Rollenspiel für Dummies #14 – Ratschläge für Spielleiter?

Ich geb’s ja offen zu – so lange ich auch schon selbst als Spielleiter für Pen&Paper-Rollenspiel unterwegs bin, es gibt immer noch Dinge, die mir nicht so leicht von der Hand gehen. Zumindest gefühlt, hadere ich mit der Hälfte dessen, was in meinen Sitzungen passiert. Nicht etwa, weil es keinen Spaß macht, sondern weil ich immerzu denke, dies oder jenes hätte aber besser laufen müssen, besser ausbalanciert sein sollen, tiefere Immersion erzeugen können, etc. Keine Ahnung, ob’s anderen SL genauso geht, aber ich bin in der Ex-Post-Betrachtung oft unzufrieden mit meinen Ergebnissen.

Was macht man in so einem Moment? Genau! Man befragt die allwissende Müllhalde, ähm sorry, natürlich Tante Internet, was andere SL dazu so zu sagen haben. Und weil mich die mittlerweile ans sozialwissenschaftliche grenzende Herangehensweise der deutschen Rollenspiel-Blogosphäre total nervt, schaue ich mir lieber an, was über dem Teich so geschrieben wird. Muss man ja heutzutage nicht mehr für verreisen…

Was ich da so lese, wenn ich z.B. den Begriff „game master advice“ eingebe, ist oft sehr pragmatisch. Und offenbart, dass ich nicht der einzige SL bin, der sich selbst für einen total untalentierten Volldepp hält. Das dämpft meine Kasteiungs-Exzesse dann wieder für eine Weile. Denn seien wir mal ehrlich: Erfahrung, gesunder Menschenverstand, Improvisationstalent und Kreativität sind durch nichts zu ersetzen. Auch nicht durch einen Master in Sozialpsychologie, oder einen VHS-Kurs in kreativem Schreiben. Oder was auch immer manche zu brauchen meinen…

Ich spielleite im Moment eine schräge Mischung aus Cyberpunk und Space-Opera in einem Universum voller mutierter Menschen, flankiert von einem Regelwerk, dass ich seit ca. 20 Jahren beständig weiter entwickele. Core-Story und Meta-Plot [Eine Beschreibung zu den Begriffen findet sich in einem Kurzglossar am Ende des Posts] finden dabei eine Zweitverwertung in einem Roman, den ich quasi nebenbei schreibe und der die Motive aus meiner Kampagne auf andere Art interpretiert. Folglich habe ich mich in den letzten Wochen und Monaten intensiv mit meiner Geschichte beschäftigt – und natürlich auch den unterschiedlichen Arten, auf die ich diese nun transportieren muss.

In einem Roman erzähle ICH die Geschichte und meine Aufgabe als Erzähler ist es, sie so plastisch und fühlbar wie möglich zu machen, damit der Leser in diese Erfahrung eintauchen kann. Niemals wird er dabei das Gleiche denken oder empfinden wie ich, aber das ist auch gar nicht das Ziel. Ich will die Fantasie des Lesers anstoßen, damit er MEINE Geschichte nimmt und in seinem Kopf daraus SEINE Geschichte macht; z. B. in dem er eine Vorstellung von den Protagonisten entwickelt. Die zumeist kaum etwas mit meiner Vorstellung von den Protagonisten zu tun haben wird. Und das ist OK. Denn erst, wenn der Leser EINE Geschichte als SEINE Geschichte fühlt, wird sie für ihn relevant.

Im Rollenspiel gehen wir noch einen Schritt weiter. Dadurch, dass die Spieler nicht nur Vorstellungen von ihren eigenen Figuren haben, sondern auch von der Welt und den Nichtspielercharakteren, die diese bevölkern, werden sie auch auf ganz und gar unvorhersehbare Weise mit den Problemen umgehen, die ich ihnen zu lösen gebe. Sie machen MEINE Geschichte, die ich mir als SL ausgedacht habe zu IHRER Geschichte, indem sie diese durch ihre Aktionen umschreiben.

Was am Ende herauskommt, muss von Anfang an offen bleiben. Denn wenn ich, wie beim Roman zunächst versuche MEINE Geschichte zu erzählen, beschränke ich dabei die Möglichkeiten der Spieler und damit vermutlich auch ihr emotionales Investment in das Spiel. Damit das aber gelingen kann, gilt es, eine Menge an Vorbedingungen zu erfüllen. Manche davon sind simpel, einige aber auch hoch komplex. Und man steht damit am Anfang ziemlich allein da…

Womit wir bei des Pudels Kern angekommen wären. Es gibt und gab schon viele andere, die das getan haben, oder immer noch tun, aber ich werde trotzdem anfangen, hier Spielleiter-Tipps zu veröffentlichen. Einfach weil ich denke, das Erfahrung durch nichts zu ersetzen ist, außer durch mehr Erfahrung. Daher willkommen zur neuen Reihe:

Der verwirrte Spielleiter

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und eine schöne Woche. Always game on!

Auch zum Hören…

Kurzglossar:

[Setting]: In diesem Kontext die Gesamtheit von Weltbeschreibung, Metaplot und Corestory, also die Gesamtheit dessen, was die Spielumgebung definiert und dem Spiel damit ein Thema und einen Fokus gibt.

[Weltbeschreibung]: Eine zusammenfassende Beschreibung der geographischen, politischen, sozialen, wirtschaftlichen und demographischen Gegebenheiten der gesamten Spielumgebung, inklusive der Teile, welche die Spieler vielleicht noch nicht kennengelernt haben.


[Metaplot]: Allem anderen übergeordneter Handlungsbogen, welcher die Historie, sowie kontemporäre politische, wirtschaftliche und soziale Ereignisse der, in der Corestory benannten Spielumgebung beschreibt. Kann (oder soll) durch die Handlungen der Charaktere aber auch ihrer Antagonisten u. U. beeinflusst werden können.


[Corestory]: Handlungsgerüst der Geschichte, in welcher die Charaktere gegenwärtig agieren, somit gleichzeitig der Fokus auf den augenblicklich bespielten (bespielbaren?) Teil der gesamten Spielumgebung.

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