Entwicklungsstau…?

Allüberall ist die Rede vom Stau: Investitionsstau, Bildungsstau, Verkehrsstau und natürlich auch Entwicklungsstau. Gemeint ist damit üblicher Weise ein sehr stockendes Vorankommen. Woraus sich spontan – zumindest für mich – die Frage ergibt, was sich wie schnell in welche Richtung zu bewegen hätte? Und wer das bestimmt?

Wenn ich zum Beispiel ein technisches Projekt zu betreuen hätte, dann wären bestimmte Dinge, wenn auch nicht im Detail so zumindest grob, durch denjenigen vordefiniert, der dafür bezahlt; Dinge wie etwa die benötigte Dauer, das Budget, die Zahl der Personen, die daran arbeiten sollen, sowie deren mindestens notwendige Qualifikationen und noch so einiges anderes. Allerdings zeigen technische Projekte uns in schöner Regelmäßigkeit die Grenzen unserer planerischen Fähigkeiten, die damit zu tun haben, dass es eben Menschen sind, welche die Planung machen und so genannte weiche Faktoren wie eben die Eigenarten, der Umgang miteinander und je die eigenen Ideen der Beteiligten zwar dispositorisch unbeachtet bleiben aber dennoch ihre, gelegentlich durchaus unheilvolle, Wirkung entfalten. Die Elbphilharmonie, der Flughafen Berlin-Brandenburg oder Stuttgart 21 sind schöne Beispiele dafür, wie wenig Weitblick so genannte Experten bei ihrer planerischen Tätigkeit tatsächlich besitzen. Überschreitet die Zahl der an einem Projekt beteiligten Personen und Institutionen eine gewisse Menge, laufen die Dinge mal mehr, mal weniger schnell aus dem Ruder – so sicher wie das Amen in der Kirche!

Ich finde es faszinierend, wenn Menschen anfangen, Diagramme und Tabellen und anderes lustiges buntes Zeugs an die Wand zu projizieren, welche Bedarfspläne und statistische Schätzungen repräsentieren sollen. Esmeralda und ihre Kristallkugel hatten wenigstens ein bisschen mystisches Flair, doch bei solchen Veranstaltungen versucht man die vom Schamanen geworfenen Knochen als wissenschaftlich zu verkaufen. Und ich hasse Verkaufsveranstaltungen aller Art, denn es gibt kaum einen (guten) Verkäufer, der es nicht versteht, die Wahrheit ein wenig aufzupolieren. Schließlich ist das sein Job. Ich mag meine Wahrheit allerdings lieber unpoliert und authentisch.

Und die unpolierte, authentische Wahrheit, an der ich mich zu orientieren pflege ist, dass wann immer Menschen miteinander in Interaktion treten, irgendwann deren individuelle Ideen, Vorstellungen, Werte, Ziele, Wünsche, etc. miteinander konfligieren werden. Und da nicht nur sprichwörtlich jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, beginnt das Karussell der Winkelzüge, kleinen Schummeleien, taktischen Vornahmen oder Unterlassungen im Namen des eigenen Vorankommens; und zwar so lange, bis die Wellen vieler kleiner Einzeltaten beginnen, einander zu verstärken. Was bei sich gegenseitig verstärkenden Wellen passiert, sieht man gut in dem alten Filmchen über die Tacoma Narrows Bridge. Physik ist also auch im mundanen Leben zu etwas nutze.

Ein Entwicklungsstau entsteht also nicht, weil sich die Gehirne nicht bewegen, oder weil sich Werkstoffe und Geld nicht bewegen (lassen), oder weil die Umstände gerade ungünstig sind, denn die werden durch das Wunder des sich selbst organisierenden sozialen Systems ungünstig gemacht. Ein Entwicklungsstau ist stets hausgemacht, so lange man immer und immer wieder die – gedacht – Erfolgreichsten (oder aber die besten Schleimscheisser) mit den größten Projekten betreut, denn diese so genannten Erfolgreichsten (oder besten Schleimscheisser) sind in aller Regel die am wenigsten bescheidenen, menschlichen und teamorientierten Individuen. Für sie gilt nur das eigene Vorankommen. Kultiviert man solcherlei Denken in einem Projekt, wird es entweder gleich ganz sterben, oder aber sehr viel teurer, oder sehr viel weniger erfolgreich als gedacht.

Eine kleine Randbemerkung: Was ein Projekt ist, oder auch nicht, soll jeder für sich selbst entscheiden. ich meine damit nicht nur diese großen Dinger, die ich vorhin als Epic-Fail-Examples genannt habe. Auch im Kleinen geht verdammt viel daneben, weil Selbstherrlichkeit, Alleingestaltungsansprüche, Sturheit, Ignoranz und grenzenlose Überschätzung der eigenen Fähigkeiten die gestalterischen Maximen sind. Ich sehe genau das auch in meinem persönlichen beruflichen Umfeld und es macht mich krank!

Ich glaube allenfalls an die Existenz eines Entwicklungsstaus der sozialen und emotionalen Intelligenz des Menschen, denn den bekomme ich tagtäglich demonstriert. Aber man soll die Hoffnung auf die Entdeckung intelligenten Lebens auf unserem Planeten noch nicht aufgeben. Einstweilen wäre es ein Anfang, wenn man einen Algorithmus fände, nach dem man Menschen mit echten Führungsqualitäten bestimmen kann und endlich mal aufhörte, ALLES nur noch und ausschließlich nach wirtschaftlichen Aspekten organisieren zu wollen. Sind ja nur die zwei größten Aufgaben der Menschheit, kriegen wir die in den Griff, wird alles Andere (fast) ganz von selbst besser werden; davon bin ich überzeugt.

In meinem Interesse…?

„Es muss doch in ihrem Interesse sein…?“ Bla, Bla, Bla! Ich kann diese Floskel nicht mehr hören, macht sie doch lediglich unmißverständlich klar, dass der Sprecher eine klare Vorstellung davon hat, was seine Interessen sind und dass es ihm sehr gelegen käme, wenn ich diese auch zu meinen machte. Man könnte es aber auch so verstehen, dass er schon durchschaut hat, was meine Interessen sind und mir unterstellt wird, dass ich einfach nur zu blöd bin, diese zu erkennen.

Nun ist dieser Begriff sehr vielschichtig, meint die lateinische Wurzel doch das dazwischen, bzw. dabei sein, also die Anteilnahme an Sachverhalten und Personen, oder nach neueren Theorien aus der Soziologie und Psychologie vielleicht doch eher den Grad der Verstrickung in Interaktionsprozesse, also wie sehr wir uns mit einer Sache oder einer Person bzw. einer Gruppe von Personen beschäftigen. Das beinhaltet allerdings auch die Verknüpfung von bestimmten Zielen mit dem jeweiligen Grad an Anteilnahme, also z.B. beim Wunsch nach einer festen Beziehung, in deren Erreichen und Erhalt wir u.U. erheblichen Aufwand investieren (müssen), dass wir folglich im Gegenzug auch auf einen Benefit hoffen – eben im aktuellen Beispiel den Partner, der genau so viel in die Beziehung hinein steckt, wie man selbst.

Natürlich habe ich den Sachverhalt jetzt etwas vereinfacht, aber im Großen und Ganzen bedeutet Interesse vermutlich, stets abhängig vom jeweiligen Fokus, eine irgendwie geartete Investition, an die sich die Hoffnung auf irgend eine äquivalente Form von Reward knüpft. Dieser Reward kann in pekuniärem Erfolg bestehen, aber ebenso in sozialem Erfolg wie Zuwendung, Prestige, Anerkennung o.Ä. Dieses Verständnis des Begriffes unterstellt allerdings, dass man sich seiner Bedürfnisse und Ziele bewusst sein und die Bereitschaft aufbringen müsste, dementsprechend konsequent zu handeln.

Aber wohin führt uns das? Relativ einfach gesagt zu dem entscheidenden kleinen Unterschied zwischen dem so genannten Otto-Normal-Verbraucher und jenen, die das Sagen haben, bzw. sich das Sagen- und Tun dürfen einfach heraus nehmen, weil es ihnen gelungen ist, sich in eine Position zu manövrieren, die für eben genannte Otto-Normal-Verbraucher weder erreichbar, noch angreifbar ist: sie können ihre Interessen nicht nur präzise artikulieren, sondern sie verfügen auch über die Fähigkeit, ihre Ressourcen und die anderen Menschen um sich herum so zu instrumentalisieren, diese Interessen auch durchzusetzen und ihre sowieso schon vorhandene Macht so zu mehren. Es wirkt vielleicht auf den ersten Blick wie ein Zeitgeistproblem, dass gerade jene, welche über die Fähigkeiten und Möglichkeiten dazu verfügen, selten sonderlich altruistisch oder Gemeinwohl-orientiert zu handeln scheinen. Doch tatsächlich ist genau das eine Handlungsfigur, die sich wie ein roter Faden durch unsere Geschichte zieht.

Folgt man der Argumentation der Autoren des Buches „Warum Nationen scheitern“, so ist einer der wichtigsten Faktoren, die darüber entscheiden, ob eine Fraktion dazu im Stande sein kann, Macht über die anderen vorhandenen Interessengruppen zu erlangen, der Grad an Pluralismus, den eine Gesellschaft zu erlangen im Stande war/ist. Doch genau dieser gesellschaftliche Pluralismus, der letzten Endes als eine Art Dämpfer gegen autokratische Bestrebungen Einzelner wirken kann, ist sowohl in seiner Entstehung als auch seinem Erhalt von einer Menge Zufälle abhängig. Ich werde mich davon allerdings nicht noch mehr desillusionieren lassen, als dies das Leben eh schon besorgt hat. Vielmehr ist es mir ein Ansporn, die Dinge eben nicht dem Zufall zu überlassen, sondern vielmehr meinen Beitrag zu Erhalt und Wachstum von Pluralismus zu leisten.

Das was die Autoren, denen es in ihrem Buch in erster Linie um die Entwicklung von Volkswirtschaften unter unterschiedlichen institutionellen Bedingungen geht, als inklusiv Bezeichnen, also als das Gros der Gesellschaft in den Wirtschaftsprozess einschließend, nennt man anderswo Gesellschaftliche Teilhabe. Und die Erkenntnis, dass ein hoher Grad an Teilhabe möglichst vieler Gesellschaftsgruppen und der Erfolg des Gemeinwesens als Ganzes einander zumindest befördern können, ist ein alter Hut! Hier werden vielen Staaten der sogenannten ersten Welt inklusive Institutionen attestiert, also ein großer Grad an Teilhabe, doch gerade in diesem Augenblick einer nach wie vor virulenten Weltwirtschaftskrise müssen wir erfahren, dass weite Teile gerade dieser angeblich so erfolgreichen Gesellschaften von wesentlichen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind, weil die aktuell mit unseren Interessen betrauten Politiker lediglich die Interessen jener im Auge haben, die entweder wirtschaftliche Macht in Händen halten, oder angeblich wissenschaftlich fundierte Deutungshoheit für sich reklamieren. So viel zur gegenwärtigen Wirksamkeit des Pluralismus…

Bitte verstehen sie mich nicht falsch, der Pluralismus existiert, er ist sogar noch deutlich gewachsen seit jenen Tagen, da unser Staatswesen jung war. Er hat jedoch auf Grund der wachsenden Entkopplung der administrativen Institutionen von ihrer Legitimierung durch eine echte – und vor allem ehrliche – Vertretung der Interessen dessen, was man landläufig „Volk“ nennt deutlich an Einfluss verloren. Im Grunde regieren die Regierenden für sich selbst und jene, die über genug Gewicht verfügen, sich Gehör zu verschaffen. Der Rest darf so sehr pluralisieren, wie er möchte, es nutzt nur nichts; oder zumindest nicht viel. Bevor also noch mal einer anfängt, von „…in meinem Interesse…“ zu schwadronieren, möge er bitte erst seine Glaubwürdigkeit genau überprüfen, oder noch besser einfach die Klappe halten.

Ich mache mir einstweilen weiterhin Gedanken, wie man es möglich machen kann, den existenten Pluralismus wieder in die Politik zu tragen. Spannende Sache, aber nur, wenn man seinen Kopf auch mal zum Nachdenken benutzt, seine Interessen benennen kann und schließlich obendrein noch bereit ist, für diese einzutreten. Harte Hürde, aber ich werde es weiter versuchen. Versuchen sie’s doch mit!

A snipet of uncertainty

Unwägbarkeiten, also jene Sachen und Sachverhalte, auf die man persönlich keinen nennenswerten Einfluss ausüben kann, die aber sehr wohl Einfluss auf einen selbst oder aber zumindest die mehr oder weniger unmittelbare Lebensumgebung haben können, bereiten uns Unwohlsein. Manchmal sogar blanke Angst, obschon wir doch eigentlich wissen sollten, dass das Ungewisse seit Anbeginn des Menschendaseins zu unseren ständigen Begleitern gehört.

Als Pädagogikstudent muss ich mich, wie jeder angehende Geistes- und Sozialwissenschaftler mit Statistik herumschlagen. Obwohl jedem, der mal das Vergnügen hatte, sich in Literatur zur Anwendung statistischer Methoden auf soziale Sachverhalte einarbeiten zu müssen alsbald klar werden dürfte – zumindest, sofern er oder sie nicht schon vollkommen „Fachblind“ geworden ist – dass man bei der Menge an Vereinfachungen, die man für ein auch nur einigermaßen umsetzbares Modell hinzunehmen hat, kaum erwarten darf, allgemeingültige Ergebnisse zu bekommen. Man muss/soll nach den Lehrbüchern soviel Dynamik wie möglich amputieren, damit man danach ein amputiertes Modell eines dynamischen Sachverhaltes bekommt. Ich muss da durch, aber ich empfinde es als großen Unfug.

Ohne Frage finde ich es spannend, neue Erkenntnisse über die Prozesse sozialer Interaktion zu erlangen, aber ich glaube dabei mittlerweile mehr an das aufmerksame Beobachten und die Analyse mittels des gesunden Menschenverstandes, anstatt an Sigma, Korrelation und Normalverteilung; denn wenn ich mir mein persönliches Umfeld genau anschaue, komme ich immer wieder zu der einen, für mich jedoch mittlerweile alles entscheidenden Frage: warum sollte ich überhaupt versuchen, ein Wesen in eine normierende Klassifizierung zu fassen, dass sich in seiner Komplexität, Dynamik und Vielfalt mit unseren aktuellen Mitteln (noch) überhaupt nicht darstellen lässt, nämlich den Menschen? Und überdies – wohin führt es, wenn man versucht Menschen nach Schablonen zu erfassen? Was kommt danach, wenn man schließlich glaubt, alle Unsicherheit eliminiert zu haben? Wird den einzelnen Schablonen dann ein rangskalierter Wert zugewiesen? Der Gedanke lässt mich schaudern, wäre es doch nicht ohne Präzedenz…

Ich lebe lieber mit Unwägbarkeiten, auch hinsichtlich Derer, mit denen ich täglich zu tun habe, denn der Input, die Spannung, die Herausforderung sind für mich als Individuum ein unverzichtbarer Teil vom Sinn meines Lebens. All die Widersprüchlichkeiten, die Dynamik und die Notwendigkeit zur Einbeziehung neuer, anderer Aspekte in mein Denken und Tun machen mich erst lebendig, lassen mich eben zu jenem sozialen Wesen werden, dass man Mensch nennt.

Transparency Personal?

Mit gewissem Amüsement konnte ich letzthin beobachten, wie sich Menschen unterschiedlichster Couleur darüber ereiferten, wie schlimm und unerwartet und überraschend und vollkommen unrechtmäßig und Vertrauen vernichtend und überhaupt und Blalabarberschwurbel man den Umstand kommentierte, dass sich die USA bzw. deren vermeintliches Hauptüberwachungsorgan NSA überall reingehackt haben, wo sie nur reinkommen konnten. Da dachte ich so bei mir, dass der Sinn Nachrichtendienstlicher Tätigkeit die HEIMLICHE Gewinnung von Informationen ist und wenn ich diesen Umstand im Bewusstsein behalte, muss es doch wenig verwunderlich sein, dass sie genau das getan haben, so gut sie konnten. Und bei DEM Budget konnten sie halt schon ziemlich gut…

Wenn man auf der anderen Seite beobachtet, mit welchem Enthusiasmus Menschen wiederum unterschiedlichster Herkunft ihr Leben „verdaten“, also einen unter Umständen verdammt großen Teil ihres täglichen Lebens mit den unterschiedlichsten Methoden aufzeichnen, nicht selten auch noch im Internet – Entschuldigung, ich meine natürlich die Cloud! – speichern und gegebenenfalls auch noch Dritten zugänglich machen, muss man sich nicht wundern, wenn sich andere Menschen zu den unterschiedlichsten Zwecken an diesem Datenreservoir bedienen. Zweifellos ist das Internet eine Art unendliches Gedächtnis, sofern man die auch heute noch existierenden technischen Grenzen der Datenspeicherung für einen kurzen Moment bei Seite lässt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Selbstverdatung als eine Art virtueller Unsterblichkeit ein vordergründig recht charmanter Gedanke. Und ich stimme Christian Heller, dem Autor von „Postprivacy“ insofern zu, als wir es noch nicht geschafft haben, uns mit der schönen neuen Welt hinsichtlich einer funktionierenden Definition und Umsetzung unserer Persönlichkeitsrechte sinnvoll zu arrangieren. DAS heißt aber mitnichten, dass ich im Umkehrschluss einfach auf Privatsphäre verzichten MUSS.

Jedoch drängt sich mir irgendwie doch verstohlen das Wort Bigotterie auf, wenn man auf der einen Seite allüberall gegen die bösen, bösen Amis wettert und auf der anderen Seite trunkenheitsselige Partyfotos auf Facebook einstellt, die im Übrigen auch der Personalchef des nächsten potentiellen Arbeitgebers eventuell interessant findet. Wir Menschen haben nun mal, wie man bei aufmerksamem Studium der Historie ganz gut sehen kann, des Öfteren das Problem, dass die Geschwindigkeit, mit der wir unsere technischen Errungenschaften machen unsere Fähigkeit, mit den Tücken der jeweils neuen Objekte umzugehen lernen bei weitem übertrifft. Mit so mancher „alter“ Technologie wie z.B. der Nukleartechnik kommen wir bis heute nicht richtig klar; und wir probieren es immerhin schon gute 70 Jahre…

Wenn man es von dieser Warte aus betrachtet, ist es vielleicht einfach noch nicht an der Zeit, dass wir unsere Privatsphäre – oder das, was man in Zukunft darunter verstehen wird – in Einklang mit den Möglichkeiten und Problemzonen der Neuen Medien bringen können. Allerdings erscheint es ratsam, diesbezüglich einfach mal mit etwas mehr Umsicht zu Werke zu gehen, bevor man Menschen dafür attackiert, dass sie einfach nur das getan haben, wofür der Staat sie bezahlt. Egal welcher Staat! Was mich dazu führt, einmal mehr darauf hinzuweisen, dass bestimmte Rechte, die wir als selbstverständlich betrachten, wie etwa die Unverletzbarkeit der Wohnung, das Fernmeldegeheimnis, oder auch das Recht auf freie Meinungsäußerung im Namen der Sicherheit des Staates ausgehöhlt werden könne, wenn wir als Bürger uns nicht explizit dagegen zur Wehr setzen; Stichwort „Vorratsdatenspeicherung“. Wie viel ein jeder von sich Preis geben möchte, ist sicherlich gegenwärtig (noch) eine individuelle Entscheidung, aber diese Freiheit kann uns auch ganz leicht aberkannt werden. Denken sie mal drüber nach, bevor sie ausgerechnet bei Facebook mal wieder irgend einen Unsinn posten…

A snipet of Identity?

Begriffe sind toll – man hat ein Schlagwort, welches auf einen Streich so viel sagt, so viele Assoziationen freisetzt, so viel Bedeutung in sich trägt, dass man sich weitere Worte sparen und sofort zum Wesentlichen kommen kann. Und übersieht dabei, dass die wenigsten komplexen Begriffe frei von Widersprüchlichkeiten sind und je nach Betrachter und Blickwinkel auf äußerst unterschiedliche Art interpretiert werden können. Wie eben das schöne Wort „Identität“…

Die Identität ist ein Teil unserer Persönlichkeit, welcher deren unvermeidliche Verstrickung in soziale Netzwerke unterschiedlichster Größe repräsentiert. Eben durch dieses Eingebettetsein in das Soziale werden wir als Individuen erst real, bekommen wir erst einen Sinn und eine Bestimmung, die sich wiederum zu einem nicht unerheblichen Teil aus unserer Identität speist. Bedenken wir hier zum Beispiel das Identifikationspotential eines Fußballfans mit „seinem“ Verein. Jeder von uns ist Teil von Vielem, somit ein soziales Wesen und definiert sich als Individuum über dieses Teil-Haben als Teil-Sein. All diese Teile bilden unseren Anker im Hier und Jetzt, irgendwie den Boden, auf dem unsere Persönlichkeit wächst.

Doch der Begriff Identität lässt sich eben wegen dieses, für jeden von uns fühlbaren Anteils, den er an uns hat sehr gut missbrauchen. Es ist zumeist nicht Problembelastet, wenn wir uns ein Stück weit mit unserem Arbeitgeber, unserer Jugendkultur, unserem Verein identifizieren, doch in dem Moment, da Politik ins Spiel kommt, wird die Begrifflichkeit Identität problematisch. Die Instrumentalisierung einer so genannten „kulturellen Identität“ ist die Wurzel des Übels.

Denn indem ich durch den rhetorischen Kunstgriff, anstatt des Sozialen die Kultur zur Basis der Identität zu machen, aus etwas indivudellem ein Unterscheidungsmerkmal für Gruppen konstruiere, kann ich andere Menschen, die vielleicht auch noch von woanders kommen ganz erstklassig ausgrenzen, ihnen ein „Unmensch-Sein“ andichten, das berechtigen soll, sie zu stigmatisieren und zu verfolgen, wobei die Wahl der Mittel zunächst im Dunkel verborgen bleibt. Das macht derlei Tun aber nicht richtiger, denn Identität bleibt etwas individuelles, soziales und darf nicht, weil es jemandem – wie z.B. den „Identitären“, die ja immer so schön betonen, sie seien nicht rechts – in den Kram passt zu einem wohlfeilen Indikator für WIR gegen DIE gemacht werden.

Ich persönlich beziehe meine Identität nicht aus der Zugehörigkeit zu einer Kultur, denn Angehöriger eines stets im Gange befindlichen Prozesses zu sein, ergibt für mich irgendwie nicht so recht Sinn. Oh, ich bin durchaus verschiedensten sozialen Gruppierungen zugehörig und empfinde diese Beziehungen als mal mehr, mal weniger Sinn stiftend für meine Existenz; und sicherlich beeinflusst mich Kultur bzw. der Umstand, dass mein Sein einerseits in diesen Fluss eingebettet ist, ihn andererseits aber auch verändert, so dass man von Reziprozität sprechen könnte. Aber ich bin nicht so sehr von der Idee der Kultur als Heimat durchdrungen, dass ich mich von dem rassistischen Geschwafel jener mitreißen ließe, die Identität von etwas individuellem zu etwas kollektivem umgestalten wollen, um Menschen so beeinflussen zu können. Man hüte sich vor „Identität“ als Schlagwort, vor allem in Einheit mit „Heimat“ und „Kultur“; da ergießt sich braune Brühe in leere Köpfe… Selber denken und selbst seine Identität finden macht frei, unabhängig und stark. Aber über Stärke reden wir ein anderes Mal!

Auf dem Entschleunigungsstreifen…

Sonnendurchflutete Hügellandschaften, bewachsen mit allerlei südlichem Laubgehölz umfrieden ein Natursteinhaus, hinter welchem man einen kleinen Pool finden kann, der sich allerdings am Hügel knapp unterhalb eines auf charmante Art dezent verwilderten Renaissancegärtchens findet. Das klingt nach einem Ort, der durchaus zum Verweilen einlädt, insbesondere wenn man den Umstand in Betracht zieht, dass der Besitzer des Anwesens sich nicht nur die Freiheit nimmt, Teile des Hauses – natürlich gegen ein Entgelt – zum Bewohnen auf Zeit anzubieten, sondern überdies auch ein recht ordentlicher Winzer zu sein scheint.

Abzüglich der üblichen Urlaubsimmanenten Missgeschicke und Reibungsverluste doch ein ziemlich hübscher Entschleunigungsstreifen, auf den ich meinen müden Geist gebracht habe. Langsamer zu leben bedeutet allerdings nicht unbedingt, langsamer denken, oder gar unproduktiv sein zu müssen, obschon ein gutes Stück echter Müssiggang – und für Solchen bedarf es ebenso genuiner Tiefenentspannung – natürlicher obligater Bestandteil der Erholungszeit von der Drangsal der Lohnarbeit sein sollte. Sonst braucht man keine Arbeitsunterbrechung!

Das Leben solcher Art zu entschleunigen bedeutet auf der Verlustseite, keinen bzw. nur sehr eingeschränkten Internetzugang, kein Fernsehen, keine Tageszeitung und wenig tiefer gehende soziale Interaktion abseits der eigenen mitgereisten Verwandschaft und gelegentlicher Bekanntschaften zu haben. Auf der Gewinnseite steht Zeit; Zeit zum (lustvollen!) Lesen, Zeit zum Erkunden neuer Orte, Zeit zum Genießen und schlussendlich Zeit zum Nachdenken. Und die brauchte ich in letzter Zeit reichlich!

Man hört häufig davon, dass Leute, zumeist solche, die ein wenig bekannter sind als ich auf Reisen gehen, um sich selbst (wieder?) zu finden; was in mir die Frage aufwirft, ob man sich denn erst richtig verlieren muss, um sich wiederfinden zu können, oder ob man sich auch dafür qualifizieren kann, indem man nur ein bisschen vom Weg abkommt, welcher Weg das auch immer sein mag…? Und ist das, was man so zu finden hofft im Erfolgsfalle zwingend besser als dass, was man vorher an sich hatte? Ehrlich gesagt hab ich diesbezüglich für andere Menschen bestenfalls eine Ahnung, aber keinen Ratschlag. Was jedoch mich betrifft, so weiß ich sehr genau, was ich an mir habe und was nicht, wobei das Haben und das Nichthaben jeweils sowohl positive, als auch negative Seiten besitzen. Ich muss demnach zumindest nichts wiederfinden, sondern habe vielmehr Dank der Entschleunigung Rechenleistung für aktuelle Problemstellungen frei, die sich ergeben haben.

Immer wieder im Leben kommen wir an Scheidewege; entweder, wenn sich durch neue Kenntnisse und Erlebnisse unsere Prioritäten verändern, oder wenn sich die persönlichen „Umgebungsparameter“ durch äußere Einflüsse mehr oder weniger nachhaltig verändern. Derlei zwingt uns zumindest, das bisherige Vorgehen zu Überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Wenn wir uns dann allerdings geliebter Gewohnheiten entledigen müssen, schlicht weil deren Basis nicht mehr existiert, tut das trotz des Wissens um die Dynamik weh. Solcher Schmerz kann allerdings auch klärend auf den Geist wirken und in mir ist die Erkenntnis gereift, dass es an der Zeit ist für Veränderungen. Wenn man nach Jahren des Stillhaltens, Duldens und Hoffens auf besseres Wetter endlich bemerkt hat, dass man bestimmte „Umgebungsparameter“ trotz aller Bemühungen nicht zum Positiven wenden kann, ist es wahrscheinlich an der Zeit, die Umgebung zu wechseln und auf bessere „Parameter“ zu hoffen…

„Should I stay, or should I go…?“

Heimkehr nach Politistan…

Ich war drei Wochen weg. Drei Wochen in Italien. Drei Wochen fern von meinem üblichen Maß des Internetgebrauchs. Drei Wochen fern der Nachrichten und vor allem des Wahlkrampfes. Nun komme ich heim; und obschon ich darüber nachgedacht habe, weiß ich keinen Deut besser als zuvor, welcher dieser selbstverliebten, vom Subsystem „Politik“ bis zur Unkenntlichkeit des Menschseins dressierten leeren Hüllen voller unnötiger, verlogener und Daseinsentfremdeter Propaganda ich meine Stimme geben soll. Oder besser, welcher Agenda ich zustimmen mag, die zu repräsentieren diese Repräsentatoren die Stirne besitzen?

Eigentlich keiner und damit beginnt ein Dilemma, dass unsere Demokratie, so sie diesen Namen denn überhaupt noch verdient, nicht besser machen wird. Denn unabhängig davon, ob es am Schluss dieser Farce Rot-Grün (Oh je!), Rot-Rot-Grün (Gott behüte!), Schwarz-Gelb (Bitte nicht nochmal!) oder Schwarz-Rot (Ach du liebes Lieschen!) heißen muss, wird es vermutlich mehr Nichtwähler, sicher aber mehr Protestwähler geben. Und solche so genannten Alternativen wie die Anti-Euro-Partei (das Rad der Geschichte kann man nicht zurück drehen!), die Piraten (das Rad der Geschichte kann auch nicht mit Gewalt schneller gedreht werden und wir sind für liquid democracy einfach noch nicht reif!) oder irgendwelche Kräfte vom äußersten Linken oder rechten Rand sind als Stimmenfänger bestenfalls ein Symptom für das wohl endgültig erreichte Verfallsdatum unseres politischen Systems.

Eigentlich ist es Zeit, mal wirklich über Alternativen nachzudenken, die sich nicht in den Ritualen des Status Quo zerreiben lassen. Viel Spaß beim Wählen!