Me, Self and I #08 – allzu beheimatet?

Manchmal schaut man in den Spiegel und fragt sich insgeheim, wer das wohl sein mag, der einen da anschaut. Keine Sorge, ich werde nicht langsam schizophren. Jedoch lässt sich schwer verleugnen, dass man sich angesichts der vielen Fragen zu allen möglichen Belangen des Daseins manchmal erst neu erden muss, bevor man weiter machen kann. Doch was erdet einen wirklich? Was bedeutet erden überhaupt? Rein technisch ist die Frage einfach zu beantworten, doch ich will mich natürlich mit dem psychologischen Aspekt befassen.

Übersetzt man es als Ableiten überschüssiger Energie, die wir in diesem Kontext mal als Stress denken wollen, bedeutet Erden aus menschlicher Sicht, festen Boden zu finden, auf dem sich Entscheidungen treffen lassen, weil man weiß, wer man ist und wo man hin will. Ein Zustand, um den vermutlich die allermeisten Menschen in unserer modernen ersten Welt immer wieder zu ringen haben. In einer partikularisierten Welt voller Optionen ist es nämlich oft gar nicht so einfach, zu wissen, was man will. Oder wer man eigentlich ist (bzw. sein möchte)?

Diesen sicheren Grund, den ich immer wieder mit mir selbst und denen, die mir wichtig sind aushandeln muss – den nenne ich Heimat. Mir ist bewusst, dass zu Heimat auch ein Gefühl der Vertrautheit, ein Wissen um das Funktionieren der Infrastruktur und ein Bewusstsein für die eigene Geschichte gehören. Doch all das bildet nur den Rahmen für mein eigenes Bild von der Realität. Das Bild, dass ich mir von meiner Heimat mache, kann von den Rahmenbedingungen ein Stück weit geprägt werden; ich muss es jedoch nicht davon bestimmen lassen. Denn so, wie mein Leben im Fluss ist, ist dies auch meine Heimat. Mich heimisch zu fühlen, dazu bedarf es neben der Vertrautheit (also zu spüren, dass hier andere wie ich sind) der Möglichkeit zur Verständigung (Die ist Teil von funktionierender Infrastruktur). Und hier beginnt – weil das vielen Menschen so geht – schon die Ebene der Probleme.

Was könnte man dann anfangen zu denken?

Zum Beispiel das hier: Er ist neu hier. Er sieht anders aus als ich. Er beherrscht meine Sprache nicht; oder zumindest nicht gut. Er ist fremd hier. Also ein Fremdkörper. Das bereitet mir Unwohlsein, weil es meinen sicheren Grund in Frage stellt. Denn, wenn viele von denen herkommen, ist es nicht mehr MEIN sicherer Grund, sondern es wird zu DEREN sicherem Grund und ich muss mir einen neuen suchen. Was ich nicht will. Außerdem haben die auch ganz andere Gebräuche (wiederum Teile von psychischer Infrastruktur). Die bedrohen mich, also müssen die weg!

Was könnte man stattdessen anfangen zu denken?

Nun, der ist neu hier und das funktioniert so nicht richtig. Er muss erst mal die Sprache und die hier üblichen Gebräuche lernen. Kann sein, dass er dann immer noch fremd wirkt, aber trotzdem reinpasst. Kann auch sein, dass das nix wird und er wieder dahin zurückgehen muss, wo er herkam. Sofern es da halbwegs sicher ist. Man kann, nein muss darüber diskutieren, wie sehr er sich den Gebräuchen anzupassen hat (bei Recht und Gesetz gibt es da allerdings keinen Spielraum); aber wenn er das schafft, soll er hier willkommen sein und sich in seiner neuen Heimat einrichten.

Einziger Unterschied zwischen den beiden Beispielen ist das Mindset des Betrachters. Über viele Dinge, wie etwa die Notwendigkeit, unsere Gesetze zu respektieren müssen wir gar nicht zu streiten. Doch was Heimat IST, definiert jeder für sich selbst. Und wie er mit seiner Heimat interagiert auch. Deshalb von vornherein ausschließen zu wollen, dass jemand von ganz woanders hier heimisch werden könnte, ist schlicht naiv. Wir Menschen sind verdammt anpassungsfähig, wenn es um das Überleben geht. Und bei so manchem ist das der Fall. Ob unser Staat die zusätzlichen Bürger integrieren kann, hängt von vielen Faktoren ab; strikte Ablehnung macht daraus allerdings eine selbst erfüllende Prophezeiung, so wie bei den sogenannten „Gastarbeitern“.

Letzten Endes wird es immer Streit darum geben, ob jemand von ganz woanders in MEINE Heimat passt, passen kann, oder nicht. Diesen Streit jedoch nur entlang ideologischer Dogmen zu führen, die reinen Befindlichkeiten entspringen, greift meines Erachtens zu kurz. Für mich ist Heimat ein multidimensionaler Begriff, dessen Rahmenbedingungen oft nur wenig mit meiner subjektiven Realität zu tun haben. Wenn ein Heimatminister also eine reale Aufgabe haben kann, dann die, diese Rahmenbedingungen für alle Menschen so zu gestalten, dass daraus ein individuelles Heimatgefühl erwachsen kann. Also Integrations-Hindernisse abzubauen. Sowohl für In- als auch für Ausländer. In diesem Sinne, noch einen schönen Tag, Her Seehofer…

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Der verwirrte Spielleiter #08 – in play?

Rollenspielern als uneingeweihte Person zuzuschauen, kann in den ersten Stunden (manchmal auch die ersten paar Sitzungen lang) recht irritierend sein. Oftmals wird da recht frei und auch ohne Ansage zwischen „in play“ – ich stelle meinen Charakter dar und das was ich sage, ist auch das, was er in diesem Moment im Spiel sagt – und „out play“ – gerne auch als „Meta“ bezeichnet; also Kommunikation rein zwischen den Spielern und dem SL – hin und her gewechselt. Was manchmal die Frage provoziert, ob ein Charakter das „in play“ gesagt habe? Denn so manche unbedachte Äußerung hat schon einen sorgsam vorbereiteten Plan gekippt, oder die Arbeit anderer Charaktere zu nichte gemacht.

Ich bin vor einer Weile auf Spielstile eingegangen; und auch auf den Umstand, dass manche Spieler eher wenig in ihre Rolle hineingehen, sondern lieber beschreiben und nur höchst selten in der ersten Person als ihr Charakter zu hören sind. Die Frage, die mich dabei immer umtreibt ist, ob der Grad der Immersion, den ich mir für meine Spielrunden wünsche – also die Tiefe des Eintauchens in die, von mir angebotenen Welten – auch kongruent ist mit dem, was sich die Spieler wünschen? In meiner ganz persönlichen Agenda als Spieler und SL möchte ich schon weit eintauchen und meinen normalen Alltag vergessen dürfen. Und ich brauche dazu das Einsteigen in meinen Charakter, indem ich als diese Person rede und nicht nur beschreibe.

Wenn jemand anders das nicht tut, dann bleibt der verwirrte SL zurück, denn es ist sehr schwer, in der Realität in den Kopf eines anderen Menschen hineinzuschauen. Auch ein Blick auf’s CT oder MRT wird da wenig Aufschluss darüber geben können, ob ich diesen Spieler genug flashen konnte; ich meine… genug für ihn. Denn das Dilemma ist klar. Was ich für mich selbst an Immersion als toll empfinde, kann für einen anderen Spieler zu viel, oder auch zu wenig sein. Natürlich helfen die Erfahrungswerte aus 30 Jahren Spielleiten, aber zumeist dauert es ein bisschen, bis ich mich auf jemandes diesbezügliche Bedürfnisse „eingegrooved“ habe.

Das ist aber nicht das einzige Problem. So wie ich versuchen muss, den angebotenen Grad der Immersion immer wieder nachzujustieren, beeinflusse ich damit auch das Investment des Spielers in meine Geschichte. Treffe ich nämlich den richtigen Ton nicht, macht der Spieler nicht mit. Oder zumindest nicht so, als wenn ich ihn mit der Geschichte richtig hätte einfangen können. Natürlich kläre ich mit den Spielern vorher, was für eine Art von Spiel wir, auf welcher Basis, miteinander spielen möchten. So bestimme ich den Grundton des Spiels und kann mich zumindest darauf verlassen, dass das Setting und das Regelwerk passen. Doch ob sie mir die Geschichte abkaufen – oder besser sich in diese Geschichte einkaufen – hängt eben auch davon ab, ob ich das richtige Maß an Immersion und damit Player-Investment treffe.

Wünschen sich meine Spieler einfach nur Rätsel? Intrigen? Hammerharte Action? Charakter-Spiel? Nehmen wir zum Beispiel eine Charakter-NSC-Interaktion, in welcher auch Gefühle eine Rolle spielen. Und das passiert regelmäßig, wenn ich NSCs benutze, die nicht einfach nur wie eine bemalte Kulisse daherkommen. Der undurchsichtige, steife Anzugträger, der versucht einen meiner Charaktere davon zu überzeugen, einen Verrat zu begehen, um mit allen Ehren in eine Heimat zurückkehren zu können, die der gar nicht mehr als Heimat empfindet, kitzelt jede Menge Player-Investment raus. Insbesondere, wenn der Anzugträger auf mehreren Ebenen die Antithese zum Spieler-Charakter darstellt.

Das funktioniert aber nur, wenn der jeweilige Spieler sich darauf einlässt. Gleiches gilt für NSCs, die ein potentielles Love-Interest darstellen könnten. Wenn ich NSCs baue, folgen die mechanischen Aspekte den Notwendigkeiten ihres Einsatzes. Damit ist aber wenig über ihre Motivation, ihre Emotionen, ihre Moralvorstellungen, etc. ausgesagt. Genauso wie bei einem Spielercharakter, ist bei einem NSC ein Blatt mit Zahlen nicht mehr als eine Blaupause, auf welcher die tatsächliche Persönlichkeit der Figur erst nach und nach Konturen gewinnt. Was bedeutet, dass auch NSCs ihre Pläne ändern und anpassen, mal hier, mal dort Allianzen eingehen, oder Feindschaften schließen.

Ich bin davon überzeugt, dass erst ein „passendes“ Set von NSCs, insbesondere solchen, die öfter auftauchen, es erlaubt, den richtigen Grad an Immersion und damit Player-Investment zu finden und dann auch regelmäßig zu erreichen. Auch das Problem der unterschiedlichen Anforderungen der Spieler lässt sich damit gut moderieren: nämlich indem ich jedem, zum jeweiligen Spielstil passende NSCs zukommen lasse. Wenn die Spieler nämlich darauf einsteigen, hat sich Frage „War das In Play?“ alsbald erledigt. In diesem Sinne – always game on!

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Me, Self and I #07 – allzu gewollt?

Ich bin, was manche Dinge angeht ein ziemlich normaler Typ: ich habe eine Familie, die mir manchmal, aller Liebe zum Trotz, den letzten Nerv raubt. Wenige wahre Freunde, mit denen ich immer noch stetig Kontakt pflege. Einen Job, der mich fordert, aber wenigstens meistens Spaß macht. Und natürlich Schulden; also das ganze Portfolio des Mittelstands-Mittvierzigers. Man könnte auch sagen: so cliché!

Auf der anderen Seite pflege ich seit 30 Jahren ein Hobby, das erst in letzter Zeit ein bisschen Mainstream geworden ist: Rollenspiel. Und das kotzt mich irgendwie an. Denn früher konnte man sich wenigstens beim Zocken un-mainstreamig fühlen. Da sind aber auch noch andere Aspekte, durch die ich mich als was Besonderes definiere; so wie jeder andere Mensch das auch tut. Und so wie die allermeisten von uns bin ich nicht besonders. Nicht besonders schlau, oder geschickt, oder stark. Ich bin einfach ich.

Wie jeder Mensch habe ich Träume. Welche, an denen ich festhalte, welche, die ich tatsächlich aktiv verfolge und jene, die ich zur Ruhe gelegt habe. Um einen meiner alten Freunde zu zitieren: es gibt da in meinem Hinterkopf einen Gottesacker, den ich stets alleine besuche. Denn dort stehe ich manchmal und streichle traurig die Grabsteine dieser gestorbenen Träume. Und weiß insgeheim doch genau, dass jeder so einen Friedhof im Hinterkopf hat. Denn was wollte man nicht schon alles tun…?

Als Kind lernt man – meist mühsam – Bedürfnisverzicht. Sich selbst zugunsten anderer Menschen oder einer Sache zurückzunehmen, sich mit dem zufrieden zu geben, was man jetzt gerade hat. Und doch hört das Wollen nie auf. Denn aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben; zumindest nicht in einer Welt andauernden Konsum- und Wachstums-Versprechens. Schwierig wird es allerdings in dem Moment, da sich unser Wollen auf etwas einschießt, das nur sehr schwer zu erreichen ist. Denn oft steht am Ende der Geschichte nur ein weiterer Grabstein auf dem eben beschriebenen Gottesacker.

Ich schrieb irgendwann die Tage, dass ich doch eigentlich zufrieden sein müsste, anstatt wieder einmal im finsteren Tal der Depression umher zu irren. Aber ich glaube, jetzt zumindest eine Teilantwort darauf gefunden zu haben, was mir momentan so sehr auf’s Gemüt schlägt. Natürlich hat das mit Wollen zu tun, denn sonst hätte ich ja nicht mit den obigen Ausführungen starten müssen, oder…?

Das größte Problem ist, dass Wollen und Träume manchmal miteinander konfligieren. Wir wollen etwas allzu oft, weil es vernünftig ist und uns erlaubt, zum Beispiel im Job weiterzukommen; was uns dann erlaubt, sich selbst und den Lieben mehr Wünsche erfüllen zu können. Zumindest reden wir uns ein, dass ein bisschen mehr Kohle, die man in einer neuen, bedeutenderen Position erzielen kann uns tatsächlich weiter bringt.

Doch tatsächlich ist es nicht das, was uns glücklich macht. Ich werde vermutlich demnächst aufsteigen können, wie man das so schön nennt. Es läuft also eigentlich alles super. Ich habe meinen Immatrikulationsantrag für ein Masterstudium auf den Weg gebracht, in dem Wissen, dass ich noch knapp 25 Jahre arbeiten muss und dabei lieber führen als geführt werden möchte. Und doch bleibt ein schales Gefühl; nicht dem Herzen zu folgen, sondern wieder nur das zu wollen, was vernünftig ist.

Denn eigentlich will ich vor einem alten Natursteinhaus sitzen, das auf einem sanften Hügel liegt, umgeben von uralten Olivenbäumen und Weinreben. Ich will mir immer neue Geschichten ausdenken und erzählen. Und ich wünschte mir so sehr, mehr Zeit für die Menschen und Dinge zu haben, die mir etwas bedeuten, anstatt der Illusion von Karriere hinterher rennen zu müssen, weil Träume meist nun mal kein Essen auf den Tisch bringen, den Kleiderschrank füllen, oder den Turnverein für die Kinder bezahlen.

Ich bin, was ich bin ; das was man sehen kann, weil ich es zulasse. Aber auch das, was ich in den tiefsten Tiefen meines Selbst verberge. Wenigstens gibt mir das die Sicherheit, dass man mir meine Träume nicht einfach wegnehmen kann. Ob ich sie zu Grabe lege oder weiter träume, ist ganz allein meine Entscheidung. Wir alle sollten, wenigstens dann und wann wagen, mehr zu träumen…

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Randnotizen eines Erschöpften #10 – opium populi?

Ich gebe es hiermit offen zu – ich kann es nicht lassen. Immer wieder wandere ich hinab in die Niederungen des Rechtspopulismus um an jene zu appellieren, von denen ich denke, dass sie sich aus verständlichen Gründen auf einen falschen Weg begeben haben. Und vermutlich denken die genau das gleiche über mich, denn ich bin ja nur eine elende, dreckige, links-grün-versiffte Schmarotzer-Zecke, die sich auf Kosten der „Leistungsträger“ vollkommen leistungsfrei durchfressen möchte. Ach stop, dass ich ein recht normaler Mittelstandstyp bin, der sich auch nur Sorgen um sein Land macht, zählt ja nicht, denn das würde ja bedeuten, dass man nicht mit dem Finger auf mich zeigen kann, weil ich ihnen zu ähnlich bin, nicht wahr…

Doch wann immer ich mich dort aufhalte, wo meine Komfort-Zone schon lange zu Ende ist, muss ich die wahrhaft erschreckende Argumentenarmut der Populierenden feststellen. Wenn man nichts Sachliches beitragen kann, nutzt man das niederträchtige Verächtlich machen des vermeintlichen Gegners. Ein stets auf’s neue abschreckendes Beispiel ist Stephan Paetows Kolumne „Blackbox“ auf „Tichys Einblick„. Was der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der Bildzeitung für Pseudo-Intellektuelle „Focus“ dort regelmäßig von Stapel lässt, verursacht mir Brechreiz. Noch schlimmer ist allerdings die Wirkung, welche er damit erzielt; denn seine Fans feiern seine Menschen verachtenden, chauvinistischen, rassistischen und ganz und gar undemokratischen Sichtweisen, als wenn er sowas wie ein ernst zu nehmender Journalist sei. Und loben seinen Witz, wo es NICHTS zu lachen gibt.

Offenkundig nicht dazu gedacht, zu informieren, damit man sich selbst eine eigene Meinung machen kann, sondern gezielt so gestaltet, Meinung direkt zu transportieren ist dies nur eine von vielen Seiten, die – wenngleich seriös daherkommen – alles andere als seriös ist. Wenn man fragt, was denn Lügenpresse wirklich bedeutet, kommt man leider nicht umhin, als Antwort die Frontpage von „Tichys Einblick“ zu präsentieren. Würde man dort die Fakten präsentieren, so wie sie sind, gäbe es sicher immer noch Menschen, die sich auf Grund ihrer Schlüsse als so reaktionär einordnen würden, dass man den Begriff „Nazi“ getrost verwenden könnte.

Die Wahrscheinlichkeit, dass jene, die gerade nach einer neuen Orientierung in einer Welt ohne gut erkennbare soziale und politische Landmarken suchen, dann so weit rechts landen, wäre allerdings deutlich geringer. Dass sich die Konsumenten dann auch noch bei anderen „liberalen“ Leitmedien wie der „Neuen Zürcher“ oder der „Jungen Freiheit“ komplementär informieren, komplettiert das Parallelfaktenuniversum in geradezu beängstigender Weise. Wobei rechts natürlich der falsche Begriff ist. Der, in diesem Post von mir ausgeführte Mechanismus der Partikularisierung macht einen solchen politischen Kompass obsolet. Ebenso, wie er übrigens die Klassenkampf-Rhetorik der SPD und der Linken obsolet macht. Die Mechanismen der Macht zur Kenntnis zu nehmen, wäre diesen Menschen dienlicher, als irgendwelchen gestrigen Rattenfängern hinterher zu rennen, die eine gute alte Zeit propagieren, die es so nie gegeben hat.

Aber das wäre ja zu einfach. Dann müsste man ja selbst denken, anstatt sich freiwillig zum Claqueur der Populisten zu degradieren, und gleichsam zur Nutte des Konsums zu werden. „Opium des Volkes“, so nannte Marx die Religion. Die wird in unseren Breiten immer unwichtiger; da wundert es also wenig, wenn die Populisten mit ihren einfachen Antworten auf komplizierte Fragen und vor allem einem klaren Feindbild es sehr leicht haben, jene hinter sich zu scharen, die nach Antworten und einem Feindbild suchen, in der Hoffnung, ihrer Existenz wenigstens ein bisschen Sinn geben zu können.

Ich frage mich, wie lange ich hier noch schreiben kann, bevor irgendwelche im Stechschritt marschierenden Idioten meine Karre anzünden, meine Frau und meine Kinder und mich bedrohen, weil selbst denkende Menschen mit einer eigenen, auf Durchblick basierenden Meinung den Reaktionären Kräften schon immer ein Dorn im Auge waren? Wir werden sehen. Bis dahin hören wir uns weiterhin regelmäßig…

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Alter Sack – am Arsch…

Ich habe gerade spaßeshalber mal geschaut, was ich zu Beginn dieses Blogs, also vor etwa sechs Jahren, im Mai 2013 zum Besten gegeben habe. Mir fiel ein Artikel auf, der sich offensichtlich mit einem Aufmacher in der Wochenpostille „Stern“ beschäftigte. Da ging es wohl um das Thema „40, was nun?“. Damals war ich noch nicht mal 40, habe mich aber tierisch darüber aufgeregt, dass die Autorin wohl zu dem Schluss kam, dass man nach 40 automatisch langsamer wird (werden muss), weil’s nicht mehr so geht. Und mir ging tierisch der Hut hoch. Retrospektiv betrachtet vollkommen zu Recht!

Ex post betrachtet stellen sich die vergangenen sechs Jahre in vielerlei Hinsicht als ein Parforce-Ritt dar, der mich durch viele Tiefen aber auch einige Höhen geführt hat und mich nun, mit knapp 45 vor neuen Projekten und Aufgaben hat ankommen lassen, die man getrost als ein wichtiges Etappenziel bezeichnen kann. Eigentlich bin ich genau da, wo ich sein will. Nicht dass ich vor sechs Jahren präzise hätte sagen können, wo ich hin will; auch, wenn ich damals im Grunde meines Herzens schon wusste, dass mein alter Arbeitgeber mir nicht gut tut.

Ich sagte Etappenziel, weil’s jetzt erst richtig losgehen soll. Zumindest beruflich. Und auch, was mein liebstes Hobby, das Geschichten erzählen (oder besser: das Bücher schreiben) angeht, läuft’s gut. Privat befinde ich mich zudem nach wie vor in halbwegs stabilem Fahrwasser. Wenn da nicht mein alter, dunkler Freund wäre, der mich in letzter Zeit dann und wann besucht hat, um mich daran zu erinnern, dass zu hoch zu fliegen für mich keine Option darstellt: Depressionen.

Es wäre manchmal fast zum Lachen, wenn es sich nicht nach dem Gegenteil anfühlen würde: objektiv betrachtet könnte es im Moment nur schwerlich besser laufen und ich kratze gerade am Grund eines tiefen, kalten Beckens an den Steinen und frage mich, wie man da raus kommt. Es ist nicht so, dass mich das an irgendwas hindert, oder von irgendwas abhält. Im Gegenteil „funktioniere“ ich fast schon exzellent. Beängstigend exzellent, wenn man die Innenschau in Betracht zieht.

Gegenwärtig nehme ich das mit Irritation zur Kenntnis und versuche das Beste daraus zu machen; mich nicht zu sehr über jene zu ärgern, die mein Leben gelegentlich unnötig schwerer machen, oder meinen, mich benutzen zu können, wie’s ihnen in den Kram passt. Ich habe eine Familie, die – wie Familien nun mal sind – mal mehr Stütze und mal mehr Schubser ist. Und ich habe einige wenige Freunde, auf die ich mich stets verlassen kann. Und doch… und doch fehlt etwas. Nämlich das Gefühl von Glück.

Es ist ja nicht so, dass man als Mensch ein Anrecht auf dauerndes Glücklichsein hätte – auch wenn ich finde, dass man das ruhig in die Menschenrechtscharta mit aufnehmen könnte. Aber im Moment ist es dessen persistente, sachgrundlose Abwesenheit, die an mir nagt. Ich bitte daher um Entschuldigung, wenn meine übliche Benutzeroberfläche manchmal rissig wird und ich dem einen oder anderen nicht so begegne, wie er oder sie das verdient hätte. Manchmal ist einfach alles zu schwer. Dennoch möchte ich allen ein akzeptables Restwochenende wünschen.

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Gemeindenotfallsanitäter – wie läuft’s?

Vor einem knappen Jahr hatte ich einen Blogpost veröffentlicht, der sich mit dem Oldenburger Pilotprojekt befasst hatte. Mittlerweile ist das Projekt am Laufen und ich verfolge die Entwicklung mit großem interesse. Auch, weil ich immer noch die Idee verfolge, derlei auch im Südwesten umzusetzen. Daher hier Re-Blog meines damaligen Posts vom 18.05.2018:

Es ist also soweit: im Landkreis Oldenburg startet nun ein wissenschaftlich begleitetes Projekt zur Etablierung eines Gemeinde-Notfallsanitäter-Systems. Und schon kommen Kommentare wie “billiger geht’s wohl nicht”. Tja, dümmer geht’s wohl nicht… Was soll ein GNFS denn tun? Hat sich mal jemand echte Gedanken über diese Frage gemacht? Wer aufmerksam liest, stellt einige Punkte fest, die interessant sind:

  • Alarmierung durch die Ortszuständige integrierte Leitstelle
  • Alarmierung bei Situationen unterhalb der Notfallschwelle
  • mehrmonatige Zusatzausbildung

Ein Gemeinde-Notfallsanitäter wird hier gedacht als Gatekeeper, der einer weiteren Überschwemmung der Notaufnahmen und des Rettungsdienstes mit unnötigen Bagatelleinsätzen Einhalt gebieten soll. Wenn ich das wenige, was bisher bekannt wurde richtig interpretiere, ist dies ein erster Schritt zur Veränderung der Akut-Versorgung, wie wir sie kennen. Und aus mehreren Blickwinkeln vermutlich der richtige: Aus ökonomischer, weil unnötige Hospitalisierungen und deren Folgekosten vermieden werden. Aus organisatorischer, weil eine Disposition aus einer Hand die Ressource RTW und NA für echte Notfälle freihält. Aus Sicht der Arbeitsgestaltung, weil es eine neue Chance zur Weiter-Qualifizierung schafft. Aus medizinischer, weil der GNFS eine Schnittstelle zwischen verschiedenen Komponenten des Gesundheitswesens sein könnte. Und aus sozialer, weil es einen Teil der Sorge für die Gemeinschaft wieder näher an die Gemeinschaft trägt.

Sieht man sich nämlich amerikanische Community Paramedic Programme an (hier z.B.- aus Minnesota), so wird klar, dass diese auch für präventive Aspekte Sorge tragen sollen; also z.B. das Monitoring von chronisch Kranken, die Nachsorge nach Klinik-Aufenthalten organisieren oder auch Unterricht in medizinischer Selbstkompetenz planen und durchführen. Für diese Aufgaben ist der deutsche NFS ebenso wenig ausgebildet, wie der amerikanische Paramedic (wobei es den als Archetyp ja gar nicht gibt), was aber bedeutet, dass derjenige, der ein Curriculum für GNFS entwickeln möchte/soll tatsächlich “dicke Bretter bohren” muss, um es mal mit den unnachahmlichen Worten unseres Landesinnenministers zu sagen…

Hier mal ein Vorschlag für eine Grobstrukturierung eines solchen Curriculums:

  • 40 h Einführung in die Aufgabenbereiche des GNFS
  • 160 h Erweiterte Grundlagen der Pflege (davon 40 h Praxis-Einsatz auf Station)
  • 40 h Schnittstelle Pflege/Nachsorge – Akutversorgung
  • 360 h Krankheitslehre / Pharmakologie (davon 40 h Praxis-Einsatz in Arztpraxis und 40 h Praxis-Einsatz in einer ZNA)
  • 40 h Erstellung eines Behandlungsplans
  • 80 h Methodisch-Didaktische Aufbauschulung  zum Ausbilder für medizinische Selbstkompetenz (davon 20 h Hospitation in einer Ausbildungseinrichtung im Gesundheitswesen)
  • 40 h Rechtsfragen: u.a. Haftung und strafrechtliche Fragen, Delegation
  • 40 h Abschlusswoche mit Prüfung

Wären netto 800 h Ausbildung, die von einer E-Learning-Plattform zum Selbststudium und  weiteren Praxisbegleitungen in der Anfangsphase flankiert werden müssten. Die Voraussetzungen wären:

  • mind. 2 Jahre als NFS tätig gewesen
  • Aufnahmetest zur Ausbildung
  • Monitoring durch ein Board aus Ärzten (sowohl NA als auch aus dem hausärztlichen Bereich) und erfahrenen Pflege-, sowie NFS-Ausbildern.
  • obligate 48 h anstatt 30 h Fortbildung pro Jahr

Ich würde mich gerne an der Etablierung eines solchen Ausbildungsganges beteiligen. Sonst noch wer?

Randnotizen eines Erschöpften #09 – Popanz und Populismus

Menschen – und ich zähle, wenn auch wiederwillig, immer noch dazu – neigen zur Simplifizierung. Große Komplexität macht uns Angst, weil die allermeisten von uns NICHT in der Lage sind, große Zusammenhänge sinnbringend zu durchschauen. Also versuchen wir es erst mal mit einem kleineren Bild… und in der Folge auch mit dem kleineren Lösungsansatz. Insbesondere, wenn sich das wahre Problem in einem großen Wirrwarr von gegenseitigen Abhängigkeiten verbirgt.

Nun ist reziproke Dependenz leider eines der Hauptmerkmale unserer modernen Gesellschaften. Wir sind so viele, mit so vielen Interessen und Problemen. Und selbst, wenn diese Sorgen und Probleme und Interessen gebündelt werden, indem wir dafür Interessenvertretungen bemühen – z. B. Parteien, Gewerkschaften, etc. – bleibt immer noch der Prozess, innerhalb einer solchen Interessenvertretung Konsens über das gemeinsame Ziel herstellen zu müssen.

Die Partikularisierung der Gesellschaft, vorangetrieben durch deren fortwährende soziale und kulturelle Entwicklung, hat jedoch dieses Erzielen von Konsens immer schwieriger gemacht und tut dies noch. Und trotzdem erwarten die Menschen noch einfachere Antworten auf immer komplexere Fragen. Es braucht wenig Phantasie, um zu erahnen, wo das hinführt; nämlich bis zu einer weitreichenden Lähmung unserer demokratischen Institutionen, da deren Mitarbeiter in genau dem gleichen Fehlschluss gefangen sind, wie die Bürger, deren Interessen zu vertreten sie eigentlich aufgerufen sein sollten. Doch auch unsere Volksvertreter sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Das allein könnte man vielleicht noch irgendwie kompensieren. Doch in eben dem Maße, in dem diese Komplexität uns behindert, ist sie jenen hilfreich, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben. Und auch, wenn es Ausnahmen geben mag, sind diese doch nur dazu gut, die Regel zu bestätigen: jene die sowieso schon haben nutzen jede Deckung, welche unser Gesellschaftssystem bietet, um noch mehr in Besitz nehmen zu können, vernichten dabei nicht nur Existenzen sondern auch unsere Umwelt und zeigen stets mit dem Finger auf die anderen, um sie an ihre Eigenverantwortung zu erinnern.

Dabei ist Eigenverantwortung mittlerweile eine Illusion. Selbst wenn ich hart arbeiten gehe, stets pünktlich meine Rechnungen zahle, versuche, meinen CO2-Abdruck zu verkleinern, meine Kinder zu vernünftigen Menschen zu erziehen, Nazis, Rassisten und Chauvinisten entschieden entgegentrete, mich in meiner Gemeinde engagiere; also durch und durch ein verantwortungsbewusstes Individuum bin – habe ich keinerlei Einfluss auf unsere Politik. Den nehmen nämlich nur jene, die sich durch geschickten Einsatz ihrer vielfältigen Ressourcen stets an der richtigen Stelle Gehör verschaffen können.

Sie verstecken sich dabei hinter dem wohlfeilen, jedoch überkommenen Bild einer wünschenswerten Mittelstands-Gesellschaft. Die kann es aber – in deren Narrativ – nur geben, wenn jeder schön für sich tut, was ihm gesagt wird. Und dann kommt ein Kevin Kühnert daher und faselt von demokratischem Sozialismus. Und weil die Beißreflexe der selbsternannten Leistungsträger durch 70 Jahre ordoliberaler Indoktrination so schön konditioniert sind, fangen gleich alle an, die DDR-Keule zu schwingen. Armselige Narren, allesamt… Kevin K. wurde zum Popanz aufgebläht, obwohl er lediglich etwas angemerkt hat, was in der Bevölkerung schon lange als real erlebt wird: steigende soziale Ungleichheit. Und das diese nicht etwa entsteht, weil die Menschen sich nicht genug anstrengen würden.

Was mir dabei aufgefallen ist: alle schreien immer gleich „Populismus!“, wenn irgendein AfD-Fuzzi was Dummes oder Rassistisches absondert (was ja zumeist nur eine Frage der Zeit ist); wenn jedoch ein Politiker (OK, ein JUSO…) ein Thema aufrollt, das durchaus von relevantem gesellschaftlichen Interesse ist, jedoch nicht von Interesse der Habenden und andere ihn dann verbal platt zubügeln versuchen, redet so gut niemand von Populismus, weil die Lobbyisten der Habenden die Politik offensichtlich gut im Griff haben. Wen soll man denn da wählen, am 26.05.? Ich werde hier kein Votum abgeben, aber die schwarzen, die Gelben und die Blauen bekommen meine Stimme gewiss nicht. Schönen Sonntag noch.

Der verwirrte Spielleiter #07 – … und Action!

Slash, Boom, Hack, Metzel! Wenn man die Entstehungsgeschichte des Pen&Paper-Rollenspiels nochmal kurz betrachtet, fällt natürlich sofort auf, dass es seine Wurzeln in Wargaming hat und daher schon von Anfang an mit Systemen zur physischen Konflikt-Lösung – also Kampfregeln – daher kam. In den früher Jahren war es denn auch der Konflikt und das, mal mehr, mal weniger taktische Bezwingen von Gegnern, das die Spielrunden dominierte. Das dabei auch Geschichten erzählt wurden, war damals jedoch eher ein spaßiges Nebenprodukt. Echte Identifikation mit der eigenen Spielfigur, also dem Charakter stand bei vielen Runden nicht im Mittelpunkt.

Im Lauf der Zeit wurde jedoch vielen Spiele-Entwicklern klar, dass nur zu kämpfen und Fallen auszuweichen auf die Dauer seinen Reiz verliert. Die Charaktere bekamen nun, neben Statistika für Attribute auch solche Fertigkeiten zugestanden, die nichts mit Kämpfen zu tun hatten. Und primär nicht auf das Kämpfen ausgelegte Charakter-Klassen wie Barden, Diebe, etc fanden ihren Weg ins Spiel. Spieler und SL begannen, mehr und mehr Wert auf Rollen-Spiel zu legen; also darauf, dass man auch abseits der Action eine Rolle ausfüllen konnte und etwas zu tun bekam, das Sinn und Spaß machte. Aus Wargaming und Dungeoncrawling wurde – nach und nach – Storytelling. Geschichten, die den Spielern die Chance zu tieferer Immersion in die, zudem immer ausgefeilter werdenden Spielwelten gaben, wurden zum Quasi-Standard.

Die Formen des Spiels, die Arten auf die Spieler und SL ihren Spaß aus dem Spiel ziehen, haben sich verändert. Die Ansprüche an die Komplexität der Geschichten, den Detailreichtum der Settings, die erzählerischen Fähigkeiten des SL wurden höher. Und, so denke ich zumindest selbst – die Qualität des Spiels ist in vielerlei Hinsicht dabei gewachsen. Klassische Strukturen des Dramas, wie man sie aus Theaterstücken und Prosatexten kennt, fanden ihren Eingang in das Repertoire vieler SL und bereicherten das Storytelling. Und doch – das Drama bedarf für seine Spannung eines Antagonisten, eines Konfliktes, eines Scheiterns und einer Katharsis. Woraus folgt, das Regeln für den Kampf auch im „modernen Storytelling“ ihre Daseinsberechtigung haben.

Wenn das jetzt ein bisschen zu sehr wie eine Entschuldigung für Action im Rollenspiel geklungen haben mag, sei’s drum. Wichtig und richtig ist, das Konflikt und Kampf in meinen Spielrunden nicht als Mittel zum Zweck eingesetzt wird, sondern als Vehikel, um die Story voranzutreiben. Und das es dabei gegenüber den Spielern und ihren Charakteren fair zugeht. Denn sie wollen sich ihre Erfahrung wirklich verdienen. Doch was bedeutet das für den SL…?

Meine diesbezügliche Arbeit beginnt damit, stets einen halbwegs präzisen Überblick über die Entwicklung der Charaktere zu behalten, damit ich weiß, welches Maß an Herausforderung sie verkraften und womit ich sie über- oder unterfordere. Daraus folgt die Anpassung der Fähigkeiten der von mir genutzten NSCs. Egal ob diese als reine Antagonisten, als neutrale Kräfte, oder als Unterstützer eingeplant sind; jeder verfolgt stets seine eigene Agenda. Konfligieren die Pläne eines (oder auch mehrerer) NSCs mit jenen der Charaktere, entstehen logischerweise Spannungen, die ich dann bis hin zu direkten Konfrontationen (z.B. eben Kämpfen) steigern kann. Dabei darf jedoch auch eine einzelne schicksalhafte Begegnung niemals nur dem Selbstzweck „Action“, „NSC-Coolness“, „Lückenfüller“ oder „Erfahrungspunkte“ dienen. Denn damit entwerte ich die mühsam aufgebaute Spannung und mache aus einem u. U. sehnsüchtig erwarteten Höhepunkt ein banales „Monster der Woche“.

Action im Sinne von angewendeter Gewalt sollte nur an jenen Punkten entstehen, wo die Pläne der unterschiedlichen Parteien unausweichlich aufeinander treffen und eine Entscheidung darüber herbeigeführt werden MUSS, welche Handlungen erfolgreich sein werden. Deshalb nannte ich es vorhin auch schicksalhafte Begegnung. Aus einer Besprechung mit dem Unterstaatssekretär für innere Sicherheit kann durchaus Spannung entstehen; jedoch nur in dem Sinne, dass ich die Erwartungen für ein packendes Finale steigere, in dem ich nach und nach beängstigende Details über den Gegner enthülle (=> Exposition). Treffen jedoch zwei Parteien mit unterschiedlichen Zielsetzungen in einem verschollenen Raumschiff aufeinander, wird es irgendwann zwangsläufig zu einem Shootout (oder was auch immer) kommen. Bemerkenswert finde ich dabei übrigens, dass meine Spieler eigentlich fast immer versuchen dem Ärger so lange aus dem Weg zu gehen, bis es keine andere Lösung mehr gibt. Und es gab auch schon Pläne, die bis auf’s I-Tüpfelchen funktioniert haben. Das ist allerdings eine Rarität.

Natürlich zwinge ich niemanden, an Kämpfen teilzunehmen. Die Spieler können es an bestimmten Punkten auch einfach laufen lassen, um sich später auf andere Art mit dem Problem auseinander zusetzen, oder alternative Lösungen suchen. Aber ich gebe gerne zu, dass ich Szenarien meist etwas zuspitze, um ihnen eine Chance zu geben, die wohltrainierten Muskeln (oder Köpfchen) ihrer Charaktere spielen zu lassen. Denn, wenn wir ehrlich sind – eigentlich wollen wir das als Spieler ja auch genau so! In der Hitze des Gefechts glänzen zu können hat schließlich seinen ganz speziellen Reiz.

Womit wir bei einem weiteren Kardinalfehler beim Einsatz von Action wären. Zuviel, oder in den falschen Situationen verdirbt, wie eben ausgeführt die Story. Zu wenig unterfordert und langweilt die Spieler. Allerdings die Spannung bis zu einem Kampf aufzubauen und dann den Spielern diesen Kampf durch einen NSC wegzunehmen, ist auch Kacke. Natürlich klingt ein geschenkter Sieg im ersten Moment charmant. Es entwertet jedoch die Arbeit und Motivation der Spieler. Natürlich möchte man seinen Charakter nicht unbedingt dauernd bluten sehen, aber wenn es nötig ist, um den Job zu erledigen, dann soll es verdammt nochmal so sein! Auf eine Klimax hinzuarbeiten und sie dann einfach platzen zu lassen ist wie Sex ohne Orgasmus. Ganz nett, aber nicht wahre Jakob. Die Fairness gebietet es, die Charaktere zu fordern, wenn es etwas zu erringen gilt. Sonst kommen sich die Spieler verschaukelt vor.

Mit Sicherheit gibt es SL und Spieler, die das anders sehen und Action all night long wollen. Das kann man mal machen, wenn sich alle auf ein Dungeoncrawl-Oneshot geeinigt haben; einfach, um mal die Sau rauszulassen. Für eine richtige Kampagne wäre mir das aber viel zu langweilig. In diesem Sinne wünsche ich ein schönes Wochenende und always game on!

Auch zum Hören…

Die Causa Kevin K.

Tja. Eines muss man ihm lassen, polarisieren kann er, der Herr K. von den Jusos. Das hatte er zuvor schon bewiesen, doch nun hat er es neuerlich getan. Und das auch noch mit Wucht, hat er sich doch zum Sozialismus bekannt und in einem Interview dargelegt, welche Ideen und Gedanken er damit verbindet. Das er dafür einen neoliberalen Shit-Storm von titanischen Ausmaßen ernten würde, dürfte ihm vorher klar gewesen sein, denn der Herr K. ist vieles, aber gewiss nicht dämlich.

Dazu fallen mir erst mal zwei Dinge ein. Zunächst die Kommentierung von Andreas Scheuer; dieses Lobbyisten-gesteuerte Juwel bajuwarischen Filzes sollte einfach mal in seinem eigenen rhetorischen Leichenkeller schauen gehen. Da würde er schon genug selbst produzierte Scheiße finden – also (frei nach Nuhr) einfach mal Schnauze halten! Und dann der Umstand, dass jemand mit halbwegs funktionierendem Neo-Cortex mit einem solchen Konvolut an Äußerungen sicherlich bewusst provozieren wollte. Was dazu führt, dass sich jeder dazu bemüssigt fühlt etwas zum Sujet zu sagen. Ich ja auch.

Nun haben auch andere schon eingeworfen, dass es doch eigentlich gut ist, wenn mal jemand die Diskursräume erweitert, das Prädikat der Alternativlosigkeit unserer Art zu wirtschaften in Frage stellt; und damit gleich auch unsere gesamte soziale Ordnung. Das die Kollektivierung irgendeines Konzerns weder mit unserer Gesetzgebung vereinbar, noch tatsächlich vernünftig wäre, steht dabei außer Frage. Doch braucht eine Susanne Klatten tatsächlich 21,1 Milliarden Euro Privatvermögen? Ich gebe die Antwort aus meiner Sicht an dieser Stelle natürlich dazu (ist ja meine Kolumne, da kann ich auch meine Meinung propagieren): NO WAY! Kein Mensch braucht so viel Geld.

Insbesondere nicht, wenn dieses Geld nur auf eine Art zusammen kommen kann. Nämlich, indem andere ausgebeutet werden und dadurch nicht mal genug für ein halbwegs würdiges Leben haben. Und wenn jetzt wieder die ganzen supertollen Leistungsträger aus ihren Löchern gekrochen kommen und rum krakeelen, das man halt nur mit Leistung Wohlstand schaffen kann: lest bitte mal das Buch „Eine Billion Dollar“ von Andreas Eschbach. Sehr erhellend bezüglich der Zusammenhänge von Wohlstandswachstum.

Man mag vieles als Träumerei eines Utopisten abtun, was da in diesem Interview abgedruckt wurde. Mit seinen Einwürfen hinsichtlich der vollkommen ausufernden Ökonomisierung des Angebots von Grundbedürfnissen (er spricht hier von Wohnraum, aber auch im Gesundheitswesen finden ich genug Negativ-Beispiele) macht Herr K. jedoch einen beachtlichen Punkt. Und allein der Umstand, dass bei allen möglichen Kommentatoren der Beißreflex einsetzt, ohne sich auch nur eine Sekunde sachlich mit seinen Thesen auseinander zu setzen, beweist ohne Umschweife, dass diesbezüglich erheblicher Handlungsbedarf besteht.

„Die Linken sind doch die übrig gebliebene SED aus der DDR. Da soll er hingehen!“, „Der Sozialismus ist immer gescheitert!“, „Das sind doch nur theoretische Hirngespinste, die an der Natur des Menschen scheitern müssen!“. Herrjeh, wenn ich mich natürlich selbst zur Konsumnutte degradiere, das eigenständige Denken als zu mühselig empfinde und daher schön blöd nachplappere, was z. B. die Vertreter der zweit-unnötigsten Partei (FDP) immer wieder Gebetsmühlenartig regurgitieren, nämlich das Märkte und der gesunde Menschenverstand schon alles regeln, dann kann ich auch den Herrn K. für einen Dämon aus Rotsockien halten.

Faktisch jedoch braucht es sozialistische Elemente in der demokratischen Politik um die Auswüchse menschlicher Gier im Zaum zu halten. Ohne die Sozialisten gäbe es nämlich immer noch ungezügelten Manchester-Kapitalismus. Aber der Markt macht ja, dass da nicht so viele Kinder an der Armutsgrenze leben müssen und das viel zu viele Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, die mit ihrere Arbeit nicht in der Lage sind, ihre Existenz zu finanzieren und… ach halt, Moment. Das haben wir ja gerade. Weil die neoliberalen Kräfte in unserem Land die Errungenschaften der wahren Sozialdemokratie in den letzten 30 Jahren Stück für Stück demontiert haben. Danke für nichts, ihr fetten Bonzen!

Sorry, aber ich kann dieses närrische Geschwätz selbsternannter „Leistungsträger“, die immer noch meinen, dass sich die tatsächlichen Strippenzieher ihnen nahe fühlen würden nicht mehr hören. Was ist denn ein Leistungsträger? Fängt das bei 100K/anno an? 150? 200? Ihr seid für Menschen wie Frau Klatten insignifikante Hungerleider. Fliegenschisse des Sozialen. Eine Bedrohung für ihr Kapital, weil ihr euch ein Stück von ihrem Kuchen holen wollt. Kapiert es endlich: wohl verstandener Sozialismus bedeutet nicht Gleichmacherei sondern ausgleichende Gerechtigkeit. Und wer dafür nicht sein kann – Entschuldigung, aber so hart muss es mal gesagt werden – ist ein asozialer Spinner, dem das Wahlrecht entzogen gehört. Schönes Wochenende!

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