Music was my first love…

Um es gleich vorweg zu nehmen, es geht hier NICHT um John Miles‘ Hitsong von 1976, den Alan Parsons meisterlich orchestriert hat. Obwohl… irgendwie doch. Vielleicht, weil selbst diese zunächst eher simpel erscheinende erste Textzeile, diese Liebeserklärung an Musik als solche schon Kontroversen stiften kann. Denn es gibt ja dieses alte, ungeschriebene Gesetz, dass man über Geschmack nicht streiten soll; was eigentlich auch für Musik gilt. Und für Fußballclubs. Oder Biersorten. Kleidungsstile…? Man sieht schon, worauf das hinausläuft: wenn man halt seine Dogmen ordentlich pflegen möchte, ist des Nachbarn Geschmack schnell ein ebenso willkommenes Feindbild, wie dessen Parteizugehörigkeit. Aber eigentlich geht es auch nicht um Dogmen. Darüber musste ich mich eh schon zu oft aufregen. Sondern um die Frage, ab wann etwas zur Hochkultur gehört, und ab wann wir doch eher von Pop-Kultur sprechen können…, wollen…, sollen…? Und was Pop-Kultur überhaupt ist? Der heutigen sozialwissenschaftlichen Definition nach umfasst die Popkultur massengesellschaftliche Alltagspraktiken und daraus resultierende Kulturartefakte (also Produkte der Kultur) seit dem Beginn des 20 Jahrhunderst, wie etwa Massenmedien, Trivilalliteratur und Popmusik. Okay, ganz schön weites Feld. Hochkultur bezeichnet im Gegensatz dazu von den meinungsbestimmenden Eliten als besonders wertvoll erachtete Kulturleistungen! Ja, da brat mir doch einer einen Storch. Meinungsbestimmende Eliten? Sind wir jetzt noch ein säkularer, demokratischer Rechtsstaat, oder hatte Orwell doch recht mit dem Satz „Manche sind gleicher!“? Wann immer ich irgendwo derartigen Elitismus wahrnehme, kriege ich mittlerweile die Krätze!

„Nur im Studierzimmer wird wahrhaft wertvolles gelesen…“ – MUHAHAHAHAHAHA…
"Einen besonderen Platz in meinem Herzen genießen Artikel, die einen sogenannten Kanon beschören – „Diese 10 Klassiker der Weltliteratur…“. Weil unter solcherlei Äußerungs-Überschrift meist nur Büchern alter weißer Männer auftauchen, was jetzt den Terminus „Weltliteratur“, der ja sinngemäß Bücher aus allen Zeiten, allen Kulturen, allen Ethnien und Religionen, allen sozialen Milieus und von allen Geschlechtern einschließen würde irgendwie ein wenig ad absurdum führt. Könnte sein, dass das an der sogenannten Deutungshoheit alter weißer Männer und gelegentlich auch Frauen liegt; die Heidenreich ist ja auch so’n Vogel, den man besser schon lange in eine andere Voliére verlegt hätte."
[Zitat aus älterem meiner Posts]

Ich mache an dieser Stelle mal einen Punkt, den sicher nicht jeder nachvollziehen kann oder will, der mir aber sehr wichtig ist: wenn Kultur ein Prozess ist, also etwas, dass dauernd in Bewegung ist, sich zyklisch erneuert und immer wieder andere, wundersame Dinge hervorbringt – was sich hervorragend beobachten lässt, wenn man die musikalischen, cinematischen und literarischen Trends der letzten 30 Jahre mal ins Visier nimmt – stellt sich die Frage, wer sich in 100 Jahren das Recht herausnehmen wird, zu sagen: „DAS da war Kunst, aber DAS hier kann weg!“. Nichts anderes tun selbst ernannte Eliten, wenn sie etwas als Teil der Hochkultur definieren. Denn sie tun dies nur aus einem Grund – Distinktion! Es ist das inhärente Bedürfnis höherer Schichten, sich von der Plebs abheben zu wollen. Und derartiges Verhalten ist in seinem tiefsten Kern asozial, egoistisch, unsolidarisch und damit zutiefst antidmokratisch! Es geht also nicht NUR um Musikgeschmack, es geht immer auch um die Frage, wer sich von wem aus welchen Motiven unterscheiden möchte. Ähnliches Verhalten lässt sich bei den Gangs im urbanen Raum der USA beobachten, die bestimmte Musik-Genres oder sogar spezifische Bands als Erkennungszeichen nutzen (eine kurze Recherche zu „gangs and the use of music“ auf Google verrät hierzu mehr). Nun sind die meisten Mitglieder der sogenannten Eliten keine Gangster im herkömmlichen Sinne, sondern nur darauf bedacht, Kulturartefakte als funktionale Zeichen zu benutzen: „Schau her, ich spiele Mozart am Klavier: ich gehöre dazu – und du nicht!“ Und sicher tue ich dem einen oder anderen mit meiner Analyse unrecht; was die Analyse als solche jedoch nicht entwertet.

Die oft beschrieene Dichotomie Hochkultur vs. Populärkultur ist ganz einfach Bullshit! In jeder Zeit emergieren die unterschiedlichsten Kulturtechniken und Kulturpropdukte. Dass sich mit dem technologischen und gesellschaftlichen Fortschritt des 20. und 21 Jhdts. die Ausdrucksformen verändert, die Distributionstechniken diversifiziert und der Zugang zum Publishing demokratisiert haben, steht außer Frage – aber immer noch wird Kultur von Menschen für Menschen aus den gleichen Motiven heraus produziert, wie eh und je: aus dem Wunsch heraus, eigene Ideen verbreiten zu können, dem Wunsch wahrgenommen und geehrt zu werden, und schließlich dem Wunsch, Geld damit verdienen zu können! Und was unterscheidet nun die Hoch- von der Populärkultur? Das Urteil von Kritikern, die sich selbst oft genug zur Elite zählen? Das Tomato-Meter auf Rotten Tomatoes oder irgendeine andere Rating-Plattform? Der jeweils amtierende Kulturminister? Das Volk? Sucht es euch aus, meine lieben Menschen. Denn schlussendlich liegt die Entscheidung darüber, welche Kulturartefakte wertvoll sind, und welche eher nicht… TADAH… bei euch selbst!

Das Internet hat so manche Schwachstelle, wenn es um die Demokratie als solche geht, es erzeugt Meinungsblasen und gesellschaftliche Probleme zuhauf – aber es ermächtigt jeden nicht vollkommen verblödeten Mitmenschoid dazu, sich seine eigene Meinung bilden zu können. Dazu sind nur ein wenig gesunde Skepsis und etwas Bildung notwendig. Und Bildung heißt hier explizit nicht, dass man „diese 10 Klassiker der Weltliteratur gelesen haben sollte“; sondern dass man über die Kompetenz verfügt, Dinge kritisch begutachten, beurteilen, einordnen und miteinander in Bezug setzen zu können. Ob einem „Ulysses“ von James Joyce dabei hilft, muss jeder für sich selbst herausfinden (für mich hat der 16.06.1904 übrigens keine besondere Bedeutung…). Und was hat das alles jetzt mit dem Song aus dem Titel zu tun? Alles und Nichts zugleich! Für manche ist dieser Song ein Meisterwerk, dessen Produktionsdesign und Arrangement einen Meilenstein darstellen. Für andere ist es einfach nur ein Song unter vielen. Und wieder andere werden den Pomp und das Übermaß von einfach allem (insbesondere Pathos) in dem Stück eher mit Widerwillen erleben. Und damit unterscheidet er sich kein Jota von Beethovens 9. Sinfonie, der Ode an die Freude! Hochkultur? Drauf geschissen! Kunst entsteht zu allen Zeiten, wenn jemand mit seiner Kreativität etwas anzustellen weiß. Manche mehr, manche weniger. Und damit hat sich’s. Schöne Woche…

Auch als Podcast…

Ego-Trip

Hat Jan Vermeer seine Gemälde gemalt, damit diese in einem Museum hängen, und dort zur Aufgabe für Schüler*innen auf Exkursion gemacht werden, oder aber sogenannten Bildungsbürgern zur Selbstkulturation dienen? Keine Ahnung, aber das Rijksmuseum in Amsterdam hat dem Geheimnisvollen aus Delft eine Ausstellung gewidmet, wie es diese noch nicht gab. Und die Leute strömen dorthin. Angeblich sind die Karten dafür schon jetzt ausverkauft; ich werde also nicht in den Genuß kommen können. Andererseits kann man „Meisje met de parel“ auch so zu sehen bekommen. Nur halt nicht im Original. Aber eigentlich interessiert MICH auch viel mehr, WARUM er gemalt hat, und nicht was er gemalt hat! Und mich interessiert auch nicht unbedingt Vermeer als solcher – über den wird nur zufällig gerade jetzt überall geschrieben, auf Grund der oben erwähnten Werkschau. Mich interessiert, was Künstler dazu animiert, Kunst zu schaffen; oder besser was Kreative zur Kreativität anregt und bewegt?

Einfach nur geknipst, oder…

Denn unsere zeitgenössische Kultur ist seltsam. Einerseits streben nicht wenige (junge) Menschen danach, durch den Ausdruck ihrer Kreativität ihr Geld verdienen zu können; Youtuber, Instagrammer, Tiktoker, etc.; social media ist für viele zumindest gedanklich ein gangbarer Weg vorbei an einem Leben voll fremdbestimmter Lohnsklaverei. Dass es nicht allzuviele schaffen, liegt am bereits lange existenten Überangebot an solcherlei Typen und Tussen. Ich halte ja mit der Kritik an den Influenzeranzien keinesfalls hinter dem Berg. Nicht jedoch, weil ich ich ihre Motive für schlecht halte. Jeder Mensch braucht am Ende des Tages was zu beißen, was zum anziehen und ein halbwegs ordentlich temperiertes Dach über dem Kopf. Den Weg dahin muss jeder selbst finden, und Werbung zu machen (denn was anderes ist In-flunker-enzern ja nicht) ist so gut oder so schlecht wie alles andere. Es sieht nur so aus, als wenn die nicht arbeiten. Diese Arbeit ist nur anders. Ich mag die Idee des Influencens deswegen nicht, weil es unredlich ist, Werbung nicht einfach Werbung zu nennen und unbedarften Menschen (von denen es eine ganze Menge gibt) irgendwas vorzugaukeln. Und weil allzu viele Influenzeranzien dabei auch noch ein schlechtes Beispiel abliefern, obwohl ihnen bewusst sein könnte, dass sie für viele Follower*innen Idole sind – in einer Zeit, die einen beklagenswerten Mangel an echten Vorbildern aufweist. Das Traurige daran ist, dass dies oft nicht aus Absicht geschieht, sondern aus einem bemerkenswerten Mangel an Selbstreflexion…

Andererseits wird öffentlich dargebotener künstlerischer, oder kreativer Ausdruck, der nicht offenkundig dem Broterwerb dient, häufig als arrogant konnotiert wahrgenommen: „Du denkst wohl, du bist was besseres…?“ Wie Schizo ist DAS denn? Ich werde immer mal wieder gefragt, warum ich denn bloggen würde? Nun, zunächst weil es mir Spaß macht, mich mit Worten auszutoben, Anderen meine Fotografien zu zeigen und damit vielleicht eine Reaktion zu provozieren. Kreativer Ausdruck war nämlich schon immer dazu gedacht, Menschen zum Nachdenken anzuregen. Selbst in manchem Hollywood-Blockbuster steckt jener Stoff, der Reflexion auslöst. Und wenn’s nur ein bisschen davon ist. Überdies bin ich arrogant genug anzunehmen, dass es da draußen ein paar Menschen gibt, die meine Gedanken, Ideen, Einsichten interessant genug finden, sich damit auseinandersetzen zu wollen. Ich habe irgendwann schon mal öffentlich gesagt, dass, wenn ich auch nur einen einzigen Menschen durch mein Schreiben, meine Bilder, meine Arbeit dazu ermächtigt hätte, besser werden zu können als zuvor, sich die ganze Mühe hier gelohnt hätte. Und dazu stehe ich bis heute. Für nichts anderes ist Kunst da – uns einen Spiegel vorzuhalten, und zur (Selbst)Reflexíon einzuladen! Auch wenn es gewissen Menschen evtl. an der Empfindungsfähigkeit fehlen mag, in manchen Arbeiten Kunst zu sehen. Der Zugang zu Jackson Pollock ist beispielsweise nicht ganz einfach zu finden, das will ich zugeben.

Ob das, was ich tue, tatsächlich als Kunst qualifiziert, müssen andere entscheiden. Kreative Energie fließt in jedem Fall hinein. Der Unterschied zu Influenzeranzien liegt vermutlich in der Motivation. Ich will und muss hiermit kein Geld verdienen. Ich bin vermutlich auch nicht hübsch genug, um das über die Antisozialen Medien tun zu können. Darum ist es mir aber auch noch nie gegangen. Ich spreche hier über das, was mich bewegt, wenn ich denke, dass es andere auch bewegen könnte. Und selbst, wenn ich, wie neulich in einem anderen Post erwähnt, online nur selten eine Reaktion auslöse, habe ich tatsächlich offline schon welche bekommen, die ich als ermutigend empfand. Deshalb mache ich weiter! Was nun das Foto oben angeht – glaubt irgendjemand ernsthaft, das sei nicht nachbearbeitet? Wozu zum Teufel sollte man dann die Daten im RAW-Format auf die SD-Karte fließen lassen? Selbstverständlich kuratiere auch ich solche Dinge – allerdings gaukele ich niemandem vor, dass ich morgens um 06:30 top gestyled Pilates mache, um DANACH einen top gestyleten Latte Macchiato zu trinken. Ich brauche den verf*****n Kaffee, BEVOR ich irgendwas Sinnvolles tun kann, ihr Narren…

Ich weiß ja nicht, wie viele Menschen auf diesen top-gefaketen Antisocial-Media-Wahnsinn reinfallen; wenn ich allerdings meine Erfahrungen mit unserer Spezies aus über 25 Jahren rettungsdienstlicher Einsatztätigkeit Revue passieren lasse, stimmt mich das leider NICHT sonderlich optmistisch. Sei’s drum. Vielleicht hat ja irgendjemand gerade zumindest mal angefangen, über seinen Medien-Konsum und die Zahl der kleinen Beeinflussungen, denen er oder sie tagtäglich zum Opfer fällt mal etwas intensiver nachzudenken. Und vielleicht entdeckt er oder sie ja eigenes kreatives Potential, dass dem etwas entgegensetzen könnte. Würde mich echt freuen. Einstweilen wünsche ich euch allen ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Bedenkenträgerei

Wenn man sich Entscheidungsprozesse anschaut, muss man manchmal feststellen, dass wir Menschen ganz schön bescheuert sind. Wir versuchen um’s Verrecken, den besten Deal, die optimale Lösung, den effizientesten Weg zu finden und vergeuden dabei Stunde um Stunde, Kalorie um Kalorie, Nerv um Nerv – nur um hinterher festzustellen, dass man die Zukunft nicht vorhersehen kann. JEDES. EINZELNE. MAL. Die undurchschaubare Grenze der nächsten Sekunde, a.k.a. die unsichtbare Mauer hinter dem JETZT bietet immer und für Jeden genug Stoff zur Selbstabarbeitung. Und Generation für Generation werden wir weiterhin daran scheitern. Das an sich wäre bestenfalls eine Betrachtung von forensisch-philosophischem Interesse, wenn nicht zufällig verschiedenste Prozesse in meinem Arbeitsumfeld ebenfalls mit enervierender Regelmäßigkeit davon betroffen wären. Aber wir Deutschen haben offensichtlich ein verhängnisvolles Faible dafür, die Dinge unnötig zu verkomplizieren und stets nach 100% zu streben, wenn 70% vollkommen ausreichen würden.

Auch das Streben nach Perfektion bedarf des Tuns…

In einer Leitungsposition ist man relativ oft damit beschäftigt, Ressourcen zu beschaffen, damit die geleiteten Mitarbeiter*innen den Workload friktionsfrei wegarbeiten können. Das können tangible Dinge wie Material und Geräte sein; ebenso oft aber geht es um Zeit und Raum. Pädagogische Arbeit braucht beides in nicht unerheblichem Maße, was beim Controller-Mensch immer wieder zu irritierten Nachfragen führt. Aber zu „Wenn’de mit Bananen wedelst, kommen halt nur Affen…!“ gehören halt nicht nur das ausgelobte Gehalt, sondern eben auch das Arbeitsumfeld, dessen Güte in wesentlichem Maße von der Verfügbarkeit der eben erwähnten Ressourcen abhängt. Und dann wird in irgendwelchen Gremien repititiv diskutiert, was in drei, fünf, sieben Jahren SEIN KÖNNTE. ICH. BIN. NICHT. NOSTRADAMUS, GOTTVERDAMMT! Ich weiß ja nicht mal sicher was in drei, fünf oder sieben Tagen, Wochen oder Monaten sein wird. Mir ist wohl bewusst, dass man für’s Geschäft eine Strategie braucht. Mir ist aber – und das ist witzigerweise eine Erkenntnis aus meinem liebsten Hobby, dem Pen’n’Paper-Storytelling – auch bewusst, dass jedwede Strategie, genau wie jedwede wissenschaftliche Erkenntnis immer nur ein Vorläufiges ist – nur ein Vorläufiges sein KANN! Weil – undurchschaubare Grenze der nächsten Sekunde.

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

(c) Reinhold Niebuhr

Nimmt man nun den Geist des Gelassenheitsgebetes von Niebuhr und die Erkenntnis um die Undurchschaubarkeit der Zukunft zusammen, bleibt einem eigentlich nichts anderes übrig, als dem Leben heiter und gelassen entgegen zu treten, und manchmal Dinge einfach zu tun, auch auf die Gefahr hin, hinterher sagen zu müssen, dass man sich geirrt hat! Nun wird mir der Controller-Mensch sofort antworten „Aber da hängen fiskalische Risiken dran, wir müssen doch einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften!“ Ja, kann sein… Jedoch NICHT zu investieren, seine ursprünglichen Ideen NICHT anzupassen, auf den oft unerwarteten Wandel NICHT angemessen nachjustierend zu reagieren, und manchmal auch einfach Dinge zu tun, von denen der ROI (Return of Investment) vorher NICHT klar ist, konstituiert ebenso fiskalische Risiken. Sie wirken sich buchhalterisch nur an anderer Stelle aus; z.B., indem ich wieder Geld für Personalakquise ausgeben muss. Oder für Marketing. Oder für den Insolvenzverwalter… [Für Zeit-Online-Abonnenten, hier ein Artikel zum Thema Heiterkeit.]

Ich glaube fest daran, dass dauernde Bedenkenträgerei ein Symptom dafür ist, sich zu sehr von der eigenen Amygdala regieren zu lassen – und darauf habe ich keine Lust mehr. Als Mensch, der aus eigener leidvoller Anschauung weiß, wie sich Depression anfühlt, ist es umso wertvoller, zu wissen, dass man sich dafür entscheiden kann, sich nicht Angst- und Bedenkenmotiviert durch das Leben und die Arbeit zu bewegen, sondern den Dingen aufgeschlossen und neugierig entgegen zu treten. Dass dabei zwangsläufig auch Fehler passieren, ist in der Tat unvermeidlicher Bestandteil der menschlichen Existenz. Und es wäre besser, wir erinnerten uns der Tatsache, dass wir ALLE Fehler machen. (Manchmal ist der erste, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen…) Wie man damit umgeht, also ob man eine Just Culture (ich übersetze das hier mal mit „Faire Fehlerkultur“) pflegt, oder aber gerne Leute punished, weil sie in gutem Glauben der Richtigkeit Ihres Handelns eine Entscheidung getroffen haben, die sich später als Mist herausstellt, ist eine Entscheidung, die ich niemandem abnehmen kann. Denkt man aber noch mal kurz über das bis hierher Gesagte nach, wird klar, dass alles andere als Just Culture das Wesen des Menschseins und das Wesen unserer Wahrnehmungsfähigkeit schlicht leugnet. Und das man manchmal mit 70% Effizienz loslegen sollte, weil auf nahe 100% zu kommen so viel Energie und Zeit verbrennen würde, dass man’s dann auch gleich ganz lassen kann. Ich habe jetzt nur noch ein Bedenken – nämlich das nach Sonntag Montag kommt und ich eigentlich noch nicht wieder bei 70% Akku bin. Versuchen wir trotzdem zusammen einen geschmeidigen Start in die kommende Woche.

Auch als Podcast…

10 years on the Blogroll…

Es mag nur eine subjektive Wahrnehmung von anekdotischer Evidenz meinerseits sein, aber für diese alten Augen dreht sich der öffentliche Diskursraum nur noch um die eigene Achse – und DIE ist auch noch ein Spiegel! Es gibt vereinzelte wissenschaftliche Befunde aus den letzten Jahren, die zumindest den Verdacht nahelegen, dass Social Media das Geltungsbedürfnis von Narzissten in besonderem Maße befriedigen hilft. Es wäre aber zu hoch gegriffen, zu behaupten, dass sich heute nur noch egomane Selbstdarsteller in den antisozialen Medien tummeln. Das sind nur jene die man wahrnimmt, weil sie posten bis die Maus glüht…! So weit so schlecht. Wenn man aber – wie ich – den Anspruch hat, NICHT so eine dogmatische Aufmerksamkeits-Nutte zu sein, wie manch andere Menschen, die kennenzulernen ich das zweifelhafte Vergnügen hatte, bedarf es vermutlich einiger argumentatorischer Stunts, um sich nicht selbst ins Abseits zu stellen. Immerhin bin ich schon seit rund 25 Jahren online präsent. Und ich habe mich nie gescheut, meine hier geposteten Gedanken auch in die semi-anonyme Halböffentlichkeit der antisozialen Medien zu zerren. Den Feind killt man am besten mit seinen eigenen Waffen, oder…?

runnin‘ up that hill…?

Ich durfte feststellen, dass die Seite in dieser Darreichungsform gestern ihren 10 Geburtstag hatte; und es wäre doch mal angemessen, sich zu fragen, was das hier eigentlich soll? Denn so ein Blogpost schreibt sich nicht von allein und auch ganz gewiss nicht in unter 10 Minuten. In aller Regel sind es eher so 1,5 – 2h, bis die Gedanken geordnet, der Text geschrieben, Beitragsbilder bearbeitet und der Podcast aufgezeichnet sind. Bei ein bis zwei Posts pro Woche wäre das ungefähr ein halber Arbeitstag. Und dafür braucht es schon eine gewisse Motivation. Manche verdienen so ihr Geld, haben aber andere Themen, einen anderen Workflow und nutzen alle Tricks, um Clicks zu generieren. Click-Baiting ist allerdings ebensowenig meins, wie Suchmaschinen-Optimierung. Nun könnte ich einfach sagen: „Ich bin halt eine Rampensau und will bewundert werden!“ Aber tatsächlich ist das nicht so, und dass ich nicht bewundert werde, kann ich sogar beweisen. Die Statistik lügt nicht. Ich habe fast 800 Beiträge geschrieben und hier in 10! Jahren weniger als 120 Kommentare bekommen. Selbst wenn ich früher auf Facebook (dem ich vor nunmehr über 10 Monaten den Rücken gekehrt habe) noch zweimal so viele Kommentare und Likes bekommen haben sollte, wäre das ein verdammt maues Echo für so viel Arbeit. An der Aufmerksamkeitsökonomie alleine kann es also nicht liegen. Vielleicht aber daran, dass mir einerseits die Inhalte, über die ich spreche am Herzen liegen und ich gerne Menschen zum darüber nachdenken anregen würde. Andererseits ist es für mich – und ich glaube, das schon mal irgendwo gesagt zu haben – so was wie Ergotherapie.

Also renne ich weiter, immer wieder und wieder mit meinen Gedanken und Gefühlen um die Wette diesen metaphorischen Hügel hinauf, in der vagen Hoffnung, etwas Ballast abwerfen und gleichsam anderen Menschen eine Gelegenheit zum Lernen und Wachsen bieten zu können, vielleicht auch selbst etwas lernen und wachsen zu dürfen – und damit meine ich ausdrücklich nicht meine Jahresringe! Ich sagte (oder schrieb) neulich, dass man zu echter Selbstreflexion dringend eines Spiegels bedürfe, der sich dann üblicherweise in anderen Menschen konstituiert. Deshalb ist ein anderer Teil meiner vagen Hoffnung auch, vielleicht irgendwann wieder zu konstruktiveren Diskussionen anregen zu können. Ich geißele hier ja nur zu gerne Dogmatiker, Egomanen, rechte Agitatoren, Influenzeranzien und anderes Online-Geschmeiss, dessen Geseiere und Gepose den öffentlichen Diskursraum leider zu weiten Teilen in oben erwähntes Narzissmus-verseuchtes Spiegelkabinett verwandelt hat, in dem die Meinung des Gegegnübers üblicherweise im televerbalen Klo runtergespült wird. Und es liegt anscheinend nicht in meiner Natur, das einfach so hinzunehmen. Ob das gut ist oder nicht, verrät mir vielleicht irgendwann das Licht; aber bis es soweit ist, bin ich hier und kämpfe meine Kämpfe: mit meinen inneren Dämonen, mit den dummen Menschen, die ich leider ohne Anstrengung sehen kann und den Auswirkungen einer Gesellschaft, die Solidarität und Verantwortungsbewusstsein zu Störfaktoren für’s Geschäft erklärt hat. Danke für nichts, ihr Anbeter von Mammon!

Gelegentlich sind ich und meine virtuelle Rosinante müde, denn oben auf dem Hügel warten ja doch nur die Windmühlen. Und dann…, dann erregt etwas meine Gedanken, meinen Ärger, meine Dämonen, und wieder bin ich dabei – Running up that hill! [Randbemerkung: es interessiert MICH einen Scheiß, ob ihr da draußen denkt, dass die Duffer-Brüder den Song in der 4. Staffel von „Stranger Things“ zu Recht oder unrecht, gut oder schlecht, oder als pösen Fanservice eingesetzt haben – denn der Song war vorher gut und ist es auch nachher! Und die Szenen mit „Max“ sind für mich der Hammer. Also kommt klar drauf – Ende Gelände!] Und mit diesen salbungsvollen Worten eines alternden Nerds seid herzlich begrüßt im nächsten Jahrzehnt von „My Madness Machine“. Schönen Samstag noch.

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°49 – Campaign prep…

Zuerst noch mal etwas Nomenklatur; aber keine Sorge, allzu theoretisch wird es nicht. Zoomen wir von groß nach klein. Jede Pen’n’Paper-Kampagne spielt an irgendeinem Ort, der sich in einem größeren Gefüge wiederfindet. Die meisten Regelwerke arbeiten mit einer eigenen Welt, oder mit einer eigenen Version der uns bekannten Welt. Im Bereich Fantasy sind es zumeist jedoch fiktive Kontinente und Länder, wie etwa Mittelerde. Die Welt, auf der meine gegenwärtige Fantasy-Kampagne spielt, heißt Ogaimos. Diese Welt hat eine eigene Geschichte, eigene Kulturen, eine Kosmologie (also Religionen, Mystizismus, Magie, etc.), sprich: alles (und etwas mehr), was wir hier und heute auch haben. Diese Gesamtheit übergeordneter erzählerischer Elemente nennt man Metaplot. Lasst euch davon nicht erschrecken, denn das Meiste davon braucht es am Anfang nicht. Aber mir als SL muss bewusst sein, dass eventuell irgendwann jemand danach fragt. Spätestens, wenn die Chars das Reisen anfangen, oder tiefer in den Metaplot einsteigen, passiert das automatisch. Ich muss davon aber nur soviel vorbereiten (oder lernen, wenn ich eine vorproduzierte Spielumgebung nutze), wie ich für die ersten Storybögen (also Einzelgeschichten innerhalb einer Kampagne) benötige. Storybögen oder Story Arcs sind dabei eingebettet in die Core Story, welche die Teile der Welt erzählt, die für die Chars direkt erlebbar sind.

(c) by Monika Merz

[Ein Beispiel: Die Chars treffen sich in der Stadt Villera, weil einer der Chars auf der Suche nach etwas wichtigem ist, das gestohlen wurde. (=> erster Story Arc der Kampagne!). Bei der Suche danach stolpern sie über eine alte Verschwörung, welche der Stadt vor einiger Zeit einen anderen Herrscher beschert hatte, sowie eine neue Verschwörung und Intrigen, bei denen nun um diese Macht gerungen wird; hieraus entsteht eine Abfolge von einzelnen Story Arcs oder Abenteuern (=> Core Story der Kampagne!). Die Stadt Villera liegt ja aber nicht isoliert im Nirgendwo, sondern auf Ogaimos und hat gemeinsam mit dem Rest der Welt eine Geschichte, beherbergt Völker, Kulturen und Religionen, die miteinander interagieren; und aus dieser Geschichte heraus droht ein dunkler Gott, sich erneut zu erheben, indem er die Fürsten der Stadt, mehr oder weniger subtil, in einen Bürgerkrieg manipuliert (=> Metaplot der Welt/Kampagne!) Womit auch klar wird, was das Movens, bzw. der Motor dieser Geschichte ist: nämlich die Ambitionen, Ziele, Wünsche, Träume der NSCs, die momentan über die Stadt herrschen. Und die alle, welche sich gerade zufällig in der Gegend befinden, mit in ihre Machenschaften hineinziehen. Ich bot den Chars also am Anfang einen McGuffin, um sie für die aufziehende Dunkelheit zu interessieren; aber ab einem bestimmten Punkt haben sie sich selbst dafür entschieden, es ausfechten und die Stadt schützen zu wollen; jede*r einzelne aus ganz individuellen Motiven.]

Faltkarte in meinem Campaign Diary

Ich beginne für die Campaign Prep also in aller Regel mit einer (wie auch immer gearteten) Übersichtskarte des Ortes, an welchem sich die ersten Story Arcs abspielen und notiere mir die (zunächst) nicht ganz so wichtigen NSCs wie Stadtwachen, Ladenbesitzer, Wirte, Schmiede, etc. die der Welt Flair & Fluff geben, wenn man sie namentlich ansprechen kann. Flair & Fluff klingt vielleicht auf den ersten Blick unwichtiger als es tatsächlich ist; denn eine Spielwelt wird im Pen’n’Paper erst dann zu einer second World, zu einem glaubhaften Ort, wenn solche Details die „willing suspension of disbelief“ unterstützen. Namen sind wichtig! Wesenszüge sind wichtig! Stimme ist nicht unbedingt wichtig, gibt der Sache aber, wenn man das dosiert einsetzt eine gewisse Würze (Hinweis: da wir NICHT allesamt Voice Actors sind, wie etwa das Cast von „Critical Role“, kann so etwas auch leicht ins Lächerliche abgleiten! Bevor man es hier übertreibt, lässt man’s lieber sein!) Aus zunächst unwichtigen NSCs können mit der Zeit durchaus auch wichtige NSCs werden; das schlägt sich dann im Campaign Diary, also den fortlaufenden Aufzeichnungen nieder. Mehr oder weniger gleichzeitig mit der Karte entstehen auch die ersten Key-NSCs, also Nichtspieler-Figuren, welche den Lauf der Geschichte beeinflussen helfen, indem sie entweder die Chars unterstützen, oder zu deren Anatagonisten werden. Bei manchen ist das schon am Anfang klar, bei manchen entsteht die tatsächliche Rolle, die sie zu spielen haben erst im Laufe der Geschichte. Key-NSCs haben immer einen eigenen Stat-Block und eine wenig Hintergrundgeschichte verdient.

NSCs aus dem Campaign Diary

Schließlich brauche ich ja auch noch den Plotbus! Der Plotbus ist für mich ein Synonym für Einstiegspunkte in eine vom SL vorbereitete Geschichte, also den eigentlichen Content, mit dem die Spieler sich später auseinandersetzen müssen/wollen. Hier ein kurzer Hinweis: die bloße Existenz eines Plotbusses ist KEIN Indikator für Railroading, sondern dafür, dass sich der SL vor Beginn des Abenteuers Gedanken darüber gemacht hat, was er seinen Spielern heute zu servieren gedenkt. Der Plotbus kann sich etwa in einem klassischen Questgeber konstituieren, in einer zunächst willkürlich erscheinenden Begegnung, die Fragen aufwirft, oder im Auffinden einer außergewöhnlichen Situation (Tatort o.Ä.). Das WIE ist dabei nur insofern interessant, als es zum WAS hinleiten sollte. Wenn ich möchte, dass die Chars einen Mord untersuchen, dann sollten sie in einer Weise über den Tatort stolpern, die Interesse oder persönliche Betroffenheit erregt. Wenn ein gestohlener Gegenstand wiederbeschaft werden soll, ist es vollkommen OK, einem der Chars direkt diesen Auftrag zu geben. Und wenn man möchte, dass sie eine geheime Schmugglerbasis im Innern einer Insel im Wolkenozean erforschen, dann plaziert man auch mal eine Vision über drohendes Unheil… [Eine persönliche Anmerkung: ob ihr, so wie hier bei mir zu sehen ein analoges Journal nutzt, oder irgendeine digitale Form, ist reine Geschmacksfrage; wichtig ist, dass das Journal regelmäßig gepflegt und mit den wichtigen Infos gefüttert wird. Insbesondere wenn NSCs sich entwickeln, muss dem ausreichend Platz eingeräumt werden, denn diese Art des Kampagnen- und Abenteuer-Designs ist zum allergrößten Teil Charakter-getrieben].

Apropos geheime Schmugglerbasis… 😉

Und damit sind wir mit der Kampagne auch schon soweit, dass man starten kann. Es ist natürlich durchaus clever, mehr Content vorzubereiten, als nur das erste Abenteuer. Aber manchmal muss man seine Spieler erst mal antesten, wie sie mit neuen Gegebenheiten, einer neuen Kampagnenidee, neuen Chars umgehen. Nicht jede Idee, die auf eurem SL-Papier toll aussieht, funktioniert auch für eure Spieler! Was aber einmal als Campaign-Prep niedergeschrieben wurde, bleibt verfügbar. Wenn’s jetzt nicht zündet, kann das in sechs Monaten schon ganz anders aussehen. Prep-Time ist also nie verschwendet. Und – sich selbst mal zu recyceln, ist definitiv nicht verboten! Insofern sind die Campaign Diaries das Herzstück der SL-Arbeit, weil sich dort alsbald alle relevanten Informationen zusammen finden. Eine gute Buchführung erleichtert überdies auch die „Session Prep“ erheblich. Doch damit wollen wir uns nächstes Mal in dieser Serie auseinandersetzen. Einstweilen gilt – always game on!

Auch als Podcast…

Gaming rules!

Leute, die schon in den 90ern Nerds waren, haben einen etwas anderen Blickwinkel auf die heutige Medienlandschaft. Viele Stoffe, viele Sujets, die heute z.B. durch die weitgehende Flixisierung des Produktionsbetriebes zum Mainstream-Gut geworden sind, gab es damals in deutlich geringerer Zahl; und sie fanden zumeist höchstens unter erheblich erschwerten Umständen den Weg auf die Mattscheibe. Ich werde jetzt nicht zu einer Elegie auf die Entweihung MEINES Nerdtums anheben, denn im Grund freut es mich, dass der nicht selten abseitige Humor und die Themen aus dem Reich der Fantasie, welche heute in großer Zahl die Datenbanken der Streamingdienste sowie Spieleentwickler und Regale der Buchläden bevölkern, meinem persönlichen Geschmack deutlich mehr entgegenkommen, als der Tatort oder Rosamunde Pilcher-Verfilmungen – und ich nenne beides mit Absicht in einem Atemzug! Aber, jedes Tierchen hat ja bekanntermaßen sein Pläsierchen, und über Geschmack soll man nicht streiten; es sei denn, man hat sonst keine Hobbies.

Chaotisch schön!

Es erscheint mir jedenfalls bemerkenswert, dass Science-Fiction, Fantasy, Mystery und Horror, oder jede Mischspielart dazwischen heutzutage nicht nur salonfähig, sondern streckenweise sogar ausgesprochen erfolgreich geworden sind. Es wirkt ein bisschen so, als wenn es schon immer mehr Nerds gab, als man anzunehmen gewagt hätte. Oder es ist einfach so ein Generationswechsel-Ding. Letztlich ist die Informations-Verfügbarkeit durch das Internet wesentlich größer geworden, was es mehr Menschen ermöglicht, mit Themen in Berührung zu kommen (und sich bei Interesse auch mit diesen auseinanderzusetzen), als dies VOR den Siegeszügen des Heimcomputers und des Smartphones der Fall gewesen war. Zeitgeist als Spiegel des Kuturschaffens hat sich einmal mehr gewandelt und ein Zeitalter ausgespien, in welchem es „chic“ ist, auch mit Ende 40, Anfang 50 noch Dinge „nice“ finden zu dürfen, die frühere Generationen einfach als Kinderkram abgetan hätten. Ich denke tatsächlich, dass es teilweise dem überall vorherrschenden Jugendwahn zu verdanken ist, dass heute so was wie „Stranger Things“ derart heftig trenden kann.

Aber Jugendwahn, dass sind doch übergut abgehangene, nur im Kopf noch knackige, durch Höhen- oder Mittelmeersonne zur Knusprigkeit veredelte Körper, die sich zwanghaft in Pellen zwängen müssen, die mit viel Wohlwollen an extrem sportlichen 20-Jährigen noch halbwegs tragbar aussehen könnten, ohne die derart aufgetakelte Person vollkommen zu entwürdigen, oder? Untote, an peinlicher Lächerlichkeit kaum zu überbietende Körperwelten-Vorschauen, die den öffentlichen Raum mit ihrer Anwesenheit zum Fremdschäm-Minenfeld degradieren? So was in der Art? Sagen wir mal so: das sind nur äußere Zeichen von Verleugnung; was ich meine, erkläre ich gleich. Und damit das hier klargestellt ist: das ist kein Alte-Leute-Bashing, oder Gerontophobie; das ist eine Feststellung über einen gewissen Prozentsatz der Menschheit, der auf das Älterwerden als unausweichlichen Bestandteil dieser „entsetzlichen Viertelstunde, durchsetzt mit Augenblicken voller Köstlichkeiten“, als die Oscar Wilde das Leben zu titulieren beliebte einfach nicht klarkommt! Aber wenn man die zu feste schüttelt, damit sie’s merken, fallen ja womöglich Toupets, Implantate und Prothesen ab, also will ich mal nicht so sein! Die wollen ja auch nur spielen, nich…

Zurück zum Nerdstuff. Menschen meiner Generation sind anders sozialisiert worden, als die Alterskohorten davor. Und auch, wenn viele meiner Altersgenossen mit Fantasy, Sci-Fi, dem Tech-Kram und anderem Nerd-Stuff nicht so viel anfangen konnten, wie etwa ich, hatte ihr Geist dennoch ZUMINDEST DIE CHANCE, sich freier zu entwickeln, mehr von der Welt und den vielen Möglichkeiten in ihr wahrzunehmen, als jede Generation davor. Die Ernsthaftigkeit der Welt war für die Bewohner der entwickelten Industrienationen des Westens und für die wenigen Jahrzehnte nach ’45 zurückgefahren. Und jetzt, da wir langsam älter werden, ernten wir mit einem gewissen Glücksgefühl diese Früchte einer Lebensleichtigkeit, die gerade wieder hinter dem Horizont verschwindet. Ich weiß nicht, wie lange diese Phase der Verfügbarkeit von Nerd-Stuff noch anhält und ob es tatsächlich gerecht gegenüber dem Rest der Welt ist, diese so zu genießen. Und wer bin ich, dass ich hierzu Festlegungen treffen könnte? Muss jeder für sich selbst wissen, wie damit umzugehen sei. Doch die Regeln des Spiels, die Gaming Rules ändern sich einmal mehr, so wie sie das immer wieder tun. Wenigstens für den Moment gilt allerdings noch: gaming rules, Spielen ist mächtig, Spielen ist wichtig, und Spielen ist Teil des Sinns von Leben! Zumindst für einen Teil von uns Menschen, zu dem ich – vollkommen unzufälig – auch gehöre! Zocken und der Konsum (ja ihr hört richtig, ich konsumiere) von anderem, nicht selbst hergestelltem Nerd-Stuff sind für mich Teil meines Lebenstiles und essentiell notwendige Zutat, um auf den ganzen Scheiß, der ringsum passiert nicht vollends durchzuknallen! In diesem Sinne wünsche ich euch ein unterhalt- und erholsames Restwochenende. Vielleicht verratet ihr mir ja mal, was euch so erdet…?

Auch als Podcast…