Beannachtaí na hÉireann N°4 – living in Paradise?

Wie bereits die Tage erwähnt, hatte die beste Ehefrau von allen sich direkt nach unserer Ankunft an der diesjährigen Urlaubslocation mit der Frage zu befassen begonnen, was man an diesem hübschen Cottage ändern müsste, um es in eine angemessene, permanente Residenz verwandeln zu können. Und natürlich fängt man dann an zu träumen, wie es wohl wäre, Deutschland den Rücken zu kehren. Nicht, wegen der Krisen, denen sich unser Land gegenwärtig gegenüber sieht und der im Zuge dessen dauernd steigenden Kosten; sondern weil man jedes Mal in der Fremde feststellt, dass es da arg schön ist. Arg viel schöner, als zu Hause; und das dieses Delta an SCHÖN einen unwiederstehlichen Lockruf darstellt, es woanders zu versuchen! Und natürlich treten dann auch gleich unvermeidlich die typischen Unzulänglichkeiten der heimischen Existenz in den Fokus: der Job nervt, manche Nachbarn nerven, die Stadtverwaltung nervt, der Verkehr nervt, usw…

Lough Derg

Nun ist dieser Lockruf bei näherer Betrachtung eine Illusion. Denn in Irland müssten wir genauso einem Broterwerb nachgehen, wie in Deutschland. Und man kann sich nicht sicher sein, eine Anstellung zu finden, die a) den eigenen Fähigkeiten und Vorstellungen entspricht und b) auch noch den gleichen Lebensstandard erlaubt, welchen wir jetzt haben. Und man müsste sich immer fragen, wie kurz oder lange es dauert, bis auh dieses NEUE sich in einen Alltagstrott verwandelt hat, den man eigentlich loswerden wollte. Zudem sind die Hürden für eine permanente Einwanderung / Einbürgerung aus gutem Grund recht hoch. Denn auch die Iren betrachten unregulierte Einwanderung in ihre Sozialsysteme mit gewisser Reserviertheit, sind Land und Bevölerung doch deutlich kleiner als bei uns.Zudem wäre ich nicht bereit, unserer Kinder zu entwurzeln. Damit bleibt der Gedanke ein kühne Spielerei, mit der man sich mal die Zeit am Kaminfeuer vertreiben kann. Aber träumen ist ja bekanntlich nicht verboten!

Inis Cealtra „Holy Island“, Lough Derg

Allerdings tritt ein Faktum hinzu, dass ich kaum mehr verleugnen kann: die letzten drei Jahre, in denen ich auf mühe- und schmerzvolle Weise vom Notfallsanitäter zum Schulleiter gewachsen bin, in denen eine Pandemie die Welt – und meine Wahrnehmung derselben – grundlegend verändert hat, in denen auch private Anfechtungen meine mentale Resizlienz angezehrt haben, und vielfältige Belastungen mich immer wieder an meine Grenzen führen, sowie immer noch ungelöste Probleme und Aufgaben lauern, haben mich verändert! Früher dachte ich immer in diesen typischen Kategorien von immer vorwärts und weiter. Ich wollte meiner Familie einen besseren Lebensstandard bieten, mehr Möglichkeiten, mehr Freiheiten. Heute steht all das zur Disposition! Ich frage mich immer häufiger, was ich hier eigentlich wofür tue. Da fällt mir ein Zitat ein:

„How the hell could a person enjoy being awakened at 6:30AM, by an alarm clock, leap out of bed, dress, force-feed, shit, piss, brush and hair, and fight traffic to get to a place where essentially you make a lot of money for somebodey else and were asked to be grateful for the opportunity to do so?

Charles Bukowski

Friedhof und Kapelle werden immer noch genutzt…

Ich denke, es läuft auf Folgendes hinaus: ich brauche ein verdammtes Sabbatical! Um mal all die Gedanken packen und zu Ende denken zu können, die sich meinem inneren Auge immerzu nur als Nebelfetzen präsentieren. Um mal wieder RICHTIG mit mir selbst klarkommen zu können. Um ein paar Dinge zu ordnen, eine Zukunft zu erkennen und mindestens ein Buch fertig zu schreiben, welches seit zwei verf*****n Jahren darauf wartet. Vielleicht wil ich nicht auswandern. Aber so drei, vier Monate könnte ich es hier schon aushalten… Ich wünsche noch ein schönes Wochenende.

Beannachtaí na hÉireann N°2 – it takes time!

Unterwegs. Auf dem Weg. Im Fluss. Zu entdecken bedeutet, sich bewegen zu müssen. Zu entdecken bedeutet, (wenigstens manchmal ) geduldig sein zu müssen. Zu entdecken bedeutet, offen bleiben zu müssen. Das Letztere ist der schwierigste Kunstgriff von allen, sind wir Menschlein doch stets darauf erpicht, aus der subjektiv viel zu wenigen freien Zeit das Meiste heraus zu holen. Ganz so, als wenn Urlaub so etwas wie ein Wettbewerb wäre, wer sich am nun am schnellsten und nachhaltigsten erholt…? Als wenn Erholung etwas wäre, dass man in ein geheimes Lager packen und erst wieder herausholen kann, wenn man etwas davon benutzen möchte? Wer glaubt denn bitte sowas. Man kann sich nicht auf Vorrat erholen. Müßiggang ist ein Prozess, ergo ist auch das Produkt ein Prozess! Wir sehen hier quasi eine Dienstleistung an uns selbst – und Diensleistungen werden zumeist nach dem Uno-actu-Prinzip erbracht!

Garrykennedy Harbor

Ich ertappte mich selbst dieser Tage auf einer unserer Ausfahrten bei dem Gedanken, die Fahrtdauer mit der Aufenthaltsdauer am Ausflugsziel zu vergleichen. Ganz so, als wenn das Eine mehr oder weniger wert wäre, als das Andere. Wann, wenn nicht im Urlaub ist der Weg das Ziel? Und ja, wir haben Teile dieser Strecken mit unserem eigenen Auto bewältigt. Einem vollbesetzten Diesel-Fahrzeug bei ca. 75 Km/h Durchschnittgeschwindigkeit. Die energieverschwendungsinduzierte Schnappatmung darf sich also in Grenzen halten. Wir sind auch im Urlaub nicht gerade die Fossilverschwender par excellence. Zudem könnte man sagen, das Verreisen immer auch eine Reise zu sich selbst ist, weil man in der Fremde ja oft erst versteht, wer man eigentlich (gerade) ist, was man (wirklich) an sich hat und was einem an sich fehlt. Weil das wortwörtliche Verlassen der gewohnten Umgebung (also der individuellen Komfortzone) einen dazu zwingt, kognitive (und andere) Ressourcen zu mobilisieren, die sich sonst im Dämmerzustand befinden. Damit erfüllt das Reisen eine wichtige mentalhygienische Funktion, wenn wir abseits des Müßigganges dazu angeregt werden, uns selbst wiederzufinden.

Hochkreuz, Clonmacnoise

Zeit bleibt also auch im Urlaub unsere kostbarste Ressource und verrinnt gerade jetzt, während ich diese Zeilen schreibe und während so viele in dem verzweifelten Versuch gefangen sind, ihren Alltag so gut wie möglich zu vergessen. Wäre es nicht viel besser, sich im Alltag mehr Fluchten einzubauen und das Leben insgesamt als das zu nehmen, was es ist: ein unüberschaubares Mosaik verflochtener Verbindungen, Tätigkeiten, Erinnerungen, Dinge, etc., die nur im ZUSAMMEN wirklich Sinn emergieren lassen? Dann könnte man auch viel gelassener darauf reagieren, wenn man weit reisen muss, um ein gestecktes Ziel zu erreichen, dort gefühlt viel zu wenig Zeit für alles hat, was vermutlich erlebenswert wäre, um schließlich genausoweit wieder direkt zurück in den Alttagstrott fahren zu müssen! Ich versuche mich gerade daran – und bin mir natürlich nicht sicher, diese weisen Worte auch in Taten umsetzen zu können; schließlich bin ich ein gewöhnlicher Mensch. Aber gedanklich ist es eine tolle Haltung. Vor allem ist man dann damit beschäftigt, mehr solcher kleiner Fluchten zu planen. Da hat man gar nicht so viel Zeit für Alltagstrott und Alltagsstress. Man muss nur ein wenig aufpassen, dass man sich nicht auf andere Art stresst 😉 . Einstweilen wünsche ich eine schöne Restwoche.

St. Flannan’s Cathedral, Killaloe

Beannachtaí na hÉireann N°1 – Safely got there…

Es war, um es mal so auszudrücken, eine durchaus nicht unanstrengende und mit vielen Eindrücken gesegnete Anreise hierher. Ganz anders als beim Weg nach Mittelitalien, den ich schon so viele Male gefahren bin, dass ich ihn abseits der typischen Verkehrsprobleme routiniert abspulen kann, ohne ein Navi zu brauchen, musste ich mich diesmal auf ein Solches verlassen. Und es hat geklappt! Frankreich zu durchqueren verlief so problemlos, dass ich tatsächlich irritiert war. Selbst der unvermeidliche Weg durch Paris – Freitags Morgens um 09:00! – weil ja die Ost-West-Verbindung nach Cherbourg von uns aus nicht wirklich dran vorbei führt, war vergleichsweise geschmeidig. Vive l’amitié franco-allemande. Und wir haben Cherbourg mehr als pünktlich erreicht.

Hafenbefestigung Charbourg, von der Fähre aus.

Die Fahrt auf einem Schiff ist für den ungeübten Seereisenden manchmal mit Problemen des Gleichgewichtsorganes verbunden. Wir sind (fast) davon verschont geblieben. Ein Abenteuer war es, vor allem für die Kinder dennoch. Und wenn man, dem unfassbar starken Wind zum Trotze, lange genug auf dem Oberdeck auszuharren vermag, wird man mit einem damatischen Sonnenuntergang belohnt, wie man ihn an Land kaum je zu sehen bekommt. So eine Autofähre ist schon ein seltsames Ding. Zieht man aber meine Ungeduld ab, verlief alles glatt: vorne rein, hinter raus, so wie man es auch sonst gewohnt ist. Fun-Fact: es gibt anscheinend einen Menschen anderer Nationalität, der mir zumindest biometrisch ähnlich ist und in Frankreich gesucht wird. Die Police Nationale schaute dann auch ein wenig konsterniert. Ausreisen durfte ich trotzdem. In Irland werde ich anscheinend nicht gesucht, dort dauerte die Passkontrolle beim Check-In ca. 30 Sekunden.

Dramatisches Licht!

Irland hat sich seit dem letzten Besuch 2001 verändert. Das wird vor allem augenscheinlich am Zustand des Fernstraßennetzes. Wo früher eine normale Bundestraße von Dublin nach Limerick führte, windet sich heute eine Autobahn durch’s Land, die nur an wenigen Stellen mautpflichtig ist. Aber sobald man Tipparary erreicht, macht selbst diese landschaftlich Spaß. Und da sind wir nun. In einem hübschen kleinen Cottage in Sicht-/Laufweite des Lough Derg. Mitten im Grünen, an einem eher typisch irischen asphaltierten Feldweg 2. Ordnung, der sich gemütlich durch die Hügel schlängelt. Heute ist es sonnig bei ca. 20°C und nichts stört meine Kreise. Meine beste Ehefrau von allen hat sich denn auch schon gedanklich damit beschäftigt, wie sich unser Feriendomizil zur permanenten Wohnstatt modifizieren ließe – ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie auch zufrieden ist. Die Kinder haben eigene Zimmer und waren gestern recht rasch außer Sichtweite. Man kann hier direkt rings ums Haus spazieren gehen, bis runter an den See und bis zu einer reizenden kleinen Ortschaft, deren Pub sich, wie man so hört, guter Küche rühmt. Selbst gekocht habe ich trotzdem schon.

fine accomodations…

Ich bin dankbar dafür, mittlerweile rasend schnell umschalten zu können vom Arbeitstier zum Müßiggänger. Das hat noch nicht einmal etwas mit diesem zeit(un)geistigen Mode-Dingens „Entschleunigung“ zu tun. Mein Kopf läuft immer mehr oder weniger gleich schnell. Es geht auch nicht um „Digital Detox“ (wie man sehen kann, bin ich ja online…), oder um das, was irgendwelche Coachfluenzeranzien für teuer Geld als Achtsamkeit verkaufen wollen, sondern um das bewusste Lenken der eigenen Aufmerksamkeit auf das, was wirklich wichtig ist. Und da gibt’s eigentlich nur ein paar wenige Dinge: Familie, Freunde, Gesundheit und ein wenig existentielle Sicherheit. Schafft man es, sich von dem ganzen Müll, der Tagein, Tagaus über zig Kanäle aus uns einstürmt mal ein wenig loszumachen und wieder ein gutes Gleichgewicht zwischen ICH, WIR und WELT herzustellen, fallen einem auch die einfachen schönen Dinge wieder ins Auge…

Das ist es, woran uns Urlaub gemahnen soll: Ausgleich! Und auch, wenn ich mir eine Aufgabe mithergebracht habe, höre ich den Sirenengesang der Entspannung, seit der Diesel vor mittlerweile über 48h gestartet ist. Wir hören uns die Tage. Stay safe and stay tuned.

My true story…?

Ich lag auf dem Rücken. Nein, dies ist nicht der Beginn SO einer Geschichte. Dennoch lag ich heute Morgen unter einem Baum am Badesee, und blinzelte durch die Blätter. Ich lese im Moment, teils zweckgebunden, teils aus persönlichem Interesse ein Buch, welches sich aus der Sicht eines Ethnologen mit Hannah Arendts „The Human Condition“ auseinandersetzt. Es geht in diesem Buch im Kern um die Frage, auf welche Weisen und auf welchen Ebenen die mannigfaltigen individuellen Geschichten der Menschen miteinander interagieren und was das für die Begriffe „privat“ und „öffentlich“ bedeutet. Der Autor spricht über Storytelling als eine Grundform des menschlichen Ausdruckes und der jeweiligen Identität. Selbstverständlich muss sich jemand mit meiner Verbindung aus Hobby (Pen’n’Paper-Rollenspiel) und professionellem Background (Erwachsenen-Pädagogik und Organisations-Entwicklung) quasi auf so ein Topos stürzen. Sowas bleibt bei mir allerdings selten lange ohne Folgen für meine Denke und was diese so ausspuckt, wenn der Tag lang ist…

Meine Gedanken wanderten zu dem Moment, da ich mit meinem Bruder brach. Ich ertrug sein selbstgefälliges, stets an den materiellen Dingen ausgerichtetes Geschwafel im Nachgang des Todes unserer Mutter nicht mehr, und habe ihn damals, ohne weiter darüber nachzudenken – per Whatsapp – aus meinem Leben befördert. Seit 22 Monaten ist Funkstille. Und ich bereue das nicht. Was ich allerdings bereue ist, nicht früher nach den Untiefen der Geschichte meiner Familie geforscht zu haben. So vieles blieb – meinen ausdrücklichen Fragen an meine Mutter und meine Geschwister zum Trotze – unausgesprochen. Und so vieles ist für mich bis heute nur schwer einzuordnen. Was ich allerdings bis heute UNMÖGLICH finde, ist die Art, in der meine älteren Geschwister so taten / tun, als wenn ich ein Kind wäre, das nichts versteht. Unabhängig davon, ein 48jähriger Familienvater und leitender Angestellter im Gesundheitswesen zu sein, bin ich vermutlich, Kraft meiner Erfahrung, meiner Ausbildung und meiner durch die eigene Depressionserkrankung geschärften Sinne der EINZIGE, der manches verstehen könnte. Klingt das arrogant? Ich denke nicht. Denn meine Geschwister haben das was war, zumindest soweit ich weiß, nie aufgearbeitet.

Jedenfalls gingen meine Gedanken heute Morgen, ziemlich unvermittelt, zu diesen Orten auf der Landkarte meines eigenen Narrativs zurück, die ich selbst mittlerweile dem Vergessen anheim gegeben habe; überwuchert von dem, was JETZT ist. Und ich verstehe nun, nach ein paar Dutzend Seiten in diesem Buch, welches ich gerade lese auch, warum! Denn nach einer kurzen Beschäftigung mit diesen bitteren Erinnerungen kam ich zu folgendem Schluss: DRAUF GESCHISSEN! ICH BIN NICHT MEHR TEIL DIESER GESCHICHTE! Ich will es nicht sein, weil ich weiß, dass es mir nicht gut täte. Und ich erwarte auch nicht mehr, dass noch irgendjemand kommt, und mir irgendwas zu erklären versucht. Der Zug ist endgültig abgefahren. Ich will einfach nur weiter meinen Frieden damit halten. Ob ich irgendwann auch meinen Frieden mit meinem Bruder mache? Wer weiß? Vielleicht bei einer Beerdigung; denn das waren die jeweils letzten Anlässe, zu denen ich ihn zu sehen bekam. Falls diese Worte irgendjemandem bitter vorkommen sollten – das sind sie nicht! Ich habe nur keine Lust mehr, um den heißen Brei herumzureden. Bei manchen meiner Kollegn*innen bin ich mittlerweile als No-Bullshit-Guy bekannt, weil ich es lieber direkt mag. Und da dies MEIN Leben ist, setze ich dieses Bedürfnis auch um.

S0, das wäre raus. Das Wochenende ist fast rum, Zeit sich mit den letzten Arbeitstagen und den letzten Urlaubsvorbereitungen zu befassen. Schönen Abend.

  • Jackson, Michael (2013): The Politics of Storytelling. Variations on a Theme by Hannah Arendt. Second Edition. Kopenhagen: Museum Tusculanum Press.
Auch als Podcast…

Summer won’t last too long…

Gibt es ihn wirklich – den perfekten Moment? Ich meine, ich habe – eines der wenigen Privilegien des Alterns – schon einige Momente erleben dürfen, die aus individueller Perspektive besondere Qualitäten hatten. Ob die perfekt waren? Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht. Und JA, ich war dabei! Aber NEIN, ich möchte diese Beurteilung nicht treffen müssen. Denn wenn ich DEN perfekten Moment jetzt definiere, beraube ich mich des Wertes vergangener Erinnerungen. Und verbaue mir evtl. gleichzeitig ein neues positives Erleben. Wenn ich Erwartungen formuliere, Maßstäbe definiere für etwas, dass im Grunde keinen intersubjektiven Maßstab haben kann, wenn doch perfekt für jede*n Andere*n etwas Anderes bedeutet, kann ich nur verlieren. Wie bombastisch muss der Sonnenaufgang denn sein, wie kitschig die Farben, welche der Sonnenuntergang auf den Himmel zaubert? Wie gut muss die Blumenwiese duften und wie himmlisch das Picknick schmecken? Wie sehr muss die Sonne scheinen, und wann ist Gewitter angemessen, um uns daran zu gemahnen, dass wir nur „Dust in the Wind“ sind…? Ich würde meinen, dass ich jetzt eine Menge unterschiedlicher Antworten insammeln könnte.

Besondere Momente lauern dann, wenn man sie nicht herbei sehnt…

Während ich diese Zeilen schreibe, kriecht die Abendsonne langsam um die Häuser und hält den Ofen am Laufen. Mannheim, dieser bewohnte Schamottstein, den ich meine Heimat nenne, macht einem im Sommer einerseits das Leben leicht, lädt die alte Dame doch freundlich ein, draußen zu sein – weil drinnen sein ohne Klimaanlage allzuoft eh keinen rechten Spaß mehr macht. Und gleichzeitig wird das Leben in ihr schwer, weil der Sommer ja doch stets nur ein „in-between“der Ars Vivendi bleibt; ein Interludium der Leichtigkeit. So sehr wir diese scheinbar endlosen Sommerabende herbei sehnen, so schnell und schmerzhaft ist das Vergnügen (subjektiv) jedes Mal wieder vorbei! Dieses Jahr umso mehr, als das Ende des aktuellen Sommers wohl dann doch die, vielfach medial beschworene Verzichtsralley einläuten wird, vor der so viele Menschen eine Scheißangst haben! Now, don’t get me wrong, ich verstehe das, obwohl meine Mischpoke und ich in der durchaus privilegierten Position sind, dem eher gelassen entgegen schauen zu können. Wir sind nicht reich, aber wir werden klarkommen. Ob es dann tatsächlich zu so schlimmen Verwerfungen kommen wird, wie manche Postille das dieser Tage gerne schwarz an den Horizont malt? Keine Ahnung. Wenn ich mir allerdings die Qualität der Prognosen unserer Ökonomen in den letzten Jahren so ansehe, beginne ich doch ein wenig am wissenschaftlichen Charakter der Fächer BWL und VWL zu zweifeln… Nostradamische Spiekenkökerei steht offenkundig gerade hoch im Kurs.

Ich muss gestehen, dass ich von den entsetzlichen Zukunftsvisionen übersättigt bin. Die geneigten Leser*innen wissen, wovon ich spreche. Ich glaube an die Menschen und ihre unerschöpfliche Anpassungsfähigkeit, Duldsamkeit und Hoffnungsfreude. Und ich glaube, dass wir (fast) alles schaffen können – Aliens könnten evtl. ein Problem werden, zumindest, wenn sie irgendwas von Roland Emmerich gesehen haben und sich dachten „Och ja, ganz nett eigentlich, so’n globaler Vernichtungszug. Diese Menschen scheinen ja auch total drauf zu stehen…“. Wir werden in ein paar Tagen in die wohlverdiente Sommerfrische fahren und ich freue mich darauf, andere Dinge zu sehen und erleben zu dürfen. Ich freue mich auf eine Auszeit, auch wenn ich die Befürchtung habe, dass ich einen oder zwei Nachmittage für’s Studium werde verwenden müssen. Und ich freue mich darauf, wieder etwas mehr Zeit mit halbwegs zweckfreiem Lesen, Denken und Schreiben verbringen zu können. Und KNIPSEN! Andere, schöne Orte und Dinge anschauen. Habe ich übrigens Knipsen erwähnt…? Müßiggang ist keine Frechheit, sondern eine Tugend. Und auch, wenn die Reise diesmal länger und vielleicht auch strapaziöser sein könnte, verlasse ich mich doch darauf, dass eine Reise immer auch gute Geschichten erzeugt. Ich versuche einfach, nicht zu viel zu erwarten, lasse den Diesel schnurren (ich weiß, ich weiß…, immerhin isses kein Flugzeug), und nehme es, wie’s kommt. Nämlich vermutlich anders, als erwartet. Und ich werde euch berichten, so viel ist sicher. Einstweilen erst Mal ein schönes Restwochenende.

Auch als Podcast…

Systemischer Blick vs. Blick für’s Detail!

Es fällt mir schwer zu verleugnen, dass ich ein Kind meiner Zeit bin. Ich bin zwar mittlerweile darin geübt, mich mit neuer Technologie zu arrangieren und dass, was ich davon brauche auch für meine Arbeit zu adaptieren. Und dennoch stehe ich manchmal mit den staunenden Augend eines Kindes vor irgendwelchen Gadgets und denke mir „unfassbar – DAS geht…?“ Nun besteht Wandel, gleich welcher Art ja eigentlich nicht aus den Gadgets… oder doch? Wenn man Marshall McLuhan folgen möchte, dann sind alle Geräte und Techniken, die der Mensch je ersonnen, hat nichts anderes als Erweiterungen unserer Physis. Maschinen für’s Heben und Tragen erweitern unsere Körperkraft, eine Brille verbessert meine Sehkraft, die Schrift verbessert unsere Kommunikation… STOP! Tut sie das wirklich? Auch McLuhan kämpfte mit der Frage und denkt dann Folgendes: Jedes Mal, wenn wir eine Technik adaptieren, welche einen speziellen Sinn „verbessert“ gerät der eigentliche Sinn (Sehen, Hören, Fühlen, etc) aus dem Blick und die Technik, die wir gerade nutzen, wird unbewusst, wird zu einer qua-natürlichen Verlängerung unserer Selbst. Das Originelle an dieser Denkart ist, dass sich recht einfach dadurch erklären lässt, warum der ubiquitäre Gebrauch von Smartphones und mobilem Internet (insbesondere antisocial media) unsere Aufmerksamkeitsspanne killt – wir sind uns der Tatsache des Gebrauches nicht mehr bewusst, wir reflektieren nicht mehr, was wir da wie benutzen und strukturieren in der Folge auch unseren ganzen restlichen kommunikativen Duktus nach dem Muster der Smartphone-Nutzung: schnell, kleinschrittig, unmittelbares Feedback, geringe reflexive Tiefe, visuell orientiert und immer verfügbar!

Was ist interessanter – Fluss oder Rebe?

Das erzeugt Ungeduld (und in der Folge häuslichen Unfrieden), denn viele Details werden so in immer schnellerer Folge wahrgenommen, ohne tatsächlich reflektiert werden zu müssen. Es besteht kein Bedarf der Selbstadaption an neue Erfahrungen, neue Menschen – nur an das Gerät, denn die Welt ist in dem Gerät, womit das Gerät zur Welt wird. Mediatisierung des frühen 21. Jahrhunderts generiert vor allem eines: mehr Appetit auf Medien und in der Folge mehr Konsum. Warum brauchen nicht wenige von uns Menschen wohl jedes Jahr das geile, neue Phone von xxxxx oder yyyyyyy…? Der Clou an der Sache ist, dass McLuhan diese Gedanken 1962 niedergeschrieben hat – 33 Jahre, bevor man das erste Mal kommerziell ins Internet konnte, oder es ein Smartphone gab. Das erste Smartphone war übrigens der „Simon Personal Communicator von IBM“ (ein 510g schwerer Trümmer von 1994). Das erste Smartphone, wie wir es heute kennen, war natürlich das First Gen IPhone von 2007, volle 45 Jahre nach McLuhan. Warum also denke ich, dass die Erklärung relevant ist? Weil sich bei genauerer Betrachtung wenig Unterschiede zwischen dem Sprung von der wörtlichen Erzählung zu bewegten Lettern, und dem von den bewegten Lettern zu den bewegten Bildern und Informationen ergeben. Der cultural Impact war in beiden Fällen phänomenal!

In der Folge verlieren Menschen heute häufiger den systemischen Blick, die Fähigkeit, große Zusammenhänge zusammenzupuzzeln und sich auch mal über den Tellerrand zu erheben, weil sie sich immerzu mit Details, mit Snipets of Info and Entertainment to go abspeisen lassen; weil sie vorgedacht bekommen, ganz so wie Vogelküken vorgekaut bekommen… und in der Folge den Dingen nicht mehr folgen können. Ganz sicher wollen manche (vielleicht auch viele?) das auch nicht, weil die Komplexität und Bedrohlichkeit unserer Welt in Folge der langen Dominoreihe von Krisen seit den frühen 2000ern endlich auch im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen ist. Und das hat vielleicht gedauert. So wie McLuhan 1962 einen Blick in die Zukunft der Kulturtechnik getan hat, so hat der Club of Rome 1972 seinen mittlerweile berühmten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht. NEUNZEHNHUNDERTZWEIUNDSIEBZIG IHR NARREN! Und was ist seitdem passiert? Wir haben Klimaerwärmung, politische Unruhe, soziale Ungleichheit, mangelnde Bildung – aber immerhin Smartphones! Großartig, oder?

Ist doch noch ganz schön hier, woll…?

Ich fange immer mehr an, mich zu fragen, wie viel ICH noch tun kann, denn die ANDEREN, tja, die glotzen auf ihre Smartphones. Eigentlich habe ich heute gute Laune, denn meiner Gesundheit geht’s gut und meine Gedanken fließen; auch wenn es viel zu heiß ist. Aber das hier musste ich mal loswerden. Und jetzt tue ich etwas, irgendwas, was mich aufheitert. Lesen vielleicht. Muss man mal wieder probieren. Am besten mit einem echten Buch. Wie wär’s mit dem hier unten? Einstweilen, schönen Tag!

  • McLuhan, Marshall (2011, im Original 1962): Die Gutenberg-Galaxis. Die Entstehung des typographischen Menschen. Mit einem Vorwort von Richard Cavell. Hamburg: Gingko Press Verlag. ISBN13: 978-3-943330-00-7
Papier auf Holz, Zimmermann, A., 2022… 😉
Auch als Podcast…

Immer wieder Dienstags…

Um es kurz zu machen – ich hatte mich sozusagen in einen Retreat zurückgezogen, weil ich noch dringend was für’s Studium fertigstellen muss/will. Das Leben als berufsbegleiteter Master-Student ist manchmal irgendwie nicht ganz so gescheidig, wie man sich das romantischerweise vorstellt… Am zweiten Abend jedenfalls hatte ich ein unpleasant encounter mit meiner Gesundheit. Long Story Short: das Krankenhaus in Wittlich hat zumindest auf mich als Patient einen sehr guten Eindruck gemacht; und Hausarztpraxen im Moseltal halten manchmal (viel mehr) bereit, als man von außen erwarten würde. So viel zu meinen Stereotypen. Es geht mir wieder gut und mit meiner Arbeit flott voran, so dass es dazu eigentlich gar nicht so viel zu sagen gibt.

Es ist ansonsten ganz nett hier…

Zu warten und selbst der Patient zu sein, lehrt einen Demut vor dem eigenen Job, und natürlich auch dem der anderen Mitarbeitenden im Gesundheitswesen. Und Demut ist offenkundig ein Gut, an welchem wir derzeit einen eklatanten Mangel leiden. Zumindest könnte man zu diesem Schluss kommen, wenn man mal wieder den Mut aufbringt, durch die Kommentarspalten unter Themen wie „Neue Corona-Maßnahmen“, „Wird Donald Trump noch mal kandidieren?“, oder ähnliches zu scrollen. Seien wir doch mal ehrlich – die Neuen Coronamaßnahmen sind die Alten, denn es sind ja immer noch die selben Politiker und es ist immer noch das selbe Virus. Was Trump angeht: Zombies halten sich oft relativ lange. Bei dem hier fragt man sich nur, wann und wo er seine Gehirne frisst; beim Golfen? Aber die versammelte Idioteska der Egomanen, Dogmatiker und Kognitionsallergiker ist manchmal schon ein sehr dicker Brocken zum Runterschlucken. Meiner Gesundheit zur Liebe versuche ich, weniger davon zu konsumieren. Also bleibt dann erstmal, weil die Anderen ja diesbezüglich offenbar postfrontal eher spärlich ausgestattet sind nur, die EIGENE Demut zu pflegen. Das geht relativ gut, indem man sich dessen erinnert, wofür man dankbar ist…

  • Meine beste Ehefrau von allen (ja auch die Kinder…) Meine Frau ist, was sie ist: bekloppt genug, es mit mir – okay, im Moment gerade mal ohne mich – und meinen mannigfaltigen Schrullen und Fehlern auszuhalten. Das ist schon was! Und meine Kinder…? Sie lieben bedingungslos, auch wenn ich manchmal nicht die Qualität von Vatersein erreiche, die ich irgendwann naiverweise mal angestrebt hatte. Passt schon.
  • Meine Freunde Und damit meine ich FREUNDE, nicht irgendwelche Bekannten, nicht die notwendigen Beziehungen im Arbeitsleben (auch, wenn zugegebenermaßen da der/die eine oder andere irgendwann zum Freund/in werden könnte), und auch sonst keine „Weak Ties“. Ich meine Menschen, die mich seit Jahrzehnten begleiten, und mit denen es selbst nach einen paar Monaten Pause immer wieder geil ist. Jene, die man anrufen kann, wenn man Sorgen und Probleme hat… und die meinen nackten, betrunkenen Körper in London am Kings Cross Bahnhof abholen würden, auch wenn NIEMAND einen Schimmer hätte, wie ich dahin gekommen bin…
  • Meine Freiheiten Muss man nix drüber sagen – außer vielleicht, dass ich manchmal eben ausbrechen muss, und dann keine allzu großen Hindernisse in den Weg gestellt bekomme.
  • Meine Kreativität Yeah Baby, die zieht mich öfter aus tiefen Tälern, als die allermeisten das mitbekommen. Aber nur fast so oft, wie meine beste Ehefrau von allen und meine Freunde. Allerdings kostet mich das manchmal auch was – und nicht unbedingt immer nur Geld.

Nun ist Mittwoch Abend, und nach einem mehrkilometrigen Spaziergang fühlt es sich hier wieder so an, wie ursprünglich geplant. Weiß nicht, was die nächsten Tage parat halten, denn offenkundig werden Pläne vom Zufall / Schicksal ja manchmal abgeändert. Also haltet die Ohren steif, lasst euch nicht von der Hitzewelle zu Tode brutzeln. Wenn meine Pläne klappen geht’s am Freitag weiter zur letzten Präsenz in Kaiserslautern an der Uni und dann am Sonntag zurück nach Hause zum Barbecue mit Freunden. Wir hören uns.

Auch als Podcast…