Der verwirrte Spielleiter #07 – … und Action!

Slash, Boom, Hack, Metzel! Wenn man die Entstehungsgeschichte des Pen&Paper-Rollenspiels nochmal kurz betrachtet, fällt natürlich sofort auf, dass es seine Wurzeln in Wargaming hat und daher schon von Anfang an mit Systemen zur physischen Konflikt-Lösung – also Kampfregeln – daher kam. In den früher Jahren war es denn auch der Konflikt und das, mal mehr, mal weniger taktische Bezwingen von Gegnern, das die Spielrunden dominierte. Das dabei auch Geschichten erzählt wurden, war damals jedoch eher ein spaßiges Nebenprodukt. Echte Identifikation mit der eigenen Spielfigur, also dem Charakter stand bei vielen Runden nicht im Mittelpunkt.

Im Lauf der Zeit wurde jedoch vielen Spiele-Entwicklern klar, dass nur zu kämpfen und Fallen auszuweichen auf die Dauer seinen Reiz verliert. Die Charaktere bekamen nun, neben Statistika für Attribute auch solche Fertigkeiten zugestanden, die nichts mit Kämpfen zu tun hatten. Und primär nicht auf das Kämpfen ausgelegte Charakter-Klassen wie Barden, Diebe, etc fanden ihren Weg ins Spiel. Spieler und SL begannen, mehr und mehr Wert auf Rollen-Spiel zu legen; also darauf, dass man auch abseits der Action eine Rolle ausfüllen konnte und etwas zu tun bekam, das Sinn und Spaß machte. Aus Wargaming und Dungeoncrawling wurde – nach und nach – Storytelling. Geschichten, die den Spielern die Chance zu tieferer Immersion in die, zudem immer ausgefeilter werdenden Spielwelten gaben, wurden zum Quasi-Standard.

Die Formen des Spiels, die Arten auf die Spieler und SL ihren Spaß aus dem Spiel ziehen, haben sich verändert. Die Ansprüche an die Komplexität der Geschichten, den Detailreichtum der Settings, die erzählerischen Fähigkeiten des SL wurden höher. Und, so denke ich zumindest selbst – die Qualität des Spiels ist in vielerlei Hinsicht dabei gewachsen. Klassische Strukturen des Dramas, wie man sie aus Theaterstücken und Prosatexten kennt, fanden ihren Eingang in das Repertoire vieler SL und bereicherten das Storytelling. Und doch – das Drama bedarf für seine Spannung eines Antagonisten, eines Konfliktes, eines Scheiterns und einer Katharsis. Woraus folgt, das Regeln für den Kampf auch im „modernen Storytelling“ ihre Daseinsberechtigung haben.

Wenn das jetzt ein bisschen zu sehr wie eine Entschuldigung für Action im Rollenspiel geklungen haben mag, sei’s drum. Wichtig und richtig ist, das Konflikt und Kampf in meinen Spielrunden nicht als Mittel zum Zweck eingesetzt wird, sondern als Vehikel, um die Story voranzutreiben. Und das es dabei gegenüber den Spielern und ihren Charakteren fair zugeht. Denn sie wollen sich ihre Erfahrung wirklich verdienen. Doch was bedeutet das für den SL…?

Meine diesbezügliche Arbeit beginnt damit, stets einen halbwegs präzisen Überblick über die Entwicklung der Charaktere zu behalten, damit ich weiß, welches Maß an Herausforderung sie verkraften und womit ich sie über- oder unterfordere. Daraus folgt die Anpassung der Fähigkeiten der von mir genutzten NSCs. Egal ob diese als reine Antagonisten, als neutrale Kräfte, oder als Unterstützer eingeplant sind; jeder verfolgt stets seine eigene Agenda. Konfligieren die Pläne eines (oder auch mehrerer) NSCs mit jenen der Charaktere, entstehen logischerweise Spannungen, die ich dann bis hin zu direkten Konfrontationen (z.B. eben Kämpfen) steigern kann. Dabei darf jedoch auch eine einzelne schicksalhafte Begegnung niemals nur dem Selbstzweck „Action“, „NSC-Coolness“, „Lückenfüller“ oder „Erfahrungspunkte“ dienen. Denn damit entwerte ich die mühsam aufgebaute Spannung und mache aus einem u. U. sehnsüchtig erwarteten Höhepunkt ein banales „Monster der Woche“.

Action im Sinne von angewendeter Gewalt sollte nur an jenen Punkten entstehen, wo die Pläne der unterschiedlichen Parteien unausweichlich aufeinander treffen und eine Entscheidung darüber herbeigeführt werden MUSS, welche Handlungen erfolgreich sein werden. Deshalb nannte ich es vorhin auch schicksalhafte Begegnung. Aus einer Besprechung mit dem Unterstaatssekretär für innere Sicherheit kann durchaus Spannung entstehen; jedoch nur in dem Sinne, dass ich die Erwartungen für ein packendes Finale steigere, in dem ich nach und nach beängstigende Details über den Gegner enthülle (=> Exposition). Treffen jedoch zwei Parteien mit unterschiedlichen Zielsetzungen in einem verschollenen Raumschiff aufeinander, wird es irgendwann zwangsläufig zu einem Shootout (oder was auch immer) kommen. Bemerkenswert finde ich dabei übrigens, dass meine Spieler eigentlich fast immer versuchen dem Ärger so lange aus dem Weg zu gehen, bis es keine andere Lösung mehr gibt. Und es gab auch schon Pläne, die bis auf’s I-Tüpfelchen funktioniert haben. Das ist allerdings eine Rarität.

Natürlich zwinge ich niemanden, an Kämpfen teilzunehmen. Die Spieler können es an bestimmten Punkten auch einfach laufen lassen, um sich später auf andere Art mit dem Problem auseinander zusetzen, oder alternative Lösungen suchen. Aber ich gebe gerne zu, dass ich Szenarien meist etwas zuspitze, um ihnen eine Chance zu geben, die wohltrainierten Muskeln (oder Köpfchen) ihrer Charaktere spielen zu lassen. Denn, wenn wir ehrlich sind – eigentlich wollen wir das als Spieler ja auch genau so! In der Hitze des Gefechts glänzen zu können hat schließlich seinen ganz speziellen Reiz.

Womit wir bei einem weiteren Kardinalfehler beim Einsatz von Action wären. Zuviel, oder in den falschen Situationen verdirbt, wie eben ausgeführt die Story. Zu wenig unterfordert und langweilt die Spieler. Allerdings die Spannung bis zu einem Kampf aufzubauen und dann den Spielern diesen Kampf durch einen NSC wegzunehmen, ist auch Kacke. Natürlich klingt ein geschenkter Sieg im ersten Moment charmant. Es entwertet jedoch die Arbeit und Motivation der Spieler. Natürlich möchte man seinen Charakter nicht unbedingt dauernd bluten sehen, aber wenn es nötig ist, um den Job zu erledigen, dann soll es verdammt nochmal so sein! Auf eine Klimax hinzuarbeiten und sie dann einfach platzen zu lassen ist wie Sex ohne Orgasmus. Ganz nett, aber nicht wahre Jakob. Die Fairness gebietet es, die Charaktere zu fordern, wenn es etwas zu erringen gilt. Sonst kommen sich die Spieler verschaukelt vor.

Mit Sicherheit gibt es SL und Spieler, die das anders sehen und Action all night long wollen. Das kann man mal machen, wenn sich alle auf ein Dungeoncrawl-Oneshot geeinigt haben; einfach, um mal die Sau rauszulassen. Für eine richtige Kampagne wäre mir das aber viel zu langweilig. In diesem Sinne wünsche ich ein schönes Wochenende und always game on!

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