Nur kurz zum Flugzeugabsturz in den französischen Alpen…

Ich finde es einerseits sehr menschlich und angebracht, den betroffenen Familien auch hier, online mein Beileid zum Verlust auszusprechen und ich selbst wünsche allen Angehörigen viel Kraft in der kommenden Zeit, denn unversehens eines lieben Menschen beraubt zu werden, ist immer tragisch und schmerzhaft.

Allerdings glaube ich ebenso, dass ein gerade aufbrandender Facebook-Hype mit virtuellen Kondolenz-Schleifchen und ähnlichem den tatsächlichen Umständen nicht gerecht wird. Nochmal: es ist absolut bitter, wenn viele, auch junge Menschen durch ein Unglück – und ich weiße hier ausdrücklich darauf hin, dass ich es sehr gut finde, wie besonnen bislang durch die Medien auf das Geschehen reagiert wurde, insbesondere den Verzicht auf wilde Spekulationen über die Unglücksursache  – in den Tod gerissen werden.

Trauer ist jedoch nach meiner Erfahrung etwas sehr persönliches und ich selbst wäre von virtuellen „Kranzniederlegungen“ eventuell gar nicht sehr erbaut. Das Bekunden des Mitgefühls wird im Kontext der sozialen Medien durch das Klicken des Share-Buttons meines Erachtens nämlich auf das Niveau eines Katzenbildchens herunter gewürdigt; und DAS wird dem eventuell individuell empfundenen Verlust nicht wirklich gerecht.

Aber irgendwie habe ich mir auch gerade widersprochen, weil ich ja jetzt in meinem Blog selbst etwas dazu gesagt habe, nicht wahr? Ja, wenn wir mit dem Tod konfrontiert werden und sei es nur in den Medien, ist nichts einfach. Vielleicht ist das mein Punkt – denken, bevor man teilt, auch wenn es nur um eine digitale Trauerkerze geht; insbesondere, weil Mitgefühl auch echte Reflexion des Schmerzes im Anderen erfordert. Und dafür langen der Share- und der Like-Button einfach nicht – weil die für so vieles nicht langen…

Informieren – aber bitte einfach!?

Man sucht nach Attitüde und findet doch oft nur Plattitüde, denn der Text wird zum Toast; die Worte verklebt von einer zähen Masse, die irgendwie mehr nach Chemie schmeckt, denn nach Käse. Künstlich, gekünstelt, dem Stil heiligend lässt das derart Hingekleisterte vielleicht nicht unbedingt innere Kohärenz vermissen, denn eine Geschichte zu erzählen kann man erlernen; als Journalist allemal, aber auch der halbwegs sprachgewandte Normalbürger vermag das sehr wohl. Der Mangel an Substanz und Relevanz jedoch ist allerorten spürbar. Doch das Hauptproblem sind nicht unbedingt jene, die für Recherche und Präsentation ausgebildet, ausgerüstet und bestallt sind. Nein, mediales Desaster trifft uns eher dort, wo die allzu Berufenen ausziehen, ihre Sicht der Dinge kund und zu wissen geben – ganz gleich, ob sie dafür ausgebildet, ausgerüstet oder gar bestallt sind. Sendungsbewusstsein ist eine häufig unterschätzte Macht. Eine, die Berge versetzen kann.

Aber es sind nicht jene, welche andere Leser mit einem Zwischenruf bezüglich eines falsch zitierten Seneca langweilen, um auf ihre eigene Gelehrsamkeit aufmerksam zu machen. Wer kennt denn heute auch noch Seneca? Auch wenn sein Spruch, dass man für die Schule und nicht das Leben lerne durchaus oft mehr Wahrheit in sich trägt, als der vom Volksmund positiv gewendete Gebrauch seiner Worte. Es sind vielmehr solche, die mittels wenig substantieller, dafür aber plakativer Argumentation Meinungsmache betreiben. Die von mir mit sorgfältiger Verachtung betrachtete „Das-wird-man-doch-wohl-noch-sagen“-Fraktion ebenso, wie Leute, die trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – dürftiger Informationsbasis durch markiges verbales Dreinschlagen den virtuellen Mob von der Leine lassen können. Und es ist mittlerweile auf Grund eines gewissen Übersättigungseffektes leicht geworden, mal eben einen kleinen Sturm digitaler Entrüstung aufzubauen. Zehn Mal einfacher, als potentielle Leser auf das Verständnis einer unter Umständen komplexen Argumentation einzuschwören. Die meisten haben auf Grund des rasant-simplifizierenden Zuschnitts der Nachrichten ja kaum noch die Geduld zum Beispiel bis hierher zu lesen…!

Da unterschreiben dann 200.000 Menschen eine Petition gegen einen Strafbefehl, der einem selbstfahrenden Notarzt aus Bayern zwecks zweier Anzeigen wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung aufgebrummt wurde. Der Strafbefehl wurde zurückgezogen. Angeblich nicht wegen des medialen Furors, aber da wäre ich mir nicht so sicher. Vollkommen unabhängig davon, was wirklich passiert ist – und das kann ich wirklich nicht beurteilen, weil ich kein Detailwissen über die tatsächlichen Umstände habe – erscheint es mir bedenklich, wenn unsere Justizorgane wegen ein paar möglicherweise wohlmeinenden, jedoch schlechtinformierten Möchtegern-Netzaktivisten „einknicken“. Ich war immer der Meinung, juristische Entscheidungen orientieren sich, wenigstens in unserer bunten Republik, an der Sachlage und nicht an den Befindlichkeiten der Beteiligten; oder irgendwelcher gänzlich unbeteiligter, die ein bisschen Socialmedia-Rumkrakeele inszenieren?

Man möge mich nicht falsch verstehen: ich bin durchaus der Meinung, dass man gegenüber der Blaulichtfahrenden Zunft mit Augenmaß und Zurückhaltung agieren und nicht jeden Schlenker auf die Goldwaage legen sollte; in aller Regel sind wir nämlich im Interesse des Bürgers unterwegs. Hoffentlich sind alle Beteiligten dabei auch mit Augenmaß und Zurückhaltung eilig zugange. Aber auf Grund der eigenen Meinung, deren Fundiertheit doch wohl bei den meisten Unterzeichnern kritisch betrachtet werden muss, medialen Druck auf Justizbehörden aufbauen zu wollen, ist zutiefst undemokratischer Unfug. Das ist nicht, was mit liquid democracy gemeint war. Die Idee, die Abläufe demokratischer Willensbildung transparenter zu machen, um so den eilfertigen Beeinflussern Macht zu entziehen, die aus dem Dunkel wohl informierter und gut bezahlter Seitenkanäle zu den jeweils Mächtigen ihr Geschäft betreiben. Eben das, was wir unter der negativen Notion von Lobbyismus verstehen. Als ich sagte, man müsse sich selbst zur Lobby werden, war ich gedanklich durchaus auch bei der Nutzung von social media. Doch sich in teilweise unwürdiger Form wegen einer Blaulichtgeschichte produzieren, um ein um Einfluss heischendes, öffentliches Interesse zu konstruieren ist social engineering at it’s worst! Vollkommen unabhängig davon, ob nun die Petition tatsächlich der Grund war, oder doch eine behauptete Neubewertung der Beweislage durch eine übergeordnete Justizbehörde. Der Vorgang an sich; nämlich dass 200.000 wildfremde sich zu einem digitalen Mob zusammenrotten ist schon schlimm genug.

Ich sitze nun hier, enttäuscht davon, dass die Mehrzahl der Menschen anscheinend nicht fähig ist, eine Sache die es wert ist von jenen zu unterscheiden, die es nicht wert sind. Und ein selbstfahrender bajuwarischer Notarzt ist eine Petition nicht wert. Er ist höchst individuell für all das verantwortlich, was er tut, oder lässt; so wie jeder andere auch, der im Rettungsdienst tätig ist. Vollkommen gleich, ob es dabei um medizinische Belange geht, oder um logistische, worunter eben auch das Befahren unserer Straßen unter Inanspruchnahme der Sonderrechte fällt. Die Öffentlichkeit zu suchen und ein privates Problem zu einem der Allgemeinheit zu machen ist billige Propaganda und alle, die dabei mitmachen vermutlich unfähig, zu erkennen, dass sie ausgenutzt wurden. Aber man hat ja seinem wutbürgerlichen Furor über „diese Idioten da oben“ – womit im Duktus der Unterzeichner die zuständige Justizbehörde gemeint ist – Luft gemacht und sich so billig das Gefühl erworben, etwas Gutes getan zu haben. Dass man sich dabei hat vor den Karen spannen lassen, um möglicherweise fragwürdiges Handeln im Nachhinein legitimieren zu können, daran hat natürlich keine Sau gedacht.
Nochmal: es geht mir nicht um die Frage, ob er korrekt gefahren ist, oder nicht. Das kann, will und werde ich nicht beurteilen. Sich aber hinterher öffentlich als Opfer einer ungerechten Justiz darzustellen, stinkt für mich geradezu nach versuchter Beeinflussung. Und leider, leider hat es zumindest dem Anschein nach funktioniert. Wenn das die einzige Art ist, auf die meine buntrepublikanischen Mitmenschoiden sich an Gesellschaft beteiligen wollen – nämlich indem sie die legitimen Verfahren der Judikative durch provokative Drohszenarien in Frage stellen – dann könnte ich mir eigentlich jedes weitere Wort hier oder sonst wo sparen. Aber ich bin noch nicht vollkommen verzweifelt. Denn zumindest eines demonstriert die Angelegenheit: man kann sich selbst durchaus zur Lobby werden. Nicht nur bei der Wahl der Ziele und der Vernetzung zum Interessenabgleich ist noch eine Menge Feinarbeit notwendig. Aber social media politics sind ja noch jung…

Anarchisten-Blues 2.0

Ich weiß gar nicht mehr genau, welches der erste Gedanke war, der mich bei den Radiomeldungen am Tag der EZB-Einweihung morgens durchzuckte. Ich kann nicht von der Hand weisen, dass es möglicherweise sogar Belustigung darüber war, dass eine Hand voll Chaoten es tatsächlich geschafft hatte, das öffentliche Leben in unserer Bankenmetropole Nummer eins nachhaltig negativ zu beeinflussen. Ich glaube, ab und an merkt man, dass ich die meisten Banker und ähnliche Berufsgruppen nicht allzu gut leiden kann, weil auch ich sie für, unsere Zukunft verzockende Aasgeier halte. Aber zurück zu den Randalierern; zumindest den Verkehr hatten sie zum Erliegen gebracht, woran die Frankfurter ja aber eigentlich gewöhnt sein sollten. Doch wenige Augenblicke später, als die Rede von Angriffen auf eine Polizeiwache und brennenden Autos war, verschwand meine Belustigung schlagartig und wich Nachdenklichkeit, die sich mittlerweile, mit einem guten Tag Abstand in Wut gewandelt hat. Wut darüber dass sich Blockupy dazu herab lässt, die Randale dieser asozialen Zecken in Schwarz mit der Todsünde der Relativierung zu bedenken, gar als Notwehr zu bezeichnen. In den Köpfen dieser offensichtlich nicht ausreichend in der Demokratie vergraswurzelten Idioten firmiert wohl immer noch das alte, immer noch falsche Diktum: „All Cops Are Bastards“. Wut darüber, dass diese Arschlöcher mit Anarchie-Symbolen immer noch nicht verstanden haben, dass die Philosophie der Anarchisten eine Utopie ist, die zudem nicht mit Gewalt erreicht werden kann. Und schließlich Wut auf linke Politiker, die gesellschaftsfeindliche Randale als einen legitimen Ausdruck zivilen Ungehorsams bezeichnen und die Schuld für die Eskalation, wie stets bei der Polizei suchen.

Das wir uns nicht falsch verstehen: es gibt Polizisten, die Bastarde sind, weil sie sich aufführen wie Scherriffs von Gottes Gnaden. Die weitaus meisten, die ich in Dienstausübung kennen gelernt habe, sind jedoch tatsächlich einfach nur Menschen in Uniform, die ihren Job so gut machen, wie die Gesellschaft und die speziellen Umstände es zulassen. Stichwort Etatkürzungen. Und die Bilder lassen keine unangemessene Eskalation von Seiten der Staatsmacht erkennen. Die Vermummten jedoch, die ohne Provokation Sachwerte abfackeln und Menschen gefährden oder auch verletzen, darunter teilweise Feuerwehrleute und Rettungsdienstkollegen, die lediglich versuchen, größeren Schaden zu vermeiden, sind für mich allesamt Arschlöcher, die eingelocht gehören; von mir aus auch gerne ohne Verfahren und für richtig lange Zeit. Ich mag unsere rechtsstaatlichen Errungenschaften und ich bin üblicherweise stets der Meinung, dass jeder Mensch ein faires Verfahren verdient und das eine halbwegs vitale Demokratie auch mit Provokationen und Anfechtungen umgehen können muss, weil diese stets eine Chance darstellen, sich insgesamt weiter zu entwickeln. Manchmal muss man halt andere Blickwinkel auch mal auf unangenehme Weise gezeigt bekommen.

Doch der schwarze Block hat hier einfach nur Gewalt um der Gewalt Willen zelebriert, um sich an der dabei empfundenen Ohnmacht der Staatsmacht zu ergötzen. Und hat dabei völlig vergessen, dass derlei Verhalten vollkommen antisozial ist. Einen Polizisten zu entmenschlichen, ihn auf seine Funktion als Arm des Staates zu reduzieren ist ebenso wenig zulässig, wie alle in Frankfurt an Demonstrationen Beteiligten dem Möchtegern-Anarchisten-Pack zuzurechnen. Anderer Leute Eigentum abzufackeln ist ein Angriff gegen mich! Ja genau – MICH! Und jeden Anderen, der auch so ein ganz stinknormaler Typ ist, denn ich empfinde durchaus Sympathien für Graswurzelbewegungen, weil ich sie für den Nährboden einer Demokratie 2.0 halte, die wir eigentlich dringend brauchen, wenn wir uns unsere Zukunft nicht vollkommen vom Kapital und seinen politischen Bettgespielen und Erfüllungsgehilfen diktieren lassen müssen wollen. Wenn Blockupy sich aber zum Podium auch für solche Leute macht, die einfach nur die Welt brennen sehen wollen, weil ihre eigene, armselige Existenz sie quält und sie einfach nicht wissen, wie man seinen Frust sinnvoll und nicht gesellschaftsschädlich abbaut; nämlich eben solche schwarz vermummten asozialen Zecken, dann entwertet sich eine solche Bewegung für mich und jeden anderen, an ernsthaften Ideen für mehr Partizipation interessierten Menschen vollkommen. Denn mit diesem dummen, asozialen, gewalttätigen Randaliererpack will ICH nichts zu tun haben. Und ebenso wenig mit Politikern und so genannten Aktivisten, die sie auch noch in Schutz nehmen.

Ich bin nach wie vor überzeugter Sozialdemokrat, libertärer Geist und Systemkritiker, aber mir ist vor allem wichtig, dass ich Demokrat bin. Und jenen, welche die Randale in Frankfurt verteidigen, lege ich ans Herz, Henry David Thoreau, den geistigen Vater des Begriffes „ziviler Ungehorsam“ zu lesen. Er redet mitnichten der Gewalt das Wort. In diesem Sinne – weitermachen, aber bitte vorher nachdenken!

Es gibt so Zeiten…

…wo man einfach nicht so kann, wie man will. Die letzten Wochen waren so eine Zeit. Arbeitgeberwechsel gepaart mit einer Klausur für’s Studium, deren Vorbereitung viel Zeit in Anspruch genommen hat und den Anforderungen des Familienlebens haben Stunden der Muße für mich zum Luxusartikel werden lassen, was sich auch auf die Häufigkeit meiner Publikationen hier im Blog auswirken musste. Und weil ich nicht einfach irgendeinen Müll zusammen schmieren wollte, nur um mehr Beiträge stehen zu haben, kratzte die virtuelle Feder nicht auf dem digitalen Papier. Aber weder bin ich tot, noch habe ich keine Lust mehr. Ab jetzt geht es wieder öfter weiter. In diesem Sinn: Gute Nacht!