Panikoalition – eine neue Polemik…

Unsere Gesellschaft sollte man als das verstehen, was sie tatsächlich ist, nicht als das, was wir uns gerne darunter vorstellen; sie ist kein Ort, an dem jeder die gleichen Rechte hat und genau so wenig findet hier jeder die gleichen Chancen vor. Soziale Erwägungen werden nicht aus sozialen Gründen getroffen, sondern aus pekuniären, so wie sich heutzutage fast jeder Aspekt unseres Lebens einer wirtschaftlichen Bewertung unterziehen lassen muss. Allem und Jedem wird ein inhärentes Kosten-Nutzen-Verhältnis unterstellt, egal ob es objektive Kennzahlen gibt, oder man diese erst erfinden muss. Wenn man Interessen hat, sollte man möglichst einer Gruppe angehören, die sich über die richtigen informellen Kanäle Gehör verschaffen kann, dann wird das schon. Und bei weitem nicht jeder hat Verständnis und Toleranz für Andersdenkende, Anderssprechende, Andersbetende oder überhaupt Andere. Oder kurz und knapp, der hingeworfene Quilt, den man meiner bescheidenen Meinung nach ganz gut als Sinnbild für unser Gemeinwesen nutzen kann, sieht nicht nur chaotisch aus, er ist überdies noch nicht mal besonders gut genäht. Perfekt geht anders!

Aus dieser Gemengelage, die sich zuvorderst durch Engstirnigkeit im Umgang mit den jeweils Anderen – egal ob die andere Partei, die andere Kirche, der andere Club, das andere Dorf – auszeichnet und in der man als würzende Beilagen Propaganda, Des- bzw. Uninformiertheit, zweifelhafte gedankliche Konzepte von diesem oder jenem, zumeist aber insbesondere von Politik, sowie eine gesunde Portion ungesunder Überzeugungen finden kann, entsteht schlussendlich ein Bild, das vage an eine Deutschlandkarte vor dem Reichsdeputationshauptschluss erinnert. Für all jene die von Geschichte keine Ahnung haben: selber googeln! Jedenfalls kann man sagen, dass von EINEM deutschen Staat und EINER deutschen Geschichte bis zur Ausrufung des wilhelminischen Kaiserreiches kaum eine Spur zu finden wäre. Vielmehr war es ein Flickenteppich – eben ein Quilt. Und mental ist es auch heute noch ein Flickenteppich. Wenn man sich dieses Umstandes gewärtig ist, kann man aber den ganzen nationalistischen Quatsch sein lassen und alle Menschen einfach als das betrachten, was sie sind: Menschen. Sie essen wie ich, sie kacken wie ich und vermutlich sieht das Kopulieren auch ähnlich aus.

Diesen Gedankengang im Geiste nähern wir uns nun der aktuellen politischen Lage und stellen fest, das die Schwarzen und die Roten um die Machtverteilung und Inhaltssetzung in einem Gebilde ringen, welches demnächst vermutlich als dritte Große Koalition in die Annalen der bunten Republik eingehen wird. Und vor der haben viele meiner Mit-Sozen brutal Angst, weil sie befürchten, das die SPD ein zweites Mal nach 2005 Merkelisiert wird und dann alle Chancen auf ein triumphalen Sieg in 2017 endgültig perdu sind. Sind sie sowieso, denn wenn man auf Personen und Bilder setzt, um Inhalte nachschieben zu können, muss man Personen und Bilder bemühen, die auch ziehen. Davon ab haben sich die Mehrheiten in unserem Land schon lange verschoben – immer weiter nach rechts.

Achtung jetzt wird es mal kurz Stammtischig, aber ich muss heute mal wieder polemisieren, darum ein paar Zitate: „Man wird ja wohl noch sagen dürfen…“; „Ich bin echt nicht Ausländerfeindlich, aber…!“; „Das Boot ist voll!“; „Was wollen DIE alle hier?“; „DIE nehmen uns unsere Arbeit weg!“. Eine kurze Replik: Man kann alles sagen, wenn man sich hinterher für den Mist entschuldigt. Wir alle haben gelegentlich xenophobe Tendenzen, das ist menschlich, ABER man sollte sie nicht ausleben, sondern überdenken, wenn sie aufkommen. Ja, die Boote auf dem Mittelmeer sind voll. ZU voll, daher sollte man sich einen besseren Weg ausdenken, wie diese Menschen sicher übersiedeln können. Oder endlich von den wirkungslosen paternalistischen Formen der Entwicklungshilfe zu echter Förderung der jeweiligen Stärken der Herkunftsländer so vieler Flüchtlinge kommen. Dazu gehört zum Beispiel auch, autokratischen Regimes den Hahn zuzudrehen. Und zwar richtig! Die Übersiedler nehmen uns übrigens keine Arbeit weg, weil man sie in Übergangswohnheime steckt und ihnen weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitsgenehmigung gibt und sie so zum Nichtstun zwingt, was nach einer Weile zur sozialen Verelendung führt. Im Übrigen bringen viele Asylbewerber Know-How mit, das hierorts gut nutzbar wäre. Die Arbeit wird weggenommen von den Lobbymächtigen Unternehmern, deren einziges Interesse der Shareholdervalue ist – vulgo schneller Profit! Nachhaltigkeit kennt KEINE Aktien! Und was diese Menschen hier wollen? Nun, einem sehr viel bittereren Elend entfliehen, als wir Bürger eines der reichsten Länder der Erde uns überhaupt vorstellen können oder wollen.

Auch wenn es auf die Stammtischparolen also offensichtlich sinnvolle Antworten gibt, verhallen sie meist ungehört, weil…; nun weil unser Land ist, wie unser Land ist. Ich habe es ja vor wenigen Augenblicken beschrieben. Ein Flickenteppich von Emotionen, Vorurteilen, Interessen und vielem anderem mehr. Darauf weiß aber unsere Politik klassischen parlamentardemokratischen Zuschnitts gegenwärtig keine Antworten, weil sie selbst so sehr in ihr Ringen um Proporz, Konsens und (Partei)eigene Identität verstrickt ist, das echte inhaltliche Fragen meist zu kurz kommen. Wir brauchen aber gestalterische Perspektiven mit Visionen, auch wenn Herr Steinbrück meint, die findet man nur in Kristallkugeln. Wir haben sie nie seit dem zweiten Weltkrieg bitterer nötig gehabt als jetzt!

Mensch Sozen, ergreift diese Chance – vier Jahre Mitregieren ohne die bevormundungswilden Dosenpfandidioten und die Soziostalgiker. Es muss nur noch irgendjemand den teildementen Riesenpfosten aus München entsorgen und alles wird gut. Vier Jahre Zeit, über alte Fehler nachzudenken und neue Ideen zu entwickeln. Vier Jahre, den Menschen wieder nahe zu kommen, die nicht mehr verstehen können, was Politik tatsächlich für sie leistet, weil es ihnen niemand richtig erklärt hat. Vier Jahre Koalition statt Panik. Es ist an der Zeit für einen echten Neustart. Und ICH will nicht erleben, was vier Jahre Schwarz-Grün aus diesem Land machen könnten. Denn mit einem so schwachen Juniorpartner macht die Pastorentochter, was sie will. Schönen Tag noch.

SOS – style over substance…?

Immer und immer wieder stellen sich Menschen hin – in aller Regel sind es ältere, Kraft akademischer Titel vorgeblich weisere Menschen – und beschweren sich lauthals oder schriftgewaltig darüber, dass unsere Kultur vor die Hunde geht, weil die (jüngeren) Menschen zu wenig gute Literatur lesen und sich zu sehr „enthemmenden“ Medien, wie etwa dem rasant wechselnden Angebot an kontemporärem Crime-TV, Actionflicks, gewaltlastigen Spielen etc. hingeben. Die Deutungshoheit darüber, was in diesem Kontext „gute“ Literatur ist, beanspruchen die Wort- und Schriftgewaltigen selbstverständlich für sich; ebenso das Interpretationsrecht bezüglich der Wertigkeit moderner Medienproduktion. Das daraus subsumierte Credo lautet, dass wir uns auf klassische Werte zu besinnen hätten, weil allein diese die Kraft in sich trügen, unsere Welt wieder auf den rechten Weg zu bringen. Neue, bzw. zeitgenössische Medien würden es an Substanz vermissen lassen…

Verstehen sie mich bitte falsch – ich polemisiere, polarisiere und pauschalisiere, wann, wo und wie es mir passt, denn die überaus ungebildete Jugend unserer Zeit versteht ja eh nichts Anderes, als prolligen Shit – oder? Ja klar. Wir schauen ja auch alle nichts anderes als Hartz-TV (ach ich LIEBE diesen Begriff – wir gefühlt unterprivilegierten bauen uns unsere eigene intraproletarische Hackordnung, weil man da jemanden braucht, auf den man herab sehen kann, nicht wahr…), lesen alle BILD (immer druff uff’s Boulevardblättsche) und können vor einer Deutschlandkarte nicht mal, zumindest ungefähr, den Verlauf der ehemaligen „Zonengrenze“ benennen. Es ist schon komisch, das ausgerechnet Menschen, die es irgendwie geschafft haben, jemand Anderes davon zu überzeugen, ihnen einen akademischen Grad zu verleihen – ist ja aber auch echt leicht geworden, man braucht nur bessere Täuschungsstrategien als ehemalige Bundesminister – ihre Denkfiguren über ein derart undifferenziertes, unreflektiertes und überdies ungerechtes Weltbild definieren. Zwar verschaffen sich solche selbsternannten Hüter unserer Kultur – ich würde sie eher Kulturaltlastentragende Gesinnungsnazis nennen – wider alle Wahrscheinlichkeit landesweit Gehör, jedoch gilt hier das, was für alle anderen gesellschaftlichen Prozesse auch gilt: Macht kann nur derjenige ausüben, den ich durch mein Anerkennen derselben dazu legitimiere.

Kurzer Exkurs ins politische Terrain: Würden mehr Menschen begriffen haben, dass die Pastorentochter uns alle noch ins Koma salbadern wird, während sie und ihre Spießgesellen die Karre vollends an die neoliberale Wand fahren, könnten wir vielleicht etwas heiterere Aussichten pflegen. Allerdings muss ich als überzeugter Soze hier einfach mal zugeben, dass Gleiches in etwa auch für den Goslarer Jung und seine Truppe von Blassen und Kopflosen gilt. Oder den Dosenpfandheini und seine bürgerlichen Betroffenheitshäkler. Echte Konzepte haben unsere Volkshirnweichklopfer, pardon ich meinte natürlich Volksvetreter, leider alle nicht im Gepäck. Exkurs Ende!

Es finden sich in regelmäßigen Abständen Vertreter unterschiedlichster Wissenschaftsrichtungen, die mal den Medienkonsum beim Kind, mal den beim Jugendlichen oder Adoleszenten als schlecht geisseln, weil sie alle der gleichen Unterstellung aufsitzen; nämlich dass junge Menschen, wann immer man ihnen die Wahl bezüglich medialer Konsumentscheidungen lässt, sie in der überwiegenden Zahl der Fälle die Schlechtere treffen werden. Als wenn solche Entscheidungen nach einem Multiple-Choice-Muster ablaufen würden UND die Qualitätsdefinition einiger weniger, dem bekannten, kontinuierlich wirksamen Prozesscharakter von Kultur zum Trotz, wie in Stein gemeisselt als unumstößliche Richtschnur für „Gutes Buch – Böser Film“ bis in alle Ewigkeit Gültigkeit besitzen müsste. Solche Arroganz ist kaum zu überbieten.

Zum einen ist es schlichte Notwendigkeit für die Persönlichkeitsentwicklung, bis zu einem gewissen Grade schlechte Entscheidungen und ihre Konsequenzen erleben zu müssen, was auch immer das im Zusammenhang mit Medienkonsum zu bedeuten haben mag. Zum Anderen ist die Definition dessen, was in einer vitalen Kultur – und NOCH ist unsere Kultur vital – als Leitmedium oder Aspekt von Hochkultur zu gelten hat, elastisch und darf, nein muss sich im Lauf der Zeit ändern können. Man mag sagen, dass sich in den Schriften klassischer Philosophen immer noch Passagen mit enorm hohem Bezug zu unserem heutigen Leben und seinen Problemen finden lassen, doch die Erstarrung in Expertenwissen, dass immer neue Fragen auf der Basis alter Erkenntnisse zu analysieren versucht, kann auch ein Zug nach nirgendwo sein. Die Deutungsfähigkeit bezüglich unserer heutigen Kultur muss man sich erst aktuell im Feld erarbeiten, man kann sie nicht einfach für sich beanspruchen, weil man die alten Meister studiert hat.

Ebenso arrogant ist es – meiner oft wenig bescheidenen Meinung nach – überhaupt eine Unterscheidung in Populär- und Hochkultur zu treffen. Bestenfalls ist eine solche Denke der schlecht getarnte Versuch, existente soziale, politische und wirtschaftliche Klassenunterschiede aus elitistischer Sicht zu zementieren bzw. zu rechtfertigen. Nur eine von vielen Strategien, die den Umstand, dass wir Deutschen uns gerne als lupenreine Demokraten bezeichnen, ein wenig lächerlich erscheinen lassen.

Was nun die Frage nach Stil und Substanz angeht; mit Sicherheit ist Vieles von dem, was heutzutage als mediales Produkt auf die Bildschirme drängt von geringem intellektuellem Nährwert. Allerdings und das haben viele, auch durchaus kluge Menschen, immer noch nicht begriffen, gibt es eine Trennlinie zwischen dem reflektierten Ich und dem Affektbestimmten Ich. Beide wünschen, bedient zu werden und beide brauchen das jeweilige Futter, um ein Persönlichkeitsgleichgewicht zu erhalten. Denn zumindest nach meiner Erfahrung neigen Menschen, die nur die eine ODER die andere Seite dieser Münze kultivieren dazu, entweder soziopathische Tendenzen zu entwickeln, oder aber sich selbst aus Gleichgültigkeit zum reinen Befehlsempfänger zu degradieren. Beide Varianten sind mittelfristig mit uncharmanten Folgen nicht nur für den Betroffenen selbst versehen.

Ich selbst mag daher Dinge mit Substanz, aber auch ungefähr genauso gern Dinge, bei denen eher der Stil dominiert, obschon ich Dingen, die Beides enthielten natürlich die größte Sympathie entgegen brächte. Wenn diese denn nicht so schwer zu finden wären; doch darüber werde ich ein anderes Mal nachdenken.

Grow up, Mashup-culture!

„Wir mixen und tricksen, wir collagieren, kopieren, interpretieren und bastardisieren uns unseren eigenen Blick auf unsere Welt zusammen. Wir schei#en auf den Wertekanon vorangegangener Generationen und lassen uns aus dem Scherbenhaufen, den die Zerschlagung des Alten hinterlässt etwas Neues, Anderes, Geileres entstehen…“

Keine Ahnung, ob das irgendjemand tatsächlich so oder ähnlich expliziert hat, aber es könnte der Schlachtruf so manches kontemporären Kulturschaffenden sein, dem Adornosche Kritik an der Kulturindustrie und der von leidlich verstaubten – überdies allzu oft selbsternannten – Bildungsbürgerelitisten angeprangerte Werteverfall herzlich gleichgültig sind. Ich schrieb vor einer Weile mal über Recyclingkreativität und tatsächlich ist davon bei halbwegs genauer Betrachtung, insbesondere des Internets Einiges zu sehen. Bei weitem nicht alles davon ist unorigenell, minderwertig, uninspiriert oder schlicht geklaut, auch wenn bestimmte bildliche und sprachliche Symbole mittlerweile ein wenig an Übergebrauch leiden. Allerdings muss die Frage nach dem Sinn und Zweck dieser „Kreativitätswoge“ gestellt werden.

Wir Menschen, sind – bewusst oder unbewusst – mehr oder weniger immer auf der Suche nach ein bisschen Sinn in unserem Leben; und in der Tat ist der Akt des Kreativseins, selbst wenn er nur das Remixen und Neuvercoden bereits gedachten und erschaffenen Materials beinhaltet, ein solcher Sinnhaftigkeitsgenerator. Etwas zu erschaffen, lässt uns, zumindest gedacht, an dem erhabenen Gefühl teilhaben, welches wahrhaft kreative Köpfe – wie z.B. unsere Devotionalbüsten der klassischen Literatur, vulgo Goethe, Schiller, Heine, et. al. – bei ihren Schaffensakten verspürt haben müssen. Zumindest kann man sich dann beim Zusammenkleistern einer Photoshopcollage einreden, das ein bisschen schöpferischer Genius auch in einem selbst schlummert.

Da die technischen Werkzeuge der Kreativität heutzutage für schmales Geld – oder im Zweifelsfall auch für lau, wenn man über ein wenig kriminelle Energie verfügt – ubiquitär verfügbar sind, ist es ein Leichtes, sich der Illusion hinzugeben, man sei selbst Kunst- oder wenigstens Kulturschaffender. Technisches Know-How alleine macht allerdings noch keinen schöpferischen Akt. Selbst unser sprödes Urheberrecht kennt den Begriff der „Schöpfungshöhe“, der gewisse Ansprüche an die Novität und Originalität eines schützenswerten Produktes, gleich ob technischer oder künstlerischer Natur stellt. Vieles, was im Internet als Produkt kulturellen oder künstlerischen Schaffens zu finden ist, würde jedoch an dieser Hürde scheitern, müsste es sich denn an ihr messen lassen.

Man kann ja fast alles online stellen, wenn man sich die „richtige Stelle dazu auswählt. Auch übler Schund, miese Propaganda und lausige Pornographie finden im Netz der unbegrenzten Idiotie dankbare Abnehmer. Tatsächlich gibt es allerdings auch im Internet Räume, wo quasi selbstkonstituierende Peer-Review-Systeme die Aufgabe einer Basis-Kunstkritik übernehmen und allzu schlimme Verfehlungen aussortieren. Foren für die Darbietung eigener Ergüsse unterschiedlichster Natur gibt es zuhauf und manchmal schaffen diese es sogar, als Regulativ zu wirken. Dennoch wächst der virtuelle Müllberg unaufhaltsam.

Es könnte bei meinen Worten der Eindruck entstehen, dass ich es schlecht finde, wenn mehr Menschen durch das Web dazu ermächtigt und auch ermutigt werden, mit ihren „Werken“ an das Licht der Öffentlichkeit zu treten, doch tatsächlich liegt nichts der Wahrheit ferner. Es ist faszinierend und inspirierend und zugleich auch bedrückend und erschreckend, aber all das sind eben Facetten des Menschlichen, unserer Gesellschaften, so wie sie heute sind – unfertig, von Perfektion stellar entfernt, ungerecht, unförmig und voller Gewalt; aber eben auch voller Schönheit, Poesie, Schaffenskraft und Hoffnung. Diesen Widerspruch müssen wir aushalten können, auch wenn er bedeutet, dass das Netz nicht all unsere Hoffnungen einlösen kann, denn derzeit wird es einfach überschwemmt von einer Woge der Selbstdarstellung, vom Wunsch nach Entertainment, von Eitelkeiten, Biestigkeiten, Blendern, Betrügern, vor allem aber von Suchenden. Und sie suchen nicht etwa einfach nur nach Videos, Rezensionen, Hackinganleitungen und Kochrezepten, sondern oft genug irgendwie nach ihrem individuellen Rezept für ein besseres Leben, für ein bisschen Sinn und Anerkennung. OK, manche suchen auch „nur“ nach dem schnellen Geld…

Aber wenn wir beim Sinnsuchen bleiben; das hat der Mensch schon immer getan, heutzutage nutzt er nur ein neues Medium dazu, dass allerdings wie kein Anderes zuvor Selbstdarstellung begünstigt. Wir haben noch nicht ausgehandelt, wie man die neuen Medien wirklich sinnstiftend nutzen kann und während wir uns immer mehr darüber den Kopf zerbrechen, vergessen wir in der Zwischenzeit viel zu oft, dass das wahre Leben immer noch in der realen Welt stattfindet. Und wie sehr wir uns auch vernetzen, uns von Comments, Likes, Dislikes, Sharing und Clicking beeinflussen lassen, das alles ändert nichts daran, dass die tangible Realität, gleichwohl vielerorts von der „digitalen Revolution“ durchdrungen sich langsamer ändert, als das ganze Cyberbrimborium uns gerne Glauben machen möchte.

Diesen Umstand im Hinterkopf betrachte ich manche Auswüchse des Web als dass was sie für mich sind: nichts weiter als die zumeist höchst irrationalen Ausbrüche eines Kindes auf der Suche nach sich selbst. Denn auch das Netz hat seinen eigenen Zweck noch lange nicht gefunden. Bis es eventuell soweit ist, schaue ich, mal mit Wonne, mal mit Schaudern den mannigfaltigen Mashups zu und lasse mich inspirieren.

Lebenspflichten?

Eine unserer vornehmsten Aufgaben ist es, zu lernen und zu lehren. Es macht zumindest auf meiner Agenda zu einem nicht unerheblichen Teil unseren Sinn als Mensch aus. Die zwei Seiten dieser Medaille sind untrennbar miteinander verbunden, auch wenn die Wenigsten Beides halbwegs gleich gut können – oder auch nur eines richtig gut. Dies im Hinterkopf könnte man mit dem Sprichwort „Gut gedacht, aber schlecht gemacht!“ gehen, das uns unter Anderem sagen will, dass alles Engagement und aller Wille unter Umständen von mangelnden Fähigkeiten oder Begabungen ausgebremst werden können. Und sicher kann ein jeder von uns von grandios gescheiterten Bemühungen der einen oder anderen Art berichten. Aber entbindet dass all jene, die sich „nicht berufen“ fühlen, tatsächlich davon, es noch mal zu versuchen, um es besser machen zu können? Diese Frage gilt im Übrigen nicht nur für das Lehren und Lernen sondern auch für fast alle anderen Lebenssituationen. Aber hier wollen wir nur von der Wissensansammlung und -vermittlung sprechen.

Wir akkumulieren Wissen. Dies ist eine einfache Wahrheit und sie ist leicht erklärt, da die allerwenigsten Menschen unter einer Käseglocke, also entkoppelt von ihrer Umwelt leben. Selbst jene, die kaum Zugang zu Bildungsangeboten haben, lernen im Laufe ihres Lebens eine ganze Menge. Für uns Kinder der entwickelten Industrienationen jedoch ist Wissensaneignung mittlerweile quasi zu einem zweiten Selbst geworden, unter anderem, da wir googeln wie die Weltmeister. Nicht alles, was man dabei aufnimmt, ist „wertiger Content“, aber trotzdem bleibt durch dieses Tun und die im Vergleich sehr guten Bildungsangebote hierzulande Wissen in einem Umfang hängen, von dem frühere Generationen nur hätten träumen können. Und das mehr oder weniger für Lau. Aus einem solchen Geschenk erwächst – auch, wenn das jetzt vermutlich wie ein Spruch aus dem Glückskeks klingt – eine Verantwortung.

Es ist ebenfalls ein Allgemeinblatz, dass die Summe des Wissens von Generation zu Generation wächst, obwohl wir ja irgendwie bemüht zu sein scheinen, uns als „überkommen“ geltendes Wissen mit Gewalt zu vergessen. Doch welche Instanzen entscheiden eigentlich über den „Restwert“ von Wissen? Es gibt ja kaum ein Gremium aus grauen Eminenzen, welche sich im Hochtempel der Bildung treffen – wo auch immer ein solcher zu finden sein möchte – und darüber entscheiden, was im Kanon des Allgedächtnisses bleibt und was nicht. Auch wenn eine derartige Vorstellung für eine Fantasygeschichte reizvoll erscheinen mag, ist es doch eher ein komplexer sozialer Prozess, an dem wir letztlich alle unterschiedlich stark beteiligt sind, der darüber entscheidet, welche Daten und Erkenntnisse erhalten bleiben und welche im Orkus der Nichtmehrnutzung verschwinden.
Ist man sich dieser Tatsache einmal bewusst geworden, kann man sich eigentlich kaum noch den daraus erwachsenden Implikationen entziehen; nämlich das wir alle, sozusagen jeder sein eigenes, kleines Bisschen dafür verantwortlich sind, dass möglichst viele Dinge nicht in Vergessenheit geraten und neue Erkenntnisse möglichst vielen Zuteil werden können. Denn nur Wissen versetzt uns in die Lage, zu verstehen, was jene, welche Macht in Händen zu halten glauben gerade aus welchen Gründen tun; und natürlich auch, welche Mittel uns dagegen zu Gebote stehen, wenn damit einmal mehr das Gemeinwohl gefährdet wird. Welches bestimmte Wissen dabei entscheidend sein wird, lässt sich kaum vorhersagen, daher wäre es clever, möglichst viel davon so zu bewahren, dass es für möglichst viele frei und einfach zugänglich bleibt.

Man muss dazu kein Geek oder Nerd sein, denn die neuen Medien haben natürlich die Wissensverbreitung – allerdings leider auch ihre bösen Stiefschwestern Propaganda und Desinformation – für Viele sehr vereinfacht. Allerdings ist die Schärfung durch Nutzung des eigenen Verstandes dafür unerlässlich. Aber wer sich mit vielen „snipets of information“ auseinandersetzt, überblickt alsbald ganz automatisch größere Zusammenhänge und kann so lernen, den Wert spezifischer Informationen recht genau einzuschätzen. Es ist dafür nur ein bisschen Zeitaufwand und recht wenig Know-How nötig, aber wenn nur ein paar Menschen mehr Solches tun, bringt das unserer Gesellschaft viel weiter, als alle Castingshows auf dem Planeten zusammen das je könnten. In diesem Sinne, lernen sie wohl!

Perspektiven…

…bekommt man nicht nur, wenn man aus dem Fenster schaut. Wenngleich der Blick aus so manchem Fenster vielleicht nicht unbedingt zum geduldigen Betrachten einlädt, lässt er doch für den halbwegs geisteswachen Beobachter erahnen, dass der Begriff mehr enthält, als oberflächlich augenscheinlich wird. Durch die Art, in der ein großer Teil medialer Produktion zur Zeit designed wird, sind wir zwar – auch wenn dies von manchen „Experten“ gerne stets geleugnet wird – dazu erzogen, zuallererst auf das Außen, den Schein, das Image zu schauen; doch lässt schon ein Minimum an gesundem Menschenverstand wenigstens einige von uns ahnen, dass die Verpackung nur einen ziemlich dünnen Teil des Gesamtpaketes ausmacht. Manchmal so dünn, dass die Dürftigkeit des Inhaltes sich ohne Weiteres abzeichnet. Die Analogie zwischen so genannter Partymode und gebräuchlicher Wahlkampfrhetorik ist hier geradezu frappierend.

Gewiss lässt der eben genannte gesunde Menschenverstand auch ersichtlich werden, dass es eigentlich immer mehr als einen Blickwinkel auf so manchen Sachverhalt gibt und es selbstverständlich im Interesse des jeweils Darstellenden liegt, seine Perspektive als die im Kontext Maßgebliche zu präsentieren – womit wir wieder bei Schein und Sein wären. Man kann das flächendeckende Wachstum prekärer Arbeitsverhältnisse mit, in direkter Folge, steigenden Belastungen für die öffentlichen Haushalte durch die Inanspruchnahme von staatlichen Transferleistungen natürlich auch als notwendige Maßnahme zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes in Zeiten verstärkten globalen Wettbewerbes betrachten. Und anfügen, dass dadurch das Abwandern von Unternehmen aus dem Inland verhindert wurde. Oder man fragt sich vernünftigerweise, wie all diese Midi- und Minijobber jemals genug ansparen sollen, um später wenigstens auf eine Minimalrente hoffen zu dürfen.

Es ist zwar kaum zu verleugnen, dass alle aktuell angetretenen politischen Parteien schon so Einiges verbockt haben und in der einen oder anderen Konstellation an Entscheidungen beteiligt gewesen sind, die sich im Nachhinein als ungeschickt oder schlicht falsch heraus gestellt haben. Dennoch lassen wir uns immer noch und immer wieder von Bildern blenden, die geschickt suggerieren, das einzelne Personen, die irgendwie als Identifikationsfiguren taugen sollen – manche schaffen dies mehr, manche eher weniger und mache aber so gar nicht – unsere Probleme gelöst hätten und dies auch in Zukunft tun würde. Wahlversprechen sind nicht selten wertlose Sicherheiten, welche Politiker jeglicher Couleur uns dafür anbieten, dass wir ihnen noch einen Kredit des Vertrauens gewähren sollen, den sie dann rasch in Macht ummünzen und recht oft platzen lassen, noch bevor die Tinte auf dem Wahlzettel trocken ist. Ich sehe immer mehr leere Hüllen, die mit ihrem Gebrabbel arme, wehrlose Worte vergewaltigen, ohne auch nur ein Jota konzeptuelle Arbeit zu leisten, geschweige denn der Lösung verschiedenster Probleme auch nur nahe zu kommen.

Aber diese Homo Sapiens Politicuus reden halt so schön und versprechen einmal mehr, das ja alles beim Alten bleibt und sogar wieder besser wird, obwohl ihnen doch klar sein müsste, das gar nix gut ist und auch nicht so schnell wieder gut werden kann, da wir immer noch in einer mächtigen Krise stecken, die weder in ihrem wahren Ausmaß noch in den möglichen Folgen von irgendeinem F(l)achmann überblickt wird.

Sich selbst eigener Perspektiven zu bemächtigen, sich also ein Bild davon zu machen, welche Dinge hier wann und wie und durch wen geschehen, ist nicht etwa ein Luxus für Bildungsbürger, die ja eh nix besseres zu tun haben, als sich dicke Bleiwüsten ohne schöne bunte BILDer rein zu ziehen, sondern eine nicht vernachlässigbare Pflicht für jeden, der sich als Bürger dieses Landes bezeichnen dürfen möchte. Ich mag dann und wann auch schönen Schein, aber ein bisschen mehr als ultrakonservative Meinungsmache, Sport, Titten und den Wetterbericht möchte ich schon zu lesen, zu sehen und zu hören bekommen. Probieren sie’s doch auch mal!