Rettungsdienstbashing goes social media…

Auf Facebook wird wieder gejammert, wie schlecht der Rettungsdienst in unserem Kreis doch ist – also das Feld, in welchem ich seit vielen Jahren tätig bin. Ich kann und will es nicht mehr hören, weil mich dieses Gebashe krank macht; insbesondere jenes durch Leute, die es eigentlich besser wissen müssten, aber lieber billige Polemik absondern, anstatt über ihren Parteipolitischen Tellerrand zu schauen und in diesem speziellen Bereich etwas sinnvolles für ihre Bürger zu tun (was in anderen Bereichen getan oder nicht getan wird, kann und werde ich nicht beurteilen). Hier ist der Thread und unten drunter noch mal in aller Breite meine Antwort. Bis die Tage wieder…

https://www.facebook.com/chris.rihm/posts/10203278800284595?comment_id=10203279016129991&offset=0&total_comments=6&notif_t=feed_comment_reply

„Sehr interessant – dabei wird gerne die Tatsache übersehen, dass es die Krankenkassen sind, welche bei der Rettungsmittelgestellung auf die Bremse drücken. Hilfsfristen lassen sich jedoch nur dann einhalten, wenn man auch genug Manpower auf die Straße bringt, den Beruf interessant genug für eine ausreichende Nachwuchsgewinnung macht (und das bedeutet nicht nur ein leistungsgerechtes Gehalt) und dem Bürger bewusst macht, dass ein fieberhafter Infekt mit Abgeschlagenheit keinen Grund für einen RTW-Einsatz mit Transport ins KH darstellt! Solange ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Bürger mit ihren Hilfeersuchen, welchen nach Ba.-Wü.-Rettungsdienstgesetz IMMER nachzukommen ist Rettungsmittelmissbrauch betreiben und Vertreter der Krankenkassen meinen, sie könnten doch noch ein bisschen am RD einsparen, wird es immer wieder Fälle geben, in denen Hilfe nicht zeitgerecht eintrifft, schlicht, weil keine Einsatzmittel in der Nähe verfügbar sind. Dem trägt auch der Umstand bei, dass der RD in 95% aller Einsätze in 10, höchstens aber 15 Minuten am Einsatzort sein soll. Was bedeutet, dass dies in 5% der Fälle schlicht nicht möglich ist, weil das System zumindest dem Grunde nach wirtschaftlich arbeiten soll – oder möchte hier irgendjemand 35% von seinem Bruttolohn als KK-Beitrag abführen? Aber anstatt sich den wahren Schuldigen zuzuwenden, nämlich jenen, die in Kostenverhandlungen mit der Kettensäge auflaufen und lieber der Pharmaindustrie noch ein bisschen Zucker zuschanzen, einfach weil diese die bessere „Argumente“ hat, prügelt man lieber auf die Leitstelle und das RD-Personal ein, weil diese a) sich ja nicht wehren dürfen, sie haben schließlich „kundenorientiert“ zu arbeiten, b) keine Lobby haben, außer sich selbst und c) es einfacher ist, als ein Bürgerbegehren gegen die miese Sparerei und Klientelpolitik der Krankenkassen zu initiieren. Sorry, aber dieses selbstgerechte Gelaber, dass meine Kollegen und ich so schlecht sind, dass wir es nicht mal auf die Reihe kriegen, pünktlich zu kommen, ist ungerecht, ungerechtfertigt und einfach nur billig! Eine Gesellschaft bekommt genau die Dienstleistungen, die proportional dem Interesse, dem Engagement und der Zahlungswilligkeit ihrer Nutzer entspricht. Ihr wolltet doch freie Märkte, weil Geiz geil ist – da habt ihr sie. Ich habe fertig!“

PS: Bevor jetzt irgend jemand jammert, dass ich ihn hier nicht hätte zitieren dürfen: Facebook ist öffentlich, meine Antwort ist öffentlich, denn es geht im Grunde um etwas von öffentlichem Interesse. Wer seine Meinung nicht abgebildet sehen will, sollte auch nicht kommentieren!

This terrible Angst…

Irgendwann dieser Tage bin ich mal wieder in Grübelei versunken. Wie bei vermutlich vielen Menschen stand dabei dieses diffuse Bedrohungsgefühl im Hintergrund, diese gleichsam nutzlose und dennoch nicht weichen wollende Frage, was wäre, wenn hier und jetzt ein Terroranschlag passieren würde. Ich laufe durch die Fußgängerzone, weil ich Besorgungen zu erledigen habe und – BUMM. Oder, die perfidere Variante, dass es bereits BUMM gemacht hat und ich als zum Ort des Geschehens eilende Rettungskraft in das Visier der Attentäter geriete. Oder – und das wäre für mich noch viel grausamer – dass meine Lieben zu Opfern würden. Ist – leider – nicht allzu weit hergeholt, weil schon oft genug geschehen und Terror ist nun mal asymmetrischer Krieg gegen weiche Ziele, wobei es zuvorderst um Opferzahlen und Symbolwirkung geht, nicht um Strategie und Ressourcen.

Allem Wissen um Geschichte und Geopolitik, um die bloße Denkspielhaftigkeit dieser Überlegungen zum Trotz mochte das ungute Gefühl im Bauch nicht recht weichen. Ich bitte darum, mich nicht falsch verstehen zu wollen: ich laufe nicht den ganzen Tag mit eingezogenem Kopf von Deckungspunkt zu Deckungspunkt; es ist eher so ein Bewusstwerden der eigenen Verletzlichkeit und der Unmöglichkeit, etwas so hinterhältiges und perfides wie einen Terrorakt vorhersagen, oder gar verhindern zu können. Sicherheitskreise, wie die Nachrichtendienste im Journalistendeutsch gerne genannt werden, pochen ja dauernd auf ein mehr an Datenzugriff, auf gläserne Bürger, weil sie immer noch der Illusion hinterher rennen, dass Datamining tatsächlich statistische Modelle liefert, mit deren Hilfe menschliches Verhalten quasi in Echtzeit vorhersagbar würde. Was für ein Bullshit! Wäre menschliches Denken und Handeln tatsächlich mit Hilfe statistischer Modelle darstell- und somit vorhersagbar würden Psychologen nach menschlichen Tragödien nicht immer versuchen, zu erklären, wie es ihrer Meinung nach dazu kommen konnte, dass niemand das kommen sah…

Ich bitte nochmal darum, nicht missverstanden zu werden: die Psychologie kann als wissenschaftliche Disziplin durchaus sehr hilfreich sein, aber Regressionsanalysen sind nun mal keine Kristallkugeln. Und so wenig, wie sich ein Selbstmordversuch präzise vorher sagen lässt, so wenig ist das bei einem Attentat der Fall. Man darf sich sicher sein, dass auch wir hier in Deutschland irgendwann Opfer zu beklagen haben werden, aber das größte Opfer, dass wir in diesem Zusammenhang erbringen werden, liefern wir schon gerade ab. So wie ich hier. Nämlich indem wir anfangen, die Sicherheit unseres Lebensraumes zu hinterfragen, womöglich beginnen, unsere Art zu Leben zu verändern, um nicht Gefahr zu laufen, Opfer zu werden; dabei sind wir genau in dem Moment doch schon eines geworden. Denn die stärkste Waffe des Terroristen sind nicht seine Pistolen und Gewehre, seine Bomben und Granaten sondern die Furcht, welche die Möglichkeit, sich deren Gewalt ausgesetzt zu sehen in den Herzen der Menschen säht.

Und wie ich so darüber sinnierte, dass es eigentlich töricht ist, Angst zu haben, wenn man doch weiß, dass es nichts an irgendwelchen Bedrohungslagen und Terrorwarnstufen ändert, fiel mir ein altes Zitat von Sir Peter Ustinov ein: „Der Terrorismus, der im furchtbaren 11. September kulminierte, ist ein Krieg der Armen gegen die Reichen. Der Krieg ist ein Terrorismus der Reichen gegen die Armen.“. Es mag einem zum jetzigen Zeitpunkt wenig hilfreich, oder gar tröstlich vorkommen, aber die einzige Hoffnung, diesem ganzen Unfug ein Ende zu bereiten ist, dem Terror seine Basis zu entziehen. Und zwar, indem die so genannten führenden Nationen dieser Welt endlich die arrogante Position aufgeben, dass es allein ihnen, bzw. ihren Führern gegeben ist, darüber zu befinden, was für alle Menschen rings um den Erdball das Beste ist. Dass man Völkern die Demokratie mittels Krieg aufoktroyieren kann. Dass die Interessen der führenden Industrienationen als unumstößliches Primat über allem anderen stehen. Und das sind nur ein paar Dinge, die man ändern müsste, um tatsächlich zum Frieden zu kommen.

Solange die führenden Mächte dieser Welt den Globus in Interessenzonen einteilen und in „ihrer“ jeweiligen Domäne nach Belieben abzocken, ausbeuten, diktieren und manipulieren, oder dies zumindest versuchen, wird es am anderen Ende dieser Beziehung Menschen geben, die wütend genug über diese Umstände sind, sich bereitwillig zu opfern, um ein Fanal gegen die zynische Gier und Arroganz der „Führer der freien Welt“ zu setzen. Und wenn ich es so betrachte, habe ich eigentlich mehr Angst vor unseren „Führern“, als vor irgendeinem Menschen, der sich in Enttäuschung von unserem Lebensstil abgewandt und radikalisiert hat. Wir produzieren diese Geister, die uns so sehr ängstigen selbst! Natürlich fände ich es schlimm, wenn jemand mir nahe stehendes einem Attentat zum Opfer fiele. Aber ein Ruf nach Rache bringt niemandem etwas. Er bringt keine Toten zurück ins Leben und er bringt keinen Frieden für jene, die zurück blieben und auch in Zukunft bleiben werden, wenn es wieder zu Terrorakten kommt.

Wir schauen auf unsere Sicherheitsbehörden, die hektisch ermitteln und verhaften und verhören. Doch dass, wogegen die Männer und Frauen in Zivil und Uniform antreten ist nur ein Symptom für eine viel schlimmere, tiefgreifendere Krankheit unserer Gesellschaft: die Gier nach Ressourcen, bei deren Verfolgung die Verantwortlichen in selbst den demokratischsten aller Staaten alles in Kauf nehmen, um ihre Macht zu sichern. Nur wirtschaftliches Wachstum garantiert wirtschaftliche Blüte garantiert Wohlstand garantiert Zufriedenheit garantiert Wählerstimmen. Ist es tatsächlich so einfach, sind wir tatsächlich alle käuflich sind, nur weil wir von der Subsistenz zur Existenz kommen wollen? Ich weiß es nicht; wirklich nicht. Aber so wie es ist, kann und darf es nicht bleiben. Sonst ist der einzige Lohn eines Lebens Angst. Angst um das Leben, Angst um das Einkommen, Angst um alles. So will ich eigentlich nicht mehr leben müssen, aber weil grundsätzliche Veränderungen nur langsam voran gehen, selbst wenn viele nach ihnen rufen, werde ich mich wohl damit abfinden müssen, auch mit etwas Angst im Herzen erhobenen Hauptes durch mein Leben schreiten zu müssen. In der Zwischenzeit will ich versuchen etwas zu tun, damit es besser wird und ich, oder besser jeder weniger Angst haben muss. Mal sehen, was die Zukunft bringt…

Empathie-Oxidation

Man kann einfach nur für sich leben. Ja, das geht! Man eignet sich einfach diese Arschloch-Attitüde an, dass die ganze verdammte Welt ein dauerhaft geöffneter Selbstbedienungsladen ohne Kasse ist. In altmodisch nennt man solches Verhalten egoistisch oder schlicht asozial. Auf neudeutsch nennt man sowas schick. Denn offensichtlich haben immer mehr Menschen Ansprüche an die Gesellschaft um sie herum, die jedoch durch keinerlei Leistung für die Gesellschaft um sie herum begründbar wären. Ob das nun diese Spasten sind, die wegen eines Bekannten mit Männerschnupfen Mittwochs Morgens um halb drei einen Noztarztwagen verlangen, diese hektischen, zappeligen Drängler, denen es bei keiner noch so unwichtigen Verrichtung schnell genug gehen kann, oder dieses Pack, dass sich gegenüber Amtspersonen alles erlauben zu können glaubt; all überall sieht man, zumindest gefühlt, nur noch dumme, dreiste Menschen!

Natürlich trügt diese Empfindung ein Stück weit, weil Menschen auf negative Erlebnisse erwiesenermaßen schneller und heftiger reagieren und diese auch besser erinnern können. Dem liegt ein uralter Schutzinstinkt zu Grunde, der dem Mammutjagenden Höhlenmenschen behilflich sein sollte, brenzlige Situationen so früh erkennen zu können, dass eine Flucht noch möglich gewesen wäre. Vor einer Gesellschaft, die zumindest in Teilen hohlzudrehen scheint weglaufen zu wollen, ist allerdings ziemlich vermessen, wenn man nicht bei den Yanomami um Asyl anfragen möchte. Und so bleiben am Ende des Tages oft nur die, leider allzu langsam verblassenden Erinnerungen an dumme, dreiste Menschen! Ich meine, mich dunkel erinnern zu können, dass mein Menschenbild beim Verlassen der Schule deutlich positiver war, als dies heute der Fall ist. Zwei Jahrzehnte berufliche Tätigkeit im Gesundheitswesen haben mir die Lust auf soziale Interaktion abseits selbst gewählter Kontakte deutlich abkühlen lassen. Nichtsdestotrotz kann ich immer noch eine sehr gefällige Bedienoberfläche präsentieren, wenn die Situation es verlangt. Und das tut sie in meinem Job nicht eben selten.

Nun gibt es aber einen eklatanten Unterschied zwischen dem, was die Menschen von mir zu sehen und zu hören bekommen und dem, was ich mir wirklich denke. Nicht selten ertappe ich mich im Rahmen irgendwelcher notwendiger Kommunikationsakte dabei, dass ich die verbalen Auswürfe des Gegenübers zwar irgendwie wahrnehme und sogar darauf reagiere, während ich in meinem Hinterkopf das wunderbar entspannende Geräusch einer sich entladenden automatischen Waffe höre. Und kann dann sogar lächeln… Nicht das jetzt irgendjemand Angst bekommt – ich selbst besitze keine Waffen und habe auch keine wirklichen Mordambitionen, aber manche Menschen texten einen so unnötig redundant zu, dass man sich ein bisschen in kleinbürgerlichen Großmachtphantasien ergehen muss, um der Situation die Schärfe nehmen zu können.

Man könnte jetzt also einfach subsummieren, dass meine Empathie wohl oxidiert ist. Überbeanspruchung scheint sie rosten zu lassen. Zum Teil ist das auch richtig. Ich schrieb mal, zumindest sinngemäß, in einem Buch, dass man nicht unbegrenzt oft Mitgefühl haben und geben kann, weil man sich sonst selbst verliert. Nach dieser Maxime mit Gefühlen zu haushalten, klingt vielleicht auf den ersten Blick kalt, wenn man aber jedes fremde Leid ungefiltert auf sich wirken lässt und das in einem Job, der sich hauptsächlich mit menschlichem Leid befasst, geht man daran kaputt und zwar relativ schnell und sehr sicher! Also fahre ich mit meiner Strategie, Emotionen nur sehr bewusst an mich zu lassen und selbst nur sparsam welche auszusenden aus psychologischer Sicht voll auf Sicherheit. Ich habe ja auch noch ein paar Jahre in der Arbeitswelt vor mir. Das wahre Problem sind nicht Menschen, die ihre Empathie bewusst nutzen, oder es eben auch mal bleiben lassen, sondern jene Menschen, die offensichtlich keine besitzen, weil ihnen niemals jemand beigebracht hat, wie sich Mitgefühl und Solidarität, die aber nur aus Mitgefühl erwachsen kann anfühlen. Und von solchen Individuen gibt es leider immer mehr.

Ohne jetzt in Weltschmerzgejammer verfallen zu wollen, lässt sich eine Empathie-Oxidation konstatieren, die einige bedauerliche Folgen mit sich bringt. Zum einen ist es natürlich insgesamt für die Hilfsbereitschaft, ja ganz grundsätzlich für die Solidarität als menschlichen Grundwert ziemlich beschissen, wenn einer Vielzahl von Menschen die Fähigkeit zur Empathie verloren geht, denn die ist der Kleber, welcher das soziale Gefüge einer Gesellschaft als Ganzes zusammen hält. Ohne jetzt auf irgendwelchen soziologischen Theorien herumreiten zu müssen, lässt sich ganz platt sagen, dass mit dem Verlust des Mitfühlens auch der Verlust der Sozialität, des sinnvollen Miteinanders abhandenkommt. In einer Zeit, in der drängende soziale wirtschaftliche und politische Fragen und Probleme die Menschen umtreiben, ist ein Mangel an Empathie – vielleicht als Folge des auf sich selbst Zurückziehens zum Schutz der eigenen Existenz – die erste Stufe eines Versagens von Gesellschaft als Konzept.

Gewiss liegt hier ein wenig Schwarzseherei meinerseits in der Luft, doch ganz krass, jedoch stringent zu Ende gedacht, bedeutet der Rückzug ins Private gleichsam ein Negieren des Sozialen als Bedeutungszusammenhang. Wenn mich meines Nächsten – oder auch Übernächsten – Leid, Unglück, Elend, oder sonst was (auch positiv) nicht mehr schert, werden mir irgendwann alle anderen Menschen, außer mir selbst und vielleicht ganz wenigen Außerwählten, gleichgültig werden. Wenn das jeder so hält… nun, man kann sich ausmalen, wie so eine Welt aussähe. Wer fiktionale Dystopien mag, sollte mal wieder William Gibson lesen.

Man muss jedoch nicht unbedingt mal sehr nahe an andere Menschen heran kommen, um die eigene Solidarität in die Waagschale werfen zu können. Kleine Dinge des Alltags genügen; nicht wegschauen, nachfragen, kommunizieren. Man muss kein Engel und kein frommer, mildtätiger Samariter sein, es genügt oft schon, bei manchen Handlungen zweimal nachzudenken – und schwupps herrscht ein kleines bisschen weniger Empathie-Oxidation. Könnte man doch mal selber versuchen, oder…?

New Media Freak?

Vor ein paar Jahren fragte mich meine Frau, was ich denn mit einem Tablet will, dass wäre doch nur ein teures, sinnfreies Spielzeug. Als ich sie dann gestern mit den Kindern abends auf der Couch sitzen sah, während die drei sich auf einem Tablet „Schwanensee“ anschauten, verzichtete ich darauf, sie zu fragen, was sie denn da mit dem „teuren, unnötigen Spielzeug“ treiben würde. Es wäre ein zu billiger Lacher gewesen; außerdem bin ich üblicherweise nicht nachtragend. Die damals abgegebene Erklärung, dass ich mal ein anderes Gadget als Produktivwerkzeug ausprobieren wollte, war zugegeben auch nicht ganz ehrlich. Immerhin war ich schon immer von allem immens fasziniert, was mit neuen IT-Geräten, und heute speziell Portables zu tun hat; und das ganz gewiss nicht nur aus akademischen Gründen, wenngleich mein Studium der Bildungswissenschaft durchaus einen Fokus auf das Lernen mit neuen Medien gelegt hat. Ich bin einfach auch ein großes Spielkind und es ist schon geil, ein neues, sexy Stück Technik in Betrieb zu nehmen…

Tatsächlich war auch mein erster Gedanke beim Kontakt mit dem damals nagelneuen IPad eines Bekannten, was man denn damit anstellen soll? Für das eingeben und redigieren redaktioneller Texte schien es nicht zu gebrauchen. Die Kamera war zugegeben ein cooles Feature, aber das konnten Smartphones ja auch schon eine Weile. Der Speicherplatz war begrenzt und zudem war das Teil absurd teuer. Teurer als meine letzten Desktop-Rechner, die überdies viel mehr Rechenleistung mitbrachten. Immerhin konnte man damit überall problemlos im Netz surfen. Die anfängliche Ablehnung verwandelte sich genau deswegen jedoch bald in Faszination, als ich begriff, dass portable und ultraportable Webdevices die Zukunft der Vernetzung darstellten. Dass die Vernetzung und Dezentralisierung von Dienstleistungen und produktiver Software klassische inhouse Serve-Client-Systeme bald ablösen könnten. Dass das alte, bislang jedoch nicht zufriedenstellend eingelöste Versprechen eines ubiquitär verfügbaren Netzes doch noch wahr werden könnte. Und dann war es um meine Zurückhaltung geschehen.

Ich gehöre mit über 40 sicher nicht zur so genannten „Generation Net“, die zumindest aus bildungsforscherischer Sicht quasi intuitiv den Umgang mit solchen Geräten und Diensten erlernt, weil sie damit aufwächst. Aber man ist ja anpassungsfähig und ich wusste, dass man sich solchen Veränderungen nicht verschließen sollte. Nur eigene Erfahrungen mit bestimmten neuen Medien und Techniken qualifizieren schließlich zu einer adäquaten Beurteilung der daraus resultierenden Möglichkeiten und somit zu einer sinnvollen Nutzung dieser. Vom Spaßgewinn durch unsinnvolle Nutzung mal ganz abgesehen; immerhin kann man beim Spielen auch was lernen. Soweit erst mal mit den Lobhudeleien.

Ich weiß nicht, ob Clouddienste tatsächlich unser Leben vereinfachen. Sie vereinfachen allerdings in jedem Fall das Teilen von Inhalten verschiedenster Formate wie Texten, Bildern und Videos; mit Blick auf die Spionage-Backdoors, die sich so mancher „Big Brother“ anscheinend hat offenhalten lassen, muss man allerdings wissen, dass man sie unter Umständen nicht nur mit jenen teilt, die eigentlich als Empfänger gedacht waren. Privacy ist zu einem wichtigen Thema der schönen neuen Welt avanciert, spätestens seit Edward Snowdens recht erhellenden Enthüllungen. Allerdings wohl nur für jene, die sich schon immer mit solchen Fragen beschäftigt haben. Alle anderen machen anscheinend genauso weiter wie bisher und blenden Bürgerrechts- und Machtaspekte in ihrem Online-Tun einfach aus. Kann man machen, muss man aber nicht. Spätestens, wenn man außer seinem Mittagessen, Katzenvideos, hoffentlich lustigen Sprüchen und seinen sonstigen medialen Vorlieben noch andere Dinge in der öffentlichen digitalen Agenda abhandelt, sollte man sich eigentlich verpflichtet fühlen, auch einmal über digitale Bürgerrechte offen nachzudenken.

Ich bin kein Schwarzseher, aber realistisch betrachtet ist das Netz noch weit davon entfernt, ein Ort virtueller Demokratie zu werden, in dem jeder seine Ideen darlegen und vertreten kann. Denn zum einen bedeutet der vorangegangene Satz konsequent zu Ende gedacht, dass man eben auch die ganze braune Propaganda, Verschwörungstheorien, Esoterik-Quatsch und noch viele andere Unnötigkeiten eine Bühne bietet; und das fordert viel Contenance. Insofern fehlt also das Wort „sinnvoll“ vor den „Ideen“. Zum anderen aber ist das Web in seiner gegenwärtigen Form vor allem Träger politischer Überwachungs- und wirtschaftlicher Verwertungsinteressen, mithin also weit von echter Demokratie entfernt. Dazu sei als Lektüre Evgeny Morozov empfohlen. Darüber will ich mich an dieser Stelle demnächst noch mal etwas ausführlicher auslassen.

All diesen Problemen zum Trotz haben portable Webdevices, wie etwa immer leistungsfähige Smartphones, vor allem aber Tablets unsere Art zu arbeiten, zu lernen und dabei zu kollaborieren verändert – und tun dies immer noch. Diesen Beitrag sollte man schätzen, auch wenn viele Fragen rings um Verwertungs- und Selbstbestimmungsrechte in der schönen neuen Webwelt noch nicht geklärt sind. Und deswegen bin ich – wenngleich heute auch vorsichtiger als früher – immer noch ein New Media Freak. C U somewhere out there…

Call of Cutie

„Das Leben ist kein Ponyhof“ – manche Eltern verwenden diesen Satz gerne, um ihre Kinder an den Ernst des Lebens zu erinnern, der sich zwar langsam, aber eben doch unaufhaltsam in das Leben eines jeden Menschen stiehlt. Nach meiner Erfahrung ist der Satz falsch. Das Leben kann man durchaus mit einem Ponyhof vergleichen; nur dass nicht alle Ponys nett sind! Es gibt unter den tierischen wie menschlichen Bewohnern alle möglichen Persönlichkeiten, es gibt Arbeit und Spaß, Freude und Leid, Freiräume und Regeln; eben das ganze Spektakel des prallen Lebens, reduziert auf einen Mikrokosmos, der ziemlich nach Mist riecht. Soweit sehe ich keine allzu großen Differenzen zu meinem eigenen Leben. Nur dass ich mit Pferden und Ponys nix anfangen kann.

Was aber nun den eben bereits angesprochenen Ernst des Lebens angeht, der ja angeblich auf dem sprichwörtlichen Ponyhof wohl nicht zu finden sein soll, lässt sich feststellen, dass dieser spätestens dann zuschlägt, wenn auch zwischen Stallung, Weide und Reithalle das angesprochene Kind mit der normativen Kraft des faktischen konfrontiert wird. Ich meine jetzt nicht unbedingt die Bosheiten anderer Kinder, die durchaus zu großem Leid gereichen können, sondern eher die erhobene Stimme des jeweils eigenen Erziehungsberechtigten, die einen stets dann zur Räson ruft, wenn man mal wieder ganz voller Lust seiner juvenilen Affektinkontinenz frönt. Die folgenden Diskussionen kennt jeder Erziehungsberechtiget nur zu gut, inclusive der daraus unvermeidlich resultierenden, halbgeschickten Verhandlungsversuche unserer Sprösslinge, das Hinauszögern, die Bockigkeit, bei Kleineren noch dazu die Mitleid erheischenden Tränen; schlicht alle Register kindlichen Unverständnisses ob der Tatsache, dass in einer Eltern-Kind-Beziehung der Erwachsene das Sagen hat. Und dies nicht etwa, weil es etwa mir selbst zur Freude gereichte, Macht über Schwächere auszuüben. Derlei Spruchwerk von irgendwelchen halbgaren Küchenpsychologen kann man getrost im Lokus entsorgen. Es hat auch nichts mit Misshandlung zu tun, oder mit altmodischer Zuchtmeisterei, sondern mit dem einen, immer noch gültigen Gebot wirklicher Erziehung, dass stets handlungsleitend sein sollte: nämlich den Unerfahreneren – vulgo das Kind – davor zu bewahren, sich selbst zu schaden. Und zwar so lange, bis dieser begriffen hat, wie entsprechende Situationen selbst gemeistert werden können.

Kinder lernen vor allem durch Imitation. Das gilt für kognitive Muster wie das Erkennen von Buchstaben und Zahlen und die möglichen Kombinationen derselben ebenso wie für Verhaltensweisen. Es ist natürlich ein unerreichbares Idealziel, stets sinnvoll, überlegt und konsistent zur eigenen Erzählung von Leben zu agieren, da wir auch als Erwachsene immer noch zumindest teilweise unseren Affekten ausgeliefert sind. Und niemand schafft es leichter unsere Contenance zu erschüttern, als jene, die wir lieben, egal ob das nun der Partner, ein guter Freund oder eben unsere Kinder sind. Aber man kann zumindest versuchen, eine für das Kind erkennbare Grundlinie von Verhaltensweisen zu etablieren, Konsequenzen vorführen und das Kind auf bereits gemachte eigene Erfahrungen verweisen, um zu zeigen, „wie man es richtig macht“. Natürlich gibt es nicht das eine Richtig oder Falsch. Jeder selbst muss herausfinden, was für ihn der passende Weg ist, aber als Erziehungsberechtigter ist man verpflichtet, seinem Kind zumindest eine Orientierung über die Grundregeln menschlichen Sozialverhaltens mit auf den Weg zu geben. Und im Zweifelsfall, wenn die Umsetzung in realitas nicht so funktioniert das Fehlverhalten auch zu sanktionieren, was nichts mit Gewalt zu tun hat, bzw. haben sollte!

Ich muss es nochmal betonen, es geht mir nicht um Drill, oder Zuchtmeisterei, sondern darum, konsequent zu sein. Eine Familie ist keine Demokratie. Jene mit reicher Lebenserfahrung müssen für die mit einem noch sehr geringen Schatz daran Leitplanken aufstellen. Das bedeutet nicht, die Wünsche des Kindes stets zu missachten, oder dessen natürliches Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung zu vernachlässigen, sondern dem Nachwuchs vielmehr aufzuzeigen, dass – um mit einem weiteren Sprichwort langsam zum Schluss zu kommen – „viele Wege nach Rom führen“ und der erste zumeist weder der Beste noch der Billigste ist. Was bedeutet, dass man manchmal Entscheidungen aus der Hand des Kindes nehmen, selbst treffen und das Ergebnis dann auch durchsetzen muss.

„Call of Cutie“ bedeutet, diese Verpflichtung anzunehmen und tatsächlich erzieherisch tätig zu sein, auch wenn das manchmal in sowas wie einem Kampf ausartet (wer die Anspielung immer noch nicht verstanden hat, sollte jetzt dringend „Call of Duty“ googeln). Das dabei Fehler, Missverständnisse und Ärger auf beiden Seiten vorprogrammiert sind, darf einen nicht abschrecken, Konsequenz zu leben. Auch mir fällt das schwer. Auch ich mache dabei andauernd das Eine oder Andere falsch. Auch ich verrenne mich manchmal in meinem eigenen Gedankenpalast. Wie so viele andere vor und nach mir. Aber es wäre viel schlimmer, entweder gar keine Erziehung zu betreiben, oder dem Kind bewusst Gewalt anzutun in dem Glauben, dadurch erziehen zu können. Der bessere Weg ist ein schmaler Grat, der ein ständiges Neuausloten der Notwendigkeiten bedeutet. Man muss sich nur folgender Tatsache bewusst sein: wenn das Sanktionieren von Fehlverhalten schon bei Erwachsenen oft nur mangelhaft funktioniert (siehe Putins Ukrainepolitik) darf man sich bei Kindern dabei keine schnellen Wunder erhoffen. Daher zum Abschluss ein letztes Sprichwort: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“.

Ich liebe Actionfilme!

Wenn man die 40 überschritten hat und Verantwortung für eine Familie trägt, wäre es langsam an der Zeit, erwachsen zu werden bzw. es schon zu sein. Neulich, da saßen wir so lümmelig auf der Couch, befragte mich meine Frau, ob wir eigentlich schon erwachsen wären und ich glaube mein indignierter Blick, begleitet von einem herzlichen „Ich glaub‘ es hackt!“ war ihr Antwort genug. Wir konnten beide darüber lachen und das Bonmot, das Jungs ja eh nur 16 werden und danach allenfalls noch ein bisschen in die Höhe, aber durchaus noch um einiges in die Breite gehen, mag ein Fingerzeig sein, dass ich mich manchmal schon frage, wieso einem solchen Kindskopp nach getaner Arbeit so die Knochen weg tun können…

Dann las ich neulich in den Online-Alltags-Bekundungen eines guten Bekannten, dass er von anderen guten Bekannten ins Kino geschleift worden sei und den dort gezeigten Film als 16-jähriger bestimmt noch gut gefunden hätte. Es ging um eine nicht ganz ernst gemeinte Action-Agenten-Story und auch andere Kommentatoren schienen zu bestätigen, was ihm wohl als Wahrheit gilt: irgendwann ist man zu alt bzw. zu reif für den einfachen Genuss platter Action. Was soll ich denn jetzt sagen? Einerseits respektiere ich seine Meinung und wenn er das so sieht, ist das natürlich sein gutes Recht. Ich allerdings fand mich in Gedanken vertieft, welche sich um eine eher grundsätzliche Frage drehten; nämlich ob es diesen viel beschworenen qualitativen Unterschied zwischen Hoch- und Populärkultur, der ja doch recht oft bemüht wird, um Machwerken der Populärkultur einen tieferen Sinn abzusprechen tatsächlich gibt? Ob man, ein gewisses intellektuelles Niveau vorausgesetzt, irgendwann seine kontemplative Entspannung nur noch im Genuss von Werken der Hochkultur finden sollte?

Es gibt da nach meinen Erkenntnissen so etwas wie eine unsichtbare Linie, die ein „wahrhafter Intellektueller“ nicht überschreiten darf, nämlich die, Kulturprodukte des kontemporären Massengeschmacks gut zu finden, einfach weil sie unterhaltsam sind. Natürlich wird es schwer fallen, in dem ein oder anderen Film oder Buch, die letzthin zum Behufe der Unterhaltung produziert wurden einen tieferen Sinn zu finden. Doch in meinen Augen entwertet das diese nicht als Kulturprodukte an sich. Man könnte sich nun natürlich einfach Adornos Diktum vom „Massenbetrug der Kulturindustrie“ zu Eigen machen und sagen: „na klar sind diese Bücher und Filmchen schlecht, sie wurden schließlich von halb gebildeten Menschen zur weiteren Verdummung halb gebildeter Menschen gemacht“. Und wenn man unterstellt, dasa Kulturprodukte nur den Auftrag wahrhaft wertvoller Bildung haben sollten, ist die Aussage auch richtig. Nur ist die Prämisse falsch.

Kultur, oder besser die Kulturprodukte, die wir heutzutage en masse präsentiert bekommen sind, ohne jeden Zweifel, zu einem großen Teil darauf ausgelegt, einem weitgehend billigen Eskapismus zu dienen. In einer Welt, die im Kern schlecht ist, weil sich alles Tun am Primat der Ökonomie ausrichtet und Politik nur noch als geopolitisch-wirtschaftliche Interessen verteidigendes Kampfschach ausgeübt wird, darf es aber wohl kaum verwundern, dass sich die Menschen nach derlei Zerstreuung sehnen, sofern sie überhaupt Zugang dazu erlangen können. Ich denke zumindest nicht, dass es in der Ostukraine noch allzu viele Kinos gibt.

Doch die Tatsache, dass nicht selten eskapistische Fantasien die Leinwände und die Buchseiten dominieren, anstatt nachhaltiger, humanistischer Bildungsangebote oder der Verbreitung enzyklopädischen Wissens, entwertet diesen Part der Kulturindustrie nicht wirklich. Allzu oft schwingen sich die Vertreter einer an aufklärerischen Idealen orientierten Bildung auf das blinde Ross des Dogmas und verurteilen alles, was nicht ihrer Vorstellung von einem guten Kulturprodukt entspricht als überflüssig, kindisch, kitschig, gewaltverherrlichend, dumm und wertlos. Ganz so, als ob das Leben nur aus einer Aneinanderreihung von nachhaltigen, humanistischen, lehrreichen, dem Gemeinwohl dienlichen Idealtaten bestehen würde. Was für ein Nonsens!

Das Leben besteht, auch wenn man das vielleicht gerne anders sähe aus einer Vielzahl monotoner, ermüdender, immer wieder gleichartiger, nur allzu häufig fremdbestimmter Routinen, welche in ihrer Gesamtheit ein durchaus legitimes Streben nach Ablenkung begründen. Man mag – nicht zu Unrecht – befinden, dass das Gesamtwerk Schillers aus der Sicht humanistischer Bildungsideale deutlich mehr Wert habe, als zum Beispiel der Film „Crank“. Aber das Leben ist keine immer weiter aufwärts strebende Spirale der Selbstverbesserung durch Bildung; es ist ein anstrengender, ermattender, gelegentlich hektischer, oft nervtötender und eher selten lustiger Dauerlauf mit ungewissem Ausgang. Ganz ehrlich: wenn ich nach einem wirklich fordernden Tag zu Hause endlich die Kinder ins Bett gebracht habe und auf der Couch niedergesunken bin, scheiße ich auf Schiller! Dann ist es mein verdammtes Recht, mich auch durch Filme und Bücher unterhalten zu fühlen, die eher meine niederen Instinkte bedienen.

Hochkultur vs. Populärkultur ist eine Gegenüberstellung, die lediglich Augenwischerei betreibt, den das Eine und das Andere haben sowohl ihre Daseinsberechtigung als auch ihre Wirkung in unserer komplexen Welt. Selbst wenn man findet, dass zu wenig Leute heute noch Literatur mit aufklärerischer Wirkung im wahrhaft kantianischen Sinne lesen, kann man nicht ernsthaft aktuelle Kulturprodukte abqualifizieren, weil sie offenkundig einfach nur unterhalten wollen. Das ist kindischer, als einen halbwegs ordentlich gemachten Actionfilm gut zu finden. Und deshalb stehe ich dazu, dass ich Actionfilme liebe; ich bin trotzdem immer noch ein halbwegs gebildeter Mensch, der nach mehr (Er)kenntnis strebt. In diesem Sinne…