als Folge einer Interpretationsleistung durch den Rezipienten auf. Wenn zwei das Gleiche sagen, meinen sie noch lange nicht das Selbe!

Sinn ist also immer mit dem Ich verbunden – nur nicht immer durch ein L! Wenngleich eine „sinnliche“ Erfahrung ebenso ein interpretationsfähiger Begriff ist, wie Mensch; oder Sinn. Sinnliche Erfahrung kann für den einen das bewusste oder unbewusste Erleben einer beliebigen Sinneserfahrung sein, etwa Emotionen beim Anblick eines Sonnenunterganges; für jemand anders ist der Begriff evtl. mit Erotik verbunden. Und der Sozialwissenschaftler denkt an die Wirkung des sensorischen Registers (früher als Ultrakurzzeitgedächtnis bekannt) auf pädagogisches Handeln. Wie man es auch dreht und wendet – den Sinn eines Begriffes macht das Gegenüber. Weshalb „Sinn machen“ als intentionales Herstellen von Bedeutung nur gelegentlich funktioniert, wenn die Wahrnehmungs- und Erlebenswelten der beteiligten Individuen zumindest sehr ähnlich sind. Ansonsten verschwindet gemeinter Bedeutungsgehalt nämlich allzu schnell im Orkus. Jemand sagte, es mache doch keinen Unterschied, wenn man „Das macht Sinn sagt!“, weil’s ja das gleiche bedeuten würde, wie „Das ergibt Sinn!“; denn an der Supermarktkasse benutze man die Begriffe ja auch analog. „Das macht 13,59 €.“ sei das Gleiche wie „Das ergibt 13,59 €“. Beide Sätze sagen doch aus, dass man 13,59 € bezahlen muss. Aber der eine Satz bedeutet auf Grund sprachlicher Konventionen, dass man dem Supermarkt 13,59 € SCHULDET; der andere lediglich, dass die Addition mehrerer Teilbeträge die Summe von 13,59 € ERGIBT. Das Gleiche ist NICHT das Selbe!

Das mag auf den ersten Blick wie Dippelschisserei klingen, aber die Folgen sind unter Umständen weitreichend. Denn jemand, der die Wahrnehmungswelt eines einzelnen Gegenübers, oder auch vieler Rezipienten auf einmal gut genug kennt, kann auf diese Art sehr wohl doch Sinn herstellen – und das auf höchst manipulative Art. Schaut euch mal die Reden von Hitler und Göbbels genau an, dann versteht ihr, worauf ich hinaus will. Wenn man sich der Tatsache bewusst ist, dass man auch durch einfach Veränderungen der Sprache semantischen Gehalt nach Belieben verändern kann, versteht man vielleicht, warum die Feder IMMER mächtiger als das Schwert ist, und man den vermeintlich als Minderheiten-Meinungen abgetanen Äußerungen des ganzen Nazi- und Querlutscher-Geschmeisses in der Öffentlichkeit Einhalt gebieten muss. Großes erwächst immer aus Kleinem, im Guten, wie im Bösen! Deshalb lege ich so großen Wert auf Sprache. Deshalb lege ich in meinem beruflichen Tun so hohe Maßstäbe an begriffliche Präzision an: weil es keine Alternative gibt, wenn man es mit seinem Erziehungsauftrag als Berufsbildner ernst meint. Und weil für den überzeugten Demokraten ebenfalls kein Weg daran vorbei führt. Aber nun genug gedacht für heute – erstmal raus und den vermeintlichen Frühling genießen. Wir hören uns.

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°50 – Session Prep!

Ja verdammich – ’ne Jubiläumsfolge. Ich glaube, keine meiner anderen Artikelserien hat einen solchen Umfang erreicht. Scheint mir wohl doch immer noch wichtig zu sein… 😉 Aber genug des Geplänkels. Ich hatte in Episode N°49 über das Vorbereiten einer kompletten Kampagne gesprochen und dabei evtl. das Missverständnis erzeugt, dass man alle Story Arcs seiner Kampagne schon irgendwie zu Anfang skizziert haben sollte. Zur Erinnerung: Story Arcs liegen eingebettet in die Core Story der Kampagne, die widerum eigebettet ist in den Meta-Plot der Welt. Aber selbst, wenn ich meiner Kampagne beim Design schon ein übergeordnetes Thema gegeben habe, bedeutet das nicht, dass ich ALLE Story Arcs schon kennen kann. Es gibt nämlich mehrere Möglichkeiten an das Kampagnen-Design heranzugehen, über die ich noch nicht gesprochen hatte. Deshalb sind hier zunächst ein paar erste Erwägungen notwendig, die sich später erheblich auf das Vorgehen beim Session Preppen auswirken:

  • Campaign Pitch: Ich habe eine oder mehrere Ideen für die nächste Kampagne (Setting, Thema, Regelwerk), und stelle meinen Spielern diese Ideen kurz vor, damit sie sich über die Charaktere Gedanken machen können, die sie in dem dann schließlich ausgewählten Vorschlag spielen wollen. Mit Blick auf die Charaktererschaffung schauen wir in den nächsten Paragraphen…
  • Predesign – free choice: Ich habe eine Kampagne vorbereitet, die ich leiten werde und sage den Spielern nur an, in was für einer Art von Setting sie sich bewegen werden und erwarte dann gelassen, mit welchen Ideen sie mein Design sprengen werden. Hier gibt es zwei Untervarianten: gemeinsame Charaktererschaffung, damit die Chars in ihren Archetypen und Spezialitäten aufeinander abgestimmt sind. Dieses Vorgehen ist vor allem in taktiklastigen Systemen wie Pathfinder/Starfinder und DnD 5E quasi notwendig, sonst werden auch einfache physische Herausforderungen schnell zu einem Problem. Oder man macht eine individuelle Charakter-Erschaffung one-on-one mit dem SL. Ganz ohne taktische Erwägungen steht man dann auch schon mal mit 3 Spezialisten ohne nennenswerte Kampfkraft da. Allerdings entstehen auf die Art schon beim ersten Aufeinandertreffen oft sehr witzige, denkwürdige und spannende Szenen.
  • Predesign – narrow choice: Klare Ansagen, wie „Ihr müsst alle Zwerge spielen, weil das für das Funktionieren der Kampagne essentiell ist!“. Wahlfreiheit einzuhegen kann sinnvoll sein, wenn ich ein bestimmtes Thema für die Kampagne im Kopf habe.
Oft ist der Weg nicht klar – aber trotzdem das Ziel…

Je nachdem, wie eng oder offen ich das Thema und die daraus resultierenden Modalitäten der Charakter-Erschaffung meiner Kampagne auslege, habe ich mit der individuellen Vorbereitung einer Sitzung mehr oder weniger Arbeit. Ein zweiter Aspekt, der hier zum tragen kommt, ist die Frage, wie viel Backstory mir die Spieler für ihre Chars liefern. Jedem Spieler muss klar sein, dass eine elaborierte Backstory von mehr als einer Seite NICHT GELESEN wird. Dafür habe ich zu viel Anderes um die Ohren – als SL muss ich mich um eine ganze Welt kümmern, auch wenn’s nur eine virtuelle Welt ist. Allerdings liefert eine knapp und prägnant abgefasste Backstory dem SL u.U. Ideen und Storyhooks für individuelle Herausforderungen und Story Arcs. Wenn man das MIR als SL überlässt, kann man sein blaues Wunder erleben… Habe ich nun ein eng gefasstes Kampagnen-Thema und aufeinander (taktisch) abgestimmte Charaktere, muss ich beim Encounter-Design mehr Umsicht walten lassen. Es gibt Spieler, die zwar Action mögen, aber auch in einer gut geplanten Abenteurergruppe taktisch ungeschickt agieren. Habe ich mehrere solcher Spieler am Tisch, sehen meine Encounter anders aus, als wenn ich lauter erfahrene Wargamer am Tisch habe, die eine Ork-Armee in Nullkommanix auseinander nehmen. Besteht die Gruppe aus individuell erstellten Chars, die sich erst aufeinander eingrooven müssen, und deren Spieler mit dem Thema Taktik unterschiedlich effizient umgehen, gilt das Gleiche. In jedem Fall muss mein Encounter-Design sich am Taktik-Level der Gruppe ausrichten. Ich weiß nicht, ob meine Spieler das jetzt gerne hören aber – taktisch geschickt geht oft anders. Was allerdings dem Spaß keinen Abbruch tut.

Man könnte jetzt eventuell annehmen, dass ich immer nur nett zu meinen Spieler bin, und meine Encounter stets vorher ausbalanciere. Fragt sie mal, sie werden euch was Anderes erzählen; denn das tue ich NICHT! Ich weiß allerdings auch, das Encounter-Design nicht aufhört, wenn die Initiative gewürfelt wurde (Danke Matt Colville!). Give or take a few! Antworten die Spieler auf die Herausforderungen mit abgefahrenen Stunts, denken sie nicht nur mit ihrem Charakterblatt, wirkt sich das zu ihrem Vorteil aus. Auch wenn meine Antagonisten natürlich ebenso gewinnen wollen. Aber selbst ein großer Dämon ist nicht allwissend oder auf alle denkbaren Taktiken gefasst. Und wenn die Spieler dabei auch noch „in character“ bleiben, ist große Dramatik garantiert. Und das ist, was wir wollen – Dramatik, im ganz klassischen Sinne der Theatertheorie. Siege wollen verdient sein, manchmal suchen die Helden regelrecht nach Katharsis, manchmal gewinnen die Anderen – und oft sind die Einsätze sehr hoch. Das macht den Reiz des Spiels aus. Nicht nur beim Pokern.

Und was ist Session Prep nun eigentlich? Letztlich die Zergliederung und Anpassung dessen, was ich bei meiner Campaign-Prep vorbereitet habe. Eine Mischung aus Reduktion und Akkomodation. Denn was die Charaktere in Session N°0 – N°3 getan haben, wirkt sich natürlich auf Session N°4 aus, weil meine ursprünglich vorbreiteten Story Arcs von ihnen modifiziert wurden. Ich denke die Story Arcs nicht von den Spieler-Charakteren, sondern von meinen Antagonisten-NSCs her. Was wollen diese tun? Was wollen sie erreichen? Und was würde passieren, wenn sie niemand daran hindert? Dann gebe ich den Chars Hinweise auf etwas, das vielleicht (noch) hinter den Kulissen passiert (=>Exposition), warte ab, wie sie damit interagieren (=>Komplikation und /oder Periepetie) und moderiere die Zeitläufe zwischen einzelnen Encountern/Herausforderungen (=>Retardation), um sie schließlich für das Finale vorzubereiten, dass sie nun i.a.R. selbstätig suchen (=>Katastrophe oder Lysis)! Und das in jeder einzelnen Sitzung, die sich gleichsam in die Core-Story eingliedert, welche nach exakt den gleichen Prinzipien des Regeldramas aufgebaut ist. Mit einem Unterschied: die einzelnen Sessions nach der Session N°0 sind entweder Komplikation, ODER Peripetie, ODER Retardation, bauen also Schleifen auf, die Charakterwachstum in Vorbereitung auf das FINALE GRANDE ermöglichen sollen. Essentiell ist, dass ich jede Sitzung im Nachgang und unter Berücksichtigung der Ereignisse der vorangegangenen Sitzung vorbereite. Selbst, wenn ich Cliffhanger gesetzt habe. Darum ist Buchführung so verdammt wichtig. Noch wichtiger ist es allerdings, Pacing und Abfolge der Encounter bzw. herausforderungen flexibel anpassen zu können, wenn die Spieler – mal wieder – einen ganz anderen Weg durch die Ereignisse nehmen, als ich das tun würde. Ich verweise hier einmal mehr auf meine Nexus-Vortex-Methode.

Grau, oh grau ist alle Theorie. Vielleicht mache ich irgendwann doch mal ein Video, wie sowas bei mir aussieht. Problem dabei ist allerdings, dass ich mir dazu dann auch noch ’ne neue Kampagne ausdenken müsste, weil ja meine teilnehmenden Spieler nicht unbedingt sehen sollen, wie die nächste Sitzung aussieht. Mal schauen. In jedem Fall wünsche ich noch einen schönen Tag, und denkt dran – always game on!

Auch als Podcast…

New Work N°13 – a bad number?

Es ist zuviel! Den Satz hörte ich in letzter Zeit von den verschiedensten Protagonisten (und auch Antagonisten) in variierender Deutlichkeit; und natürlich war das vor allem bezogen auf die Arbeit. Auf Workloads, Komplexität, Zeitdruck. Nur von einem ist immer zu wenig da: Ressourcen! Bevor man nun beginnt, in das Allgemeinplatz-Horn zu stoßen und „Ja, ja, bei mir ist es genauso…“ zu sagen, wäre es vielleicht angezeigt, ein wenig Diagnostik zu betreiben. In meinem ursprünglichen Gewerk, dem Rettungsdienst nimmt man ja auch nicht das erstbeste Symptom, hört auf zu suchen, und beginnt mit der Therapie; zumindest, wenn man seinen Job ernst nimmt und richtig betreiben möchte. Und insbesondere, wenn ja noch vollkommen unklar ist, was denn eine indizierte Therapie sein könnte. Bezogen auf das Eingangsproblem könnte man sich jetzt einfach hinstellen und sagen: dann arbeite halt weniger! Mach Dienst nach Vorschrift! Reduzier die Vertragsprozente! Such dir eine andere Stelle, wo’s besser läuft! Und so weiter und so fort. Klingt einfach und griffig. So wie die vollkommen inadäquaten Lösungen der AfD und FDP. Die Tage hatte ich selbst ja dennoch darauf hingewiesen, dass weniger mehr sein könnte. Fall geschlossen…? Mitnichten! Also schauen wir mal aus einem anderen Blickwinkel darauf, der jetzt weniger was mit der Frage nach kapitalistischer Arbeitnehmerausbeutung Manchester-Style zu tun hat, sondern mit der Frage nach den eigenen Motivationen und Zielen. Schließlich sind wir keine verflixten Roboter. Aus sozialpsychologischer Sicht ist das schnell abgefrühstückt:

  • Kompetenz: wir wollen uns selbst als kompetent wahrnehmen, also als befähigt, mit dem Herausforderungen, welche uns das Leben entgegenzuwerfen beliebt, adäquat und vor allem erfolgreich umzugehen. Wir wollen „es im Griff haben“. Man nennt dieses Gefühl des Im-Griff-Habens auch Selbstwirksamkeitserfahrung.
  • Soziale Eingebundenheit: wir wollen für andere Menschen Bedeutung haben und uns so wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen!
  • Autonomie: wir wollen „einfach unser Ding machen“ dürfen, also das Gefühl haben, (weitestgehend) frei von äußeren Zwängen und fremder Kontrolle zu sein.
    Der Schöpfer dieses Astrolabiums mochte seine Arbeit anscheinend sehr…

    Mit diesem Wissen im Hinterkopf wird vielleicht etwas klarer, warum manche Menschen viel mehr arbeiten wollen, als eigentlich objektiv betrachtet gesund sein kann – und andere nicht früh genug mit der Freizeit beginnen können, weil allein die Pflicht zur Anwesenheit am Arbeitsplatz bereits als Zumutung empfunden wird, die durch ein angemessenes Schmerzensgeld nur nahezu gelindert zu werden vermag; die Höhe des Schmerzensgeldes ist dann auch häufiger ein Streitpunkt. Es hat was mit dem Gefühl von Sinnhaftigkeit des eigenen Schaffens zu tun, dass sich eben aus Selbstwirksamkeitserfahrung (ICH kann etwas bewegen!), sozialer Eingebundenheit (WIR sind ein geiles Team!) und Autonomie (ICH kann meinen Arbeitsbereich in einem nicht zu eng definierten Rahmen selbst gestalten!) speist. Und jetzt ratet mal, wer dafür verantwortlich ist, einen solchen Rahmen zu schaffen? GENAU – DIE FÜHRUNGSKRAFT! Und damit sind wir auch schon auf dem schmalen Grat zwischen workaholistischer Selbstausbeutung und loyaler Teamarbeit gelandet. Denn wir alle wissen, dass die Dosis macht, dass ein Ding ein Gift ist! So sehr ich mich auch darüber freue, wenn Mitarbeiter „Engagement“ zeigen, so sehr bin ich auf Grund meiner Fürsorgepflicht gegenüber den mir unterstellten Menschen dazu verdammt, sie bremsen zu müssen, wenn’s gerade am schönsten ist. And I need to remind myself, that 13 is a bad number, as early as workdays tend to get that long…

    Wer ohne Schnitzel ist, werfe nun das erste Schwein. Ich fühle mich bei diesen Zeilen leider ertappt, weil ich es manchmal auch nicht gut sein lassen kann. Weil ich doch noch etwas mehr vorbereiten MUSS, wenn es besser wäre, einfach am nächsten Morgen mit dem zu performen, was ich sowieso parat habe. Denn für die allermeisten Situationen sind meine 70% vollkommen ausreichend. Im Büro genauso, wie im Lehrsaal. Das bedeutet nicht, dass man bestimmte Fachthemen nicht gut vorbereiten muss. Aber es gibt diesen Bereich zwischen der Note 3 (befriedigend: erfüllt die Anforderungen im Allgemeinen, in meiner Welt eine Leistung von 65-79% des theoretisch Möglichen) und der Note 2 (gut: erfüllt die Anforderungen voll, in meiner Welt 80-89% des theoretisch Möglichen), in dem halbwegs geschickte Pädagogen sich mühelos bewegen können. Und manchmal erfordert der Schutz der eigenen psychischen Integrität, diesen Bereich NICHT nach oben verlassen zu wollen. Für mich als Führungskraft gilt das sogar doppelt, weil ich das auch in den mir unterstellten Kollegen*innen genau beobachten und ggfs. moderierend einschreiten muss. Und das fällt mir persönlich unheimlich schwer, weil ich – wenn MICH ein Thema interessiert, fasziniert, irritiert – manchmal einfach selbst nicht lockerlassen kann!

    Und dann gibt es die Phasen, wenn Rosinante müde ist, und auf die Windmühle scheißen möchte, anstatt weiter den Berg hochlaufen zu müssen, weil Don Quijote es einfach nicht sein lassen konnte. Da fällt man dann manchmal in ein Loch, und agiert auf eine Weise, die es für Außenstehende so aussehen lässt, als wenn man einer der weniger motivierten Mitarbeiter wäre, die ich oben auch erwähnt habe (Schmerzensgeld und so…). Obwohl man einfach nur ausgebrannt ist. Und ich rede da nicht von einem echten Burn-Out im Sinne der psycho-pathologischen Diagnose, sondern einfach von nachlassender Motivation, weil die Selbstwirksamkeit schwindet (es will MIR nichts gelingen), die Eingebundenheit sich nicht mehr gut anfühlt (MANCHE ANDERE wollen einfach nicht verstehen, worauf es ankommt) und die Autonomie subjektiv eingeschränkt ist (ICH habe gar keine Freiheiten mehr); ob der letzte Punkt objektiv zutrifft oder „nur“ so wahrgenommen wird, ist dabei unerheblich. Ich war dort, ich weiß, wovon ich spreche. 13 kann also sehr wohl eine Unglückszahl sein. Aber nur wenn sie für Arbeitsstunden am Tag steht. Gegen 13 tage Urlaub habe ich nichts. Obwohl 23 auch nicht schlecht wären 😉 In diesem Sinne einen schönen Samstag. Arbeitet nicht so viel!

    Auch als Podcast…

    Controversial subjects…

    Verdammt, bin ich froh, dass aus meinen Jugendtagen keinerlei nennenswerte Beweise für meine mannigfaltigen Blödheiten existieren. In den 80ern war manches anders als heute. Die Welt war NICHT politically correct. Und obschon ich viele Errungenschaften mit Bezug auf das Vorankommen der Gleichberechtigung sehr zu schätzten weiß, ist mir bewusst, wie viel einfacher damals vieles war. Das hier wird sicher kein „Früher war alles besser!“-Post. Zum einen, weil sowas langweilig ist. Und zum anderen, weil früher NICHT alles besser war. Vielleicht manches, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich z.B. war an Früher besser, dass man eben NICHT überall fotografiert oder gefilmt werden konnte. Denn eines der wenig charmanten Ergebnisse der technischen Revolution „Smartphone“ ist, dass viele, wenig smarte Menschen ihre überdimensionierten Taschenwanzen für jede denkbare Art von antisocial-media-shaming nutzen. Aber das ist nur ein Aspekt von vielen. Fakt ist, dass die ubiquitäre Verfügbarkeit des Online-Seins Menschen zu Sklaven dieser Verfügbarkeit gemacht hat. Und dass „Trends“ heute quasi überall und von jedem gesetzt werden können, der über die notwendige Energie und ein bisschen Glück verfügt. Und so emergieren aus dem Online-Sumpf immer wieder neue Begriffe. Wird ein Begriff aufgenommen und auf Basis seiner Griffigkeit häufig repliziert, wird er schnell zum Bestandteil des Netzsprech. So wie letztes Jahr „Smash“…

    Man sollte das eben beschriebene Social-Media-Phänomen, das vor allem Jugendsprech hyped, vom Online-Bekanntwerden von Fachbegriffen, die es schon länger gibt jedoch deutlich unterscheiden. Der Begriff Femizid z.B., den es schon seit den 90ern gibt, hat gerade eine gewisse Trendigkeit unter Journalisten erlangt. Was prompt dazu führt, dass man sich fragen muss, ob denn tatsächlich alles, was als Femizid (also als Mord an einer Frau auf Grund Ihres Geschlechtes oder besonderer Merkmale ihres Geschlechtes) deklariert wird, auch tatsächlich einer ist. Mir fällt dazu gerade der alte Song „This is a man’s world“ von James Brown ein. Der Text (geschrieben 1966) spricht für ein zeitgenössisch patriarchalisches Weltbild; und doch sagen die Zeilen „But it wouldn’t be nothing, nothing, not one little thing, without a woman or a girl. He’s lost in the wilderness.He’s lost in bitterness, he’s lost lost…“ ziemlich viel über die Wichtigkeit der Frauen in diesem Weltbild aus. Könnte daran liegen, dass der Text von Browns damaliger Freundin Betty Jean Newsome stammt… Nun ist es so, dass man davon ausgeht, dass ein Femizid vor allem dann vorliegt, wenn der Mord an einer Frau aus Besitzrechts-Ansprüchen eines Mannes resultiert. Eifersuchts- und Ehrenmorde fallen in diese Kategorie. Letztlich also die übelsten Auswüchse toxischer Männlichkeit. Ob jedoch alles, was die Journaille in letzter Zeit so tituliert, auch tatsächlich in diese Kategorie fällt, oder ob nicht vielleicht doch falsch verstandene political correctness (wie z.B. eine Künstlerin auszuladen, weil ihre Dreadlocks „kulturelle Aneignung“ seien) eine Rolle spielt, muss jeder selbst entscheiden. Ich stelle für MICH fest, dass ich auf den inflationären Gebrauch von feministischem Soziologen-Sprech in der Öffentlichkeit mittlerweile ein wenig allergisch reagiere.

    Man hat ja mit zunehmendem Alter als Generation-Xler wie ich nicht nur den Vorteil, dass es – wie oben angedeutet – wenig greifbare Beweise für die eigenen Jugendsünden gibt; theoretisch darf man so langsam auch auf ein wenig Altersmilde hoffen. Pustekuchen. Ich stelle fest, dass viele Auswüchse des demokratisierten Sendens auf allen Kanälen (von dem ich übrigens auch gerade Gebrauch mache) für mich nicht viel mehr sind, als Wichtig-Sprech. Ausdruck des Bedürfnisses nach Anerkennung der eigenen Gedanken durch andere. Nur dass viele, derart in die Welt gesetzte Gedanken des Gedachtwerdens oder gar Publiziertwerdens nicht wert sind! Und wenn man sich mit so einer Aussage in die Außenwelt traut, läuft man halt Gefahr, dafür auch Gegenwind bis zum Shitstorm zu kassieren, weil die ganzen weichgespülten Meinungswaschlappen nicht mehr hart angefasst werden könne, ohne hinterher monatelang die Therapeutencouch über ihr „Trauma“ vollzuheulen. Aber was soll ich z.B. mit diesen ganzen Artikeln in irgendwelchen Online-Postillen denn anderes anfangen, als sie als die Scheiße zu titulieren, die sie sind? Pseudo-journalistischer möchtegern-wichtiger Dreck von der Stange. Vielleicht schreibt ChatGPT ja doch schon für Zeit Online, weil die Volontäre mehr Kaffee haben wollten? Wer sich allen Ernstes mit TikTok-Blödsinn wie den sogenannten Vanilla-Girls (auch noch hinter der Paywall…) befasst, den kann ich einfach nicht mehr ernst nehmen. Kommt eurem Auftrag nach und kehrt den Dreck unter den Teppichen der Politik aus, und steckt das andere Zeug in eine eigene Rubrik. ich schlage auch gleich einen Titel vor: „Nutzlose Belanglosigkeiten und Pseudo-moralischer Heuchel-Furor“. Wird bestimmt auch gelesen. Schönes Wochenende.

    Auch als Podcast…

    New Work N°12 – Ist weniger mehr?

    Im Moment geistert eine Studie durch’s Netz, und auch die Seiten einschlägiger Postillen, die gerne und viel zitiert wird, weil das Thema kontrovers ist – die probeweise Einführung einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Die Initiative 4 day week global hat einen Pilotversuch mit etwas über 60 Unternehmen aus verschiedenen Branchen durchgeführt, und die parallel dazu angelegt Studie ist jetzt veröffentlicht worden. Die Diskussionen im Netz drehen sich nun um die typischen Themen: „geht doch nur in Büro-Jobs!“, „ist nichts für den Mittelstand!“, „wer soll das finanzieren?“, „sowas gefährdet den Standort BRD!“, „die sollen mehr, nicht weniger arbeiten!“, etcpp. Steffen Kampeter, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat denn auch gleich geäußert, dass wir in Deutschland MEHR Bock auf Arbeit bräuchten, anstatt weniger, weil ja auch jemand etwas erwirtschaften müsse, um das alles zu bezahlen. Nun ist es aber so, dass es dazu auch andere Ansichten gibt. Einerseits ist klar, dass die fortschreitende Automation Arbeitsplätze für Ungelernte zunehmend obsolet macht, und dass wir insgesamt eher weniger, und das auch noch zu einem, für die Umwelt gerechteren Preis erwirtschaften müssten, wenn wir dem Klimawandel irgendetwas entgegensetzen wollen. Aber die Arbeitgeber möchten gerne weiter Party machen, als wenn’s kein Morgen gäbe. Niemand scheint bereit zu sein, Arbeit von einer anderen Seite her zu denken. Noch immer rennen wir dem Homo Oeconomicus und dem Ideal des ungezügelten, immer weiter wachsenen Konsums für alle hinterher – munter mit dem Kopf durch Wände, bis wir die eine, finale Wand treffen, durch die wir nicht durchkommen – den Klimakollaps, oder den Kollaps der Sozialsysteme dank ungezügelt weiterwachsenden Gini-Koeffizienten. Whichever comes first…

    Industrie-ROMANTIK…?

    Der Gedanke, dass der Wohlstand schrumpfen könnte, scheint offenkundig für Viele erschreckender, als ein Strand auf der Domplatte, weil die Kölner Bucht ihren Namen endlich verdient. Aber was würde das für uns übersättigte Nordhalbkugel-Könige der Welt tatsächlich bedeuten? Kein neues Handy jedes Jahr, kein Urlaubsflug um die halbe Welt, nicht jeden Tag Fleisch auf dem Tisch, etwas weniger Wohnraum pro Person, insgesamt weniger Gimmicks und weniger Mobilität. Ich komme damit jetzt schon zurecht, WAS ZUM TEUFEL STIMMT ALSO NICHT MIT EUCH NARREN? Mobilität ist Freiheit? Ja klar, auf der A1 Mittwochmorgens um 08:00 total, oder? Wacht endlich mal auf. Und jetzt kommt aus dem OFF die entscheidende Frage: was hat denn DAS nun mit der 4-Tage-Woche zu tun? Antwort: einfach alles! Und zwar, weil wir uns erstens überlegen müsses, welche Arbeit WIRKLICH getan werden muss, wir zweitens echte Bullshit-Jobs (alles mit Fiat-Geld und vieles mit Medien) ABSCHAFFEN müssen, und drittens den Wert jedes übrig bleibenden Jobs neu bewerten müssen. Ich habe z.B. kein Problem damit, wenn ein moderner Gladiator, ähm pardon… Fußballer gutes Geld verdient. Aber wirklich niemand auf diesem Planeten braucht Blattgold auf seinem Steak – nicht wahr, Herr Ribéry?

    Yuval Noah Harari beschreibt in seinem Buch „Sapiens. A Brief History of Humankind.“, wie viel Arbeitszeit ein durchschnittlicher Jäger und Sammler pro Woche für seinen Unterhalt zugebracht hat. Spoiler: es waren ca. 15 Stunden! FÜNFZEHN STUNDEN! Zugegeben, der Lebensstandard war sicher nicht vergleichbar mit dem heutigen, und die Lebenserwartung dürfte deutlich niedriger gewesen sein. Aber würde man beide Seiten fragen können, wer insgesamt mit seiner Existenz zufriedener war/ist, bin ich mir nicht sicher, wo wir raus kämen. Ich persönlich hätte mit 15h/Woche jedenfalls nicht das geringste Problem. Mit den momentan üblichen FÜNFZIG jedoch schon! Und dann höre ich diesen Arbeitgeberfuzzi, der sagt, wir bräuchten mehr Bock auf Arbeit. Er verhöhnt damit vor allem jene, die jetzt schon hart genug arbeiten, und trotzdem ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, weil man ihnen eben nur den Mindestlohn zugesteht! Die Prekarisierung der Arbeit, welche in Deutschland auch noch durch die Sozialdemokraten vorangetrieben wurde (Hartz-Gesetze), ist noch nicht genug, weil man Gewinnwarnungen rausgeben muss. Was zum Henker ist das überhaupt für ein Wort GEWINNwarnung? Ich verstehe die Welt nicht mehr; und ich bin damit offenkundig nicht allein (auch wenn das Zitat schon alt ist).

    „How the hell could a person enjoy being awakened at 6:30AM, by an alarm clock, leap out of bed, dress, force-feed, shit, piss, brush and hair, and fight traffic to get to a place where essentially you make a lot of money for somebody else and were asked to be grateful for the opportunity to do so?"
    
    Danke, charles Bukowski!

    Wir brauchen nicht mehr Arbeit – wir brauchen die richtige Arbeit: Bildung, Forschung, Carework, nachhaltiges Produzieren vor Ort, mehr Reparieren und weniger Wegwerfen, Naturschutz und Landschaftspflege, Communitywork und vor allem mehr Zeit für einander. Uns allen ist eine 4-Tage-Woche mehr als ausreichend, wenn wir endlich verstehen, dass mehr Konsum weder zufriedener macht, noch dem Leben mehr Sinn gibt. Und vielleicht bekämen wir es dann auch hin, den Wohlstand gerechter zu verteilen. Aber DAS ist nur ein Traum. Nennt mich Sozialist. Ist mir egal. Ich bin lieber ein stolzer Soze, als ein Pollunder-tragender Möchtegern-Leistungsträger, der mehr Ressourcen verbrennt, als seine nutzlose Arbeit jemals zu erzeugen vermag. Klinge ich gerade böse? Na hoffentlich! Bis die Tage…

    Auch als Podcast…
    Harari, Y., N. (2011): Sapiens. A brief history of humankind. London: Vintage, part of Penguin Random House.

    Sakrileg

    Ich habe neulich von der politischen Dimension des Privaten gesprochen, und mich dabei implizit zu der These verstiegen, dass unser bequemlichkeits-orientiertes Pochen auf Privatsphäre die Demokratie töten würde. Ich denke immer noch so, allerdings habe ich bei der Gelegenheit mit Sicherheit ein paar Dimensionen des Privaten unbesprochen gelassen, die man vielleicht auch nicht unbedingt ans grelle Licht der Öffentlichkeit zerren muss, um dennoch politisch (selbst-)wirksam sein zu können. Eine dieser Dimensionen ist das Sprirituelle. Beim Begriff „spirituell“ denken nicht wenige Menschen entweder sofort an Spiritismus (also den Glauben, dass Geister existieren und sich in unserer Welt irgendwie manifestieren können), oder aber an Esoterik (also „Geheimlehren“, die in aller Regel von abkassierwütigen „Lehrern“ als Heilsversprechen für dies oder das postuliert werden). Mir hat Esoterik ja ein paar Buchstaben zuviel (um genau zu sein ein S und ein E), aber was weiß ich schon… Spiritualität meint jedoch die Suche einer nicht materiellen Wirklichkeit, also nach der Erfahrung von Transzendenz. Dieses Bestreben wohnt übrigens auch allen Religionen inne. Da in unserer modernen Welt jedoch Religion als sinnstiftendes Element des Lebens häufig keinen so hohen Stellenwert mehr genießt, findet die Suche nach spiritueller Befriedigung heute auch an anderen Orten, als etwa Gotteshäusern statt.

    Rock of Cashel, County Tipperary, Irland

    Ich bin einer von diesen Menschen, die mit organisierter oldschool-Religion nicht allzu viel anfangen können. Das liegt vermutlich daran, dass ich beim Umgang damit immer auch eine historische Perspektive mitdenke – und die fällt, speziell für die katholische Kirche, dann im Bereich Humanität doch eher ernüchternd aus. Ist aber nicht so, dass die anderen nicht auch jede Menge Dreck am Stecken hätten. Gäbe es keine geschickten Lobbyisten und im Strafrecht nicht überall auf der Welt Verjährungsfristen, gäbe es vermutlich keine Kirche mehr. Wie dem auch sei, Menschen suchen nach Erfahrungen, die über die schnöde Alltags-Existenz auf diesem halbflüssig-heiß durch’s All taumelnden Gesteinsbrocken namens „Erde“ hinaus weisen. Und das schon immer. Anders wäre nicht zu erklären, dass es viele Jahrtausende alte Kult- und Zeremonien-Gegenstände gibt, die weit von alltäglichem Gebrauchswert entfernt sind. Irgendwas hat unsere kleinen Affenhirne schon immer dazu gebracht, an „etwas Größeres“ glauben zu wollen; einen Sinn in alldem entdecken zu wollen. Auch wenn Existenz so ganz im allgemeinen erstmal keinen speziellen Zweck hat – außer zu existieren. Wir brauchen einfach dieses Gefühl, dass es einen größeren Plan gibt, den wir halt nicht erkennen könne, weil wir „nur“ Menschen sind. Ich denke diese Gedanken übrigens nicht, weil heute Sonntag ist. Das mit dem siebten Tag haben Menschen erfunden, denen klar war, dass alle Menschen besser klarkommen, wenn sie eine Struktur haben, an der man sich orientieren kann. Die 7-Tage-Woche ist ein evolutionäres Erfolgsmodell!

    Ich habe mich einfach nur an das obige Bild erinnert, weil es für mich an eine spirituelle Erfahrungen herankam, dort stehen zu dürfen. Insbesondere, wenn ich reise, sehe ich die Welt um mich herum oft durch den Sucher einer Kamera; selbst dann, wenn die Kamera gar nicht an ist. Dass ist mein Drang, die Umwelt kreativ erfahren und diese Erfahrung gleichsam konservieren zu wollen. „Spirit to go“, wenn man so will. Für mich funktioniert das, weil ich die Welt „as is“ zu nehmen versuche. Wir kriegen keine andere, aber das, was wir daraus machen, ist Vergangenheit, Kultur und Zukunft zugleich! Ein Prozess, ein Kreislauf, der weitergeht, egal ob mit dem Individuum, das ich war, bin und sein werde – oder eben ohne mich. Diese Erkenntnis ist für mich nicht morbide, sondern befreiend. Seine eigene Wichtigkeit im Gesamtbild nicht zu überschätzen, lässt einen DIE Dinge wichtig nehmen, die man tut, insbesondere für Andere. Mir tun jene Menschen mittlerweile leid, die sich die ganze Zeit nur darum kümmern, wie sie von Anderen gesehen werden; denn DAS ist das wahre Sakrileg an der Humanität. Schein statt Sein, Hülle statt Substanz. Denn Bestand haben nur unsere Taten, nicht jedoch unser Sein. Nicht, dass man mich jetzt falsch versteht: ich lebe gerne! Und ich habe noch einiges vor! Aber wichtig sein muss ich nicht; außer für die paar Menschen, die mir wirklich am Herzen liegen. In diesem Sinne – nehmt euch nicht zu wichtig und die Welt nicht so schwer, dann wird es für uns alle leichter. Schönen Start in die neue Woche.

    Auch als Podcast…