Ich gebe es an dieser Stelle immer mal wieder ganz gerne zu – ich bin ein technikaffiner Mensch, ich spiele gerne mit (neuen) Gimmicks und versuche dabei meist selbstständig herauszufinden, wie etwas funktioniert – früher bedeutete das: ich (in der Hinsicht typisch männlich) nahm die Bedienungsanleitung erst zur Hand, wenn es gar nicht anders ging. Nun werden mit zunehmendem Alter die Gimmicks teurer und komplexer. Überdies hat meine jugendliche Sturheit mutmaßlich mindestens ein Gerät getötet. Also bin ich heute um einiges vorsichtiger und lese Manuale. Ich bin dabei immer noch ungeduldig, aber auch das wird sich irgendwann im nächsten Jahrzehnt noch geben … hoffe ich …
Man ist im Unterrichtsalltag ja dazu aufgerufen, einen gewissen Methodenpluralismus zu beüben. Will heißen 24 Powerpoint-Folien/Sekunde = Film sollte eigentlich – vor allem in der offiziell Lernfeld-zentrierten Berufsausbildung – nicht mehr vorkommen. Insbesondere deswegen, weil visuell aufbereitete Informationen in einer prozessualen Struktur wie unserem Gesundheitswesen – genau wie Medikamente – eine Halbwertszeit haben. Was bedeutet, dass man Foliensätze irgendwann auch mal bearbeiten, bzw. korrigieren muss. Das wird offensichtlich allenthalben gerne mal vergessen.
Nun ist es so, dass die zwei vorgenannten Mechanismen in ihrer Dualität tödlich für den Unterrichts-Erfolg wirken können; und das auf verschiedene Arten:
- Materialien, deren Informationsgehalt überaltert, führen zu nur teilweise korrekten oder sogar vollkommen falschen Lehr-Aussagen der Dozenten => jeder Dozent ist dazu verpflichtet, sein Fachwissen regelmäßig zu überprüfen und evtl. durch die Evidenz überholte Aussagen zu korrigieren.
- Dem Dozenten mangelt es an Zeit, die vorgenannte Aufgabe angehen zu können, weil dafür keine Deputate vorgesehen sind => strukturelles Problem, dass sich leider – auch wenn Chefs das gar nicht so gerne hören im Sinne einer besseren Lehre nur mit Geld bewerfen lässt; also mit mehr Deputaten und damit mehr Personal…
- Methodenpluralismus unterbleibt auf Grund mangelnder Medienkompetenz der Dozenten => diese muss aufgebaut, bei Bedarf angepasst und erhalten werden; womit wir wieder bei der Personal-Problematik wären. Aber gute Lehre kostet halt Geld!
- Methodenpluralismus geschieht, doch Medien werden eingesetzt, weil es „cool“ ist, diese Medien einzusetzen => Medium und Content lassen sich nicht auf beliebige Art voneinander trennen und re-kombinieren. Manchmal verlangt die Struktur einer Information nach einem bestimmten Transportmittel, manchmal nicht. Hier sinnvolle Entscheidungen treffen zu können, ist aber trainierbar.
- Das eben Gesagte gilt genau gleich auch für technische Gimmicks, die im Unterricht zu Einsatz kommen (sollen). Man muss immer hinterfragen, aus welchem Motiv heraus ich eine Technik einsetze. Wenn’s nur darum geht, dass die Technik geil ist – LASST ES!
Auch mich juckt es immer wieder in den Fingern, wenn ich was Neues vor die Flinte kriege. Von Hochglanz-Prospekten mit vollmundigen Werbeversprechen („… das wirkt Wunder für Ihren Workflow!“) sollte man sich eigentlich schon lange nicht mehr beeindrucken lassen; und doch, und doch… Ich habe da meine persönliche „Rule of Cool“. Wenn mich etwas flasht, klicke ich es weg und schaue es mir am nächsten Tag genauer an. Wenn mich irgendwas daran immer noch flasht – ihr ahnt es schon – lege ich es weg und schaue es ein paar Tage später noch mal an. Dann beginne ich zu recherchieren: Nutzer-Erfahrungen (aber bitte nicht von der Anbieter-Webseite), bei Technik Reviews in Fachzeitschriften und schließlich die Überlegung, wie ich es einsetzen würde. Und ganz ehrlich – wenn mir nicht relativ spontan einfällt, was ich damit machen würde, verwerfe ich die Idee. Nicht jedoch meine Notizen, denn vielleicht gibt es ja zu einem späteren Zeitpunkt einen durchaus sinnvollen Verwendungszweck.
Auf diese Art spart man Geld und Nerven – und seinen Schülern die eine oder andere halbgare Unterrichtserfahrung, von der ich zuerst geträumt hätte, dass sie einfach bombastisch sein würde 😉 . Es gibt zweifellos Tools, die heute aus einem halbwegs sinnvollen Berufsschul-Unterricht in meinem Fachbereich einfach nicht mehr wegzudenken sind: eine Schul-Cloud, Beamer, Mikros, Kameras und AV-gestütztes Debriefing, Anbindung der mobilen Endgeräte der Schüler, usw.. Doch bei allem Fortschritt dürfen wir bitte nicht glauben, dass die Technik nun unsere Arbeit als Pädagogen erledigen würde.
Die wird durch Gimmicks vielfältiger und möglicherweise auch ein bisschen leichter. Aber den Unterricht vorzubereiten, um dadurch die richtigen Fragen parat zu haben – diese Aufgabe wird uns auch in Zukunft niemand abnehmen. Mäeutik ist auch heute noch eine Kunst, welch der Pädagoge ohne Mühe beherrschen sollte. Womit wir wieder bei den Skills des Pädagogen angelangt wären: diese zu entwickeln und auch nach einem Uni-Abschluss zu fördern ist nicht nur sinnvoll, sondern höchst notwendig, wenn aus dem Flickenteppich rettungsdienstlichen Ausbildungsalltages irgendwann ein homogenes Konstrukt werden soll. Ich will das. Und ihr so…?