Controversial subjects…

Verdammt, bin ich froh, dass aus meinen Jugendtagen keinerlei nennenswerte Beweise für meine mannigfaltigen Blödheiten existieren. In den 80ern war manches anders als heute. Die Welt war NICHT politically correct. Und obschon ich viele Errungenschaften mit Bezug auf das Vorankommen der Gleichberechtigung sehr zu schätzten weiß, ist mir bewusst, wie viel einfacher damals vieles war. Das hier wird sicher kein „Früher war alles besser!“-Post. Zum einen, weil sowas langweilig ist. Und zum anderen, weil früher NICHT alles besser war. Vielleicht manches, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich z.B. war an Früher besser, dass man eben NICHT überall fotografiert oder gefilmt werden konnte. Denn eines der wenig charmanten Ergebnisse der technischen Revolution „Smartphone“ ist, dass viele, wenig smarte Menschen ihre überdimensionierten Taschenwanzen für jede denkbare Art von antisocial-media-shaming nutzen. Aber das ist nur ein Aspekt von vielen. Fakt ist, dass die ubiquitäre Verfügbarkeit des Online-Seins Menschen zu Sklaven dieser Verfügbarkeit gemacht hat. Und dass „Trends“ heute quasi überall und von jedem gesetzt werden können, der über die notwendige Energie und ein bisschen Glück verfügt. Und so emergieren aus dem Online-Sumpf immer wieder neue Begriffe. Wird ein Begriff aufgenommen und auf Basis seiner Griffigkeit häufig repliziert, wird er schnell zum Bestandteil des Netzsprech. So wie letztes Jahr „Smash“…

Man sollte das eben beschriebene Social-Media-Phänomen, das vor allem Jugendsprech hyped, vom Online-Bekanntwerden von Fachbegriffen, die es schon länger gibt jedoch deutlich unterscheiden. Der Begriff Femizid z.B., den es schon seit den 90ern gibt, hat gerade eine gewisse Trendigkeit unter Journalisten erlangt. Was prompt dazu führt, dass man sich fragen muss, ob denn tatsächlich alles, was als Femizid (also als Mord an einer Frau auf Grund Ihres Geschlechtes oder besonderer Merkmale ihres Geschlechtes) deklariert wird, auch tatsächlich einer ist. Mir fällt dazu gerade der alte Song „This is a man’s world“ von James Brown ein. Der Text (geschrieben 1966) spricht für ein zeitgenössisch patriarchalisches Weltbild; und doch sagen die Zeilen „But it wouldn’t be nothing, nothing, not one little thing, without a woman or a girl. He’s lost in the wilderness.He’s lost in bitterness, he’s lost lost…“ ziemlich viel über die Wichtigkeit der Frauen in diesem Weltbild aus. Könnte daran liegen, dass der Text von Browns damaliger Freundin Betty Jean Newsome stammt… Nun ist es so, dass man davon ausgeht, dass ein Femizid vor allem dann vorliegt, wenn der Mord an einer Frau aus Besitzrechts-Ansprüchen eines Mannes resultiert. Eifersuchts- und Ehrenmorde fallen in diese Kategorie. Letztlich also die übelsten Auswüchse toxischer Männlichkeit. Ob jedoch alles, was die Journaille in letzter Zeit so tituliert, auch tatsächlich in diese Kategorie fällt, oder ob nicht vielleicht doch falsch verstandene political correctness (wie z.B. eine Künstlerin auszuladen, weil ihre Dreadlocks „kulturelle Aneignung“ seien) eine Rolle spielt, muss jeder selbst entscheiden. Ich stelle für MICH fest, dass ich auf den inflationären Gebrauch von feministischem Soziologen-Sprech in der Öffentlichkeit mittlerweile ein wenig allergisch reagiere.

Man hat ja mit zunehmendem Alter als Generation-Xler wie ich nicht nur den Vorteil, dass es – wie oben angedeutet – wenig greifbare Beweise für die eigenen Jugendsünden gibt; theoretisch darf man so langsam auch auf ein wenig Altersmilde hoffen. Pustekuchen. Ich stelle fest, dass viele Auswüchse des demokratisierten Sendens auf allen Kanälen (von dem ich übrigens auch gerade Gebrauch mache) für mich nicht viel mehr sind, als Wichtig-Sprech. Ausdruck des Bedürfnisses nach Anerkennung der eigenen Gedanken durch andere. Nur dass viele, derart in die Welt gesetzte Gedanken des Gedachtwerdens oder gar Publiziertwerdens nicht wert sind! Und wenn man sich mit so einer Aussage in die Außenwelt traut, läuft man halt Gefahr, dafür auch Gegenwind bis zum Shitstorm zu kassieren, weil die ganzen weichgespülten Meinungswaschlappen nicht mehr hart angefasst werden könne, ohne hinterher monatelang die Therapeutencouch über ihr „Trauma“ vollzuheulen. Aber was soll ich z.B. mit diesen ganzen Artikeln in irgendwelchen Online-Postillen denn anderes anfangen, als sie als die Scheiße zu titulieren, die sie sind? Pseudo-journalistischer möchtegern-wichtiger Dreck von der Stange. Vielleicht schreibt ChatGPT ja doch schon für Zeit Online, weil die Volontäre mehr Kaffee haben wollten? Wer sich allen Ernstes mit TikTok-Blödsinn wie den sogenannten Vanilla-Girls (auch noch hinter der Paywall…) befasst, den kann ich einfach nicht mehr ernst nehmen. Kommt eurem Auftrag nach und kehrt den Dreck unter den Teppichen der Politik aus, und steckt das andere Zeug in eine eigene Rubrik. ich schlage auch gleich einen Titel vor: „Nutzlose Belanglosigkeiten und Pseudo-moralischer Heuchel-Furor“. Wird bestimmt auch gelesen. Schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

New work N°11 – Networking…?

Netzwerken ist in der Personal- und Organisationsentwicklung ein alter Begriff. Allerdings meinen viele Menschen höchst unterschiedliche Dinge, wenn sie diesen benutzen. Für Manche ist das lediglich die Beschreibung einer technizistischen Angelegenheit; es geht ihnen um das elektronische Verbinden von funktionalen Einheiten, seien dies Menschen, Liegenschaften oder unterschiedliche Informations- und Kommunikations-Technologien. Also Hard- und Software. Am anderen Ende der Skala finden wir den psychologisch-sozialwissenschaftlichen Ansatz, der Individuen miteinander verbunden sehen möchte, um die jeweiligen Stärken füreinander nutzbar machen zu können, also die Wetware. Zur Erinnerung, wir bewegen uns in der Welt der Arbeit – hier geht es nicht um die Dimensionen Sympathie <=> Liebe, Antipathie <=> Hass, oder Unmut <=> Spaß. Wenn wir bei der Arbeit zu viel Spaß hätten, müssten wir womöglich noch eine Gebühr an den Chef bezahlen… Nein, nein, hier geht es zuerst um die Nutzbarmachung von Potentialen zum Gewinn des Unternehmens. Auch wenn Netzwerke ein normaler, ja sogar notwendiger Bestandteil von Leben sind!

Sind in der Natur hinterlassene menschliche Artefakte auch Networking?

Allerdings haben private und geschäftliche Netzwerke eines gemeinsam: immer noch betrachten wir technologische Artefakte und Sozialbeziehungen als strikt voneinander zu trennen. Das reflektiert sich in komplexen Institutionen z. B. durch das Vorhandensein personell und räumlich voneinander getrennter IT- und HR-Abteilungen (Human Ressources, für Menschen, die mit Business-Sprech nicht so vertraut sind). Diese Trennung suggeriert, dass Mensch und Technologie voneinander unabhängig seien. Ich behaupte, das ist falsch. Schauen wir uns Twitter als Beispiel an. Dieser Tage entspann sich ein ein kleiner Schlagabtausch zwischen Horror-Tycoon Stephen King und Möchtegern-Alleskönner-Tycoon Elon Musk, der sich im Kern um die Frage drehte, ob es legitim sei, jetzt für Twitter-Accounts Geld zu verlangen, obwohl doch das einzige Kapital, welches Twitter hätte, seine Nutzer seien, die ja den ganzen Content generierten; und das ganze Drama, die ganze Spannung, die ganzen Stürmchen im digitalen Wasserglas, usw. Elon Musk, der alte Empörungs-Nutznießer will für Twitter, dass digitale Brennglas der globalen Entrüstungs-Industrie jetzt Gebühren erheben; wenn das nicht ironisch ist…?

Aus diesem Blickwinkel lassen sich Medium und Creator nicht trennen. Und das gilt für andere Formen antisozialer Medien genauso. Auch bei TikTok, Instagram und Snapchat werden Sender, Botschaft und Medium eins – im Guten, wie im Bösen. Mal wieder mit Marshall McLuhan gedacht realisiert sich die Einheit neuer Technologien mit uns Menschen hier als Verlängerung unserer Physis in die Virtualität. Wenn man so will, haben wir uns schon einen Cyberspace geschaffen, denn selbst politische Mehrheitsbildung kann heutzutage im Netz der Netze beeinflusst werden. Kommen wir zurück zur New Work, so bedeutet hier das aristotelische Diktum vom „mehr als die Summe seiner Teile sein“, dass das Netzwerk Synergien erzeugt, die mehr sind, als nur die Summe seiner Technologie und seiner Nutzer – sofern wir uns darauf einlassen, technologische Artefakte und ihre Bedeutung für unser Miteinander als gleichwertige Variablen in Netzwerktopologien miteinzubeziehen. Hierzu sei auf die Akteur-Netzwerk-Theorie verwiesen, die vom erst kürzlich verstorbenen Technik-Soziologen Bruno Latour maßgeblich mitentwickelt wurde.

In der, für die Abbildung gewählten Nomenklatur steht M für Mitarbeitende, C für Cluster, L für Leitungsperson und T für Technologie. Die unterschiedlich gezogenen Doppel-Pfeile zeigen, dass eine Vielzahl möglicher Verbindungen von unterschiedlicher Intensität und Verbindlichkeit unter allen Prozessbeteiligten möglich ist. Dazu ist zu bemerken, dass diese Verbindungen bedarfsbedingt emergieren können (etwa im Rahmen von Projektarbeiten), und nicht zwingen zeitstabil bleiben müssen. Überdies sind alle Arten von Verbindungen zunächst als gleichwertig zu betrachten. In der Akteur-Netzwerk-Theorie spricht man von Punktualisierungen, die notwendigerweise, weil alles Soziale ein Prozess ist, ein gewisses Maß an Instabilität aufweisen (hierzu Law 2006, S. 436 ff). Zur zeitlichen Instabilität einiger Akteure und Aktanten (hierzu Akrich, 2006, S. 408) tritt die Frage von individueller Nähe und Distanz, sowie von zeitlicher Dauerhaftigkeit anderer, spezieller Akteure; hierin besteht die Antwort auf die Frage, was Führung in einem Akteurnetzwerk voller, eigentlich auf Augenhöhe agierender Individuen und Technologien ausmacht: nämlich die Dauerhaftigkeit einiger Akteure, welche durch ihr früheres und längeres Vorhandensein zu Netzwerkknoten werden und daher die Spielregeln des Netzwerkes zumindest zeitweilig prägen können. Modelliert man das Bild einer Organisation unter diesen Gesichtspunkten, stellen z. B auch die vielzitierten Ansprüche der Generation Z keine echte Herausforderung des Tradierten mehr dar, weil eben dieses Tradierte, Zuvor-Gewesene sich schon des steten Wandels bewusst ist.

Ich sitze schon wieder krank daheim, und während die Beschwerden langsam besser werden, funktioniert das Hirn halt weiter. Daher schreibe ich hier, denn es wäre mir daran gelegen, wenn die Menschen sich des Umstandes erinnerten, dass man Kultur immer in ihrem prozessualen Aspekt denken muss. Dass meint auch Organisations-Kultur und das dazugehörende Networking. Ich wünsche eine schöne Woche.

McLuhan, M. (2011): Die Gutenberg-Galaxis. Die Entstehung des typographischen Menschen. Deutschsprachige Ausgabe. Hamburg: Gingko Press Verlag.
Akrich, M. (2006): Die De-Skription technischer Objekte. In Belliger, A.; Krieger, D. J. (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld, transcript Verlag, S. 407 – 428.

Law, J. (2006): Notizen zur Akteur-Netzwerk-Theorie: Ordnung, Strategie und Heterogenität. In Belliger, A.; Krieger, D. J. (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld, transcript Verlag, S. 429 – 446.

Erwachsen bilden N°38 – Koordination ist alles!

Et voilá, here we go again! Es wird mal wieder eifrigst über die Frage diskutiert, ob Schulen nach dem – in Baden-Württemberg noch – herannahenden Ferienende geschlossen bleiben sollen; und angesichts der steigenden Corona-Kennzahlen Fernlehre nicht besser wäre? Im Fall der spezialisierten Berufsfachschulen stellt sich diese Frage momentan nicht. 99% unserer Schülerinnen und Schüler sind immunisiert, wir haben strikte Regeln, und testen uns tot. Alles, damit wir ja nicht zumachen müssen. Weil viele Dinge, die wir schulisch vermitteln dennoch handwerklicher Natur sind, und nur mit den Händen wirklich begriffen werden können. Ich stehe dahinter, auch wenn ich mich natürlich ein bisschen unwohl fühle, da es mein Arsch ist, der gegrillt wird, wenn was schief geht. Schwamm drüber – auch das werde ich aushalten.

Der Urlaub neigt sich so langsam, aber sicher einem Ende zu, und just heute führte ich ein längeres Gespräch mit einem hoch geschätzten Kollegen. Es ging unter anderem um die Art, in der man mit Lehrkräften umgeht – und wie man Professionals transparent und vor allem wertschätzend, in alle Vorgänge einbindet. Es ist mittlerweile, zumindest wenn man ein bisschen aufmerksamer durch den Publikationswald schreitet, ein Allgemeinplatz, dass Mitarbeiter heutzutage tatsächlich MITarbeiten wollen, anstatt nur abarbeiten zu müssen. Insbesondere bei Lehrkräften, von denen man ja ein gewisses Maß an Selbstorganisation im Umgang mit ihren Schäflein erwartet, wäre es daher ein Widerspruch in sich, sie von bestimmten Planungs- und Entscheidungsvorgängen auszuschließen.

Schön wär’s…

Genau das passiert aber scheinbar mancherorts immer wieder. Vielleicht, weil man denkt, dass jemand, der führt, ALLES führen muss. Micromanagement ist jedoch der Tod jedweder Kreativität und jedweder situationsadäquater Lösung. Ich versuche wirklich, diesen Fehler nicht zu machen. Und trotzdem will ich immer noch viel zu viel selbst erledigen: weil ich glaube, es nicht richtig erklärt zu haben, mir nicht sicher bin, dass mein Gegenüber meine Vorstellung teilt, denke es besser zu können, etc. Dabei ist das ein Widerspruch zu allem, was ich im Unterrichtssaal zu leben versuche. Mir ist schließlich bewusst, dass MEINE Vorstellung einer Lösung oder eines Sachverhaltes niemals eins zu eins im Kopf meines Gegenübers als SEINE entstehen kann; schlicht weil das konstruktivistische Prinzip dies automatisch verhindert. Und wenn ich dächte, dass jemand etwas (noch) nicht so gut kann, wie ich, dann ist das ein Grund, diejenige / denjenigen dabei zu unterstützen, darin besser zu werden, anstatt ihm / ihr die Arbeit wegzunehmen, um diese selbst zu erledigen. Immerhin bin ich als Schulleiter auch Lernbegleiter meiner Mitarbeiter.

Diesen hoch idealisierten Anspruch erfülle ich natürlich nicht immer. Eigentlich nicht mal oft. Was mich ein wenig dauert. Andererseits sagt man ja, Selbsterkenntnis sei der erste Weg zu Besserung. Aber es ist wichtig. Es gibt im Umfeld einer Berufsfachschule so viele Dinge mit Koordinationsbedarf. Das fängt bei simplen Dingen wie der Personaleinsatz-Planung an (die ja auch den Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung tragen muss), und geht dann über Dinge wie Lehraussagenabstimmung, Contenmanagement, Betreuungsbedarf bei den Schülerinnen und Schülern, Materialbeschaffung und -wartung, Lagerhaltung, Lehrsaalmanagement, kurzfristige Kompensation von anderen Problemen aller Art, etc. Würde mir sowas keinen Spaß machen, wäre ich schon lange davongelaufen. Dennoch geht all das – wie ich immer besser zu akzeptieren lerne – nur zusammen! Was aber bedeutet, dass Kommunikation, Interaktion und Beratung, die ich recht häufig in verschiedensten Formen und Formaten unterrichte, tatsächlich essentielle Fähigkeiten sind.

Toll wär’s, wenn es anders ginge, oder…?

So, wie ich als Vorgesetzter und Fachlehrer den Leuten etwas zutrauen muss, bin ich aber auch immer wieder dazu aufgerufen, integrativ tätig zu werden. Denn Klassenverbände und Teams entstehen nicht von allein! Es gibt immer mal selbsternannte Solisten im Team, die (genauso, wie ich manchmal heute auch noch) denken, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten – und daher immer Recht wären! Die muss ich einbremsen. Und den anderen zu verstehen geben, dass es manchmal etwas Geduld und hier und da einen kleinen Schubs braucht. Es sind ja noch keine Meister vom Himmel gefallen; weder fachlich noch sozial. Und auch, wenn nicht jeder dieses – eher non-direktive – Beraten gleich gut versteht, ist es immer die erste Eskalationsstufe. Probleme muss man erst mal erkennen und verstehen, bevor man sie lösen kann. Und dann braucht es auch hierfür nicht selten mehr als eine Person, um tatsächlich zu einer funktionierenden Lösung kommen zu können. TEAMTogether Empowered And Motivated! Mal schauen, wie’s in den nächsten Wochen so läuft… Wir hören uns.

Auch als Podcast…

Vielen herzlichen Dank!

Ich habe über sehr viele Kanäle sehr viele liebe Wünsche zu meinem Primzahl-Geburtstag erhalten und möchte allen Gratulanten meinen tief empfundenen Dank ausprechen. Mögen eure Wünsche genauso in Erfüllung gehen! Wir sehen uns!

Die Einschläge kämen näher, sagt man…

Es ist wieder so ein Sonntagabend. Gerade eben war ich noch absolut unbeschwert, habe mit meiner Gattin das Spiel-Wochenende mit Freunden reflektiert, Pläne für die nächsten Wochen geschmiedet und mich dann bei ihr empfohlen, weil ich morgen früh ganz unbeschwert ausschlafen wollte; da kommt ’ne Nachtschicht, direkt gefolgt von spezielleren Verpflichtungen in meiner neuen Funktion. Man öffnet Facebook… und unversehens wird es einem flau im Magen. Ich hatte dieses Jahr schon einen persönlichen Verlust zu beklagen, aber wir haben erst Halbzeit und da flattert schon die nächste schlechte Nachricht rein. Ein geschätzter Kollege und Wegbegleiter früherer Jahre musste allzu früh gehen. Ich weiß, er hätte keine ausufernde Laudatio gewollt – also muss ein schmerzvolles „Mach’s gut!“ genügen…

Ich pflege gelegentlich, mit meinen Patienten gemeinsam gegen den alten Gevatter Tod anzulachen, indem ich den Schnitter als letzte Gerechtigkeit stilisiere; als Gleichmacher, dessen Sense alle nimmt, egal, ob alt oder jung, ob arm oder reich, ob klug oder dumm… jeder von uns kommt irgendwann dran, keiner weiß präzise, wann es geschieht und das letzte Hemd hat – wie mein Vater immer sagte – keine Taschen. Er hatte damit verdammt Recht! Und doch ist mir natürlich bewusst, dass dieses Lachen ist, wie das Pfeifen des ängstlichen Kindes im Walde ob der heraufziehenden Dunkelheit. Denn natürlich weiß auch ich nicht, wann mein Stündlein geschlagen hat.

Ich könnte jetzt in Panik verfallen und mit hektischen Versuchen beginnen, meinen Lebensstil zu vergesunden. Ob das etwas ändern würde? Wer will das schon wissen? Für jenen Kollegen, den Gott zu sich genommen hat macht’s keinen Unterschied mehr. Und ich hoffe inständig, dass er jenen Frieden gefunden hat, der ihm zusteht! Das Leben ist für keinen von uns ein gerader Fluss ohne Überraschungen, sondern eher wie ein tosender Wildbach, der hinter jeder Kurve Überraschungen parat hält. Die von heute Abend war zugegeben sehr unschön. Andererseits bestätigt sie mich in meiner Annahme, dass wir Menschen gut daran tun, alle Tage mit mehr Leben anzufüllen, anstatt das Leben mit mehr Tagen. Ein Arzt, den ich mal kannte, meinte dazu nur ironisch, dass man die Tage, um die man sein Leben verlängerte eh im Fitnessstudio oder auf dem Sportplatz zubrächte…

Wie man es auch dreht und wendet: wenn ein Mensch geht, der das eigene Leben berührt hat – und dieser Kollege hat das zunächst getan, indem er mir auf den ersten, unbeholfenen Metern meines Arbeitslebens im Rettungsdienst in unnachahmlicher Art und vollkommen zu Recht in den Hintern getreten hat – dann beginnt man unwillkürlich, den gemeinsamen Teil des Weges zu reflektieren. Und weil unser Gehirn so ein wundersam soziales Organ ist, kramt es die guten Dinge hervor. Und mehr braucht es auch nicht! Was auch immer die anderen, die es betrifft denken und fühlen mögen – ich wünsche ihnen von Herzen die guten Erinnerungen an das gemeinsam Erlebte, viel Kraft für die nächste Zeit; und dass sie nie den Blick für das Wichtigste im Leben verlieren mögen: die Menschen, die uns begleiten. Gute Nacht.

A Propos

Neue Texte, neues Gewand, alte Leier. Auf Grund dezenter technischer Probleme mit der alten Installation musste ich ein bisschen umbauen. Auch werde ich Podcasts in Zukunft nur noch im Rahmen von Interviews o. Ä. anbieten. Ist einfach zu viel Arbeit. Ansonsten hoffe ich jetzt, da meine Abschlussarbeit schon seit einigen Wochen im Prüfungsamt liegt wieder zu einem regelmäßigeren Rhythmus des Veröffentlichens zu kommen. Wir werden sehen, ob das wirklich klappt… 😉

So oder so macht der Dezember alles neu. Nicht alles funktioniert schon so, wie es bislang gewohnt war, aber die Mucken werde ich der neuen Installation schon noch abgewöhnen. Bis dahin trotzdem viel Spaß und bis die Tage wieder!

Man müsste mal…

Es wird ja immer viel geredet. Über die unterschiedlichsten Themen. Und vor allem darüber, dass man ja hier oder dort etwas tun müsste. Nur bleibt es meist beim Gerede. Das ist so eine „Gute Vorsätze“-Geschichte. Diese Sachen, die man sich angeblich vornimmt, wenn ein altes Jahr stirbt und ein neues geboren wird. Alles Käse, denn tatsächlich haben gute Vorsätze ungefähr die Halbwertszeit von Speiseeis in der Sahara, mittags um Zwölf. So ist es auch mit dem Gerede in meinem Beruf. Ich habe das schon das eine oder andere Mal kolportiert, wie die lieben Kolleginnen und Kollegen am „Wasserloch“ – vulgo in der Fahrzeughalle einer ausreichend großen Klinik mit freiem Zugang zu Kaffee und/oder Wasser – rumstehen und schwadronieren. Meist erzählen sie „Warstories“, tauschen sich also, die großen Augen ihrer Auszubildenden genießend, über die grauslichsten oder spannendsten Einsätze der letzten Zeit oder auch mal ihres Dienstlebens aus (zumeist ist eben dieses noch nicht allzu lang). Ich persönlich bevorzuge ja eher die witzigsten Geschichten, aber bitte, auch ich habe schon die eine oder andere Splatter-Anekdote zum Besten gegeben.

Irgendwann kommt dann das Gerede aber darauf, wie schlecht es einem doch geht, wie Scheiße manche ihre Vorgesetzten finden (ich hatte im Lauf der Zeit auch ein paar, auf die ich dankend hätte verzichten können) und überhaupt, wie kaputt dieses System doch ist, in dem man sich da abrackern muss. Ja, da stimmen dann (fast) alle zu, man sagt sich gegenseitig, wie gut es doch wäre, wenn mal jemand was täte, alle nicken, schlürfen ihren Kaffee (oder was auch immer), bei irgendeiner der versammelten Besatzungen bimmelt der Melder und weiter geht`s im Hamsterrad. Und was passiert dann tatsächlich? Nix! Ich selbst habe es schon ein paar Mal auf unterschiedliche Weise versucht, diese Menschen dazu zu bringen, aktiv an der Gestaltung ihrer Arbeitsumwelt teilzunehmen, doch die Resonanz zu diesen Bemühungen passt, über Jahre hinweg akkumuliert, auf einen Bierdeckel. So viel zur Substanz dieses Gelabers am Wasserloch.

Der Schlüssel zum Erfolg von Aktionen, die Veränderung bewirken sollen hat zwei Seiten: zum einen muss es die Menschen tatsächlich betreffen. Da darf nicht nur ein vages, diffuses „könnte mich was angehen“ sein, sondern es muss drängen und immer wieder nach vorne kommen. Offensichtlich sind die Probleme des Rettungsfachpersonals so gelagert. Da kommt die zweite Komponente ins Spiel: man muss auch einen Weg sehen, etwas zu tun. Und dafür muss man sich manchmal ein wenig anstrengen und sich was ausdenken.

Hier kommt mein Vorschlag: ich möchte eine Petition beim Baden-Württembergischen Landtag einreichen, welche die Veränderung des §5 im Landesrettungsdienstgesetz zum Ziel hat; nämlich die Installation einer stimmberechtigten Rechtsaufsichtsperson in jedem Bereichsausschuss, die in den häufig strittigen Kostenverhandlungen eine Entscheidung herbeiführen kann. Ferner ist die, derzeit mögliche, 40%ige Anrechnung des Einsatzes ehrenamtlicher Kräfte auf die Benutzungsentgelte in §28, Abs. 2 zu entfernen. Und überdies muss für die Ausbildung von Rettungsfachpersonal (also Notfallsanitätern) ein eigener Paragraph oder Absatz geschaffen werden, in welchem die jeweils notwendige Refinanzierung für den Ausbildungsaufwand den Kostenträgern als gesetzliche Verpflichtung auferlegt wird.

Weil Petitionen aber mehr Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie eine gewisse Zahl Unterstützer mitbringen, möchte ich hiermit um eure Unterstützung bitten. Wenn es auch unwahrscheinlich ist, damit sofort Erfolg zu haben, rüttelt es vielleicht den einen oder anderen Verantwortlichen auf. Danke für eure Aufmerksamkeit!

Rückkehrer-Blues…

Ich habe gerade einen Regenbogen gesehen! Einen kompletten, von Boden zu Boden und in allen Farben… nun des Regenbogens eben. Klingt nicht gerade spektakulär, oder? Für mich jedoch war dieses eher seltene Naturschauspiel geradezu magisch. So magisch, dass ich im Nieselregen stehen blieb und ihm beim Verblassen zusah, während die Sonne hinter dem Waldrand am Versinken war. Für einen Moment war ziemlich klar, warum unsere Vorfahren der Natur einst etwas Mystisches zusprachen, denn, wenn man nie Physik in der Schule gehabt hat (und selbst bei Manchem, bei dem dies der der Fall war, und er’s trotzdem nicht kapiert hat), wirkt das Spiel der Spektralfarben am Himmel irgendwie magisch. Und wenn man sich ein klein wenig Mühe gibt, kann man das olle Prisma vergessen und es wirkt auch für uns Zivilisationsverseuchte Moderniker wieder irgendwie mystisch.

Ich fühle in solchen Momenten, wie sich das wenige an Spiritualität in mir regt. Ich war nie der große Kirchgänger und mich als praktizierenden Christen zu bezeichnen, ginge wohl ein bisschen weit. Und doch weiß ich – wie viele andere vermutlich auch – dass es da mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als wir uns mit unserer heiß geliebten Empirik zu erklären wissen. Ich mach da keinen Bohei drum, weil’s privat ist. Außerdem leben wir in einer medial despiritualisierten Welt, in welcher der Glaube, gleich welcher Art entweder nur zur romantisierten filmischen Darstellung taugt, oder aber schlicht negiert wird, weil an das Göttliche zu glauben so ganz und gar nicht zu unserem Glauben an die Notwendigkeit ewiger Jugendlichkeit, Virilität und Leistungsfähigkeit passen mag.

Der faktische Umstand, dass das Leben ein Kreislauf ist (aus dem Staub geboren, zu Staub geworden), geht vielen Menschen am Arsch vorbei, bis eben diese Tatsache sie selbst am Arsch packt und sie dann erstaunt feststellen müssen, dass wirklich alles endlich ist – wie eben Jugendlichkeit, Virilität, Leistungsfähigkeit, Nützlichkeit, Wichtigkeit, etc.; kurz das Leben. Sich dessen vor dem Terminalpunkt bewusst zu werden, führt mittelfristig zwangsweise dazu, dass man auch bestimmte andere Dinge bewusster wahrnimmt. Das macht das Leben zwar nicht immer leichter – zum Beispiel, wenn einem die lieben Kleinen auf der Nase Tango tanzen – aber in jedem Fall reichhaltiger. Und man kommt irgendwann (ich wahrscheinlich nie ganz, aber ich bin ja auch kein ommender Mönch, sondern einfach nur Zimbo, der durchaus gelegentlich seinen Affekten ausgeliefert ist) zu dem Punkt, dass man weiß, wie man aus den Zitronen des Lebens wenigstens halbwegs schmackhafte Limonade macht…

Wir müssen dann mal zurück. Der Toskana einmal mehr Lebewohl sagen und back to good old Mannheim touren. Das kann einen auch sauer wie eine Zitrone machen. Andererseits ist der Zeitpunkt da, die Kohle ist alle, meine Gattin muss Montag schon wieder ran und ich muss nächste Woche nämliche lieben Kleinen beim Tangotanzen auf meiner Nase hüten. Wahrlich, sage ich euch, das sind Zitronen! Aber meine Zitruspresse, das Sodawasser und der Zucker stehen schon bereit! Ich habe so meine Pläne, wie ich meine Kinder zufriedenstellen kann, weiterhin noch ein wenig Zeit für mich selbst abgeknappst kriege und so die sonnigen Tage in meinem Herzen wenigstens so lange konservieren kann, bis ich das erste Mal wieder arbeiten gehen muss. Jeder kennt das – der Erholsamkeitseffekt des Urlaubs verdampft an der Arbeitsstelle mit der gleichen Geschwindigkeit, wie Zitronenlimo in der Sahara: verdammt schnell und beinahe Rückstandsfrei. Da dürfte ich schon den Rückkehrer-Blues kriegen, nicht wahr? Aber wisst ihr was: drauf geschissen! Es gilt, wie stets: Et kütt, wie et kütt, on es han noch immer jotjejange! Wir sehen uns…

Über’s Wetter reden?

Ja, kann man mal machen. Ich selbst habe mich zwar schon des Öfteren über „das Wetter“ als ausgemacht seichtes Small-Talk-Thema ausgelassen. Allerdings muss ich zugeben, dass diese Betrachtungsweise dahingehend überholt ist, als Wetterphänomene, die allenthalben zum Nachteil gereichen immer häufiger werden. Man denke an die ungewöhnlich hohe Zahl extrem schwerer Gewitter in Süddeutschland im Juno dieses Jahres; die überdies mit einer, für deutsche Verhältnisse unverhältnismäßig hohen Zahl an Unwettertoten einhergingen. Überraschend waren vor allem die Intensität des Regens und die nun zu Tage getretene Unzulänglichkeit der örtlichen Infrastruktur, diese zu kanalisieren. Das hätte wohl tatsächlich keiner geglaubt.

Natürlich fangen dann wieder alle zu reden an. Sie reden aber nicht davon, dass die Klimaerwärmung uns nun mit einer Phase des Klimazonenwandels endgültig davon zu überzeugen sucht, dass sie real ist. Und dies Phase des Wandels äußerst sich gegenwärtig ganz offenkundig in immer extremeren Mikrowetterphänomenen. Oder hat irgendjemand schon mal so einen Juni erlebt? Ich nicht und ich habe auch keine Erinnerung an derart schnell heranrollende, mit solchen Temperatur-Amplituden einhergehende und derart schnell wechselnde Wetterperioden. Mag sein, dass meine subjektive Sicht alleine nicht aussagekräftig erscheint, aber tatsächlich haben Wissenschaftler ja immer wieder darauf hingewiesen, dass in der Klimaerwärmung Transitionsphasen mit Extremen in beide Richtungen (also Warm vs. Kalt und Trocken vs. Nass) immer wieder möglich sind und wir gerade erst am Beginn einer solchen Phase stehen. Aber kurzfristige wirtschaftliche Belange waren ja schon immer wichtiger und man kann auf Klimakonferenzen noch so viele schöne Worte absondern und noch so viele – von manchem Nachrichtengollum dann hinterher auch noch als „ambitioniert“ bezeichnete – Abkommen schließen; so lange die Wirtschaft diktiert wo’s langgeht, werden wir weiter in den Abgrund steuern.

Ich bin ein alter Soze, aber beim besten Willen kein Linksromantiker. Ich weiß, dass irgendwie essen auf die Tische der Menschen kommen muss und dass Wirtschaftsunternehmen dies quasi en passant durch ihre Wertschöpfung mit erledigen. Es ist aus meiner Sicht auch nichts daran auszusetzen, wenn man seine Arbeitskraft für den Erwerb des Lebensunterhaltes verhuren muss. Nur haben sich die Maßstäbe einmal mehr zu Ungunsten jener verschoben, die am unteren Ende dieses Prozesses stehen. Fast ein Jahrhundert des Kampfes für Arbeitnehmerrechte und gegen eine willkürliche Ausbeutung nicht nur der Menschen, sondern auch unserer natürlichen Ressourcen durch die Wirtschaft sind in den letzten 15 Jahren durch das Mantra der Organisation aller gesellschaftlichen Prozesse nach dem Bilde der Marktwirtschaft zunichtegemacht worden.

Was das mit dem Wetter zu tun hat? Nun, mit den Arbeitnehmerrechten rückten zunehmend auch Umwelt- und Verbraucherschutz in den Fokus der politischen Regulierungsabsicht. Vollkommen zu Recht, denn was ein entfesselter Kapitalismus mit seinen Kindern anstellt, kann man in der so genannten Volksrepublik China gerade sehr gut beobachten. Ausbeutung breiter Schichten insbesondere der ungebildeten Landbevölkerung geht mit massiver Umweltverschmutzung einher. Der Turbokapitalist tritt also nicht nur die Rechte seiner Angestellten (Sklaven wäre hier wohl die passendere Bezeichnung) mit Füßen, sondern auch das Wohl der Natur. Das erzeugt verseuchte Flüsse, ausgelaugte Erde und Treibhausgase, die zur Klimaerwärmung beitragen, auch wenn von den Konzernen bezahlte Wissenschaftler immer wieder statistische Nebelkerzen werfen. Die Klimaerwärmung erzeugt Wetterkapriolen und diese erzeugen schlechte Ernten, erschwerte, bzw. im schlimmsten Fall ausgelöschte Existenzen, erhebliche Infrastrukturschäden und alles in allem verschlechterte Lebensbedingungen. ABER NÖ, das hat ja alles nichts miteinander zu tun. Na ja, aber so lange die Arbeitsausfälle durch dauerschuftende freiwillige Feuerwehren, das THW und andere, sowie die Versicherungsfälle billiger sind, bzw. von anderen Teilen der Gesellschaft (also von uns!) getragen werden müssen, als tatsächlich wirtschaftlich umzudenken zu müssen, kann man ja immer so weitermachen. Pfui Teufel!

Ja, das Wetter ist schon lange kein Small-Talk-Thema mehr, zumindest nicht für mich. Ich unterhielt mich dieser Tage mit unserem Vermieter am Urlaubsort, der meinte, in der Region habe es seit zwei Monaten nicht mehr geregnet. Zwei Monate kein Regen? OK, das ist hier die Toskana, aber dennoch, dennoch… insbesondere, wenn man bedenkt, dass ich letztes Jahr, um dieselbe Zeit dieselbe Auskunft von einem anderen bekommen hatte, zusammen mit dem Hinweis, dass dies schon seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen sei! Jeder man sich seine eigenen Gedanken dazu machen. Für mich klingt das allerdings nach einer sehr großen Menge schlechten Karmas.

Ich könnte mich jetzt einfach freuen, dass seit über einer Woche jeden Tag die Sonne aus allen Kopflöchern scheint und meine Familie sich jeden Tag am/im Pool vergnügen kann, was mit kleinen Kindern eine gewisse Entspannung bedeutet. Aber leider kann ich das Auge für’s große Ganze nicht abschalten und so dräuen in meinem Hinterkopf die Probleme; zumindest ein bisschen, denn jetzt muss ich erst mal in den Pool, es ist nämlich verdammt heiß hier…

Post-Trauer?

Bevor die letzten Wochen zu einem Parforce-Ritt in interfamiliärer Gefühlsbewältigung wurden, hatte ich eigentlich an verschiedenen Projekten gearbeitet und rumgedacht, die im weiteren Sinn mit meinem Studium zu tun haben. Denen wollte ich mich jetzt wieder zuwenden, nachdem die letzten Wochen mir schon, durch verschiedenste Aufgaben, wenig Gelegenheit zur Kontemplation gelassen hatten. Allerdings gab und gibt es immer noch Unerledigtes und Ablenkungen, die mich nicht so recht zur Ruhe kommen lassen. Einerseits musste ich, allen Sorgen zum Trotz, eine Hausarbeit für mein Studium abschließen, weil der Termin dräute und ich beim besten Willen keinen Nerv habe, über die Regelstudienzeit zu prolongieren. Das mag abgebrüht klingen, aber wem nützt es, wenn ich alles liegen lasse und den sterbenden Schwan spiele? Meinem leider verstorbenen Vater? Wohl kaum.

Andererseits war es letzthin nicht einfach mit manchem umzugehen und verschiedentlich hatte ich den Eindruck, dass die Menschen ringsum eine spezielle Art der Trauerbewältigung von mir erwarten würden; ganz so, als wenn es für Emotionen aller Couleur Schalter gäbe, die man einfach nur umlegen muss. Oder als wenn es obligat wäre, eimerweise zu greinen. JA – ich habe einen Verlust erlitten! NEIN – ich muss nicht so trauern, wie es in irgendwelchen schlauen Büchern über die Psyche steht. Ich kenne diese Bücher, ich musste selbst oft genug anderen Menschen – vor allem Angehörigen von Patienten – Trauer in Extremsituationen kanalisieren helfen. Und mitnichten findet man die beschriebenen Phasen tatsächlich in signifikanter Häufigkeit. Trauer als Arbeit zu bezeichnen, ist übrigens nach meiner persönlichen Erfahrung auch Käse. Ich muss keine mentalen Steine bewegen, ich muss lernen, zu akzeptieren, dass ein Mensch, mit dem ich vielleicht gerne noch das eine oder andere geteilt hätte jetzt nicht mehr da ist. Wann und wie ich darauf reagiere, ist allerdings verdammt nochmal mein ganz privates Bier!

Ich habe Emotionen und ich bin auch spirituell, jedoch nicht auf allzu plakative Weise. Damit kommen manche nicht klar. Sie glauben, ich würde alles in mich hineinfressen und müsste daran dann jämmerlich zu Grunde gehen. Vielleicht lesen die einfach nicht mein Blog? Wie dem auch sei, es liegt mir nicht besonders, einen riesigen Bohei um meine Gefühlswelt zu machen; zum einen, weil sie privat ist und zum anderen, weil mir das, was andere Menschen zeigen allzu oft aufgesetzt, ja manchmal nachgerade falsch vorkommt. Wer weiß, wie man unter meine Oberfläche schaut, der ahnt, dass es da durchaus brodelt…

Es gibt vielleicht den Zustand der Prä-Trauer; also quasi jenen, bevor man einen großen Verlust erdulden muss. Der hält in aller Regel an vom Erlangen eines echten Bewusstseins für das Miteinander bis zum ersten Blutsverwandten, den man selbst zu Grabe tragen muss. Das Schicksal hat mich bis zu meinem 43 Lebensjahr davor bewahrt und mir so die Chance gegeben, zu einer gefestigten Persönlichkeit zu werden. Einen Zustand der Post-Trauer wird man danach aber nie wiedererlangen können. Denn das, was man als Hinterbliebener mit dem Verstorbenen geteilt hat, bleibt für immer. Der Schmerz wird blasser, bis er zu einer Narbe auf der Seele abheilt, die nur noch zu bestimmten Gelegenheiten schmerzt. Doch wenn der private Lord Voldemort auftaucht, muss man das ertragen.

Man könnte also sagen, dass es einen Zustand der Trauer-Unschuld gibt, der mit dem ersten familiären Trauerfall endet. Ich empfinde das im Moment als sehr zwiespältig, denn einerseits hätte ich mir natürlich gewünscht, dass noch ein wenig aufschieben zu dürfen. Andererseits sollte jemand aus meinem beruflichen Milieu eigentlich wissen, dass das Leben nun mal endlich ist. Vielleicht ist es aber auch genau dieses, durch jahrzehntelange Erfahrung verfestigte Wissen, dass mich in anderer Leute Augen als abgebrüht erscheinen lässt. Wer kann das schon so genau wissen…? Im Moment nehme ich es, wie’s kommt und pfeife weitestgehend auf die Meinungen Anderer; auch wenn man mich dann wohl als noch weniger empathisch wahrnimmt. Da gibt es keine Patentlösung. Nur so viel: diejenigen, die für mich emotional relevant sind, werden es erfahren, wenn ich dann doch zusammenbrechen sollte. Alle anderen jedoch dürfen bitte ab jetzt davon Abstand nehmen, mich taxierend zu beobachten, denn es nervt mich total und ist überhaupt nicht hilfreich. Schönen Dank und schönes Leben noch!