New Work N°18 – Ein Wert an sich…?

Hört man immer mal wieder: „******** sei ein Wert an sich!“ ; man kann hier alles Mögliche einsetzen, und der Satz mag dann für den jeweils Einsetzenden einen Sinn ergeben; die Anderen werden jedoch oft zu einem divergierenden Ergebnis kommen. Das Problem mit Debatten über „******** als Wert an sich“ ist nämlich, dass sie niemals beendet sein können! Da ein ETWAS, das IRGENDJEMAND als „Wert an sich“ definiert damit nicht automatisch einer Legaldefinition unterworfen ist, sondern schlicht dem Gutdünken des jeweils tätigen Definitors. „Definitor“ klingt in diesem Fall nicht nur ähnlich wie „Dementor“, es hat auch die gleiche Wirkung: man vergisst wesentliche Dinge. Wie etwa die Notwendigkeit, Konsens herstellen zu müssen, wenn alle diesen eben definierten „Wert an sich“ dann auch als einen solchen respektieren sollen. Ich dekliniere das einfach mal kurz für mich selbst durch und setze an Stelle der ******** den Begriff „Wachstum“ ein. Ach ja, was soll ich denn jetzt noch sagen. Lest doch einfach mal „Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“. Wir wissen erst seit 52 Jahren, dass Wachstum als Wert an sich NICHT FUNKTIONIERT, SONDERN DIE MENSCHHEIT IN DEN ABGRUND TREIBT! Nehmt das endlich zur Kenntnis und versteht, das Nachhaltigkeit absolut NICHTS mit dauerndem Wachstum sondern mit anhaltendem Konsolidieren, mit Degrowth, Recycling, Upcycling, Refurbishing und damit geringerem Ressourcen-Verbrauch zu tun hat. Und das Marktanteile, egal in welchem Wirtschaftsbereich damit auch kein Wert an sich sein können. NIEMALS!

Der Biene in dem Bild zuzusehen hatte einen Wert an sich, weil es mich an verschiedene Aspekte des Lebens gemahnte, die des ständigen Erinnertwerdens wert sind: a) meine geringe Rolle im großen Zyklus des Lebens, b) meine Vergänglichkeit und c) die unfassbare Wichtigkeit kleiner Dinge. „Bildung“ zum Beispiel hat einen Wert an sich – aber nur, wenn diese nicht zur Ware degradiert wird. Immer wieder wird geredet über die pädagogische Exzellenz, die man in manchen Einrichtungen der beruflichen Bildung vorfindet. Und dann wird im nächsten Atemzug nur noch über wirtschaftliche Entwicklung gesprochen – und die pädagogische Entwicklung spielt KEINE Rolle mehr, weil BWL-Menschen nur KPI im Kopf haben. Mein Key Performance Indicator ist die Menge an Zeit, welche wir tatsächlich damit verbringen können, den jungen Menschen Entwicklungsanlässe zu geben, Ihnen Entwicklungsrouten zu zeigen, ihre Entwicklungsfortschritte auf diese Routen sichtbar zu machen und ggfs. die individuellen Entwicklungsrouten anzupassen. Aber all das passiert nicht auf dem einem vorgegebenen Weg, sondern ist Ergebnis hoch dynamischer, iterativer Anpassungsprozesse, die Expertise, Geduld und Führungsstärke seitens des Lehrpersonals brauchen. All diese Dinge müssen mühsam kultiviert und entwickelt werden; denn Lehrende sind zugleich auch immer auch Lernende. Etwas, das BWL-Menschen gelegentlich zu vergessen scheinen. Und noch etwas wir immer sehr gern ignoriert: Jede einzelne abgehaltene Unterrichtsstunde erzeugt automatisch eine weitere Unterrichtsstunde an Vor- und Nachbereitungsbedarf; und diese Zeit taucht in keiner Berechnung wirklich vollumfänglich auf. Weil man dann nämlich die Idee, das Bildung Geld verdienen muss endgültig ad acta legen müsste.

Denn… die berufliche Bildung, die wir leisten, ist ein Wert an sich! Eine Investition in die Zukunft. Eine Hypothek, die wir aufnehmen in der Hoffnung und dem guten Glauben, in jungen Menschen die Haltung, die Humanität, die Professionalität und das Können entstehen zu lassen, die es braucht, um der Gesellschaft wirklich dienlich sein zu können. Wirtschaftlich sinnvolles, verantwortungsbewusstes Handeln ist ein notwendiges Übel, um diese Hypothek bezahlen zu können; nicht weniger – aber auch kein Jota mehr! Wachstum hingegen ist eine Schimäre, der nachzujagen lediglich dazu führt, dass das notwendige Übel die Oberhand über den Umfang der Hypothek bekommt – und damit den Wert an sich verkleinert, bis er kaum noch zu sehen ist. Und ich komme immer mehr zu der Erkenntnis, dass ich derzeit den Schimären diene. Was mich in ein Dilemma führt. Denn den Schimären zu dienen, ist in unserer heutigen Gesellschaft der EINZIGE Weg in jene Jobs, die so gut bezahlt werden, dass man ehedem durchaus greifbare existenzielle Ängste einfach ablegen kann. Oder anders formuliert – ich verhure mich gerade, während meine Überzeugungen einen langen, langen Urlaub machen müssen. Wäre ich ein weniger duldsamer und verantwortungsbewusster Mensch, hätte ich schon lange hingeschmissen!

Die beste Ehefrau von allen liegt mir schon seit Monaten in den Ohren, dass ich mir was Anderes suchen soll. Vermutlich könnte ich das. Aber… zum einen mag ich mein Team, zum anderen habe ich diese Stelle angetreten, um gestalten zu können. Und ich habe diese Hoffnung noch nicht aufgegeben, auch gegen die Widerstände des Geldes gestalten zu können, weil ich von der Wichtigkeit der Kernaufgabe – nämlich berufliche Bildung richtig zu betreiben – nach wie vor überzeugt bin! Außerdem habe ich Rechnungen zu bezahlen und mit 50 wird es halt schwieriger, einen neuen, äquivalent bezahlten Job zu finden. Wer sagt mir überdies, dass es woanders nicht schlechter oder auf andere Art Scheiße ist…? Wie man es auch dreht, einfacher wird es nicht. Also kämpfe ich weiter gegen anderer Leute Schimären und versuche ihnen eine andere Wahrnehmung der Realität aufzuzeigen. Ansonsten wäre ich als Konstruktivist ja auch am falschen Platz. Aber für BWL-Menschen gilt halt: wenn du einen Taschenrechner und eine Tabelle hast, sieht alles aus wie eine Kennzahl… Schönen Tag noch.

Auch als Podcast…

From Hell – a little tale about dys-democracy!

Am Ende des Tages schreiben so viele Leute über das, was da am Wahlsonntag in Sachsen und Thüringen passiert ist, dass ich meinen Senf eigentlich nicht mehr dazu geben müsste. Aber „eigentlich“ ist einer der Endgegner, an denen wir genausowenig vorbeikommen, wie am Wäscheberg, wenn sich das werte Auditorium entsinnen möchte… Und ich finde, dass ein Aspekt mindestens ebenso unterbelichtet geblieben ist, wie die Wahlentscheidung pro AfD. Adolf Höcke hat sich inszeniert und die AfD (Arbeitsgemeinschaft für Demokratie-feindlichkeit) hat leider ihre antisocial-media-Arbeit so richtig gut gemacht. So gut, dass über 40% Jungwähler ihr Kreuz bei diesem Faschistengeschmeiss gemacht haben! Und der EINZIGE Grund dafür ist, dass unser Bildungssystem es immer und immer wieder vergeigt, Trends in das Klassenzimmer zu holen, junge Menschen da zu packen, wo sie tatsächlich unterwegs sind und den sogenannten Bildungs-Kanon einfach mal Kanon sein zu lassen. Nehmt bitte endlich mal Folgendes zur Kenntnis: Bildung und Kultus sind NICHT Ländersache! Bildung und Kultus müssen von Menschen organisiert werden, die verstehen, wie ihre Zielgruppen ticken, ohne dabei grundlegende Ideale aus den Augen zu verlieren – niemals jedoch von irgendwelchen Hobos, die ausschließlich wegen des Parteiproporzes in Ämter gehievt werden, um von dort dann ihr Ahnungs- und Talentlosigkeitsinduziertes Unheil verbreiten zu dürfen. Gell, Frau Eisenmann und Frau Schopper…? Kann solche selbstgefälligen Idioten als Kultusminister bitte mal irgendjemand entsorgen; und am besten einen nicht geringen Teil der Ministerialbeamten gleich mit.Parteipolitiker und Verwaltungsjuristen haben nämlich in den allermeisten Fällen von Bildung so viel Ahnung, wie Schweine vom Fliegen!

Anstatt die Lebensrealität des frühen 21 Jahrhunderts einfach mal zur Kenntnis zu nehmen und Medienanalyse, Medienkritik und Mediennutzung so nachhaltig in den Unterricht zu integrieren, dass die Schüler*innen auch etwas von dem zur Kenntnis zu nehmen bereit wären, worüber da gesprochen wird, arbeitet man sich vielerorts immer noch an einem Curriculum aus der Steinzeit ab – und wundert sich dann, dass die derart Beschallten abschalten oder sich mit anderem Schall ablenken, um in den Pausen sodann schallend über die Realitätsferne ihrer Lehrer zu lachen… Ja, kann man so machen. wenn man aber nun wenigstens gelegentlich neuere Studien liest, könnte einem klar sein, dass die Gen-Z heutzutage nicht mal mehr googelt, sondern TikTokt, um sich Infos zu besorgen. Und wer ist jetzt auf TikTok noch mal besonders präsent? Ach ja – die Faschos, stimmt ja…! Ja so ein Mist aber auch. Ganz ehrlich: auch ICH habe schon als 14-, 15-jähriger nicht verstanden, wozu es gut sein soll, Gedichte interpretieren zu können. Vermutlich deshalb habe ich auch alles vergessen. Das Einzige, was mir von damals noch präsent ist, sind die Begriffe Jambus, Daktylos und Trochäus; aber wie diese Versmaße noch mal genau gingen…? Es hat mein Leben (und das war bis in meine 20er Prä-Internet) in KEINSTER WEISE beeinflusst. Genausowenig, wie die interpretation, der „Leiden des jungen Werther“. Ich habe schon lange Depressionen und weiß daher heute worum es da geht, aber dieser dämlichen Pussy aus dem Buch habe ich trotzdem von Herzen den Tod gewünscht! Wir versuchen junge Menschen von HEUTE mit Material von GESTERN für die Fragen von MORGEN fit zu machen und wundern uns, das alles den Bach runtergeht? Ja, kann man schon so machen, aber dann wird’s halt Scheiße; von der Farbe her passt es ja schon!

Die Antisozialen Medien haben eine Aufmerksamkeitsökonomie geschaffen, die viele von uns Gen-Xern nur unzureichend verstehen. Eines kann einem aber klar werden: so geht es nicht weiter! Interesse an Kunst und Kultur wecke ich nicht, indem ich den Leuten immer wieder das Gleiche serviere. Die Künstler von damals (etwa Da Vinci) haben ihre Werke nicht geschaffen, damit 550 Jahre später Massen daran vorbeigeschleust werden, damit diese enkulturalisiert werden – das funktioniert sowieso nicht. Denn Menschen suchen sich selbst aus, welche Kulturartefakte für sie relevant und damit interessant sind. Es mag den einen oder anderen jetzt irritieren, aber die subjektiven Ziele des Individuums verändern sich im Lebenslauf ganz von selbst. Und so ist es auch mit Schule. Ich kann nicht erwarten, dass Inhalte von gestern oder gar vorgestern die Kids hooken, selbst wenn diese mit Methoden von heute präsentiert werden. Fehlt der Bezug zur aktuellen Lebensrealität, funktioniert das einfach nicht. Und diesen Bezug herzustellen, ist vielen sogenannten Pädagogen offenkundig nicht gegeben; ich erlaube mir diese Kritik als einer, der selbst Pädagoge ist und vage versteht, wie Bezugsherstellung funktioniert.

Was ist also in Sachsen und Thüringen passiert? Ganz einfach: junge Menschen, die sehr wohl sehen und verstehen können, dass unsere Gesellschaft heute reale Probleme hat, bekommen auf TikTok vermeintlich schnelle Lösungen präsentiert, sind aber auf Grund ihrer Bildung und Erziehung (oder beser des Mangels daran) – und natürlich auch auf Grund ihrer Jugend – nicht in der Lage, differenziert zu sehen, dass Faschisten einen nirgendwohin führen, außer ins Verderben. Ihr haltet das für zu sehr vereinfacht? DANN ERKLÄRT MIR, WAS TATSÄCHLICH PASSIERT IST? Bis irgendjemand mit einer besseren Erklärung um die Ecke kommt, bleibe ich dabei, dass unser Bildungssystem gerade scheitert; und dass die verpopulistisierten (und teilverblödeten) Marktfetischisten von der Käsepartei (FDP heißen die glaube ich) auch noch Investitionen in Bildung kaputtsparen wollen, weil ihre Lobbyisten von solchen Investitionen keinen direkten Return of Investment generieren können. Ich kann verstehen, dass man die Ampel nicht gut findet. Ich finde sie vor allem wegen des kleinsten Lichtes nicht gut. Aber das war mit einem narzisstischen Idioten wie Christian Lindner als Finanzminister auch nicht anders zu erwarten. Genug geschimpft. Starten wir in eine tolle neue Woche und hoffen, dass die Blauen trotzdem NICHTS zu melden haben werden. Adieu!

Auch als Podcast…

Benvenuti nelle Marche N°6 – Mythen treiben Blüten!

Eingerahmt vom Schilf, Bäumen und Weinreben liegt der Naturpool, verborgen vor den allzu neugierigen Augen Dritter. Wenn der eigene Blick schweift, fängt er nicht viel mehr ein als das Innen dieser Oase; eine gelegentliche dunkelblaue Traube schimmert an der Pergola durch das alles dominierende Grün, an der hölzernen Umfriedung nagt der Zahn der Zeit, die dunkle Lasur blättert ab. Aus all dem emergiert ein Gefühl: befreit von der Notwendigkeit auf etwas anderes (wichtigeres?) zu achten als die Zahl der Bahnen, die zu schwimmen ich mich eben angeschickt habe, ist es diese Einfachheit der Dinge, die davon abhält, zu sehr nach irgendetwas zu suchen. Dieser Pool ist der Ort, in dem ich vergesse, dass es jemals eine Box gab, außerhalb welcher man denken sollte. Ich bin einfach und das genügt, um dem ganzen eben so viel Sinn zu geben, wie das Leben braucht. Diese Gedanken begleiteten mich in der Tat, als ich eben genau das tat: einfach nur schwimmen. Das mag jetzt ein bisschen wie eine contradictio in adjecto klingen, jedoch emergierten diese Gedanken – gleich dem beschriebenen Gefühl – auf genau die beschriebene Weise und baten darum, festgehalten zu werden, was ich hiermit pflichtschuldigst erledige. Ich bleibe meinen Gedanken nur ungern etwas schuldig, denn Geschichten wollen erzählt werden… War das eben etwa eine Geschichte? Nun, sagen wir mal so: zumindest wurde etwas über den Protagonisten preis gegeben und das Setting wurde gesetzt. Als ich vor etwa 35 Jahren anfing, tiefer in die Welt des (kollaborativen) Geschichtenerzählens einzutauchen (ich fing u. A, an mit Pen’n’Paper-Rollenspiel), war mir natürlich weder bewusst, wie komplex dieses Hobby für mich werden würde und wie viel Bezug es zu meiner späteren Arbeit als Pädagoge haben würde, noch ahnte ich, WIE VIEL es darüber zu wissen geben könnte. Noch immer sind es vor allem die Worte, mit denen ich gerne und häufig arbeite; wenngleich meine Arbeit mit visuellen Medien in den letzten Jahren an Umfang und Bedeutung erheblich zugenommen hat. Ich sagt ja bereits, dass Kreativität ein Muskel ist, der regelmäßig trainiert werden möchte. Doch alle Übung nutzt nichts ohne eine Quelle, aus der man schöpfen kann!

Ich habe über diese Quellen in der Vergangenheit immer wieder gesprochen, doch ich bin mir nicht sicher, wie viel von meinen Beschreibungen tatsächlich verständlich war. Es gibt ja diese Idee, dass man sich an den einfachen Dingen erfreuen soll, dass es nicht immer den ausufernden Konsum braucht, dass etwas Mäßigung uns allen ganz gut zu Gesicht stünde und das man die Welt um sich herum achtsam betrachten soll, um an dieses Ziel gelangen zu können. Schön und gut, aber dafür braucht man tatsächlich weder ein Retreat im Kloster, noch die Reise nach sonstwo, oder gar ein Achtsamkeits-Seminar auf einer Insel, sondern schlicht die Entkopplung vom eigenen Alltag. Denn es ist die Summe all der kleinen und großen Verpflichtungen, die uns von früh bis spät auf Trab halten und uns nicht selten des Abends vollends erschöpft auf dem nächstbesten Sitz-/Liegemöbel zusammen sinken lassen. Kontemplation, Reflexion, Kreativität? Fehlanzeige. Warum wohl erscheinen meine Blogposts, wenn ich nicht gerade Urlaub habe, vornehmlich am Wochenende… hm…? Oh ja, man könnte mich schon wieder eitler Bigotterie beschuldigen, da ich diese Zeilen 1100 KM weit von zu Hause schreibe. Von wegen, man muss nicht nach sonstwo reisen! Tatsächlich ist das purer Selbstschutz, denn ich musste die Erfahrung machen, dass wenn ich nicht weit genug weg bin, leider dazu neige erreichbar zu sein. Und erreichbar sein ist Scheiße! Also tue ich mir den Gefallen und entkopple auch örtlich. Ich nehme an, dass ich da nicht der einzige Mensch bin, welcher das aus ähnlichen Gründen so handhabt. Jedenfalls sind diese Momente reinen Erlebens meine Quellen. Es geht dabei nicht um Selbstwirksamkeit, oder das motiviert sein, oder die bewusste Selbstreflexion; sondern einfach nur um das Sein an sich. Was in mir an Kreativität steckt, kann erst fließen, wenn ich frei bin von alltäglichen Zwängen.

Ich würde die Erzählung meiner Existenzt gerne Ändern, denn ich habe Angst, dass der Fluss meiner Gedanken in wenigen Tagen, wenn der Alltag zwangsweise mit Macht zurückkehrt alsbald wieder versiegt, einem Wadi gleich, der nur bei Schneeschmelze oder besonders starken Regenfällen überhaupt Wasser führt. Ich will nicht schon wieder an Freiheits-Mangel verdorren, so wie ich dies war, bevor wir hierher kamen! Ich möchte meinen eigene Geschichte auf eine Art neu erzählen dürfen, dass sie dem Mythos des Alltags wiederstehen kann. Jedes Jahr versuche ich auf’s Neue, etwas vom frisch geschöpften Spirit des Urlaubs mit in dieses andere Leben zu nehmen – und jedes Jahr scheitere ich wieder an der Übermacht dieses Endgegners namens ALLTAG! Ich weiß nicht, was ich falsch mache, aber so kann das nicht weitergehen. Ich brauch Change – und zwar nachhaltig. Schönen Abend, schöne Woche.

Benvenuti nelle Marche N°2 – Character-driven Storytelling

Als ich vor einigen Tagen hier darüber schrieb, dass Kreativität heutzutage oft vor allem Recycling-Kreativität sei, weil die großen Geschichten alle schon auserzählt seien, meinte ich damit vor allem Archetypen von Geschichten. Die klassische Form des Dramas mit seinen fünf Akten gibt bis heute Geschichten jedweder Art ein Grundgerüst, welches uns immer wieder bestimmte Figuren des Erzählens in verschiedenen Kunstformen zuverlässig wiedererkennen lässt:

  • Exposition (oder Protase) => wir werden in die Geschichte eingeführt und lernen Pro- wie Antagonisten kennen. Davon abgeleitet ist einer der wichtigen Ratschläge für Möchtegern-Romanciers: beginne die Geschichte mit einigen wenigen Sätzen, welche den bzw. die Protagonisten möglichst stark charakterisieren und positionieren. Doch dazu später mehr.
  • Komplikation (oder Epitase) => der Konflikt, bzw. die zentrale Spannung betritt die Bühne der Geschichte. Dies kann sich an eine Person polarisieren, oder an einem besonderen Sachverhalt (etwa einem McGuffin, den alle haben wollen). In jedem Fall wird der Eintopf gerade mit einigen 1000 Scoville nachgewürzt…
  • Peripetie => eine erste Klimax führt dazu, dass der/die Protagonisten eine Niederlage, einen Verlust oder einen Rückschlag erleiden und an den Folgen wachsen müssen, um den/die Antagonisten später (evtl.) überwinden zu können.
  • Retardation => Steigerung der Spannung durch das langsame Hinarbeiten des/der Protagonisten auf den finalen Akt. Die Kräfte werden gesammelt, Wunden geleckt, Erkenntnisse gesammelt, eine neue Kraft entdeckt. All das führt entweder zur…
  • Katastrophe oder zur Lysis => Wir alle lieben Happy-Ends…oder? Nun, offenkundig hat insbesondere die Mainstream-Filmemacherzunft vergessen, dass eine Geschichte auch mit einem Niedergang enden kann. Das Happy-End ist nur eine Möglichkeit, aber kein Gegebenes, wenn es um Geschichten geht.
Der Weg ist das Ziel 🙂

Vollkommen unabhängig davon, ob man nun als Autor eines Romans, eines Drehbuches, eines Computerspiels oder eines Skriptes für ein Instruktionsdesign in der beruflichen Bildung tätig wird, gibt es ein paar Dinge die man abseits der eben beschriebenen Struktur beachten sollte: a) inhaltliche Kohärenz: Wenn die Plotholes so groß sind, dass die voll aufgefächerte Pazifikflotte hindurchrauschen kann, ist irgendwas beim Denkprozess des Autors falsch gelaufen. Das bedeutet übrigens mitnichten, dass JEDE Geschichte den Gesetzen der Physik huldigen muss, oder den knochentrockenen Realismus eines alten Tatortes braucht. Die Geschichte muss in ihrem eigenen Kontinuum funktionieren und darf selbst aufgestellte Regeln nicht (allzu oft) brechen: ein Beispiel ist die vielzitierte Protagonistin Rey aus der dritten Star-Wars-Trilogie („Das Erwachen der Macht“ etc.), die vollkommen ohne Training oder mentorielle Begleitung beim zweiten Zusammentreffen schon einen Sith-Lord zerlegt – und damit erhebliche Bestandteile der Star-Wars-Lore ad absurdum führt. b) glaubwürdige Motivation: warum stellt sich ein Protagonist gewissen Herausforderungen? „Weil es eben da steht“, ist MIR als Begründung deutlich zu knapp. Es muss sich aus der Exposition und Komplikation erklären lassen, warum jemand sich auf ein Abenteuer begibt, warum und vor allem wie viel er oder sie für den Erfolg zu geben bereit ist und wie der Weg dahin aussehen könnte. Wenn hier zu viel Deus Ex Machina passiert, und ein*e Protagonist*in von Zero to Hero gebullshittet wird, bin ich als Konsument raus. Denn Erfolg / Stärke / Macht muss erworben werden und geht immer mit Verantwortung einher c) glaubwürdige Beziehungen: wenn da plötzlich aus zwei Personen, die in etwa so viel gemeinsame Chemie haben wie das Sandmännchen und der Osterhase eine Love-Interest hergesponnen wird, revoltiert mein Erzählerherz. Beziehungen entstehen nicht aus dem Nichts und bedürfen eines Reife-Prozesses (Sex in Extremsituationen, ein Klassiker des 80er-Action-Kinos, sei hiervon ausgenommen. Aber derlei Blödsinn sieht man ja heutzutage nur noch selten). Das betrifft aber auch die Verbindung mit Nebencharakteren, Sidekicks, Henchmen des/der Antagonisten etc.

Die „willing Suspension of disbelief“ funktioniert nur dann, wenn die Erzählung im Rahmen ihrer eigenen Parameter glaubwürdig bleibt, unsere menschliche Erfahrung hinsichtlich bestimmter Sachverhalte (eine 55KG-Frau wirft keinen 125KG-Mann umher, außer sie ist mit Superkräften gepimped und das wurde vorher auch so erklärt) nicht vollkommen konterkariert und die Struktur der Beziehungen erklärbar ist und bleibt – dann erzeuge ich Buy-In und die Leute kaufen mir meine Geschichte ab. Character-driven bedeutet also, dass ich Persönlichkeiten erzählen muss und nicht nur Schablonen; dass die Motive und resultierenden Handlungen der Pro- und Antagonisten emotional wie auch rational nachvollziehbar bleiben müssen. Und schließlich, dass die Beziehungen der Figuren untereinander relevant sind. Selbst dann, wenn diese durch die Geschichte einer (teils unvorhersehbaren) Dynamik unterworfen werden. Ich denke Geschichten immer von den Charakteren her. Übrigens auch im Lehrsaal. Szenen-Beschreibungen und Personen, die nah genug an einer realen Erlebniswelt dran sind, vermitteln den Schüler*innen stets bessere Einstiegspunkte in Fall-Szenarien, als irgendwelcher wirrer, an den Haaren herbeigezogener Action-Quatsch. Und tatsächlich beobachte ich, dass eine solche Einstellung beim Lehrpersonal auch auf die Schüler*innen abfärbt, wenn diese mit der Zeit teilweise selbst beginnen, auf diese Art Szenarien füreinander zu entwickeln. Das macht mich dann auch ein bisschen stolz.

Ich kämpfe hier im Urlaub gerade mal wieder mit verschiedenen Ideen für hobbymäßiges Storytelling, die allerdings noch nicht richtig Struktur annehmen wollen. Das Einzige, was mir, einer Fingerübung gleich, sofort aus der Feder lief, waren Nichtspielercharaktere und deren Beziehungen. Sogar für verschiedene Settings, die ich derzeit beackere. Tatsächlich ergibt sich der Rest der Geschichten dann vermutlich alsbald von allein, denn Kreativität kann man, wie ich neulich auch geschrieben hatte ja nicht zwingen; aber wenn der Moment günstig ist… Also hoffen wir auf die weitere Wirkung der Erholung. Die beste Ehefrau von allen meinte in dem Zusammenhang übrigens dieser Tage zu mir, dass ich in den letzten Jahren hinsichtlich meines Outputs für Pen’n’paper viel zu selbstkritisch geworden sei. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber das was ich geschrieben hatte, lasse ich jetzt so. Und jetzt kann ich den Pool rufen hören. Denn bei den aktuellen Temperaturen tut gelegentlich Abkühlung not. Wir hören uns alsbald wieder.

Hast du mal eine Idee für mich…?

Wir haben da in der beruflichen Welt ein ziemlich großes Missverständnis am Laufen: nämlich dass Handlungskompetenz im Sinne des situations-, sach- und sozialadäquaten Problemlösens Kreativität an sich sei. Ja, Handlungskompetenz hat eine kreative Komponente, wenn ich bekannte Ingredenzien meines Gewerkes auf jeweils neue Weise miteinander mischen muss, um eine neue Problemlage lösen zu können. Manche nennen das Improvisation, aber tatsächlich ist es Handlungskompetenz; lediglich auf einem neuen Niveau gedacht. Man kann es mit DJs vergleichen, welche die Situation (also den Saal) lesen und ihren Mix an die Stimmung, die Vibes, das Publikum anpassen. DJs sind dabei zumeist spielerischer unterwegs als Notfallsanitäter*innen oder Lehrkräfte. Aber im Kern ist die Aufgabe sehr ähnlich. Handlungskompetenz ist jedoch keine Kreativität an sich, weil sie so gut wie nie in der Freiheit ausgeübt wird, zu vergessen, wo die verdammte Box steht; zur Erinnerung es gibt den Terminus „to think outside the box“, wo es darum geht, seine üblichen Denkmuster zu verlassen, über den ´Tellerrand zu blicken, frei zu assoziieren, sich schlicht quer zu seinem sonstigen Denken zu stellen. Einen solchen Flow-Zustand erreiche ich unter dem üblichen Druck der Arbeitswelt, bzw. wenn ich in teilweise sehr streng und eng definierten Rahmenbedingungen arbeiten muss NICHT, weil ich dazu weder die Zeit, noch die freien kognitiven Ressourcen habe. Selbst, wenn die Arbeitsumgebung fancy and free gestaltet ist; was z.B. für Notfallsanitäter*innen und Lehrkräfte auch nicht der Fall ist.

Echte Kreativität lebt von eben jener Freiheit, die mich vergessen lässt, dass es jemals eine Box gegeben haben könnte. Das große Problem damit ist, dass man diesen Zustand nicht herbei zwingen kann – schon mal was von Schreibblockade gehört? Es gibt einen guten Grund, warum George R. R. Martin „Winds of Winter“ mehr als 12 Jahre später immer noch nicht fertig hat. Man kann es nicht erzwingen. Mal davon abgesehen, dass seine Geschichten eigentlich auserzählt sind. Wie oft kann man immer gleiche Intrigen aufbauen, dann eigentlich wichtige Charaktere töten – und immer noch frisch wirken? Die Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Mal davon abgesehen, dass heutige Kulturprodukte auch deswegen so ein Problem damit haben, immer härter um ausreichendes Publikum kämpfen zu müssen, weil die Urgeschichten alle erzählt sind. Ich habe vor mittlerweile 15 Monaten in Berlin ein Interview geführt, bei dem es um das Geschichten Erzählen ging. Und meine Interviewpartnerin meinte, dass speziell die alten griechischen Mythen sie immer noch faszinieren, weil sie immer wieder etwas Neues über diese uralten Geschichten herausfindet – und weil sie immer wieder neue Bezüge zu unserer heutigen Zeit herstellen kann. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ein altes Thema, über das ich schon vor 10 Jahren geschrieben hatte, kam wieder hoch: nämlich, dass streng genommen fast alles, was wir heute als neue Schöpfung hip und smash und frisch finden im Grunde nichts weiter ist, als ein Mash-Up, ein Re-Mix – kurz Recycling-Kreativität.

Im Grunde ist es mit unserer Kreativität heute so, wie mit dem, von einem Mehr an Biographie belasteten Menschen mittleren Alters beim Lernen: je mehr Vor-Gewusstes, Erfahrungen, Wissenssedimente sich in unserem Langzeitgedächtnis abgesetzt haben, desto länger brauchen wir, um Neuem darin einen sinnvollen Ort geben zu können. Je älter man wird, braucht man nicht länger zum Lernen, weil man langsamer denkt, sondern weil man wesentlich mehr Altes mit dem Neuen in Einklang bringen muss. Und so ist es mit unserer Kreativität: wenn ich etwas wirklich frisches schaffen möchte, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit dem ganzen alten Kram auseinanderzusetzen – allein schon, wenn ich einen Copyright-Verstoß vermeiden möchte. Ein gutes Beispiel dafür sind auch die Produkte, welche man mittels KI-Tools wie Chat-GPT erzeugen kann; denn generative KI erzeugt das „NEUE“ ja einfach nur durch Heuristiken, die Altes auseinander nehmen und neu zusammensetzen. Et voilà: Mash-Up und Re-Mix. Zwar wirkt das dann oft auf den ersten Blick überraschend kreativ; hat man aber ein einigermaßen geschultes Auge, bemerkt man, dass gerade DALL-E 3 mit seinen Bildern gerne in Pomp und Pathos abgleitet. Was neulich z.B. dazu führte, dass ich die KI darum bat, es noch mal mit etwas weniger sozialistischem Pathos zu versuchen, weil das Ergebnis aussah, wie ein Propaganda-Wandbild aus Sowjet-Zeiten…

Creatio ex nihilo – also die Erschaffung von etwas wirklich Neuem aus dem Nichts heraus passiert heutzutage nur noch ziemlich selten. Allein schon deshalb, weil der größte Teil unserer Unterhaltungsindustrie sich um des konsumkapitalistischen Paradigmas der Umsatz-Rendite Willen algorithmisiert hat – und in der Folge immer mehr von der selben Scheiße produziert. Adorno Ahoi! Und trotzdem entstehen ein ums andere Mal Ideen, die tatsächlich diesen Charakter der Novität haben. Etwa, weil sie in der Lage sind, unsere Sicht der Dinge zu verändern; oder weil sie ein wirklich neues Element in eine alte Geschichte einfügen, was diese wieder spannend macht. Weil sie etwas Bekanntes auf überraschende Art neu denken. Es sind diese Ideen, die es wert machen, die eigene Kreativität zu trainieren. Denn in der Tat ist die Fähigkeit, Neues zu schaffen, Neues zu erdenken, sich selbst neu zu erfinden wie ein Muskel, der atrophiert, wenn man ihm kein Training angedeihen lässt. Dass ist die wahre Gefahr von zu viel Routine, von zu viel „Das haben wir ja noch nie so gemacht“, von zu viel Tradition – die Fähigkeit zur Kreativität und damit zu echter Innovation zu verlieren. Problemlösen kann man dann trotzdem noch, aber irgendwann wird auch diese Fähigkeit schlechter, weil neue Problemlagen manchmal anstatt alter auch mal neue Antworten brauchen. Könnten sich Politiker aller Parteien mal hinter die Ohren schreiben. Insbesondere aber die von CDU/CSU und FDP; die blauen Faschos lernen eh nix mehr dazu.

Ob ich heute eine Idee für euch habe? Jawoll! Probiert es doch einfach mal aus und lasst euch auf die Ideen, die Gedanken, die Philosphie von jemandem ein, um den ihr bisher einen Bogen gemacht habt, weil ihr immer dachtet, dass das aus 1001 Grund nicht zu euch passt! Ihr werdet überrascht sein, wie anders diese Welt plötzlich aussieht, wenn man seine Offenheit trainiert – und auf was für krasse Ideen man dann kommt. Lasst euch nur bitte nicht von irgendwelchen chauvinistischen, rassistischen, faschistischen Arschlöchern inspirieren. Die wollen nicht kreieren, sondern destruieren! Und damit ist auch genug für heute. Schönen Sonntag noch!

Echt männlich N°0 – …wer bist du denn?

Mit „Männlichkeit“ ist es wie mit „Identität“ oder „Heimat“ – der Begriff kann niemals unabhängig von der eigenen (Er)Lebenswelt diskutiert werden. Was ICH als männlich wahrnehme, ist immer durch Sozialisation, Erziehung, Medienkonsum, kurz gesagt durch Biographie aufgeladen. Mit Biographie ist das ja auch so eine Sache: man nimmt eine Lebensgeschichte oft erst als eine hörenswerte Erzählung wahr, wenn das biologische Alter der erzählenden Person eine gewisse Zahl überschritten hat. Ganz so, als wenn das Alter ein Wert an sich wäre. Ist es aber nicht, denn es gibt da draußen so viele Menschen, die konsistent 50+ Jahre immer alles auf die gleiche Art erledigen – 50+ Jahre lang falsch! Und ja, ich erlaube mir diese normative Festlegung. Denn ein kurzer Blick in die aktuellen wissenschaftlichen Diskusionen zeigt sehr klar, dass ein Handeln, welches andere Menschen willentlich herabsetzt, erschöpfliche Naturressourcen um des egoistischen Spaßes Willen nutzfrei vergeudet und alles Andere der konsumkapitalistischen Prämisse ewigwährenden Wachstums unterordnet, ein falsches Handeln ist! „Es gibt kein richtiges Leben im falschen!“

Kehren wir zum Begriff „Männlichkeit“ zurück. Wenn ICH hier nun darüber rede, so wird das Gesagte zunächst MEINE individuelle Sicht auf die Angelegenheit wiedergeben. Ich versuche zwar verschiedene Blickwinkel einzunehmen; wir wissen aber alle (hoffentlich) gut genug, dass der menschliche Modus das Machen von Fehlern von vornherein beinhaltet. Ergo wird meine Sicht der Dinge nicht friktionsfrei auf andere Individuen übertragbar sein. Dennoch erlaube ich mir gelegentlich normative Einlassungen, weil ich meine Meinung zumindest für informiert und ausgewogen genug halte, in einem erweiterten Diskus als Grundlage zu dienen. So arrogant bin ich dann halt doch… Ich bilde unter anderem Ausbilder aus. Und eine der wichtigsten Aufgaben bei der Aus- und Fortbildung von Ausbildern ist, sie immer wieder daran zu erinnern, wie Wahrnehmung, Persönlichkeit, Verhalten und Lernen miteinander zusammenhängen; erinnern deswegen, weil nicht wenige Menschen die Basics zum Ausbilden mitbringen. Und zwar in Form von Haltung, Empathie, Integrität und guter Affektkontrolle. Betrachte ich Männlichkeit nun aus dem Blickwinkel des Ausbilders, so kann man diese als Mischung verschiedener Persönlichkeitsfaktoren gemäß des Big-Five-Model aus der Sozialpsychologie charakterisieren; wobei wichtig ist, dass der Schieberegler zwischen den beiden Polen niemals ganz auf 0 oder 1 steht, sondern fast immer irgendwo dazwischen. Und das es neben einer starken auch eine überstarke (u.U. pathologische) Ausprägung geben kann, so wie es neben einer schwachen Ausprägung eine überschwache (ebenfalls u.U. pathologische) geben kann:

schwach ausgeprägt   -vs-   stark augeprägt

Offenheit für Erfahrungen:
konservativ, vorsichtig -vs- erfinderisch, neugierig

Gewissenhaftigkeit:
unbekümmert, nachlässig -vs- effektiv, organisiert

Extraversion:
zurückhaltend, reserviert -vs- gesellig

Verträglichkeit:
wettbewerbsorientiert -vs- kooperativ, freundlich, mitfühlend

Neurotizismus:
selbstsicher, ruhig -vs- emotional, verletzlich

Wichtig an dieser Stelle ist, dass ICH Männlichkeit nicht per se als „gut“ oder „schlecht“ betrachte, sondern mich zuerst nur für die Beschreibung der jeweiligen Ausprägungen interessiere. Da spricht dann der deskriptive Sozialwissenschaftler in mir. Das bestimmte Ausprägungskombinationen von verschiedenen Menschen – wie auch mir – als „gut“ oder „schlecht“ wahrgenommen werden, ist allerdings eine Tatsache. Vielleicht, weil bestimmte Ausprägungskombinationen stets ein Verhalten erzeugen, dass je nach eigener Disposition als mehr oder weniger kompatibel zum Eigenen wahrgenomnmen wird. Wenn ich mich selbst als empathischen und zurückhaltenden Mann sehe, dann wird mir ein Andrew Tate immer zuwieder sein. Ist übrigens der Fall, weil dieser misogyne, chauvinistische, arrogante Menschoid seinen unerträglichen Müll immer noch in die Weite des Internets erbrechen kann. Was soll man da sagen…? Jedenfalls beschäftigt MICH die Frage, was für ein Mann ich BIN, was für einer ich SEIN MÖCHTE und ob diese beiden Beschreibungen (schon) etwas miteinander zu tun haben erheblich. Ich habe zwei Töchter, die gerade in einer Welt aufwachsen, in welcher junge Männer anscheinend wieder einen reaktionären Schritt zurück Richtung 50er Jahre zu tun bereit sind, weil sie sich vom Feminismus bedroht fühlen. Die Folgen kann man insbesondere auf TikTok beobachten, wo junge Männer von teilweise auch noch rechten Rattenfängern in die toxische Maskulinität geführt werden.

Ich könnte ja jetzt sagen: aber ich bin anders. Vielleicht stimmt das auch. Weiß nicht so genau, woran ich das festmachen würde. Was ich weiß, ist aber Folgendes: der Gedanke, dass gerade Teile einer ganzen Generation durch den Gebrauch von antisocial media dazu verführt werden, die gesellschaftliche Uhr wieder zurückdrehen zu wollen, hin zum oldschool-Patriarchat, erschreckt mich. Denn eben dieses Patriarchat hat uns in der Vergangenheit neben einigen bahnbrechenden Erfindungen leider auch Kriege, Elend, Staatsterror von Rechts und Links und einen Amok laufenden Konsumkapitalismus beschert. Ich als white middle-aged cis-gender male habe davon genug. Ich wäre bereit für was anderes. Dieses Andere wird aber bedroht durch solche Entwicklungen, wie sie die verlinkten Studien beschreiben. Kästner hat ja immer gesagt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ In diesem Sinne muss ich als Pädagoge wohl etwas dagegen tun. Und ich beginne daher diese neue Serie. Und vielleicht muss ich doch auf TikTok, so schwer mir das auch fällt. Hat jemand noch ein paar gute Ideen, was man tun könnte? Ich würde mich freuen, von euch zu hören. Einstweilen – schönen Samstag Abend noch.

Welcome to Babbylon!

Wenn es um die Frage geht woran man merken könnte, dass man älter wird, gibt es ja verschiedene Indikatoren. Wie etwa den Musiksender, den man im Radio bevorzugt hört (falls man denn überhaupt Radio hört, was ich selbst so gut wie nie tue). Oder dass man mit 50 morgens halt besser irgendwelche kleinen Zipperlein spürt, weil man andernfalls wahrscheinlich tot ist. Es funktioniert als Erdungspunkt auch die Tatsache, dass die allermeisten Schüler*nnen in unserer Einrichtung noch nicht mal in Planung waren, als ich schon mit der Sanitätsdroschke durch die Stadt geprescht bin; nicht dass diese Seniorität irgendwas beweisen würde. Aber am augenscheinlichsten wird der unaufhaltsame Verfall – nicht meines Körpers, sondern natürlich der Sitten – jedoch stets an der Sprache! Das wussten ja schon Sokrates und Platon vor fast 2.500 Jahren. Spaß beiseite: ich verstehe manche Begriffe der aktuellen Jugendsprache nur deshalb halbwegs, weil ich regelmäßig versuche up to date zu bleiben. Was allerdings alles andere als einfach ist. Aber wenn man nicht den ganzen Tag auf lock macht, Dinge recherchiert, die einem sus vorkommen, wird man nicht gleich zum NPC in diesem Spiel namens Leben, weil einen die SuS nämlich unter Umständen doch noch slay finden können, wallah. Und falls irgend jemand dass jetzt nicht so prall findet, weil er oder sie es halt nicht rallt, dann is mir das Wumpe. Ich kann nämlich Hochdeutsch. Heja, isch kennd awwa aach eefach emol umstaige uff die Art, wie ma do bei uns inde Gegend hald babbelt, vasteesch Longa…?

Keine Sorge – ich rede auch in Zukunft an meinem Arbeitsplatz so, wie man es bislang von mir gewohnt war: in einem zumeist gut verständlichen Halbwegs-Hochdeutsch, dass nur gelegentlich unter dialektweicher Vernuschelung von Wortenden oder dem Glätten des harten „ch“ in Wortmitten durch die Verwandlung in ein „sch“ leidet; außer natürlich, mein Sprachmodul muss mal wieder neu geladen werden, weil sich meine Gedanken auf dem Weg zum Ausgang ineinander verheddert haben und mich jetzt einen Zungenverbiegenden Stau intonieren ließen… Schwalabrakadabrakawumm. Das ist dann halt so. Es ist mir aber zugegebenermaßen ein Rätsel, warum manche Menschen sich so sehr daran aufhängen, dass der aktuelle Kid-Sprech halt nicht mehr so klingt wie ihr Kid-Sprech einst geklungen haben mag. Da ist man halt noch nicht gottlos auf Mutter gegangen, sondern hat Beleidigungen aller Art noch anders verbalisiert. Was nicht bedeutet, dass man damals verbal besser miteinander umgegangen wäre. So wie bis vor ein paar wenigen Jahren in jeder Autowerkstatt noch irgendwo ein Pin-Up-Kalender mit zumeist eher wenig geschmackvollen Nacktheiten zu finden war, präsentierte sich auch die Gemein-Sprache dementsprechend roh, unsensibel und vor allem misogyn und homophob – eben gemein! Nur dass es diejenigen, die sich daran bedienten oder erfreuten null interessiert hat, ob sie gerade jemanden herabsetzen, beleidigen, mobben oder sonstwie verletzen. Das sieht heute zumeist etwas anders aus.

Ich weiß nicht, ob Kids heute tatsächlich (kultur)sensibler sind, als dass zu meiner Jugend der Fall war. Was ich feststellen kann, ist eine zunehmende Assimilierung von Worten und Redewendungen aus anderen Kultur- und Sprachkreisen, als dies früher der Fall war. Das mag auch an der mittlerweile verdammt großen Popularität deutschen Straßen-Raps liegen, der sich halt dieses speziellen Slangs bedient, welcher sich widerum aus Aspekten vieler unterschiedlicher Sprachen zusammensetzt, die in den eher migrantisch geprägten Vierteln der Großstädte halt gesprochen werden. By the way – ich nehm‘ mit Freude zur Kenntnis, dass die Rapper sich – und damit ihren jeweiligen Communities – das Wort „Kanackiş“ von den Rassisten zurückgeholt haben. Kaum ein anderes Kulturprodukt beweist so intensiv die Dynamik, die Wandlungsfähigkeit von Kultur selbst, wie die Sprache. Da sind Kräfte am Werk, die immer neue Dinge emergieren lassen. Ob ich das gut finde oder nicht, tut dabei gar nichts zur Sache. Denn den Prozess nahmens Kultur kann ich genausowenig anhalten, wie die sich drehende Erde. Also kommt mal klar drauf, ihr ewiggestrigen! Was ich allerdings definitiv nicht machen werde – aber das sollte ja bis hierhin eventuell schon klargeworden sein – ist, aktuelle Jugendsprache zu nutzen. Bis auf gelegentliche Einzelworte, oder aber die ironische Brechung im Kontext eines Vortrages verzichte ich weitestgehend auf die Nutzung. Denn das wirkt bei einem alten Sack wie mir wahrscheinlich eher lächerlich denn cool. Schuster, bleib bei deinen Leisten, sag ich da…

Was passieren könnte ist, dass ich auf ein „Wallah“ oder Ähnliches mit „madha turid ‚an takul“ antworte. Einfach weil ich’s kann. Vermutlich lasse ich das aber, weil ich ja auch junge Menschen, welche sich im Glanz ihrer neugewonnenen Kommunikations-Fertigkeiten sonnen wollen nicht unbedingt bloßstellen möchte… 😉 Ich möchte lediglich meine eigene sprachliche Gewandtheit und Wandlungsfähigkeit erhalten und nicht von babbylonischer Verwirrung überfallen werden – denn bei uns in der Gegend babbelt man halt! Und Babylon ist schon lange untergegangen. Ich wünsche in diesem Sinne noch einen schönen und gut verständlichen Tag!

NEIN sagen…?

Ich weiß, dass manche (vor allem fremde) Menschen mich des öfteren als streng, vielleicht gelegentlich sogar hart bis zur Unfreundlichkeit wahrnehmen. Das könnte daran liegen, dass da draußen mittlerweile eine Menge weichgespülter Pussies (m/w/d) rumlaufen, die eine klare Ansage weder verstehen noch wertschätzen können; die überdies nicht bereit sind konsequent zu handeln und Anderen ihre Grenzen und Fehler aufzuzeigen. Und nur, um das klarzustellen: Ich will solche Leute auch in meinem persönlichen Umfeld, damit sie das bei mir ebenso tun können. Bis auf diesen dämlichen Pfosten letzten Samstag am Badesee, der extrem distanzlos und unbeherrscht wurde, weil ich zwei Kindern einfach nur sagte, dass sie mitten im Weg sitzen. Dieser asoziale Pfosten darf sich gerne bei mir melden, dann klären wir das – Säge, Schaufel, Plane und Stiefmütterchen stehen bereit. Aber wahrscheinlich ist dieses lausige Stück zu feige. Ganz ehrlich – wenn jemand nicht drauf klarkommt, das man im Leben besser deutlich kommuniziert, ist das deren Problem; insbesondere weil deutlich NICHT automatisch unhöflich oder gar unverschämt bedeutet – sondern einfach nur deutlich!

Aber damit klar wird, warum ich darauf so allergisch reagiere, will ich mich an dieser Stelle kurz erklären: ich habe in meinem Leben eine lange Reihe schlechter Chefs (und auch Kollegen) hinter mich gebracht. Da waren ein paar hinterfotzige Arschgeigen dabei, die ich bis heute nicht anpissen würde, wenn sie mir brennend entgegen kämen! Diese ekligen Menschoiden haben mich allerdings eines gelehrt: wenn du willst, dass sich etwas ändert, musst du es selbst in die Hand nehmen, oder (falls man es, aus welchen Gründen auch immer, nicht selbst tun kann) immer wieder ansprechen und dennoch geduldig bleiben. Ein paar dieser Typen von damals existieren übrigens leider immer noch, an ein paar anderen bin ich mittlerweile vorbei gestiegen; heute stören sie mich nicht mehr. Weil ich jetzt klar kommuniziere. Manchmal allerdings so schmerzhaft klar, dass manche Menschen mich wohl nicht mehr so recht mögen. Aber ich will auch gar nicht unbedingt gemocht werden – gehört und verstanden werden wäre mir viel wichtiger. „Everybodys Darling“ wird nämlich ganz schnell zu „Everybodys Schlampe“; der Spezialist mit wichtigen Infos und Einsichten hingegen bleibt zumeist der Spezialist.

All der eben beschriebenen Härte zum Trotz ist es nicht so, dass ich leichtfertig verbal auf Menschen eindresche, oder einfach so NEIN zu irgendwas oder irgendwem sage. Weil ich nämlich weiß, dass ein NEIN mannigfaltige Enttäuschungen bedeuten kann. Ich hatte ja selbst schon genug davon. Wenn ich also NEIN sage, ist selten das Wort der ganze Satz, weil ich gerne begründe, warum ich etwas ablehne, bzw. ablehnen muss. Denn hinter der eben beschriebenen Deutlichkeit meiner Worte steht oft ein Abwägungsprozess, welcher darauf beruht, dass ich (leider) ein recht empathischer Mensch bin. Ich nehme sehr wohl wahr, was in meinen Gegenübern vorgeht. Ich entscheide nur gerne selbst darüber, ob ich mich davon berühren lasse, oder eher nicht. Ich muss allerdings zugeben, dass ich im Privatleben heutzutage meist deutlich konzilianter bin, als bei der Arbeit. Das könnte daran liegen, dass man als Leitungsperson gelegentlich auch unangenehme Entscheidungen treffen UND kommunizieren muss. Der Gesichtsausdruck einer Person, die von mir ihre Kündigung in der Probezeit ausgesprochen bekam, blieb mir lange präsent. Es ist ein zutiefst menschlicher Makel, weder gedanklich noch kommunikativ zwischen der Sache und der Person trennen zu können. Noch etwas, dass ich von den sogenannten Leitungspersonen in meiner persönlichen Historie nur zu oft erlebt habe – und bis heute bei Kollege*innen gelegentlich immer noch erlebe. Am Ende des Tages können wir wohl niemals wirklich aus unserer Haut. Außer wir werden ziemlich wütend; dann geht das plötzlich ganz leicht, aber leider auch vollkommen ziel- und nutzlos…

Dabei ist das NEIN ein so wichtiges Wort, symbolisiert es doch eine Grenze, die nicht zu übertreten ist, einen Pfad, der nicht verlassen werden sollte, oder eine Sache, die einem nicht gehören wird. Ohne diese Grenz-Setzungen zu den richtigen Zeiten werden Menschen nämlich unter Umständen zu dieser unerträglichen Subspezies des narzisstischen Selbstbedieners. Und von DENEN marodieren wahrhaft schon viel mehr als genug auf dem Erdenrund umher! Nun ja, Menschen kann man ab einem bestimmten Punkt nur noch sehr schwer ändern, was bedeutet, dass ich in meinem Berufsleben wohl noch eine Menge NEINS werde verteilen müssen. Vielleicht gleich heute – mal schauen. Wie’s auch laufen mag, startet gut in die neue Hölle… ähm Woche…

Auch als Podcast…

Wham-sha-daizy… oder warum einfach nie einfach ist!

Sonntag. Mittagszeit. Ganz nett draußen. Nicht ZU heiß, nicht ZU schwül, kann man schon mal so haben. Is aber vollkommen unwichtig, denn Gedanken wollen gedacht, Gedachtes zu Plänen kondensiert, Pläne umgesetzt werden. Am besten gestern – so um die Mittagszeit. Jedesmal, wenn sich der Stress kurz lichtet und den Blick frei gibt auf all jene Dinge, die ich eigentlich mal vorhatte, stelle ich fest, dass „eigentlich“ ein wesentlich härterer Boss-Gegner ist, als der Wäschehaufen! Für dieses Wochenende ist DER wenigstens schon besiegt. Im „eigentlich“ schwingt eine Möglichkeit, die sich üblicherweise nie – oder sagen wir mal, nur sehr selten – realisiert, weil man entweder zu busy, zu lazy, zu pleite oder zu abgelenkt ist. Wovon man sich ablenken lässt, könnt ihr euch selbst denken – einmal mehr DOOMSCROLLING AHOI! Zu busy ist Ansichtssache, denn wenn man die Woche mal analysiert, bliebe vermutlich doch die eine oder andere Stunde, die man in „Projekte“ investieren könnte wenn man denn nur das Doomscrolling sein lassen wollte… Bleiben als valide Entschuldigung also nur noch lazy oder pleite. Mist… und ich dachte, ich könnte mich da rausreden.

Da stehe – oder besser aktuell sitze – ich zwischen dem eigenen Anspruch, irgendetwas „sinnvolles“ tun zu wollen und dem (des öfteren von meiner Krankheit getriggerten) Bedürfnis, nichts und niemanden sehen zu wollen. Ich lasse mich davon nicht fangen, weil ich mittlerweile eine recht gute Vorstellung davon habe, was mir persönlich hilft, nicht einfach auf der Couch liegenzubleiben. Ich vermute allerdings, dass jede*r da sein/ihr eigenes Rezept braucht; und dass auch dieses Rezept dann und wann einfach versagt. Egal, ob man nun depressiv ist, oder einfach nur echt überlastet. Denn natürlich führt die manifeste Arbeitsverdichtung gepaart mit dieser dauernden „Du musst dich selbst optimieren!“-Beschallung zu einer beschissenen Spirale aus schlechtem Gewissen und schlechten Strategien. Ein Ratgeberbuch über Achtsamkeit und eines über Pychologie für Dummies und eines über die Wichtigkeit des Frühaufstehens und noch eines über die Pomodoro-Technik und noch eines über New Work machen dich nämlich weder effizienter, noch achtsamer, noch erfolgreicher, sondern – insbesondere, wenn du wie ich eine Eule bist – einfach nur verfickt müde, erschöpft und enttäuscht, weil du nie mit irgendwas richtig fertig wirst und dabei auch noch zu wenig Schlaf bekommst. Ganz großes Kino! Herauszufinden, was einen SELBST an Ziele bringt, die man auch SELBST definiert hat, bedarf nämlich der SELBSTreflexion, für die es nicht selten tatsächlich einen Spiegel braucht. Dieser Spiegel kann sich genausogut in einer Person wie einer Solo-Technik ohne fremde Hilfe konstituieren; wichtig ist, dass man an den Punkt kommt, über sich selbst nachzudenken und nicht stets anzunehmen, dass man schon endgeil auf die Welt gekommen ist… und dann stehen die ganzen Nepper, Schlepper und Bauernfänger auch schon bereit, dir einzureden, was du tun MUSST, um an DEIN Ziel zu kommen – als wenn die deine Ziele tatsächlich kennen oder wertschätzen würden!

Schönes Beispiel ist die sogenannte Coaching-Branche, die zum großen Teil aus Leuten besteht, die anderen Leuten Seminare darüber verkaufen wollen, wie man Coach wird. Es gibt kaum geschützte Berufsbezeichnungen, keinen vorbeschriebenen Weg, wie man denn nun Coach wird und auch kein fest umrissenes Aufgabengebiet, weil viele sogenannte Coachingtechniken sich allzu munter in den Methodenbaukästen der Pädagogen und Psychologen bedienen, dabei aber schön vermeiden, es als Therapie oder Unterricht zu betiteln – denn das dürfen sie nicht. Hauptsache man kann „systemisch“ drunter schreiben. Ich kriech die Motten, Digga! Wenn es denn so einfach wäre, sich selbst und seine Ziele zu definieren, dann würden nicht so viele Leute wieder und wieder daran scheitern, egal ob mit oder ohne Coach. Mir wäre es lieber, wenn die Leute, anstatt sofort irgendwo hin zu rennen, um Geld dafür auszugeben, dass ihnen jemand anders sagt, was sie zu tun oder zu lassen haben damit begännen, ihre eigenen kognitiven und metakognitiven Ressourcen – also ihre Fähigkeit zu lernen – auf den Prüfstand zu bringen und ggfs. zu aktualisieren. Und wenn sie DAFÜR Hilfe brauchen – okay! Coaches werden jetzt möglicherweise entgegnen, dass sie ihren Klienten doch auch genau dabei helfen. Und bei manchen mag das ja auch wahr sein. Aber bei vielen gibt es für jeden Klienten exakt den gleichen Nullachtfuffzehn-Scheiß – individuelle Hilfe? Fehlanzeige! Dafür Geld zu verlangen, ist an für sich schon eine Unverschämtheit. Wenn das ganze dann auch noch lediglich Marketing für irgendwelche überteuerten Online-Trainings ist, krieg ich als Pädagoge, der schon so einiges an Distanzlehre in verschiedenen Formaten realisiert hat so richtig die Motten. Ach, Schwamm drüber. Ich hab eh nicht genug Munition für diese ganzen Idioten…

Wenn ich so recht darüber nachdenke, ist meine „etwas Sinnvolles tun“-Bilanz doch gar nicht so schlecht. Im Grunde genommen ist es mir von Herzen Wumpe, wie viele Menschen das hier tatsächlich lesen. Ich tue das hauptsächlich für mich, um Gedanken von der Brust und aus dem Kopf zu kriegen und dann gelegentlich wieder auf meine verjährten Denkprozesse zurückgreifen zu können. Und ich tue das nicht nur in diesem Blog, sondern auch in meinen analogen Notizbüchern. Die sind nur etwas schlechter lesbar, weil meine Handschrift… nun ja, halt meine Handschrift ist. Gibt also noch einen guten Grund, regelmäßig in die Tasten zu hauen. Wham-sha-daizy! Und wenn ich dann und wann jemand anderes zum Nachdenken angeregt habe – vielleicht sogar über sich selbst – oder eine Hilfestellung für eine schwierige Reflexionsfrage geben konnte, würde es mich glücklich machen. Ich sonne mich einstweilen in der Illusion, dass das so sein könnte und wünsche euch einen schönen Rest-Sonntag. Nachher wartet der Grill – und DAS wird nicht nur sinnvoll, sondern auch lecker…

Auch als Podcast…

Bienvenue en Alsace N°1 – Alleinsam?

Alle paar Jahre, wenn mein chronisches Leiden mal wieder zu sehr drückt, schickt mich die beste Ehefrau von allen weg. Oder besser gesagt, sie duldet es, dass ich mich selbst wegschicke, weil ich bemerkt habe, dass es echt nicht mehr geht. Manchmal bemerkt sie das auch als erste – und ich bekomme das dann deutlich mitgeteilt. Dass der diesmal dazu halbwegs kurzfristig (vor ca. 2,5 Monaten) ausersehene Termin ausgerechnet mit einem Ereignis zusammenfällt, das unter dem Aspekt „nicht mehr können“ eine tragische Brisanz hat, konnte keiner kommen sehen. Und nun war’s zu spät, Pläne noch umzuwerfen. Auch, weil es einen Haufen Geld gekostet hätte, den ich nur ungern hätte abschreiben müssen. No-Show/Storno kostet halt im Gastgewerbe. Nun bin ich also hier (im Elsass) und kann den Fallout aus der Ferne rieseln sehen. Und wisst ihr was – mittlerweile ist es mir egal. Nur dass wir uns nicht falsch verstehen: die Person um die es ging/geht, ist/war mir nicht egal – wohl aber einige andere Personen und Dinge, die im Windschatten des einen Ereignisses nun geschehen. Aber ich kann das ignorieren solange die Protagonisten irgendwann verstehen, dass man manche Dinge einfach NICHT tun oder sagen kann. Aber das werden sie schon… Ergo: Schwamm drüber für’s Erste, denn ich muss mich genau JETZT um mich selbst kümmern. Tun nämlich sonst nur sehr wenige Andere – z. B. die beste Ehefrau von Allen!

Blick vom Ballond ‚Alsace

Passenderweise finden mich, jedes Mal, wenn ich über ein spezielles Thema sehr intensiv nachdenke, Artikel, Youtube-Videos, etc. wie von Geisterhand; dieser Tage etwa waren da zuerst zwei Artikel auf ZON, die sich mit der Diskussion um Alleine vs. Einsam sein und der Frage befassten, ob tatsächlich so viele (vor allem junge) Menschen in Deutschland von Einsamkeit so sehr bedroht sind, dass die Politik Handlungsbedarf hat. Zuallererst denke ich Folgendes: die Politik hat mit Bezug auf eine Neuorganisation des Gesundheitswesens, die Besserstellung seiner Mitarbeiter zur Verbesserung der Attraktivität dieser Berufe und einem Abstellen des Sparwahns (es droht DIE SCHWARZE NULL) schon mehr als genug zu tun. Stellt ihr das alles ab, habt ihr vielen (jungen) Menschen eine Perspektive gegeben, dann drückt das Alleinsein auch nicht mehr so. Und was die SCHWARZE NULL angeht – damit ist nicht nur die Schuldenbremse gemeint, sondern auch dieser sonderbare Sauerländer, der meint als Millionär sei man Mittelstand. Der ist auch keine Kunst, der kann weg! Bleibt also die Frage nach dem persönlichen Empfinden von Einsamkeit. Ich nehme als Beispiel mal die Eremiten her, die sich (früher zumeist aus religiöser Überzeugung, heute auch aus anderen Gründen) in selbstgewählte Einsamkeit zurückziehen. Davon gibt es nicht viele, weil es nicht viele Menschen gibt, die dieses Lebensmodell attraktiv finden. Daraus jetzt zu schließen, dass die meisten Menschen an Einsamkeit krank werden müssten, ist genauso großer Käse, weil es z. B, introvertierte und extrovertierte, aber auch mehr oder weniger empfindsame Menschen gibt. Und jetzt…?

Ich denke, dass man die Frage nach „nur alleine aus Gründen“ oder „schon pathologisch einsam“ nur aus einer sehr persönlichen Perspektive klären kann – und dass diese Perspektive die Politik einen Scheiß angeht! Denn das Einzige Movens, dass ich hier im öffentlichen Diskurs zu erkennen vermag, ist die Gesunderhaltung des Volkes zum Zwecke der Erhaltung möglichst günstiger Arbeitskraft für die Wirtschaftslobby. Jemand der nicht so einsam ist, dass es ihn/sie psychisch krank macht, hat weniger Krankenfehltage und ist folglich für seinen Arbeitgeber produktiver, was sich auch auf die Summe des Bruttoinlandsproduktes positiv auswirkt => man kann schöne Kennzahlen vorstellen und alle klopfen sich auf die Schulter. Nur nicht jene Menschen, die um den Willen des kapitalistischen Systems pathologisiert werden. Dazu gleich mehr. Aber schaut euch doch mal die Konjunktur an, die Artikel gegen Alkohol, Cannabis, Tabak, andere Genussmittel im Allgemeinen oder auch gerne eine als ungesund bezeichnete Ernährung heutzutage haben. Man kann gerne darüber diskutieren, welchen dieser Lastern zu fröhnen man vielleicht besser bleiben lassen sollte, um der eigenen Gesundheit und Lebenserwartung Willen. Aber jedesmal kommen Idioten aus allen Ecken gekrochen und fangen an, über „solidarisierte Kosten“ zu schwadronieren, etwa weil dicke Menschen das Gesundheitssystem im Median mehr kosten. Dabei wird dann immer gerne ausgeblendet, welche unnötigen Risiken man selbst in Kauf nimmt… Kann man endlos weiterführen, bringt aber niemanden irgendwohin

Menschen, deren Wahrnehmung anders funktioniert (Neurodivergente, also etwa Menschen mit ADS/ADHS, Störungen aus dem Autismus-Spektrum, etc.), deren Denken anders funktioniert (Beeinträchtigte, aber auch höher und hoch Begabte) und jene mit verschiedenen chronischen psychischen Erkrankungen werden stets als pathologische Störfaktoren der Gesellschaft gebrandmarkt, weil sie sich nicht so leicht FUNKTIONAL einpassen lassen, wie Otto und Ilse von Gegenüber. Mit der Folge, dass ihr ganzes individuelles Sein jeweils auf die vermeintliche Abweichung reduziert wird, wobei oft genug aus dem Blick gerät, was diese Menschen alles für die Gesellschaft leisten können. Um es mal ganz platt mit Controlling-Sprech auszudrücken: man deklariert sie zu Cost-Centern, obwohl sie sehr wohl Profit-Center sein könnten, ganz oft aber einfach eine ausgeglichene Bilanz tragen… Aber in der Politik geht es nicht um Menschen, nie um individuelle Schicksale (außer, diese lassen sich für die eigene Agenda nutzen, siehe den Polizistenmord in Mannheim), oder um die Möglichkeit, Ausgleich zu schaffen, wenn dieser gebraucht wird und Leistung abzurufen, wann und wo sie verfügbar ist. Es geht ganz platt um Kennzahlen: Wachstum (das goldene Kalb unseres Wirtschaftens ), Inflation, Zinsen. Immer nur um die eine Seite des Menschseins, nämlich die fiskalische. Dass das ganze Soziale auch essentiell und existenziell ist, spielt da keine Geige.

Und was mache ICH nun daraus? Ja Blogposts halt, nich. Ne, mal im Ernst, ich sitze hier auf dem kleinen Balkönchen meines Gîte, hacke in die Tasten, genieße den milden Abend und habe Zeit, allein zu sein um zu schauen, zu lesen, zu denken, zu schreiben. Ich habe Zeit, über Entscheidungen nachzudenken, ohne dass dauernd jemand reinplatzt, reinschwätzt, reinmanipluliert. Und ich komme zu einer analytischen Tiefe, die sonst im Tagesgeschäft zu oft verloren geht. Aber ich kann auch einfach sein; ohne Ziel, ohne Zweck, ohne Hast, ohne Last. Und ich genieße das. Mal sehen, was die nächsten Tage bringen. Auf jeden Fall noch einen Post über Zwecke. Da habe ich Lust drauf. Einstweilen – schönen Abend.

Auch als Podcast…