The networked mode – does it make sense…?

Ein – mir selbst immer wieder unterlaufender – sprachlicher Lapsus ist der Ausspruch: „Das macht Sinn.“ Sinn kann man nicht machen, oder herstellen. Er ergibt sich – oder auch nicht – aus dem, was wir tun oder lassen. Ich las heute morgen einen Artikel, der sich um diese magische Frage nach dem Sinn des Lebens drehte und der Autor kommt zu der durchaus erfrischenden Erkenntnis, dass diese Frage nach dem Sinn der Sylversterabend unter den Fragen sei – total überschätzt! Wenngleich meine eigene Erkenntnis zu dieser Frage ganz simpel lautet: Der Weg ist das Ziel. Oh, wie ich Glückskekssprüche manchmal liebe 😉 . Nein, ernsthaft; die Suche nach dem Sinn ergibt dann welchen, wenn man unterwegs die Fragen findet, die für einen selbst wirklich relevant sind. Wie zum Beispiel „Will ich das wirklich?“, „Wohin bringt mich das?“, „Macht mich das zufrieden(er) oder gar glücklich(er)?“, „Brauche ich das wirklich?“, „Ist das Kunst, oder kann das weg?“… [Hier ist noch der gedankliche Platz für eure relevanten Fragen]

Was hat das aber nun mit „dem Netzwerken“ zu tun? Ich finde, die Antwort liegt auf der Hand. Da wir uns als soziale Wesen in und durch unsere Beziehungen realisieren, ist der Netzwerkmodus wahrscheinlich die Urform unseres Daseins. Das Eingebettetsein in das Miteinander bot unseren hominiden Vorfahren Schutz vor den Fährnissen einer verdammt gefährlichen Welt. Mit jedem Jahrhundert, jedem Jahrtausend, das verging, wurde unsere Spezies etwas besser darin, mit diesen Gefahren umzugehen. Aus der (objektiv) existenziellen Bedrohung auf dem Weg zu einer Quelle mit trinkbarem Wasser ist die (subjektiv) existenzielle Bedrohung des Egos durch zu wenig Insta-Likes geworden. Es wäre vermutlich ein wenig sehr darwinistisch, wenn ich in diesem Zusammenhang schon von Degenerierung spräche, aber… so ganz von der Hand zu weisen ist der Gedanke nicht. So richtig in argumentative Schieflage käme ich jetzt, wenn ich anfinge davon zu sprechen, dass die Menschen mal wieder eine echte existenzielle Bedrohung bräuchten, um wieder zu einem besseren Selbst zu finden, oder?

BÄM – schiefgelaufen. Denn diese Bedrohung ist da. Nennt sich Pandemie. Und was sie hervorgebracht hat, war bislang, neben dem erhofften Altruismus, den es tatsächlich auch hier und da gab, vor allem ein krudes Surrealitäten-Kabinett voll von monströsen sozialen Entgleisungen. Facebook ist so ein schönes Biotop… Ich versteige mich jetzt mal zu der Vermutung, dass wir heutzutage so scharf auf digitales Sozialleben inclusive Lagerfeuer sind, weil wir verlernt haben, wie das enge Miteinander unter schwierigen Bedingungen funktioniert. Wir leben (zumindest hier in Deutschland) in solchem Überfluss, dass sich jeder für den König / die Königin seines kleinen Reiches hält und keine Kompromisse mit all den anderen Herrschern*innen eingehen möchte, weil das hieße erkennen zu müssen, dass man so individuell gar nicht ist. Denn, wenn das Licht ausgeht, sind wir alle grau – und im Liegen sehen wir alle gleich aus (übliche Serienschwankungen sind in dieser Aussage einkalkuliert).

Dieses Selbstverständnis – genährt aus den Missverständnissen über die tatsächliche Beschaffenheit von Netzwerken – ist es, was uns so viele Probleme schafft. Wenn ich in einem Land 82.000.000 Individualisten habe (und wir tun unser Bestes, unsere Kinder auch diesbezüglich nach unserem Ebenbild zu erziehen), treibt alles auseinander, weil jeder für sich reklamiert, immer und überall im Recht zu sein; und das Netzwerk in seinem Kopf nicht mehr aus echten, anstrengenden sozialen Beziehungen besteht, die gepflegt werden wollen, sondern aus einem unerschöpflichen Scrollbalken voller geteilter Bildchen, Memes, Texte, Videos und Werbung, der uns vorgaukelt, so etwas wie ein Abbild unserer Welt zu sein. Natürlich ist das eben gezeichnete Bild übertrieben, denn die allermeisten von uns pflegen immer noch soziale Kontakte. Aber es ist so unfassbar leicht, sich auf irgendwelche Empörungswellen einzulassen, weil – wie ich andernorts schon mal dargestellt habe – echte und subjektive Sozialrealität entkoppelt werden, sobald ich auf der Taschenwanze (a.k.a. Smartphone) irgendeine Social-Media-App starte. Weil ich auf der Suche nach Sinn bin.

Denn wir projizieren unsere Suche nach Bestätigung, nach Einbettung in das Soziale, nach etwas, dass sich gut anfühlt – mithin also unsere Suche nach Sinn im Leben – in die Virtualität. Die war jedoch nie dazu gemacht, uns Sinnsuche zu ermöglichen. Diese Apps sollen für ihre Macher Geld verdienen, indem sie Werbung streuen. Und sie machen es ganz leicht Sinn und Zweck zu verwechseln. Sinn ist das, was sich aus unserem Tun und Lassen ergibt. Zweck ist die Motivation, aus der heraus wir etwas tun oder lassen. Wir aktivieren also irgendeine (Anti)Social-Media-App zu dem Zweck nach etwas zu suchen, was wir dort – by design – nicht finden können: Sinn. Je früher man das versteht, desto einfacher wird es, den Mist abzuschalten; oder ihm wenigstens nicht so viel Raum und Macht über das eigene Leben zu geben. Denn scrollend, rezipierend dazusitzen, ist rein passiv. Rausgehen und etwas tun ist aktiv. Nur aus der Aktivität aber kann sich Sinn ergeben. Oder, wie Erich Kästner mal gesagt hat „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ In diesem Sinne – eine schöne Woche.

One of my favourite pastimes…

In einer der längsten Nächte des Jahres zur „Blauen Stunde“ alleine mit der Kamera losziehen zu können, ist für mich ein Privileg. Man kann schon mal mit seinen Gedanken allein sein. Man sollte dabei aber nicht immerzu in seinem Zimmer hocken. Ein kühler Wind wehte durch die Stadt, es war also eine, in mehr als einer Hinsicht erfrischende Erfahrung. Die Fotos aus der unten folgenden Strecke sind allesamt Schnappschüsse, da ich mit einer neuen Kamera experimentiert habe; und wissen wollte, welche Spielereien ein lichtstarkes Ultraweitwinkel-Zoom zulassen würde. Mein neues Setup besteht aus einer Olympus OM-D E-M 10 Mk 4 (Micro Four-Thirds-Sensor) und dem passenden Olympus M.Zuiko Pro 7 – 14 mm f 1 : 2,8. Ich sage mal so – alle Fotos wurden aus der Hand geschossen…

Ich habe nicht sonderlich viel Hand an die Bilder gelegt und es liegt mir auch wenig daran, die handwerkliche Ausführung bewerten (lassen) zu wollen. Ich bin bestenfalls Hobbyist. Ich bin jedoch von der Abbildungsleistung beeindruckt. Und eines ist sicher. Dieses Setup lässt mich nicht in irgendeiner dämmrigen Kathedrale im Stich… Außerdem ist viel weniger rumzuschleppen, als bei meiner alten Canon-Digi-Spiegelreflex. Ich bin gespannt, was mir als nächstes einfällt.

Vielen herzlichen Dank!

Ich habe über sehr viele Kanäle sehr viele liebe Wünsche zu meinem Primzahl-Geburtstag erhalten und möchte allen Gratulanten meinen tief empfundenen Dank ausprechen. Mögen eure Wünsche genauso in Erfüllung gehen! Wir sehen uns!

The networked mode – New Work anyone?

An keiner Stelle wird der Netzwerkgedanke augenfälliger, als bei der Arbeit – wenn man denn einer nachgeht, die nichts mit direktem Produktionsgewerbe oder kundennaher Dinstsleistung zu tun hat. Der durchschnittliche Handwerker oder Facharbeiter hat mit „dem Netzwerken“, so wie ich es beschrieben habe bestenfalls zu tun, wenn er mit dem Chef oder Polier per Mail/Chat klärt, ob das so passt, wie’s gemacht wurde. Das ist auch der Bereich, in dem alle Diskussionen um Home-Office keinen wirklichen Sinn ergeben. Aus genau dem Grund – nämlich falsch verstandenem Digitalisierungsgesülze, verbunden mit einem nicht zu knappen Schuss Technikgläubigkeit – verstehen die meisten Leute bis heute nicht, das „New Work“ und Digitalisierung so viel miteinander zu tun haben, wie Apple und nachhaltige Ressourcen-Wirtschaft. Aber was weiß ich schon…? Vielleicht sollte ich mich hier mal kurz selbst zitieren (Der Post ist ca. neun Monate alt)

„Wenn wir jedoch diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen, unser Verständnis von guter Arbeit und zu welchen Bedingungen diese stattfinden sollte gründlich zu überdenken, dann bleibt der heutige Gebrauch des Terminus “New Work” auch zukünftig das, was er jetzt gerade ist: überstrapazierte und überflüssige Labersülze für selbsternannte digital nomadisierende Möchtegern-Eliten. New Work soll und will im Kern ein Gegenentwurf zur aktuellen Version des Kapitalismus sein, ohne dabei die Fehler des Sozialismus zu wiederholen; wird aber allzu oft von Apologeten dieser verfluchten “Leistungsträger”-Mentalität zu einer bloßen Re-Organisation von White-Collar-Arbeitsprozessen verzwergt. Denn die Angst, Arbeit tatsächlich neu zu denken, stellt gesellschaftliche Machtverhältnisse und damit letztlich viele der tradierten Sozialstrukturen in Frage. Wahrscheinlich wäre das der große Wurf, den wir eigentlich brauchen, zu dem wir aber noch nicht bereit sind.“

http://unlimited-imaginations.com/new-work-n2-was-isn-da-jetzt-new-dran

In meiner Arbeitswelt wird dauern von Synergien gesprochen; also einer Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen (auch gerne „Win-Win“ genannt). Gemeint ist dabei jedoch lediglich eine Effizienzsteigerung der eigenen Geschäftsprozesse. Oder anders formuliert: was unterm Strich steht, zählt! Das dabei die Menschen, welche den Umsatz erwirtschaften nicht immer eine wichtige Rolle spielen, versteht sich von selbst. Und da, wo ich bin, ist es noch ganz OK. Andernorts geht man da wesentlich unfreundlicher mit seinen „Human-Ressourcen“ um. Und immer spielen dabei die vordergründigen Netzwerk-Prozesse eine Rolle; „…wenn ich den mit dem und der zusammenbringe, entsteht dabei vielleicht…“ Auch beliebt: „…und wir brauchen noch dieses technische Asset, um die Kommunikation zu beschleunigen!“ Wobei gerne vergessen wird, dass nachhaltige Prozesse oft eher eine bewusste, langsame Kommunikation und langsames Denken (Danke, Danny Kahnemann) brauchen. Zappelige Entscheider führen oft zu erratischen Entscheidungen, zu Fixierungsfehlern, zu verbranntem Kapital – und zu ausgebrannten Mitarbeitern. Anstatt dann darüber nachzudenken, worin die Fehler bestanden haben könnten und wie man diese das nächste Mal verhindert, sucht man lieber nach Schuldigen. „Just Culture“ (Daniel Marx) könnte so viele Probleme lösen helfen…

Das Augenmerk liegt auf Gimmicks – nicht auf der Kommunikation selbst…

Man bemüht dann auch mal gerne (teure, externe) „Change Manager“, die einem immer das gleiche sagen: dass man Mitarbeiter bei Veränderungen nur durch maximale Transparenz und zumindest eine teilweise Parztizipation an der Neugestaltung mitnehmen kann. EGAL WAS NEU GESTALTET WERDEN SOLL! Da kannste dir den Mund fusselig reden, es werden trotzdem immer genau die gleichen Fehler aus genau den gleichen Gründen gemacht. Oder wie Kegan und Lahey auf Seite 1 sagen: „[…] if we want deeper understanding of the prospect of change, we must pay closer attention to our own powerful inclinations not to change.“ ’nuff said, already, eh…? An work wird nix new, nur weil man Gimmicks hinstellt und einen auf modernes Netzwerk macht! Solange die Menschen als der eigentlich entscheidende Faktor jeden Netzwerkes (schon vergessen: Punktualisierungen werden durch Menschen gebildet!) ausgeblendet, marginalisiert, übergangen oder – noch schlimmer – auf biologistische oder technizistische Funktionen reduziert werden, braucht sich kein Boss zu wundern, wenn es nicht so gut läuft, wie es könnte. Den Weg vom Boss zum Leader beschreitet man dadurch, dass man Netzwerke als soziale Geflechte denkt und Menschen auch wie Menschen behandelt – und nicht wie unternehmerische Assets… Egal, wie man es auch dreht und wendet: so lange der Begriff „Netzwerke“ in der Arbeitswelt in den entscheidenden Köpfen (eigentlich in fast allen) nur eine vage Idee von blinkenden LEDs, Patchkabeln, Smartphones und Laptops erzeugt, wird der Mensch als relevantes Movens der Dinge immer aus dem Blick geraten. Es gibt noch viel zu tun. Lasst uns netzwerken…

  • Kahneman, D. 2011: Schnelles Denken, Langsames Denken. München: Siedler Verlag
  • Kegan, R.; Lahey, L. 2001: How the way we talk can change the way we work. Seven languages for transformation. San Francisco, CA: Jossey-Bass.
  • Marx, D. 2009: Whack-a-Mole. The price we pay fpr expecting perfection. Plano, TX: By your side studios.

The networked mode – (anti)social media?

Bezogen auf den Umfang meines persönlichen Wirkens in den sozialen Medien, der durchaus nicht gering ist, müsste man annehmen, dass ich mich mit manchen Eigenheiten mittlerweile angefreundet hätte; vielleicht aber zumindest meinen Frieden gemacht. Au contraire, liebe Leser… au contraire! Wie im letzten Post bereits im Nebensatz angeklungen sein mag, ist der Gebrauch solcher Netzwerke für mich stets mit ambivalenten Gefühlen versehen. Einerseits versuche ich – so wie jede Oberflächenpolierte Influencer-Blödfliege auch – meine Reichweite zu steigern, indem ich meine Posts zum Beispiel auf Facebook teile, obwohl ich weiß, dass die Zuckerberg’sche Aufregungs- und Beleidigungsschleuder das Letzte ist und ich damit auch noch einen Anbieter unterstütze, der echte Partizipation und nachhaltiges Handeln mit Füßen tritt. Ich erweise der Demokratie also gerade einen Bärendienst. Andererseits wüsste ich nicht, wie ich sonst an mehr potentielle Leser kommen sollte, um Ideen für mehr Partizipation und bewussteren Umgang mit der eigenen Existenz zu streuen. Tolles, Dilemma, aber für SEO bin ich halt zu blöd. Oder zu wenig Verkäuferseele.

Folgen wir den Meta-Überlegungen zu Netzwerken, die ich im letzten Post angestellt habe, spiegelt mein Bemühen um Reichweite den Wunsch wieder, die Emergenz von Interaktion, also die Entstehung von Punktualisierungen anzuregen, zu beschleunigen, und bestenfalls sogar zu lenken. Das ist grundsätzlich weder unmöglich noch falsch. Andernfalls könnte ich zum Beispiel als Lehrer einpacken, weil alle Versuche der Lern-Ermöglichung für meine SuS bereits im Kern sinnlos wären. Aber dazu in einem anderen Post mehr. Indem ich also meine Sichtbarkeit steigere, vergrößere ich die Wahrscheinlichkeit der Konvergenz anderer Akteure mit mir, bzw. dem, was ich von mir preisgebe. Das Prinzip kennen wir auch aus der Werbung – in unnachahmlicher Weise vom „Seitenbacher-Mann“ auf die Spitze getrieben. Oder anders gesagt: man kann es auch übertreiben. Denn natürlich ist es möglich, dass ein bewusster Versuch, Konvergenz zu erzeugen als unerwünschtes Eindringen in die so genannte Intime Zone oder die Privatsphäre interpretiert und entsprechend unterbunden oder gar sanktioniert wird.

Dabei entsteht das Problem, dass speziell in der digitalen Kommunikation, die einerseits oft anonym, vor allem aber asynchron abläuft, die Wahrnehmung dieser Begriffe verschoben sein kann, oder aber diese von manchen sogar als schlicht irrelevant betrachtet werden, weil ja zumeist keine Face-to-Face-Gespräche stattfinden. Dieser soziale Aspekt von Kommunikation, den unter anderem Paul Watzlawick in seinem 2., 4. und 5. Axiom sehr präzise beschrieben hat, kann dabei vollkommen entkoppelt werden. Die Folgen können wir – höchst eindrucksvoll – in den Kommentarspalten auf Facebook betrachten. Und weil nur einen Stein werfen darf, wer ohne Sünde ist, sei hier angemerkt: auch meine Contenance ist gelegentlich erschöpft und ich begebe mich auf das televerbale Schlachtfeld des Nazi- und Querdenker-Bashings. Wenn man diese Knalltüten auf die richtige Art triggert, kann man sie danach sperren lassen. Jeder braucht halt ein Hobby und gelegentlich ist das für ein Stündchen mal ganz unterhaltsam. Mein Druck steigt dabei mittlerweile kaum noch…

Es ist jedoch diese – zumeist unbewusst vollzogene – Entkopplung von Kommunikation und echter Beziehungsarbeit (die unteilbarer Aspekt der Face-to-Face-Kommunikation ist), welche Phänomene wie Amok laufende Foren-Trolle und Influencer (ich sehe beides auf ungefähr der gleichen Evolutionsstufe) erst möglich macht. Indem ich mich beim Sehen, Hören, Schreiben, Posten in den (Anti)sozialen Medien mit meinen Äußerungen nur selbstreferentiell auf meine individuellen derzeitigen Emotionen beziehen kann, weil mir durch die Asynchronizität die tatsächliche Gemütslage meines Gegenübers verborgen bleibt, sitze ich in einer hausgemachten Echokammer. Dabei verkümmert einer der Hauptaspekte menschlichen Miteinanders vollkommen: die Empathie! Im digitalen Netzwerk werden Menschen sehr schnell zu Machiavellisten: der Zweck (andere zu treffen, herabzusetzen, die eigene Position zu stärken, etc.) heiligt die Mittel (des Internet-Trolls)! Und damit ist die Idee des Netzwerkes als Modell für soziale Beziehungen zur Disposition gestellt. Möchte man daran festhalten, muss man – mit Resignation – Soziale Medien als zumindest in nicht unerheblichen Teilen dysfunktionale Netzwerke betrachten. Ein weiteres Problem dabei ist, dass die, beim beschriebenen Mechanismus zu Tage tretenden Affekte der Protagonisten nur schwer zu kontrollieren sind.

Diesen Mechanismus der individuellen, aber auch der Kleingruppen-Selbstreferentialität bespielen die Apologeten der Anti-Demokratie (im Moment vor allem Rechte Gruppen) virtuos. Ängste werden getriggert und selbst ansonsten eher nicht diesem politischen Spektrum zuzuordnende Menschen teilen und liken übelste Propaganda, und posten auch noch ihren – leider allzu oft unreflektierten – Senf dazu, ohne zu verstehen, dass sie gerade hinterhältig manipuliert und instrumentalisiert werden, um eine Agenda zu betreiben, die ihnen am Ende noch mehr Schaden zufügen wird. Sogenannte Kleinbürger, welche die AfD als Besitzstandswahrer wahrnehmen und sie deshalb der SPD oder den Linken vorziehen (soziologisch gleichen sich die beiden Wählerklientel ziemlich!), würden ihr wahrhaft blaues Wunder erleben, wenn diese neoliberale Agenda zum Tragen käme. Aber dazu soll hier nichts weiter gesagt werden, es kann ja jeder das Wahlprogramm lesen – wenngleich ich befürchte, dass das vielen zu mühsam ist…

Was also in den (anti)sozialen Medien passiert ist, dass der Meta-Begriff „Netzwerk“ seiner Kommunikationskomponente „Empathie“ beraubt und stattdessen auf Ereiferung getrimmt wird. Insbesondere der Zeitaspekt spielt hierbei eine wichtige Rolle; die Ausbildung einer Punktualisierung braucht, wie letzthin gesagt, Zeit und bewusste Pflege; also ab einem bestimmten Zeitpunkt ein aktives Investment der Akteure in deren Erhalt. In ein Ereiferungs- und Wut-Netzwerk hingegen muss ich nicht mehr investieren, als ein paar Mikrogramm Adrenalin und Cortisol, sowie ein paar Mausklicks – und fertig ist der Hass! Ich wünsche einen schönen Tag – und die Muse, nachzudenken, bevor man sich äußert.

  • Watzlawick, P.; Beavin Bavelas, J.; Jackson, D. 2011: Pragmatics of Human Communiaction. New York: W. W. Norton & Company Inc.
  • Machiavelli, N. 2001: Der Fürst. Frankfurt/Main: Insel Verlag.

The networked mode – ein paar Ideen zu Netzwerken…

Ich will mir ’n paar Gedanken über das Thema machen, die sich nicht in „…und dann haben wir beim After-Work-Dinner noch den Abschluss klar gemacht!“ oder „…der Typ auf Youtube hat aber gesagt, dass…“ erschöpfen. Es erscheint mir heutzutage oft so, als wenn wir ein paar grundlegende Aspekte des sozialen Miteinanders vergessen hätten (oder aber ignorieren), weil wir „das Netzwerk“ als neues Normal der Interaktion so verinnerlicht haben, dass wir gar nicht mehr hinter das ungesunde Blau der Bildschirme blicken können, die wir fälschlicherweise damit synonymisieren. Daher möchte ich mit einer kleinen Artikelserie (werden so drei bis vier mit unterschiedlichen thematischen Akzenten) ein paar Dinge beleuchten, die mir in letzter Zeit aufgefallen sind. Ob’s jemand kommentiert, ist mir mittlerweile fast egal, ich schreibe das hier für mich, um ein paar Dinge besser verstehen zu können. Mir hilft dabei das Schreiben ganz enorm. Also geht’s los, mit etwas Metatheorie…

Menschen sprechen gerne über „Netzwerke“, über „das Netzwerken“, über positive Effekte und die Synergien, die wir durch die „Vernetzwerkung“ unserer Leben gewonnen haben und immer nopch gewinnen. Jede Medaille hat ja bekanntermaßen zwei Seiten, aber bevor man sich anschaut, was die Aktivierung dieser Synergien tatsächlich bedeutet, wäre es da nicht sinnvoll, sich erstmal über den zu Grunde liegenden Begriff des „Netzwerkes“ Gedanken zu machen? Die meisten Leute denken dabei zuerst an die bunten Kabel hinten in ihren Computern, oder die putzigen Antennen an ihrem Router, und den Zugang den sie dadurch zur Welt (oder auch „nur“ zu den, im Kontext der Arbeit benötigten informationen) bekommen: Internet oder Intranet. Mails schreiben, gemeinsam Dokumente bearbeiten, recherchieren, etc. Sowas eben… Doch dieser rein technizistische Ansatz greift zu kurz.

Wir beginnen mit einem Begriff, der ebenfalls gerne Hollywood-befeuerte Assoziationen weckt: Kybernetik. Ursprünglich von Norbert Wiener im Rahmen der kriegsrelevanten Forschung für das MIT während des 2. WK entwickelt, handelt es sich dabei nicht um fancy Titan-Protesen zur Kampfkraftsteigerung (=> Cyborg), sondern um eine Theorie zur Steuerung komplexer Regelkreise an Hand von Modellen aus der Natur. Wiener sah hier Analogien natürlicher und künstlicher Prozesse, eine Verflochtenheit von Natur und Technik, der später viele lustige Dinge angedichtet wurden. Ursprünglich ging es aber nur um das Regeln und Steuern. Alsbald erkannten andere jedoch, dass diese Verbindung von Natur und Technik (also auch Mensch und Technik) vollkommen neue Möglichkeiten des sozialen Austausches ermöglichen könnte. Oder anders gesagt: man vertraute den alten hierarchisch-formalsierten Formen des Miteinanders und Austausches nicht mehr, welche die Welt im 2. WK erst an den Rand der Vernichtung getrieben und in der Folge zweigeteilt zurückgelassen hatten.

Man sehnte sich (zumindest im Westen) nach anderen Formen der Verbundenheit und einem geringeren Einfluss durch staatliche und wirtschaftliche Institutionen. Ich will das an dieser Stelle nicht zu sehr vertiefen, doch im Ergebnis entstand das Verlangen nach einem Austausch auf persönlicher Ebene (und zunächst auch in kleinerem Maßstab). Die Modelle aus der Kybernetik und die aufkommende Systemtheorie führten zu einem neuen Verständnis von sozialer Verbundenheit, aus dem der Netzwerkgedanke entstand: einzelne Akteure, verbunden mit anderen einzelnen Akteuren, die so anlassbezogen und unreguliert soziale Beziehungen pflegen können sollten (das realweltliche Modell dafür waren übrigens – ohne Witz – die amerikanischen Hippiekommunen der späten 60er und früher 70er Jahre). John Law nannte solche Interaktionen zwischen einzelnen Akteuren und ihren weiteren Netzwerken im Rahmen der Akteur-Netzwerk-Theorie später Punktualisierungen. Die Nomenklatur ist eigentlich egal; wichtig ist nur, dass man versteht, dass der Begtriff Netzwerk nicht nur irgendwelchen www-Kram meint, sondern die Vebundenheit von Akteuren (also vor allem Menschen, aber auch eine Firma kann ein Akteur sein) und deren weiteren Netzwerk-Verbindungen. Wir könnten diese Punkte auch Nexus nennen.

Vermittlungseffekte in Netzwerken

Man kann das so lesen: einzelne Akteure begegnen sich informell oder Anlassbezogen (die Netzwerke beginnen zu konvergieren) und beginnen zu interagieren (daraus emergiert eine Punktualisierung). Diese kann flüchtig, kurzanhaltend oder dauerhaft werden, das hängt jedoch von den Intentionen, Motivationen und Verpflichtungen der Akteure ab. Francisco Varela und Evan Thompson haben bereits 1991 in ihrem Buch „Der mittlere Weg der Erkenntnis“ beschrieben, dass die emergierenden Ergebnisse keinesfalls vorhersehbar sind, die strukturelle Kopplung jedoch auf die Akteure zurück wirkt. Netzwerke, ganz gleich ob geplant oder zufällig entstanden, bleiben also nie folgenlos. Ein Beispiel: ich besuche einen Fachkongress und treffe in einer der Vortragspausen jemanden, mit dem ich eine angeregte Diskussion über ein zufällig aufgegriffenes Thema X führe. Man tauscht Kontaktdaten aus, verabschiedet sich dann irgendwann zum Ende der Veranstaltung, um drei Wochen später festzustellen, dass der Inhalt des Gespräches plötzlich an Relevanz gewonnen hat – und greift dann zum Telefon, oder schreibt eine Mail.

Natürlich kann das im privaten Kontext (Anbahnung körperlicher Lustbarkeiten oder gar einer Beziehung bei Tanzveranstaltungen, etc.) genauso passieren. Das Beispiel war willkürlich gewählt. Es hätte auch so ausgehen können, dass sich kein weiteren Grund für einen erneuten Austausch ergibt, die Verbindung somit schwach bleib,t und die entstandene Punktualisierung irgendwann wieder erlischt. Netzwerke entstehen so – sie vergehen allerdings auch wieder, wenn man sie nicht pflegt. Denn letztlich sind Netzwerke erst mal nichts weiter, als ein Modell für soziale Beziehungen unterschiedlichster Natur. Und hier kommt die eingangs erwähnte Analogie von Natur und Technik zum Tragen. Wir neigen dazu, den Begriff „Netzwerk“ mit dem Begriff „technisches/digitales Netzwerk“ zu verwechseln. Einer der Gründe für die Seuche namens Influencer – man fühlt sich einer Person verbunden, die nicht mehr ist, als ein Zeichen (oder ein Avatar). Abermals, Willkommen in der Semiotik. Die Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung der Welt und vor allem unsere Kommunikation sind sehr vielfältig. Der nächste Aspekt mit dem ich mich nun befassen möchte, ist die Wirkung des beschriebenen Problems in den sozialen Medien. Kommt schon bald…

  • Belliger, A; Krieger, D. 2006: ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefed: transcript Verlag.
  • Turner, F. 2008: From Counterculture to Cyberculture. Chicago/London: The Chicago University Press.
  • Caspers, M. 2018: Zeichen der Zeit. Semiotik für Medien, Design, Kunst und Kommunikation. Köln: CreateSpace Independent Publishing Platform.
  • Varela, F.; Thompson, E. 1991: Der mittlere Weg zu Erkenntnis. Die Beziehung von Ich und Welt in der Kognitionswissenschaft. Bern, München, Wien: Scherz Verlag

Zwischenruf N°7 – Blöde Frage gefällig?

„Ist das Paradies eine Geschmackssache?“ Ich habe ja seit einer Weile diesen Kalender auf dem Schreibtisch stehen, der keine Daten zeigt, sondern eine Vielzahl von Zufalls-Fragen generieren kann; es sind aber auch reichlich blöde dabei, wie etwa diese: „Ist 9/11 mehrheitsfähig?“ Ich glaube die simple Antwort ist da „NEIN“, also kommen wir doch lieber wieder zur Eingangsfrage zurück. Die kann man nämlich guten Gewissens mit „JA“ beantworten. Ich hätte nämlich noch keinen Geschmack daran, diesen Ort live und in Farbe kennen zu lernen, zumal ich vermutlich nach katholischer Sichtung der Fakten eher woanders hin käme. Gottseidank bin ich Agnostiker… 😉

Beim Skimmen durch die Nachrichten fiel mir auf, dass a) ja schon Juni ist und der Stapel Arbeit für’s Studium immer bedrohlicher dräut und b) die Welt immer noch bekloppt ist. Neue Mutationen (Mutanten sind was für’s Science-Fiction-Superhelden-Kino), die mich mittlerweile ehrlich denken lassen „drauf geschissen, ich halte diesen Mist nicht mehr aus!“. Ewiggestrige, die mit allen Mitteln den Baerbock zu schießen versuchen, weil es nicht sein darf, dass unsere Welt sich ändert (Spoiler: sie tut das, egal, ob wir dran glauben oder nicht, aber wer dran glaubt, kann vielleicht Einfluss auf die Änderung nehmen!). Eine katholische Kirche, die sich (endlich) selbst zerlegt. Und schließlich immer das Geld, der Mammon, die Knete, der Zaster. Kapitalismus halt, der seine Blüten treibt, egal wie elend gestorben wird. So weit, so gewöhnlich. An diesen Themen arbeiten sich außerdem Andere ab, die dazu vermutlich besser berufen sind, als ich.

Mir kam der Gedanke, dass man auch zu analytisch sein kann, insbesondere den Menschen gegenüber. So Typen wie ich, also mit psychischen Erkrankungen, haben nicht immer, aber doch recht oft ein wesentlich feineres Näschen für ihre Mitmenschoiden, als jene, die die Frechheit besitzen, sich selbst als normal zu bezeichnen. Als wenn das Facharbeiterjob-Familie-Reihenhaus-Besitzstandswahrer-Purgatorium des Vorstadt-Spießers in irgend einer Weise normal wäre…? Zu analytisch würde aber bedeuten, sich viel zu viele saublöde Fragen zu stellen, nicht wahr? Heyho, willkommen in meiner Welt. Da stehe ich nun umherschauend vor meiner Klasse, und die denken wahrscheinlich so, „jetzt überlegt er gerade noch mal, wie das mit den Beta-Rezeptoren war“; so kann man sich irren. Ich WEISS, wie das mit diesen verfickten Rezeptoren ist, ich wirke wahrscheinlich versonnen, weil ich gerade die Beziehungs-Interaktionen innerhalb der Klasse analysiere und nebenbei Mini-Psychogramme anfertige. Ich kann übrigens nicht anders. Das geschieht automatisch.

Und dann kann es passieren, dass ich mich in solchen Beobachtungen verheddere und meinen Faden verliere. Das passiert nicht allzu oft, ist mir aber trotzdem jedes Mal ein kleines bisschen peinlich. Schließlich können die Schüler ja nix dafür, dass ich sie nicht nur als Unterrichts-Subjekte, sondern als Persönlichkeiten wahrnehme. Wie auch immer. Jedenfalls führt dieses andauernde Analysieren-Müssen manchmal in Sackgassen. Neben der Tatsache, dass ich mir letzthin zu viel aufgeladen hatte, ist das vermutlich einer der Auslöser für meine gelegentlichen Ausflüge ins finstere Tal (wer nicht spontan an Psalm 23 denken musste, geht jetzt noch mal in den Reli-Unterricht!). Kleiner Hinweis in eigener Sache an alle, die zwar rational wissen, was eine Depression ist, aber nicht, wie sie sich wirklich anfühlt: zu wissen was da passiert, und etwas dagegen tun zu können, sind zwei völlig unterschiedliche Welten! Es fühlt sich übrigens auch nicht für jeden gleich an…

Ich bin nicht im Paradies, nicht auf dem Weg dahin, ja nicht mal nah dran, an einem von beiden. „Paradies auf Erden“ ist ja so eine Phrase, die für malerische Umgebungen benutzt wird, um einen höheren Preis für das Hotel hinter den Palmen verlangen zu können. Für mich könnte das Paradies auf Erden bestenfalls in den Köpfen der Menschen existieren. Es wäre also kein physischer Ort, sondern ein mentaler Prozess, so wie „Heimat“. Das es reale Orte gibt, an denen man besser in den damit assoziierten Zustand findet, versteht sich von selbst. Von daher ist es schon OK, Sehnsuchtsorte als „Paradiese“ zu bezeichnen; auch, wenn das nur Anker in der Realität für etwas in unserem Geist sind. Momentan fühlt es sich für mich an, wie ein Traum in weiter Ferne, eine Fata Morgana. Aber wenn ich mal wieder hinkomme, kann ich ganz sicher sagen, dass ich auch gustatorische Empfindungen damit verbinde. Für mich ist das Paradies also auch im irdischen Sinne Geschmackssache; jetzt gerade habe ich eine Aura von Nobile di Montepulciano und Bistecca a la Fiorentina mit Rosmarinkartoffeln auf der Zunge…

Erwachsen bilden N°31 – Anspruchshaltungen…?

Ich hatte neulich das Vergnügen, im Rahmen des 1. Symposium zur Förderung der Wissenschaft im Rettungsdienst zu sprechen – und ich habe einige hochinteressante Vorträge hören dürfen, die mir bereits jetzt Lust auf die nächste Veranstaltung machen. Einer davon hatte es in sofern in sich, als ein Thema behandelt wurde, dass genau an der Schnittstelle zwischen Fachschule und Ausbildungsbetrieb (und ein wenig später für die fertig ausgebildeten NotSans beim Übergang in ein Anstellungsverhältnis als Fachkraft) angesiedelt ist: wie führt man die Generation Z? Abseits des Umstandes, dass es innerhalb von sogenannten Alterskohorten – was der Volksmund eben so als Generationen bezeichnet – erhebliche Streuungen gibt, weil Menschen nun mal Menschen sind, ist die Frage deshalb von Interesse, weil der Kollege, welcher sich des Themas angenommen hatte in der Tat einige interessante Ergebnisse vorweisen konnte.

Diese jungen Menschen streben wohl nach mehr Transparenz im Führungsverhalten, nach mehr Partizipation in der Gestaltung möglichst großer Bereiche ihrer Arbeitsumgebung und nach Respekt für ihr bisheriges Accomplishment; und ganz nebenbei wahrscheinlich auch noch für das Mensch-Sein an sich. Letzteres hatte schon Carl Rogers in den 30ern des vergangenen Jahrhunderts gefordert; also Menschen einfach anzunehmen und ihnen mit natürlichem Respekt zu begegnen. Dass es daran häufig hapert, darf man getrost als Allgemeinplatz bezeichnen. Insoweit decken sich die Ergebnisse mit meinen persönlichen Erfahrungen. Die jungen Leute lassen sich heute nur noch ungerne mit einem „weil das halt so ist“ abspeisen. Und hiertreffen wir auf einen Haufen Probleme, der von beiden Seiten verursacht wird…

Einerseits kann ich aus eigener leidvoller Erfahrung bestätigen, dass wir speziell in meiner Branche noch nahezu flächendeckend weit von Just Culture und Leadership Ability entfernt sind. Also von einer fairen Fehlerkultur, die nicht – typisch deutsch – erst mal jemanden sucht, den man punishen kann, wenn was verrutscht ist, anstatt gemeinsam nach den Ursachen zu forschen, die entstandenen Schäden zu reparieren und Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen, die sich nicht in einer verbalen, (oft öffentlichen) Auspeitschung des betreffenden Mitarbeiters erschöpfen. Über Leadership will ich mich lieber nicht zu sehr auslassen, sonst komme ich in Rage. In meiner idealen Welt führt man von vorne, verlangt von seinen Mitarbeitern nichts, was man nicht auch selbst zu geben bereit ist, und kann ein „NEIN“ ohne Groll akzeptieren. Mal schauen, wann ich es schaffe, meinen Ansprüchen gerecht zu werden. Um das hier abzuschließen: es werden alle Fehler gemacht, die das Handbuch beschreibt: intransparentes, willkürlich erscheinendes, forderndes, in vielerlei Hinsicht intolerantes, den Wünschen der Mitarbeiter negativ begegnendes und zu oft auch noch erratisches Führungs-Handeln. Das einem da die Leute wegrennen, ist vollkommen normal. Insbesondere, wenn dann noch mein Lieblingssatz fällt: „Das haben wir schon immer so gemacht!“

Allerdings beobachte ich auch auf der „Gegenseite“, also bei den jungen Azubis und frischen hauptamtlichen Mitarbeitern einige Verhaltensweisen, die ich ganz persönlich nicht gut finde und denen ich – wenn’s mal wieder übertrieben wird – auch offen ablehnend gegenüber stehe! Und das Hauptproblem ist hier fordern, fordern, fordern! Ich lehne keine Forderung einfach so ab. Aber ich behalte mir vor, über die Legitimation nachzudenken und dann auch entsprechend zu entscheiden. Wir ermöglichen viel. Ich habe noch nie davon gehört, dass es an allgemeinbildenden Schulen so genannte Kann-Listen für Klausuren gibt. Es kommt der Stoff dran, der durchgenommen wurde. Und die Lehrer WISSEN, welcher Stoff durchgenommen wurde. Wir kümmern uns um die Unterbringung. Und ich muss ehrlich sagen: ich hatte schon Ferienwohnungen für gutes Geld gemietet, die schlechter waren, als das, was wir bieten. Niemand kann zaubern; nicht mit dem hiesigen Immobilienmarkt. Und die Ausstattung im Lehrsaal ist nicht genauso, wie daheim. Und, und, und… An manchen Tagen würde ich gerne jemanden aus dem Kreis der SuS dahin stellen, wo ich gerade steh und mich dem stellen muss. Spaß bei der Arbeit geht anders!

Ein substanzielles Problem aber habe ich, wenn ich höre, dass man sich in gewissen social media Kanälen immer und immer wieder gegenseitig anheizt, so nach dem Motto „Mal schauen, was noch geht!“ Falls irgendeiner meiner Azubis das hier liest, kann ich an dieser Stelle klipp und klar in aller Deutlichkeit sagen: NICHTS MEHR! DAS LIMIT IST IN JEDER HINSICHT ERREICHT! Ich weiß, dass die Ausbildung anspruchsvoll ist, dass man sich gerne auf die Inhalte konzentrieren können möchte etc. Und ich habe auch Verständnis dafür, dass so eine Azubi-WG sich auch ein bisschen wohnlich anfühlen soll. Kein Ding. Und mir ist ebenso klar, dass meine Generation anders erzogen und ausgebildet wurde. Aber auch 2021 gilt immer noch: Lehrjahre sind keine Herrenjahre! Ich respektiere meine Azubis, begegne ihnen (zumindest denke ich das) auf Augenhöhe, und versuche Probleme im Rahmen meiner Möglichkeiten schnell und unkompliziert zu lösen. Im Umkehrschluss erwarte ich aber auch, dass sie nicht nur mich, sondern auch die Limits, an denen ich mich orientieren muss, respektieren. Andernfalls reden wir nicht mehr von einem fairen und transparenten Miteinander. Das Verhältnis zwischen den Azubis und den Lehrkräften ist nämlich keine Dienstleistungs-Einbahnstraße!

Mag sein, dass dieser Post weniger metatheoretisch und sehr stark von meinen Erfahrungen der letzten Wochen und Monate geprägt ist, aber auch solche Dinge muss man gelegentlich zur Diskussion stellen. Denn eigentlich kann ich nicht glauben, dass ich der einzige sein soll, bei dem die SuS ihre Macht austesten, „Mama hat gesagt – Papa hat gesagt“ spielen, versuchen, die Honorar-Dozenten auf ihre Seite zu ziehen, etc. Kennen bestimmt auch andere. Würde mich freuen, mal drüber sprechen zu können. Ansonsten: für alle, denen das möglich ist, ein schönes verlängertes Wochenende.