Geisteswissen…was…?

Egal, wohin man auch schaut, man findet immer und überall Menschen, deren Weltsicht von zwei Nichtfarben geprägt ist: Schwarz (die absolute Abwesenheit von Licht) und Weiß (die Anwesenheit aller Farben zugleich); das mit den Grautönen müssen wir dann wohl noch mal üben, nicht wahr? Wenn es zum Beispiel um den Wert eines Studiums einer x-beliebigen Geisteswissenschaft geht, findet man zwar erheblich viel Meinung („Bachelor zum Regale einräumen“) aber nur wenig Ahnung davon, was eine Gesellschaft im Kern zusammenhält. Kleiner Spoiler: Betriebswirtschaftslehre und Handwerk, Ingenieurswissenschaft, Pflege und Medizin sind es nicht allein! Die tragen dazu bei, die einzelnen Subsysteme von Gesellschaft – im Großen, wie im Kleinen – am Laufen zu halten. Aber der Kleister, der Alle und Alles zusammenhält, der Erkenntnis gleich welcher Art (und damit wirtschaftliches Handeln) ermöglicht, der Kultur als Prozess sicht- und erlebbar macht, der für Teilhabe sorgt und eine halbwegs gemeinsame Basis des Zusammen-Lebens schafft, dass sind die Geisteswissenschaften: Linguistik, Pädagogik, Philosophie, Soziologie, Kultur- und Theaterwissenschaft, Musik, Film, Historik, Politologie und wie sie noch alle heißen mögen. Die Geisteswissenschaftler haben den Träumen der Realwissenschaftler Flügel gegeben und tun dies heute noch. Und was wird man von den selbsternannten Leistungsträgern nicht dauernd geschmäht…

Was kuckst du…? 🙂

Ein Blick in eine Kommentarspalte im Account der Frankfurter Allgemeinen auf Insta, wo nach Gründen für den Rückgang der Studierendenzahlen in geisteswissenschaftlichen Fächern gefragt wird, offenbart Dunkles; da wird gehatet, was das Zeug hält, weil man den eben erwähnten Kleister für unnötigen Scheiß hält – denn wir brauchen Handwerker und Ingenieure! Das mag zweifellos richtig sein, doch was wir ebenso dringend brauchen, sind Menschen, die wissen, wie man richtig Erkenntnisse gewinnt, die beschreiben können, welche Rollen das Soziale, das Psychische, die Sprache in komplexen System spielen (und eine Gesellschaft IST ein ziemlich komplexes System) und die uns einen Kompass geben können, mit dem man irgendwie durch diesem ganzen Scheiß namens Leben kommt! Und das alles sieht noch gnädig von der Tatsache ab, dass wir (Berufs)Pädagogen es sind, die dafür sorgen, dass Menschen von Kindheit an zur Ausschöpfung ihrer Potentiale befähigt werden. Auch, wenn wir dabei gelegentlich auf Irrwegen unterwegs sein mögen, weil nicht nur die Gesellschaft, sondern auch jedes Individuum in ihr komplexe Systeme sind. Ohne diese Vorleistung gäbe es keine Jurisprudenz, die unser EGO einhegt, keine Wirtschaft, die unsere existenziellen und konsummatorischen Bedürnisse befriedigen hilft – und uns überhaupt erst eine Existenz ermöglicht – keine Medizin, die unsere Gebrechen lindert und keine Demokratie, die uns – im Rahmen des kategorischen Imperativs – unsere individuelle Entfaltung ermöglicht!

Eine typische Doppelseite aus einem meiner Notizbücher…

Es ist die Wissenschaft, die Wissen schafft und es ist die Leidenschaft, die Leiden schafft! Wenn man so möchte, sind es die zwei Pole des Gleichgewichtes, welches unsere gesamte Existenz kennzeichnet. Sie auszubalancieren ist ein Prozess der sowohl in uns selbst, als auch in unserem Miteinander niemals aufhören kann – niemals aufhören darf. Überließen wir die Welt den Technokraten… nun schaut euch einfach die Exzesse eines Elon Musk an, der die Technokratie gerade in aller Öffentlichkeit bis zum bitteren Ende durchdekliniert; und dabei ohne Rücksicht auf Verluste alles und jeden mit in den Abgrund reißt, vollkomen unabhängig, ob man seine verblendeten Ideee von unserer Welt teilt, oder auch nicht. Das ist Manchester-Kapitalismus im Endstadium – das stets unausweichliche Ergebnis, wenn man der Welt kein moderierendes, erziehendes, ja zur Not auch mal moralisierendes Movens hinzufügt. Und genau das leisten die Geisteswissenschaften! Nicht mehr; aber auch nicht weniger! Ich wünschte mir manchmal, dass man so etwas nicht erklären brauchte, weil es selbstevident ist. Aber dann bräucht man wohl auch Leute wie mich (also Pädagogen) nicht mehr in der Zahl. Letzlich ist das höchste Ziel des Erziehens, die eigene Notwendigkeit im Betrieb des Seins abzuschaffen. Vermutlich ist das nicht möglich, denn die Zahl egomaner, arroganter, asozialer Idioten scheint eine Konstante der Menschheit als Ganzes zu sein. Insofern ist mein Job sicher. Ebenso sicher wie die Hater, die solche Aussagen haten, weil es ihr Weltbild stört, nicht Recht zu haben…

Heute ist Sylvester – eigentlich macht man an solchen Tagen ja einen Jahresrückblick. Der fällt bei mir kurz aus. Mein Jahr 2022 war, bis auf ganz wenige Augenblicke, ein riesiger, entsetzlich stinkender Haufen Scheiße, den endich auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen zu dürfen ich kaum glücklicher sein könnte. Egal, wie es kommt – ich hoffe für uns alle auf ein besseres Jahr 2023. Haltet die Ohren steif, sprengt euch heute Nacht keine Körperteile ab (oder seid milde mit denen, die das versuchen) und kommt gut rüber. Ist ja eigentlich nur ein Datumswechsel; wir werden ihn, wie viele Andere auch, trotzdem ausreichend mit Käse überbacken. Nur um sicherzugehen. Bis nächstes Jahr in diesem Theater.

Auch als Podcast…

The Critic N°1 – Fan Service…?

Man kennt das: Abends mal durch die überbordenden Backcatalogues der verschiedenen abonnierten Streaminganbieter surfen, und irgendwie doch nix finden, worauf man sich schnell einigen kann. Könnte daran liegen, dass manches sehr generisch (und dazu billig runtergekurbelt) ist, manches einfach nicht meiner Idee von Unterhaltung entspricht und insgesamt die subjektive Vielfalt im Vergleich zu vor ein paar Jahren abgenommen hat. Es gab dieses Jahr zweifellos ein paar Highlights, aber die sind halt doch schnell weggeglotzt. Weshalb die Anbieter ja auch wieder zum typischen „eine Folge pro Woche“ übergehen, wie man es vom klassischen Oldschool-Fernsehen kennt. Mit dem Erfolg, dass die Leute eben auf Anderes ausweichen und warten, bis die Staffel fertig ist. Bingen ist King. IHR habt uns dazu erzogen, also steht gefälligst auch dazu!

Nerd bleibt Nerd, da helfen keine Pillen…

Das klingt jetzt irgendwie so, als wenn ich nur noch fernsehen würde. tatsächlich ist das, seit man sich sein Programm (theoretisch) zusammenstellen kann, wie und wann man möchte eher weniger geworden. Und es gibt Zeiten im Jahr, da schaue ich überhaupt nicht fern. Wenn ich also den Fernseher anmache, habe ich einen Anspruch: entweder möchte ich informiert, oder unterhalten werden. Manchmal sogar beides zur gleichen Zeit. Und da scheiden sich die Geister. Denn die „Qualitätskriterien“, welche menschlicher Geschmack an verschiedene Medien, vor allem eben aber die bewegten Bilder anlegt, sind individuell verdammt unterschiedlich. Ich setze das bewusst in Anführungszeichen, weil ich mir nicht so sicher bin, ob ich manche dabei getroffenen Äußerungen tatsächlich als Ausdruck qualitativen Werturteils gelten lassen kann. Womit wir beim Begriff „Fanservice“ wären, der aus dem Japanischen kommt und dort Elemente in Mangas und Animes bezeichnet, die nicht zur Story beitragen, aber im Konsumenten Gefallen (und damit Konsum) erzeugen sollen. Es geht also um das Befriedigen von Fan-Gelüsten. Interessanterweise hat Fanservice für viele Leute offensichtlich jedoch eine negative Konnotation.

Mein aktuellstes Beispiel ist der Film „Ghostbusters Afterlife“ (in Deutschland allerdings unter dem Titel „Ghostbusters Legacy“ verfügbar). Ich habe mehrere Kritiken gelesen, die dem Film ein hohes Maß an Fanservice attestieren, also an unsinnigen Storyelementen, die einfach nur die alte Fanbase abholen sollen, um ein Franchise wiederbeleben zu können. Man unterstellt also Gewinnerzielungsabsicht. Das wäre ja jetzt wirklich total seltsam, wenn ein Hollywood-Film Geld einspielen soll. Hat man ja noch nie gehört…! Ich will mal so sagen (und versuche nicht zu spoilern): der Film referenziert an verschiedenen Stellen – mal mehr, mal weniger geschickt – auf den ersten Teil von 1984, den man imho getrost als ikonisches Highlight jener Dekade betrachten darf. Meine beste Ehefrau von allen und ich wurden an diesem Startpunkt durch den neuen Film in der Tat geschickt abgeholt. Ich kann daran jetzt allerdings nichts Schlimmes finden. Sicher reflektieren beiden Filme den jeweiligen Zeitgeist (zwischen den Produktionszeiträumen liegen immerhn etwa 37 Jahre!), und funktionieren doch zusammen, wenn man bereit ist, sich auf die typischen kleinen Plotholes und das gelegentliche Überziehen der Plausibilität einzulassen.

Was mich viel mehr aufregt sind Menschen, die ALLES, also wirklich ALLES, was einem bekannten Gegebenen (wie etwa einem Film, einer Serie, einem Spiel, einem Buch) bei einem Mashup, einem Sequel, einem Reboot oder sonst irgendeiner Form von neuer Interpretation hinzugefügt wird, als Werk des Teufels sehen und auch dementsprechend in den antisozialen Medien auftreten. Steckt euch eure Dogmen dahin, wo die Sonne nicht scheint! Und überlasst es anderen Menschen, sich ihre eigene Meinung zu bilden! Wirklich – nicht jedes Reboot, Sequel, etc. ist gut, oder auch nur nahe dran an unterhaltsam. Im Gegenteil scheitert der Versuch, ein ehemals funktionierendes Format auf das nächste Level zu heben beeindrucken oft ( siehe z. B. MacGyver 2016 oder Magnum P. I. 2018). Aber das finde ich lieber selbst raus. Im Grunde sind mir diese ganzen Medien-Aasgeier, die nichts besseres zu tun haben, als Plotsynopsen, Kritiken, Spoiler und whatnot rauszuhauen, noch bevor manches Produkt auch nur eine Minute Screentime hatte mittlerweile ein noch schlimmerer Graus, als die oben genannten Dogmatiker. Was muss das 1979 für ein Erlebnis gewesen sein, unvorbereitet in einen Film wie „Alien“ zu gehen.

If the goals were to establish - in my conscience for the very first time - a REALLY strong female lead, to create a nightmare monster, that would be there to roam media for decades and scare the piss out of every spectator, then "Alien" succeeded on every fucking level! And it did so, because it had the chance to be a surprise attack on all senses.

Fanservice ist also schlimm? Ja, vielleicht manchmal, wenn etwas mehr Fanservice ist, als es sonstige Substanz hat. Reicht das aber, um daraus ein Schimpfwort zu machen? Nicht in meiner Wahrnehmung. Es wäre vielleicht clever, wenn wir so ca. 90% dieser „Irgendwas-mit-Medien“-Typen einfach wegrationalisieren. Ich habe gehört, wir brauchen Pflegekräfte. Schönen Abend.

Auch als Podcast…

Gans gut…

Immer um den Heiligen Abend herum taucht eine Flut von Artikeln in den Online-Postillen auf, die sich mit der – jeweils pro Autor*in sehr subjektiv behandelten – Frage auseinander-setzt, was Weihnachten denn nun sei? Und ob man es überhaupt schaffen könne, im Angesicht häufig großer Distanz der sonstigen realen Lebenswelten als Familie friedlich miteinander zu interagieren – weil halt Weihnachten? Ich las selbstverständlich ein paar dieser Artikel, weil die frohe, präemptive Selbstbespiegelung mit Blick auf dräuende Traditionen und deren unheilige Auswirkungen auf meine Psyche zur Vorbereitung auf das Fest der Feste dazu gehört, wie der alljährlich wiederkehrende Diskurs Gänsebraten vs. Kartoffelsalat & Würstchen vs. muss jetzt alles vegan!

Schepp, wie der ganze Rest…

Ich bin – um das unumwunden zuzugeben – mal wieder im Christfest angekommen, wie so manche Geschenke aus dem Versandhandel: unpassend, wenig stimmungsvoll und gerade noch so auf den letzten Drücker. Und ich meine damit tatsächlich nicht den Stand meiner logistischen Vorbereitung. Die ist, wie stets, über jeden Zweifel erhaben. Der Braten grillt, der Baum funkelt, die Geschenke liegen parat und die Hütte sieht nicht mehr ganz so schlimm aus, wie noch vor ein paar Tagen. CHECK. Doch die ganzen Diskurse, die immer noch in meinem Hinterkopf ablaufen, die Sorgen, die Probleme, der ganze Müll, den wir ungefragt das Jahr über aufgeladen bekommen, der verschwindet dieses Jahr langsamer und weniger nachhaltig im existenziellen Hintergrundrauschen, als in den Jahren zuvor. Was nicht bedeutet, dass ich nicht bereit wäre, davon zu lassen; jedoch, es will noch nicht so recht gelingen. Denn auch, wenn allüberall dieses alte Weihnachtslied zitiert wird: Ich fürchte mich doch – jetzt schon vor dem Ende des Urlaubes.

Und dabei lasse ich mich noch nicht mal auf frische Diskussionen ein. Wenn jemand mich für meine Gans verdammen will, weil ich white middle-aged cis-gender male halt nicht von toten Tieren lassen kann, und damit die Welt noch ein bisschen weiter in den Abgrund treibe: BITTE beschimpft mich! Ich teile das dann dem Biohof im vorderen Odenwald mit, wo der Freiläufer aufgewachsen ist. Wenn jemand hingegen das Bedürfnis hat, mir mitzuteilen, dass Traditionen aber ganz doll wichtig sind und man ohne den Gang in die Kirche ein schlechter Mensch ist: ja dann schmore ich halt in der Hölle, auch wenn ich nicht an das ganze Brimborium glaube. Ich gehe normalerweise nur zum Knipsen in Kirchen. Und falls irgendein Menschoid meint, unser Geschenkestapel unter dem Baum sei zu groß, und wir erzeugen ja doch nur Konsummüll: Schenken erzeugt Glück – und zwar in beiden Parteien. Und wenn wir im Moment irgendwas ganz besonders brauchen können, dann ein bisschen Glück.

Der „Rite de Passage“-Aspekt der Festtage ist es, welcher mir ganz persönlich Probleme bereitet, weil ich mich und meine Projekte nicht an dem Punkt sehe, „auf das nächste Level gehen zu können“. Zu viele Prozesse sind offen geblieben, zu wenige Aufgaben konnten abgeschlossen und zu wenige Fragen beantwortet werden. Es ist dieses Gefühl des Unfertigseins, dass mich unruhig bleiben lässt, obschon ich Ruhe gebrauchen könnte. Ich bin immer noch nicht gut genug darin, die Dinge einfach mal liegen zu lassen, auch wenn ich genau weiß, dass ich im Moment eh nichts tun kann. Und ich denke, dass ich mit diesem Problem nicht allein bin. Doch wenn Weihnachten eines für uns tun kann, dann etwas schönes Geschenkpapier und glitzernde Schleifen um die wunden Teile unserer Seelen zu schlagen, einem lindernden Salbenverband gleich, indem es mit gütigem Glimmer den Aufruhr überdeckt. Das Sichdaraufeinlassen ist wohl die Kunst… Und da helfen die Freude der Beschenkten, prandiale Prächtigkeiten und ein nicht zu knapp bemessener Schuss Ethyltoxin einem alten Sack wie mir besser, als das ganze lithurgische Gefuchtel. Ich singe eh lieber was von Johnny Cash.

Lasst uns also nett miteinander umgehen. Denn die Krisen sind am Dienstag, oder in der 2. Kalenderwoche 2023 immer noch da, und mächtig. Ich will jetzt nichts mehr davon hören, sondern mich – einmal, ganz kurz nur – an der Illusion wärmen, sorglos sein zu dürfen. Und so sei euch allen da draußen ein friedvolles Fest gewünscht, ganz so, wie ihr euch eures vorstellen mögt. Wir hören uns.

Auch als Podcast…

Mysticle!

Kennt man, diese Jahresendbetrachtungstaxonomien. „Meine 10 besten […]“, „Meine 10 schlimmsten […]“, Diese 10 […] muss man unbedingt […] haben!“ Da fällt mir ein Songtext von Großstadtgeflüster ein: „Ich muss gar nix außer schlafen, trinken, atmen und f***en. Und nach meinen selbstgeschriebenen Regeln ticken“ Denn irgendwie ticken solche Listicles immer irgendwo zwischen banal-brutaler Suggestion und Peergroup-Pressure. Ich könnte jetzt hier natürlich eine Liste mit meinen 10 meistgehassten Listicles des Jahres 2022 machen, um jeden einzelnen noch mal ein bisschen öffentlich zu haten; aber dann würde ich diese gequirlte Scheiße zur Redaktionspraktikanten-Beschäftigung ja auch noch kostenlos promoten. Ihr könnt mich mal…

Mediale Komplikationen…

Die geradezu barbarische Anziehungskraft solcher telemedialer Nutzlosigkeiten – denn es muss irgendein Verwandtschafts-Grad mit der naiv-gierig-schuldigen Verführung durch die Abbildungen schwertschwingender Lendenschurz-Träger*innen bestehen, anders kann man das Klicken-Müssen nicht erklären – lässt mich immer wieder bamboozeled zurück. Es bleibt mir auch heute noch, allen sozialpsychologischen Erklärungsversuchen zum Trotze, ein Mysterium ersten Grades, warum wir angeblich vernunftbegabten Wesen uns zu solchen sinnentleerten Wortabsonderungen hingezogen fühlen, wie die Fliegen zum Scheißhaufen, oder die Motten zum Licht. Und ich werde jetzt hier sicher nicht behaupten, dass ich solcherlei Anfechtungen nicht auch regelmäßig erliege. Ich bin ja auch nur so ein Typ, der versucht es auf die Reihe zu kriegen. Und hier ist nicht der einzige Ort, „dessen größte kulturelle Errungenschaft darin besteht, dass man bei Rotlicht links abbiegen darf.“ [Danke Woody Allen, Zitat aus „Der Stadtneurotiker“]. Nur dass das Rotlicht hier eher das kaltweiße Licht eines Monitors ist; und die Verlockung bestenfalls indirekt sexueller Natur.

Mysticles nerven unfassber, weil man sich einerseits dem Sirenenruf nicht entziehen kann, andererseits aber meist schon nach den ersten drei Einträgen denkt: „Hat der Prakti jetzt wieder Badewasser gesoffen? Der/Die/Das gehört doch auf einen anderen Listenplatz – oder in ein anderes Listicle!“ Einen besonderen Platz in meinem Herzen genießen Artikel, die einen sogenannten Kanon beschören – „Diese 10 Klassiker der Weltliteratur…“. Weil unter solcherlei Äußerungs-Überschrift meist nur Büchern alter weißer Männer auftauchen, was jetzt den Terminus „Weltliteratur“, der ja sinngemäß Bücher aus allen Zeiten, allen Kulturen, allen Ethnien und Religionen, allen sozialen Milieus und von allen Geschlechtern einschließen würde irgendwie ein wenig ad absurdum führt. Könnte sein, dass das an der sogenannten Deutungshoheit alter weißer Männer und gelegentlich auch Frauen liegt; die Heidenreich ist ja auch so’n Vogel, den man besser schon lange in eine andere Voliére verlegt hätte.

Mancher Leser wird sich bis hierher denken „Menschenskind, was hat er denn nun wieder, soll er halt den Scheiß nicht lesen, ist besser für den Blutdruck!“. Wie ich eben wortreich darlegte, ist es aber für Menschen verflucht schwierig, sich diesen naturgemäß interessant aufgemachten Tiefkühlpizzen des Publikationsbetriebes zu entziehen. Die Probleme, welche aus meiner Sicht dabei entstehen sind folgende: a) Der Mist nimmt einem Zeit weg, bevor man gerafft hat, dass man gerade mal wieder in die Clickbaitfalle getappt ist! b) Nicht selten promoten die Autoren u. U. fragwürdige Meinungen, die von den allzu Unreflektierten (und von denen gibt es da draußen so viele, dass die AfD derzeit immer noch stabil 14% und die FDP 7% bekämen) einfach mal übernommen werden. c) Erzeugt die immer weiter wild wachsende Publikationsflut selbst für halbwegs kluge und informierte Menschen eine mediale Überforderungssituation. Um die Frage weiter oben also – frei nach Malmsheimer – zu beantworten „RECHT HAT ER VERDAMMTNOCHEINS! WEG MIT DIESEM MEINUNGSFÄZES!“ Deutungshoheit…? Dass ich nicht lache. Die allermeisten, die derlei, z.B. auch in Listicles für sich reklamieren, legen vor dem Schreiben des Artikels bestenfalls das Tarot, und können es noch nicht mal richtig interpretieren. Was der Narr im Tarot bedeutet, könnt ihr selbst googeln… Ich wünsche jedenfalls noch einen nicen Run auf Heiligabend. Aber am Besten ohne Mysticles. Und Tschüss.

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°47 – spielerisch sprechen…

Wir hatten am Wochenende zum ersten Mal seit langen Monaten eine Spielsitzung. Und ich schwöre, es liegt nicht an Spielleiter-Burnout. Ich hatte letzthin schlicht keine Zeit, und kämpfe immer noch, immer wieder, mal mehr, mal weniger mit meiner Depression. Jetzt vor den Feiertagen macht sie sich besonders biestig mit nihilistischen „Ich lasse alles stehen und liegen und verschwinde“-Ausbrüchen bemerkbar. Da hilft eigentlich nur Selbsttherapie. Zocken kommt also gerade recht. Und tatsächlich war es eine gute Sitzung. Die Story kam voran, Fäden wurden entworren und miteinander verflochten; es gab Herausforderungen, Characterplay und meine Villera-Kampagne ist wieder auf Kurs. Kommende Woche geht’s sogar gleich weiter. ALLRIGHT!

GM-shield, dice and my notes, it doesn’t need more, to get good 🙂 !

Mir ist dabei etwas aufgefallen, von dem ich noch nicht so genau weiß, ob ich es ändern muss/möchte, oder ob es eigentlich ganz okay so ist. Ich kenne Spielleiter, insbesondere auf Youtube, die zeitgenössische popkulturelle Anspielungen an Spieltisch hassen, weil es aus ihrer Sicht Immersion zerstört. Ich merke wohl, dass es manchmal sehr schwierig ist, einen konstanten Ton der Erzählung aufrecht zu erhalten. Allerdings ist der Gesamt-Stil an meinem Tisch cinematisch, lakonische Einzeiler und eine nicht geringe Portion (manchmal bösartiger, manchmal beinahe flacher) Humor gehören ebenso dazu, wie solche Zitate. Auf der anderen Seite ziehen sie bei gepfefferter Action auch mit. Nicht jeder Spieler ist halt so ein Nerd mit einer Drama-Datenbank im Hinterkopf und dann sind Vergleiche für die Vorstellungskraft manchmal hilfreich. Dass daraus auch gute Gags und Drama werden können versteht sich dann, wenn die Meta-Ebene mit der In-Play-Ebene interagiert, ohne dass der Plot beschädigt wird. Mit den gleichen Leuten könnte ich allerdings NICHT Call of Cthulu spielen. Das mit dem kosmischen Horror jenseits der Vorstellungskraft und dem harten Drama des unbedingten Verlierens bekämen die einfach nicht hin. Ich bin da auch nicht böse drum. Horror muss man wollen, ein wenig Grusel schaffe ich aber durchaus auch mit dieser Truppe. Es gibt allerdings Momente, in denen ich es gerne etwas weniger wild Off-Topic hätte. Die Dosis macht bekanntermaßen, dass ein Ding ein Gift ist, und manchmal ist es ein wenig zu viel. Was mich dabei besonders betroffen macht – ich kann manchmal selbst meine Klappe nicht halten. Und das ärgert mich dann hinterher umso mehr, als ich dadurch bei manchen Gelegenheiten meine eigenen Pläne für die Session durchkreuzt habe. Ich brauche wohl mal einen „how to hold back“-Workshop, oder sowas.

Ein zweiter Aspekt, der mir im sprachlichen Zusammenhang aufgefallen ist – ich arbeite relativ wenig mit meiner Stimme. Ich meine, ich ändere meine Tonlage, wenn sich der Ton der Sitzung wandelt (…und plötzlich wird es stockdunkel, und du hörst hinter dir einen Kratzen auf dem Boden und eine asthmatische Stimme spricht „Willkommen Kind!“) Manchmal, wenn mir danach ist, gebe ich also einem NSC eine „special voice“, aber oft sprechen meine NSCs einfach nur mit meiner Stimme. Der Stil, in dem sie kommunizieren ändert sich. Straßenvolk schwätzt halt anders als Adlige. Und vielleicht passe ich die Tonlage ein bisschen an. Aber im Großen und Ganzen versuche ich nur, durch die Art der Kommunikation die Persönlichkeit und die Motive der NSCs (wie übrigens auch meiner Chars) heraustreten zu lassen. Ob’s dazu funny voices braucht, lasse ich jetzt mal dahingestellt. Ich weiß, dass es da draußen Leute gibt, die, weil sie irgendwann mal eine Episode „Critical Role“, „Acquisitions Incorporated“ oder sowas gesehen haben glauben, dass Spieler und SL „the voice“ machen müssten. Das ist Käse. So lange eine Geschichte erzählt wird, die Drama entfaltet, Spaß macht und den Chars die Möglichkeit bietet, diese mit zu gestalten, ist es MIR vollkommen schnuppe, ob irgendjemand mit einer speziellen Stimme spricht, oder halt einfach so, wie er oder sie immer spricht. „…und dann war da der Dude mit dem Dämon und dem Zirkel“ ist für mich vollkommen legitim, solange der Spieler sich in die Geschichte und seinen Char hineindenkt und dabei Spaß hat. Alles andere ist Schauspiel – ich kann und darf zwar vieles lehren, aber „dramatic acting“ gehört gewiss NICHT dazu!

Ich weiß noch nicht, ob ich am Spieltisch in der Zukunft etwas stringenter mit „Störungen“ durch das Off-Topic-Gelaber und allzu viele unnötige Zitate umgehen werde, oder es eben doch weiter durchgehen lasse, weil Pen’n’Paper halt ein soziales Event ist und man sich manchmal über einen längeren Zeitraum nicht gesehen hat. Man wird sehen. Wichtig ist, dass alle am Spieltisch Spaß haben. In diesem Sinne – always game on!

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°43 – Blockade…

Ich saß diese Woche eines Abends noch länger, weil ich eine Online-Fortbildung fertig produzieren musste. Die Arbeitsschritte sind dabei mannigfaltig. Präsentationen (in meinem Fall tatsächlich Powerpoint (c) ) erstellen, Präsentationen kommentieren und aufzeichnen, konvertieren, uploaden, in das Kurs-Projekt einbinden (wir nutzen Articulate Rise 360 (c) ), die Texte anpassen, das Projekt exportieren und in das Lernmanagement-System (bei uns ein Moodle (c) ) einpassen, Teilnehmer einbuchen und einladen. Die ersten Schritte sind dabei immer die schwersten, denn bis man zündende Ideen hat, wie sich bestimmte Dinge halbwegs gut erklären und visualisieren lassen, geht manchmal ganz schön Zeit drauf. Dann müssen die Visualisierungen erstellt werden; ich kann nicht wirklich malen, aber Bikablo-Männchen (c) kriege ich hin. Alles in allem ist das ein anstrengender Prozess, in den bei fertigen Instruktionsdesigns pro Unterrichtseinheit sicher 4-5 Stunden Arbeit fließen – wenn’s denn langt.

Hilft mir meine Wahrnehmung…?

Wenn es nur ein sturer Produktionsprozess wäre, dann setzte man sich also eine starke Woche hin und hätte einen digitalen Unterrichtstag produziert, der von beliebig vielen Personen genutzt werden kann. Einzelne Teile lassen sich, sofern man sauber gearbeitet hat, auch in unterschiedlichen Formaten wiederverwenden. Es ist also in keinem Fall verschwendete Zeit. Jedoch ist das mit dem Start und auch dem Flow eines kreativen Prozesses so eine Sache. Speziell bei dieser Fortbildung kam es zu Verzögerungen auf Grund erhöhten Workloads an anderer Stelle; einerseits. Aber andererseits sitzt man manchmal einfach vor dem Monitor und nichts fließt. Es ist wie eine verdammte weiße Wand, die einen höhnisch anstarrt, als wenn sie sagen wollte „Na, wieder mal zu blöd, um ES richtig zu machen…?“. Und das ist extrem frustrierend. Denn natürlich ist einem die ganze Zeit über schmerzlich bewusst, dass Andere auf einen warten. Und die verstehen das Thema Schreibblockade vielleicht gar nicht, weil kreative Prozesse nicht unbedingt zu ihrem täglich Brot gehören.

Ich stelle, je älter ich werde, und je mehr ich mich Neurowissenschaften und Kognitions-Psychologie beschäftige fest, dass die Prozesse in unseren Köpfen, deren Ausdruck wir – und auch Andere – dann als Produkte unserer als Kreativität wahrnehmen alles andere als vorhersehbar verlaufen. Wenn man Kreativität aber auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive betrachten muss, ist diese eines von mehreren Assets im Bereich Human Ressources; und zwar jenes, welches Mitarbeiter dazu befähigt, unterschiedlichste auftauchende Probleme auf teilweise originelle Art und Weise zu lösen; vornehmlich um Effizienz zu erhalten oder gar zu steigern; denn Zeit ist Geld. Was bedeutet, dass auch Bildungszeit Geld ist. Nun lässt sich aber der Wert von (Fort)bildung nur sehr schwer beziffern. Ich kann messen, wie viel ich dafür ausgebe und ob eine Bildungseinrichtung als solche kostendeckend arbeitet, oder gar einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaftet. Aber was Bildung mit, bzw. in den Menschen schafft, welche diese konsumieren, ist oft nur schwer und auch nur mittelbar zu beziffern.

Wenn man zum Beispiel jemandem bei der Aneignung von etwas Neuem begleitet, dessen Beherrschung später für den Arbeitgeber Geld verdient, macht es dann einen Unterschied, ob dieser Mensch dies Fähigkeit später besonders gut kann, oder ob er halt nur den Schein gebraucht hat? Dieses Dilemma ist vorerst nicht aufzulösen, aber es trifft hier auch auf mich zu. Wenn ich mir nun Mühe gebe, etwas möglichst verständlich darzustellen, bzw. Aspekte zu beleuchten, die mir auf Grund meiner Ausbildung und Erfahrung in einem Bereich besonders wichtig erscheinen und dabei, wie oben beschrieben, über gewisse Längen gehe, ist das dann aus betrieblicher Sicht noch effizient, oder nur noch (falls überhaupt) effektiv? Und wie messe ich den Unterschied? Macht es also für Andere einen Unterschied, ob ich meine Blockade ignoriere und (aus meiner Sicht) Scheiße abliefere, Hauptsache, es wurde überhaupt etwas ausgeliefert? Ist eine Zwickmühle, aus der ich bislang keinen Ausweg gefunden habe. Also halte ich mich an mein eigenes Qualitäts-Bestreben, auch wenn ich dann manchmal das ungeduldige Generve der Kollegen*innen aushalten muss. Auch wenn ich manchmal bezweifle, dass DIE den Unterschied überhaupt bemerken würden. Nun ja. Draußen wird es langsam dunkel, die neue Woche dräut. Ich wünsche einen schönen Abend.

Auch als Podcast…

Gelehrt, oder was…?

Um es vorweg zu nehmen: ich wusste bis heute Morgen nicht, dass es Game-Design heuzutage als Ausbildungsberuf gibt. Ich war mal davon ausgegagngen, dass sowas irgendwie mit einem klassischen Grafik-/Designstuidum, oder mit einem Informatikstudium verdongelt ist. Man lernt ja bekanntlich nie aus. Eigentlich ging es in dem Artikel um junge Leute, die anstatt eines Studiums ein klassische duale Berufsausbildung machen; und den Umstand, dass viele Elternteile, Freunde und whatnot das blöde finden, weil man ja nicht so viel lernt und hinterher weniger Geld verdient. Ist ein interessanter Blick auf das anscheinend verquere Bild, welches viele Menschen offenkundig immer noch vom Broterwerb haben – Hauptsache die Kohle stimmt? Also, wenn mich meine wissenschaftlichen Studien zur Generation Z eines gelehrt haben, dann dass diese Denke auf den Gerümpelhaufen gehört. Um an dieser Stelle mal ein paar Dinge zurecht zu rücken:

  • ad 1) Ein Studium ist KEIN Garant für bessere Gehaltsaussichten. Das hängt nämlich vom Fach, der jeweiligen Marktsituation, den erzielten Noten, der räumlichen Flexibilität und dem Gesamt-Engagement der Person ab, die mit einem Diplom in der Tasche auf das weite Feld des Arbeitsmarktes zieht.
  • ad 2) Oft ist ein Bachelor-Abschluss NICHT genügend, um in bestimmten Bereichen überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen. Da spielen Verordnungen, Gesetze und Markterfordernisse eine Rolle.
  • ad 3) In vielen Fachfelder gilt: Berufserfahrung ist durch NICHTS zu ersetzen; außer durch MEHR Berufserfahrung! Get over it – nur weil man in der Theorie gut ist, heißt das für die Praxis noch lange nichts.
  • ad 4) Haben sich viele duale Ausbildungsgänge erheblich gewandelt (bzw. tun dies gerade), erfordern heute schon teilweise anwendungsbezogenes wissenschaftliches Arbeiten, und sind alles andere als langweilig oder kognitiv unterfordernd. Kommt mal in die NotSan-Ausbildung…
  • ad 5) Sind aktuelle Gehaltsaussichten und Sozialprestige nicht in Stein gemeiselt! Manche gesellschaftliche Prozesse brauchen Zeit – ein Umstand, der bei der Generation Z halt nicht so hoch im Kurs steht. Ich habe dafür Verständnis, weiß aber auch, dass man insbesondere Verhaltensänderungen nicht mit der Brechstange durchsetzen kann.
  • ad 6) Sind einfach nicht alle gleich gestrickt! Es ist schon wahr, dass man Talent durch gezielte Förderung wecken und wachsen lassen kann. Trotzdem ist nicht jeder von uns dazu gemacht Profifußballer, Rockstar, Schauspieler oder Influenzeranzium zu werden. Die besondere Mischung aus Engagement, Talent und Erfolgswillen, die so etwas ermöglicht, ist nicht in jedem Menschen auf das Gleiche gepolt. Das wäre auch irgendwie traurig langweilig, nicht wahr…?
Wenn der Weg unklar ist…

Es gibt einen so genannten Deutschen Qualifikationsrahmen, in welchem formell (also durch Schule, Berufs-/Fachschule, Hochschule, Universität) erworbene Qualifikationen in insgesamt acht Niveaustufen einsortiert werden; was eine Taxonomie und damit eine Wertigkeit suggeriert. Nun wollen wir uns mal darauf einigen, dass ein Akademiker NICHT mehr wert ist, als ein Facharbeiter, oder sonstwer! Denn speziell in in den antisozialen Medien werden solche Scheingefechte immer wieder aufgebaut; vermutlich, weil es einerseits tatsächlich Akademiker gibt, die sich für was Besseres halten – und andererseits Facharbeiter, die wie auch immer geartete Minderwertigkeitsgefühle zu bekämpfen oder falsch verstandenen Proletarier-Stolz ausleben zu müssen glauben. Beides ist vollkommener Quatsch. Denn eine der, für den oben erwähnten Artikel befragten jungen Frauen sagt „[…] Ich bin nicht weniger schlau, bloß weil ich eine Ausbildung mache. […]“ Recht hat sie. Welchen Weg ich gehe, und warum, das ist verdammt noch mal meine Entscheidung.

Ich reflektiere noch mal kurz meinen Werdegang: Abitur mit 18, Jobben als Strippenzieher, weil Studienplätze schwierig, Zivildienst im Rettungsdienst, im Anschluss Ausbildung zum Rettungsassistenten, damit fertig mit 22. Dann arbeiten im Metier bis 45, unterwegs noch zum Disponent für integrierte Leitstellen fortgebildet, und nebenher Bildungswissenschaft studiert, und als betrieblicher Bildungskoordinator tätig gewesen. Ab 45 Entwicklung und Aufbau einer Berufsfachschule, der ich jetzt vorstehe, nebenher Masterstudium der Erwachsenenbildung, dessen Masterthesis ich gerade erarbeite. Wenn ich so darüber nachdenke, war es kein gerader, einfacher oder immer zielstrebig angegangener Weg – aber für mich war es der richtige. Denn ich habe erst mit einem bestimmten Lebens- und Berufsalter die Reife erlangt, die es für meinen jetzigen Job braucht. Daraus folgt für mich, dass es nicht auf die aktuellen Gehaltsaussichten oder die Meinung der Anderen ankommt, sondern darauf, die eigenen Fähigkeiten, Talente und Wünsche sorgfältig zu analysieren, zu reflektieren und zu fühlen – und dann zu machen, was sich richtig anfühlt. Insbesondere, wenn einen irgendjemand für eine persönliche Entscheidung kritisiert.

Ich werde jetzt gewiss nicht behaupten, dass man dann immer die richtige Entscheidung für’s Leben getroffen hat. Aber wenigstens war es dann eine, die sich aktuell richtig angefühlt hat; in die Zukunft schauen kann keiner von uns. Ich glaube ja, dass ich langsam etwas milder mit mir selbst werde; und im Gegenzug unduldsamer mit der Borniertheit meiner Mitmenschoiden. ich finde den Deal gut – und irgendwann kann ich mich dann ja darauf berufen, dass ich langsam dement werde. Dann kann ich eh jeden beschimpfen, wie ich will… 😉 Ich habe eine Berufsausbildung UND bin Akademiker; quais also doppelt gelehrt. Beides hat seinen je eigenen Wert. Unser Problem ist nicht dieser Wert, sondern die Wertschätzung (oder besser der Mangel daran) durch die bornierten Mitmenschoiden. Daran müsste man mal arbeiten, anstatt dauernd in nutzlose Neiddebatten und „Leistungsträger“-Geschwafel zu verfallen. Wir sind ALLE Leistungsträger, jeder auf seine Weise. Schönen Tag…

Auch als Podcast…

Wer’s nich kennt – Advent, Advent…

An dieser Stelle zuerst ein Bekenntnis: ich selbst könnte vermutlich ganz gut OHNE das ganze Tannen- und Mistelselige, übergebühr belichterte, Plätzchen- und Gänsegarnierte, mit reichlich Schenk-Konsum zum Ende gebrachte Brauchtumsbrimborium, welches sich von Ende November bis fast Ende Dezember hinzieht. Es wirkt auf mich immer so, als wolle man sich mal richtig Mühe geben, den Zug der Zeit wenigstens zu verlangsamen, innezuhalten und zurückzublicken auf das eben zu Ende gehende Jahr. Zäsur nennt man jenen Moment, in dem eine Epoche endet und eine Neue beginnt. Nun ist der bloße Datumswechsel vom 31.12 auf den 01.01 per Definition eigentlich noch kein solcher Epochenwechsel. Aber man soll Feste ja feiern, bis man fällt…oder so. Mich stört allerdings das dabei überall zu vernehmende, markerschütternde Kreischen der Bremsen des oben erwähnten Zuges; z. B. in Form von „Last Christmas, you…“ Und ich gehöre zu den lucky guys, die fast nie gewhamed werden…

Da wandern die zwei Richtung Betlehem (bzw. zum nächsten Absatz, wo die Krippe steht… 😉 )

Heute ist der 2. Advent, und das Einzige, was mir dazu einfällt ist: Scheiße, morgen ist ja schon wieder Montag! Ganz ehrlich – ich habe heuer weder die Zeit, noch die kognitiven Ressourcen, adventlich gestimmt zu sein. Vielleicht stellt sich das wieder in jenen letzten Tagen ein, wenn man sich dann doch mit Tätigkeiten wie Christbaum kaufen, aufstellen und schmücken, Geschenke einpacken und Plätzchen backen beschäftigt. Das Letztere ist bei uns eh immer ein Joint Venture. Aber im Moment bin ich noch viel zu sehr mit Problemen und Problemchen zugedeckt, als dass es sich so anfühlen würde, als wenn es jemals wieder eine Pause davon gäbe. Schuld daran ist – natürlich – mein Job. Es ist schon so, dass speziell das letzte Quartal immer in einem Dauerlauf ausartet, weil unglaublich viele Menschen unglaublich spät merken, dass sie noch unglaublich viel erledigt haben wollen. Sie vergessen etwa, dass man ja Fortbildungsstunden nachweisen muss, und sind dann erbost, wenn man ihnen auch mal sagt, dass alles ausgebucht ist, oder mangels Ressourcen abgesagt werden muss, und sie verdammt noch mal in Zukunft vorausschauender planen sollen. Anderen Menschen fällt es ein, alte Pläne und Abmachungen über den Haufen zu werfen, einfach weil sie das können, und dann sitzt man da und hat viel mehr Arbeit, als sinnvoll zu bewältigen ist. Was dann liegenbleiben muss, sind jene Dinge, die man schon lange zugesichert hatte und jetzt einmal mehr nicht hinbekommt. Denn ich weigere mich mittlerweile konsequent, mich in den Abendstunden oder am Wochenende für meinen AG hinzusetzen.; ich brauche das (gefühlt winzige) bisschen Freizeit dass ich habe, so verdammt sehr!

Da stellt man auch an der Arbeitsstelle Bäume auf, veranstaltet eine Weihnachtsfeier etc.; aber ich fühle es halt nicht! Und auch, wenn ich jetzt mal unterstelle, dass solche Dinge wirklich Wertschätzung für die Mitarbeiter*innen ausdrücken sollen, sind’s trotzdem immer die Gleichen, an denen am Ende all das hängen bleibt, was man nicht sieht; oder nicht sehen will. Ich könnte mit dem Finger zeigen und präzise benennen, woran es gerade hängt, welche Umstände (aber auch Personen) an meiner Überlastung Schuld tragen, und was es bräuchte, um dem entgegen zu treten. Jedoch… ich darf nicht einfach mal laut sagen, was ich denke. Immer schön diplomatisch bleiben, ja niemanden Gesicht verlieren lassen, gute Mine zum bösen Spiel machen und das kollegiale Miteinander beschwören. Aber wisst ihr was: ich scheiße auf das Miteinander mit ignoranten, selbstverliebten Laiendarstellern. Wer Kollegen hat, braucht keine Feinde! Schon mal gehört, oder…?

Ich bin neulich von einem Facharzt gefragt worden, ob ich Stress hätte (ich hatte einen Hörsturz und saß beim HNO-Doktor). Er musste schmunzeln, als ich sagte, wenn man den Stoff abfüllen würde, könnte ich damit einen ganzen Laden betreiben. Und so ist es immer noch. Selbst jetzt, da ich hier sitzte, und wieder einmal versuche, die Dinge für mich sinnvoll zu ordnen, kann ich die Gedanken an meinen Job nicht vertreiben. Und ich versuche es wirklich und ehrlich sehr bemüht, den ganzen Mist nicht weiter an mich ran zu lassen. Ausgerechnet ich, der immer auf dieses hohle Hoffen auf Glück herabgesehen hat, spiele neuerdings Lotto. Und gewänne ich, wäre ich vermutlich weg. Zumindest für eine ganze Weile. Das wird natürlich nicht passieren, und so sinne ich immer häufiger über Alternativen zum Status Quo nach. Bislang ist mir jedoch noch keine befriedigende Lösung eingefallen. Also hoffe ich auf Entspannung über die nun rasch herannahenden Feiertage. Und auf eine Inspiration, wie ich dieses Dilemma für mich auflösen kann. Denn – und das ist das tatsächlich Tragische daran – ich mag meine Arbeit immer noch sehr. Nur die Rahmen-Bedingungen sind im Moment schlicht grausam. Mal sehen. Vielleicht gilt ja doch: In the end hilft der Advent, because it feels right to have Weihnachtszeit… Sorry und einen schönen Sonntag.

Auch als Podcast…