Der Fluch des Spiegels…

Immer mal wieder, wenn ich mit einer neuen Teilnehmergruppe, einer neuen Klasse, neuen Menschen, die frisch in mein angestammtes Gewerk kommen konfrontiert werde – was durch meine Tätigkeit als Ausbilder einigermaßen regelmäßig passiert – geschieht etwas Seltsames. Einerseits freue ich mich stets auf diese Aufgabe, junge Menschen auf ihren ersten, eventuell prägenden Schritten durch das Labyrinth der Notfallsanitäter-Werdung zu begleiten. Andererseits verspüre ich einen gewissen Widerwillen, weil ich in denen, die da, hoffentlich erwartungsvoll, vor mir sitzen etwas sehe, dass ich auch heute noch an mir selbst hasse – Profilneurosen. Und die sind mächtig. Denn ein nicht unerheblicher Teil der „Neulinge“ kommt heutzutage mit Vorerfahrung auf die Berufsfachschule. Was bedeutet, dass wir ihnen erst mühsam die ganzen Bad Habits aberziehen müssen, die sie sich auf ihren bisherigen Wachenstandorten „erarbeitet“ haben…

Und ich sehe mich dabei selbst; oder besser gesagt, eine deutlich jüngere, arrogantere, unerfahrenere, nervtötendere Version von mir, über die hinauszuwachsen mich Jahrzehnte meines Lebens und die eine oder andere traumatisierene Erfahrung gekostet hat. Ich frage mich dann, ob es wohl eine Abkürzung dahin geben könnte, und muss mir doch jedesmal eingestehen, dass sie wohl allesamt ihre eigenen Erfahrungen machen, in ihre eigenen Untiefen stürzen, ihr eigenes Selbst finden müssen – und dafür das eine oder andere Jahr und den einen oder anderen Rückschlag werden hinnehmen müssen. Das ist der Teil an meiner Arbeit, der mich stets mit Bittersüße, mit entnervender Ambivalenz, aber auch mit einer gewissen Demut erfüllt. Weil ich in diesem Spiegel die Fallen UND die Chancen sehe. Es ist quasi ein Bundle. Du kriegst das eine nicht ohne das andere. Das ist pralles Leben. Was mir immer wieder vor Augen führt, dass dieser Job, bei allen anderen Erfahrungen, die ich gemacht habe, immer noch der Job ist, der mich in mehr als einer Hinsicht erfüllt.

If you can’t stand the heat – get out of the kitchen!

Es gemahnt mich aber auch stest daran, wie wichtig es ist, sich NICHT über diesen Beruf zu definieren. Schlosser, Kaufleute, Informatiker, Forstwirte und Floristen tun das ja auch nicht. Zumindest nicht so sehr, wie es bei den Menschen im Gesundheits- und Sozialwesen ganz offensichtlich häufig der Fall ist. Wir waren schon immer anders, heißt es dann – und viele betonen das offenkundig gerne öffentlich. Ganz so, als wenn es eine Auszeichnung wäre. Ich sehe es heutzutage eher als notwendiges Übel an, und würde mir wünschen, etwas weniger von diesem süßen Gift der Profilneurose genossen zu haben, dass dir die Idee gibt, etwas Besonderes zu sein. Primus inter Pares. Erster unter Gleichen. Denn das sind wir nicht! Ich spreche jetzt mal nur für mich: ich bin nämlich einfach nur ein Typ, der versucht im Rahmen seiner (oft genug begrenzten) Möglichkeiten ein gutes Ergebnis für jene zu erzielen, die ihm anvertraut wurden – egal ob als Patienten oder als Auszubildende. Wobei ich ja seit geraumer Zeit keine Patienten mehr zu sehen bekam. Nichtsdestotrotz gilt mir die Feststellung, einfach nur Mensch zu sein, sehr viel!

Ich war mal wieder in dieser speziellen Situation. Noch dazu in der Abgeschiedenheit eines Teambuilding-Events. Und stehe – wie stets – vor den gleichen komplexen Fragen: wie sehr ich sie an mich ranlassen möchte? Wie sehr ich manche von ihnen jetzt schon schütteln möchte? Wie ich ihre Chancen einschätze, sich NICHT von der Profilneurose bestimmen zu lassen? Wie sympathisch sie mir sind? Was es wohl kosten wird, sie auf den „rechten Weg“ zu bringen? Antworten sind Mangelware, aber meine Motivation ist groß. WIr werden sehen. Ich wünsche euch eine gute Woche; und hoffe, dass ihr auch mal in diesen verfluchten Spiegel schaut. Bis die Tage…

Auch als Podcast…

LASST ES RAUS!

Zeit meines Lebens ringe ich um ein wenig mehr Ausgeglichenheit, um Contenance, um die Gelassenheit, manche Dinge einfach laufen zu lassen, auch wenn meine Dämonen gerade etwas BÖSES tun möchten. Ich war früher ein schlechter Verlierer. Wahrscheinlich ist einer der Hauptgründe, warum Pen’n’Paper mein liebstes Hobby ist, dass es dort eigentlich keine Gewinner und Verlierer gibt – nur eine gemeinsam erzählte Geschichte. Wobei es auch dort zu Diskussionen kommen kann, wenn ich Ungerechtigkeit am Werk zu verspüren glaube. Und da stets der Empfänger die Botschaft macht… Ich schaffe es heute dennoch (meistens), meine Affekte beim Spielen im Zaum zu halten, aber mit dämlichen Brettspielen kann man mir bis heute nachhaltig den Abend versauen. Welcher Sadist nennt denn bitte ein Spiel, bei dem man so einfach durch das Zutun der Mitspieler verlieren kann „Mensch ärgere dich nicht!“? Dieser unnötige Menschoid gehört…! Ach, was soll’s, der Gründer von Schmidt Spiele ist eh schon lange tot. Aber ist dieses Ringen um Ruhe überhaupt wichtig?

Ich las gestern einen Artikel mit dem imperativen Titel „Rastet aus!“. Die Autorin möchte ihren Beitrag evtl. eher als Glosse verstanden wissen, aber die Kommentarspalte… ach herrjeh, wie sich die ganzen woken Möchtegern-Psychologen darüber ereifern, dass Affektinkontinenz nun aber auch gar nichts in der Welt verloren habe! Gab’s da nicht mal diese – heute als klassisch bezeichnete, zu meiner Zeit in der Schule von vorn nach hinten zerplückte – Stil-Epoche, die sich ganz dem Gefühl verschrieben hatte, und der Ratio klar eine Absage erteilte – ach ja, die Romantik. Aber noch viel pragmatischer – wäre (ein) Leben ohne Affekte denkbar? Vermutlich nicht, denn ohne Affekte gibt’s kein Fuscheln und ohne Fuscheln keinen Nachwuchs. Aber hey, wen interessiert’s – außer Demoskopen, Politiker, Wirtschaftswissenschaftler, etc? Und jetzt kommen die ganzen Oskar Oberschlau-Typen aus ihren Löchern, und deklamieren erhobenen Fingers „Aber das sind doch positive Affekte!“. Ja! Klar, sind das positive Affekte. Aber alles im Leben lässt sich nur durch Dichotomien sauber definieren. Wenn ich nicht weiß, was ein positives Gefühl ist, wie soll ich dann ein negatives erkennen können. Oder soziale, hierarchische, politische Gefüge? Hm…? Um’s kurz zu machen – ohne Gegensätze funktioniert unsere Welt nicht.

Greimas‘ semiotisches Vierck – gut, um Gegensätze zu beschreiben…

Soll heißen, ich kann mir nicht einfach nur die schönen positiven Sachen zum Gebrauche hernehmen und die pösen, pösen negativen in einem metaphorischen Giftschrank verstecken! Denn aus dem Menschen heraus bekomme ich sie nicht. „Du kannst den Jungen aus Berlin rausbringen, aber nicht Berlin aus dem Jungen!“, habe ich mal zu einem Kollegen gesagt, der sich ein bisschen darüber beschwerte, als ich sagte er käme wohl NICHT gebürtig aus Heidenheim an der Brenz…? So wenig, wie viele Menschen das Idiom ihrer Herkunftsregion zu verstecken vermögen, so wenig können wir mal eben das mesolimbische System und den Sympathikus aus dem Menschen explantieren. Es sei denn, wir wollen, dass er kaputt geht. Man bekommt das Eine, nämlich das Gute und Schöne, zumindest physiologisch nicht ohne das Andere – die Hitze und den Stress! Man kann etwas tun, um Stressresilienter zu werden und damit seltener Opfer seiner eigenen negativen Affekte. Und in manchen Gewerken ist das sogar essentiell, weil Stress und negative Affekte schlechte Entscheidungen begünstigen; wenn Rettungsdienstler sich dazu hinreißen lassen, sterben u. U. Menschen. Aber man sollte um Himmels Willen nicht glauben, dass man a) seine Physis austricksen kann und b) Contenance ein Wert an sich sei.

Emotionen im öffentlichen Raum sichtbar zu zeigen gilt gemeinhin als unprofessionell, unzivilisiert und nicht wünschenswert. Warum? Meine These lautet: weil Ehre, Stolz und Ansehen heutzutage wichtiger sind, als echter Ausgleich zwischen den Menschen! So gilt Contenance denn auch als Distinktionsmerkmal der gehobenen Schichten. Ja Teufel auch – ich soll mich also dauernd beherrschen, weil sich jene, die mich sowieso schon beherrschen ansonsten schlecht fühlen? Weil sie Angst haben, dass die ganzen, momentan schön durch Konsum kanalisierten, pathologisierten und eingehegten negativen Affekte sich evtl. kumulieren und ein ungerechtes System, wie etwa den Kapitalismus in seiner heutigen Ausprägung mitsamt seinen Apologeten hinwegfegen könnten? Und warum zum Henker sollte ich dann NICHT wütend sein, wenn mir Gerechtigkeit, wie oben erwähnt doch am Herzen liegt? Da bleibt mir doch nur, Dr. Banner zu zitieren: „Mein Geheimnis ist, ICH BIN IMMER WÜTEND!“. Warum, muss ich jetzt hoffentlich nicht mehr explizieren…

Bleibt noch zu erklären, warum ich denke, dass Konsum auch dazu da ist, negative Affekte einzuhegen? Ganz einfach – weil Konsum es uns erlaubt, diese unerwünschten Emotionen entweder zu betäuben (man setze hier die Droge seiner Wahl ein), oder aber in geregeltem Umfang auszuleben; und was regt sich „die Öffentlichkeit“ auf, wenn’s ein paar dabei mal wieder übertreiben – z. B. rings um die Fußballpätze des Landes. Oder glaubt irgendjemand tatsächlich, dass Fußball (oder irgendeine andere Mannschaftssportart) im Kern etwas anderes ist, als eine geläuterte Version des Circus Maximus in Rom? Die Gladiatoren haben heute keine Schwerter mehr – das ist der einzige Unterschied. Ansonsten funktioniert „Panem et Circenses“ auch 2000 Jahre später immer noch wie geschmiert. Ich verdamm niemanden dafür, wenn er sich so berieseln lässt. Ich würde mir nur wünschen, mehr Menschen würden diesen Aspekt und ihre eigenen Rolle darin bewusst reflektieren. Aber bei vielen scheint der Spiegel hier ein wenig stumpf… Also ich mag meine Wut. Und ich lasse sie auch raus. Manchmal auch öffentlich. Wenn jemand damit nicht klarkommt – Pech gehabt! Schönen Sontag.

Auch als Podcast…

Cyborg-isierung…?

Was ist ein Cyborg? Die begriffliche Definition (ein Mischwesen aus Mensch und Maschine, wobei der Maschinen-Anteil variieren kann) ist hier insofern nicht hilfreich, als dann auch jeder Diabetiker mit einem implantierten Blutglukose-Sensor als Cyborg gelten dürfte. Mit der kulturell-ästhetischen (siehe Ghost in the Shell, o. Ä.) Darstellung hat das jetzt allerdings weniger zu tun. Unsere Vorstellung davon, was „Cyber“ ist, und was nicht, ist einerseits hoch individuell; andererseits natürlich durch unsere Rezeption von Kulturartefakten wie Büchern und Filmen geprägt – die das Grund-Thema (nämlich die Annäherung von Mensch und Maschine) üblicherweise zu Gunsten dramaturgischer Erwägungen verkürzen und auf wenige, meist visuell gut darstellbare Aspekte zuspitzen. Dagegen lässt sich jetzt bei Unterhaltungsmedien wenig sagen. Die sollen ja unterhalten. Allerdings wird der Aspekt von Kunst, auf den Adorno verwies – nämlich den Doppelcharakter der Kunst, aus dem sich die Aufgabe von Kunst ergibt, die Wahrheit über die Gesellschaft zu offenbaren, die nur allzu oft von der Ideologie verdeckt wird – hier zu oft für die Schauwerte ausgeklammert.

Jedenfalls ist die Vorstellung der meisten Menschen beim Thema „Cyborg“ vermutlich eine krude Mischung aus künstlichen Bildern; entlehnt aus Filmen der letzten 35 Jahre und dem heutzutage ja einfach aufzustöbernden globalen visuellen Kunstschaffen. Garniert mit ein paar „eigenen“ Ideen, zumeist bezogen aus den Werken von William Gibson, Philip K. Dick, Neal Stephenson und wie sie noch alle heißen. Die Cyber-Punks der Literatur halt. Eigentlich als ätzende Kritik am Kapitalismus und der blinden Fortschrittsgläubigkeit gedacht, nahmen viele Leute vor allem die ästhetischen Aspekte des Genres wahr und suhlten sich – aus angemessen sicherer Entfernung ihrer Erste-Welt-Existenzen – in der wohligen Lust an der Dystopie. Nun ja, zu den Dollars sagten die Autoren dann doch nicht „Nein“, und bedienten das Interesse munter weiter. Alle paar Jahre kommt irgendein Feuilleton-Honk aus seinem Loch, und proklamiert „Cyberpunk is dead!“, worauf der nächste Verkaufszyklus losgeht. Die Fans sehen das seit jeher anders und Adorno rotiert sicher in seinem Grab…

…und wohin führt der Weg?

Betrachten wir nun mal die reale Entwicklung der Kybernetik in den letzten 10 Jahren, dann scheint Wetware-Hacking als eine nicht allzu ferne Möglichkeit (z. B. Elon Musks Firma Neuralink), wenn man Wetware als dritte Komponente neben Hardware und Software betrachtet. Was einige Fragen aufwirft, die man eigentlich schon in „Neuromancer“ und „Mona Lisa Overdrive“ lesen, oder im Original von „Ghost in the Shell“ hätte sehen können; und wir reden hier von philosophischen Fragen der Transzendentalität und der Ontologie, die alles andere als nichtig sind. Was ist der Sinn unserer Existenz? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was macht unsere Seele aus? Was macht den Mensch zum Mensch? Und was die Maschine zur Maschine? Wenn denn irgendwann diese Grenzen tatsächlich zu verschwimmen beginnen. Und dazu tritt dann noch die praktische Frage, wie viel Kontrolle ein Privatunternehmen über meine Gedanken haben darf? Ich meine, jetzt mal ernsthaft – ich will NICHT, dass ein Supercomputer im Besitz von Elon Musk via Neuralink-Chip meine Gedanken streamen kann. Das am wenigsten schlimme dabei wäre wohl, dass es einen Backchannel gibt, und ich dann dauernd darüber nachdenken müsste, mir jetzt doch endlich einen Tesla zu kaufen…

Wäre eine Cyborg-isierung eine Verbesserung des Menschen, eine Erweiterung unserer Möglichkeiten – oder gefährdete sie das, was uns als Menschen im Kern ausmacht? Ich habe ehrlich keine Ahnung – und ich bin viel zu sehr Geschichtenerzähler, als dass ich mir nicht unterschiedlichste Auswirkungen ausmalen könnte. Wobei die interessantesten Geschichten ja das Leben erzählt: Elon Musk hat Joe Rogan während eines Interviews 2018 mal erzählt, dass er denke, dass wir alle in einer Matrix-artigen Simulation leben würden. Sascha Lobo meinte dazu kürzlich, dass könnte so einiges erklären. Wahrscheinlich versucht der reichste Mann der Welt mit seinem, oft doch recht erratischen Verhalten einfach nur, die Grenzen dieser Simulation auszutesten. Warum er dann Chips entwickeln lässt, die man bald in menschliche Gehirne implantieren können soll? Vielleicht will er die Simulation hacken und abschalten? In jedem Fall hat er für sich anscheinend auch noch keine befriedigenden Antwort auf die oben erwähnten Fragen gefunden. Wir dürfen gespannt bleiben!

Ich habe auf all diese Fragen übrigens auch keine letzten Antworten und ich maße mir auch nicht an, zu behaupten, dass man überhaupt welche finden muss – insbesondere „allgemein gültige“; denn dann wären wir ratzfatz wieder beim Dogmatismus! Man sollte nur tunlichst niemals damit aufhören, über diese Fragen nachzudenken. Denn sie bilden einen wichtigen Teil dessen, was wir als Werte bezeichnen. Und ein kleines bisschen mehr ethisches Verhalten in unserer Welt könnte sie ein gutes Stück besser machen. Wenn ich dafür dann ein Cyborg werden müsste, wäre ich wohl dabei. In diesem Sinne – (f)rohe Ostern.

Auch als Podcast…

Eigentlich müsste man…

…dem frühlingshaften Müßiggang frönen und sich mit geistigen Getränken zudröhnen. Oder so ähnlich. Wenn ich aus dem Fenster schaue, kann ich das blaue Band, von dem Mörike so unnachahmlich sprach, wirklich sehen; und mich daran ergötzen. Ich mag den Winter nicht sehr. Ich mag lieber die Sonne, blauen Himmel, draußen sein. All die Dinge, die unmissverständlich zum Frühling und Sommer gehören. Auch, wenn ich irgendwann wegen der unerhörten Temperaturen unweigerlich zu murren anfange, weil ich mich dann die ganze Zeit fühle, wie der Inhalt eines Sous-Vide-Garers. Aber so ist das halt, wenn man vom Wetter, bzw. der Jahreszeit anfängt. Auch dem Herbst kann ich das eine oder andere abgewinnen – neuen Wein zum Beispiel – aber den Winter, den könnte man, wenn es nach mir ginge ersatzlos streichen. Was natürlich für die Natur verheerend wäre. Also bleibt er, und ich habe was, worüber ich traurig sein kann. Irgendwie muss man seine Depression ja am Laufen halten. Da kommt es doch beinahe gelegen, dass ich seit heute morgen wenig stolzer Besitzer eines zweiten Striches und eines so genannten „milden Verlaufes“ bin – ich könnte kotzen vor Glück…

Was für ein Unterschied zu Freitag vor 8 Tagen…!

An sein Home-Office gebunden zu sein hat, wenn man über ein derart luxuriöses verfügt wie ich, allerdings auch seine guten Seiten. Selbst, wenn die beste Ehefrau von allen wahrscheinlich jetzt schon die Schnauze davon voll hat, dass ich dauernd nach irgendwas frage… meistens etwas zu essen. Aber die Entkopplung von vielen anderen Dingen (und auch Menschen!) hat auf mich immer eine ambivalente Wirkung: einerseits bin ich mit denen, die mir lieb und teuer sind, gerne in Kontakt. Andererseits gibt es eine Menge am Sozialleben, worauf ich dankend verzichten kann, weil ich mich oft nur allein mit den vielen Dingen beschäftigen kann, die in meinem Kopf umherschwirren. Ist man jedoch tagein, tagaus eingespannt, eingerahmt, eingebunden, eingeordnet, wird das Summen im eigenen Kopf zwangsweise von dem Summen aus den ganzen anderen Mündern eingeschläfert. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, aber ich konnte an mir bis zum heutigen Tage keine nennenswerte Verbesserung der Kreativität durch kollaborative Techniken wie etwa Brainstorming, Brainwriting, etc. feststellen. Ich erziele die besten Ergebnisse zumeist in meiner stillen Kammer – das kann mein Büro sein, oder, wie im Moment mein Homeoffice. Obacht: hier geht es nicht um Prozesse, etwa für meine Arbeit. Die MÜSSEN mit den Betroffenen abgestimmt werden. Hier geht es um meine ganz persönliche Schaffenskraft.

Perspektive verändern und Sehgewohnheiten aufbrechen…

Ich habe die letzten Stunden mit Aufgaben zugebracht, die ich mir selbst ausgesucht habe. Eine davon war das Verfassen dieses Blogposts. Ich schrieb auch für meine Pen’n’Paper-Runde. Und ich habe ein wenig in meiner Foto-Ausbeute von neulich gestöbert, um noch was zu finden. Mich faszinieren extreme Winkel und unharmonische Objekte. Das 1959 gebaute „Haus Oberrhein“ ist so ein Objekt. In prominenter Lage ist seine Formenstruktur der Nachkriegsmoderne so etwas wie die Antithese zur pittoresken Gemütlichkeit der Rheinpromenade ein paar wenige 100 Meter flussaufwärts. Denoch finde ich den Klotz höchst faszinierend, weil natürlich der Standort direkt am Rhein, die Bauform und der Entstehungszeitraum etwas über die Geschichte meiner Stadt erzählen. Würde ich nicht drin bleiben müssen, wäre ein Wochenende wie dieses ideal, um ein wenig mit der Linse marodieren zu gehen und mich mit meinen Sehgewohnheiten auseinanderzusetzen. Interessant ist dabei der Umstand, dass zum Beispiel blinde Menschen ihren optischen Cortex (die Hirnregion, in welcher der Sehnerv mündet) trotzdem nutzen – unter anderem, um Braille-Schrift lesen zu können. Was bedeutet, dass visuelle Anaologien auch in den Köpfen Nicht-Sehender entstehen können. Das wirft für mich die Frage auf, wie viel ich tatsächlich mit meinen Augen wahrnehme, und wieviel Kontext meine Erfahrung und/oder meine Fantasie dazudichten. Wir Sehenden neigen dazu, das Gesehene als Gegebenes zu interpretieren. Aber ist es das tatsächlich…?

Eigentlich müsste man viel öfter mit offenen Augen durchs Leben gehen und all die kleinen Eigentümlichkeiten, Stilbrüche, (scheinbaren) Sinnlosigkeiten und Schrullen des Ganzen als das nehmen, was sie tatsächlich sind – Möglichkeiten zum Lernen. Möglichkeiten, sich von der Couch zu erheben, die Komfortzone zu verlassen und mal auszuprobieren, ob man nicht doch mehr hinbekommt, als man gedacht hätte. Möglichkeiten, gelassener zu werden; vor allem gegenüber diesem ganz Achtsamkeitsgeschwafel. Man braucht keinen Ratgeber, um in Denkschleifen (manchmal auch Handlungsschleifen) zu geraten, wie ich hier ein Stück weiter oben. Nur ein paar Bilder (müssen nicht mal selbst gemachte sein), ein wenig Internetrecherche, hin und wieder ein halbwegs vernünftiges Buch, eine Zeitung, ein gutes Gespräch – und schon ist man mittendrin. Sich selbst zu irritieren, mit Neuem zu konfrontieren, aus dem Üblichen auszubrechen und das Gefühlte und Erlebte zu reflektieren – dadurch wird man kreativ. Und jetzt muss ich dem Müßiggang fröhnen, und… na ihr wisst schon. Schönen Abend.

Zwischenruf aus der Arbeitswelt – Schuften, bis die Schwarte kracht?

Ich las dieser Tage einen Artikel mit dem klangvollen Namen „Karriere? Nein, danke“ auf Zeit Online. Die Autoren stellen dar, dass es immer mehr Menschen gibt, die offenkundig kein Interesse (mehr) haben, im Namen der Karriere unnötig viel Lebenszeit auf den Altären ihrer Arbeitgeber zu opfern. Die dramatische Überspitzung mag man mir verzeihen; aber auch im 21. Jahrhundert sind auf Seiten der Arbeitgeber der Zwang zum Präsentismus, die Erwartung von dauernder Verfüg- und Erreichbarkeit, die „Ich zahle, du springst“-Haltung, sowie Kontrollzwang und Micro-Management immer noch an der Tagesordnung. Obwohl man schon lange wissen könnte, dass derlei sowohl für die Organisationsentwicklung, als auch für die individuelle Leistungs-Motivation tödlich ist! Das lassen wir als Arbeitnehmer heutzutage nicht mehr gerne mit uns machen. Man sollte an dieser Stelle einmal ganz klar sagen, dass es Humankapitalisten (hohes Qualifikations-Niveau => hoher Arbeitsmarktwert und auch höhere Job-Mobilität) und Humanpauperisten (geringes Qualifikationsniveau => geringer Arbeitsmarktwert und geringe Job-Mobilität) gibt. Dieses Dilemma lässt sich im Moment noch nicht auflösen, obwohl es Ansätze gibt, dem entgegen zu wirken. Etwa höhere Mindestlöhne und bessere Qualifizierungsangebote. Ich weigere mich jedoch, als Humankapitalist auf die Früchte meiner Arbeit zu verzichten. Insbesondere, wenn es sehr einfach wäre, manche Sturkturen einfach anzupassen.

Wär das nicht manchmal schön…?

Wenn man Veränderungen herbeiführen will, gibt es auf Arbeitgeberseite immer mehrere Argumente dagegen: da wird gerne der Betriebsfrieden angeführt. Doch, pardon, was kann ich dafür, wenn wir in Deutschland in einer Neidgesellschaft leben? Ich hasse den Begriff Leistungsträger, weil dieser viel zu oft von Leuten missbraucht wird, die genau das nicht sind. Dennoch erwarte ich mittlerweile ein gewisses Entgegenkommen, wenn es um die Strukturierung meiner Arbeit geht. Und das ist keine Rosinenpickerei, wie das manchmal gerne auf der anderen Seite dargestellt wird, sondern eine Notwendigkeit, endlich aus dem 9-to-5-Officecubicle-Denken herauszukommen, welches Motivation und damit Leistung eher behindert, als fördert. Es wird auch immer gerne über (zu) viele Zugeständnisse gesprochen, die der Arbeitgeber nicht machen möchte. Was ich dabei allerdings nicht verstehe ist Folgendes: welches Problem aus einem ein Zugeständnis entsteht, dass den Arbeitgeber keinen lumpigen Euro kostet, mir aber das Leben erheblich erleichtert? Und natürlich – das wird nie offen gesagt, ist aber in jedem Zeilenabstand lesbar – geht es um die Kontrolle von Workloads. Darum, ob man (Arbeitgeber) für sein Geld auch Leistung bekommt. Als ob man das daran ablesen könnte, das jemand im Büro anwesend ist. Aber hey, willkommen in der Kontroll-Illusion des 21. Jahrhunderts.

Reden wir doch mal über Vertrauen! Der Arbeitgeber verlangt von mir, dass ich in die sachliche Richtigkeit seines Handelns vertraue. Dass das Gehalt, die Zuschläge, die Steuern und Sozialabgaben schon korrekt berechnet wurden, und der Rest pünktlich ausgezahlt wird. Dass ich natürlich die Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt bekomme, die ich in jedem Fall für die Erfüllung meiner Aufträge benötige. Dass ich gemäß der üblichen Konventionen höflich und mit Respekt behandelt werde… Moment mal? Gehört zu respektvollem Umgang nicht auch Vertrauen bis zum Beweis mangelhafter Vertrauenswürdigkeit? Will heißen – kann ich nicht auch erwarten, dass man mir Vertrauen hinsichtlich meiner Loyalität und meines Fleisses entgegen bringt? Oder sind alle Chefs immer noch Anhänger der „Theory X“? Ganz ehrlich – ich weiß es nicht, weil wir ja keine LED-Displays in der Stirn haben. Vielleicht will ich es auch nicht wissen, und einfach weiter hoffen, dass ich doch noch etwas mehr ändern kann, obschon ich neulich einen Dämpfer bekam, der auch von meinen Mitarbeitern jetzt nicht so gut aufgenommen wurde. Einstweilen arbeite ich daran, dass mein eigenes Loyalitätslevel nicht zu sehr angegriffen wird. Ich wünsche morgen einen erfolgreichen Start in die (Arbeits)Woche. Mögen Vertrauen und Transparenz mit euch sein…

Auch als Podcast…

re-post to re-think… N° 2

Wetterkapriolen im April – Schneetreiben mit Gewitter!
Stromgitarren. Ich meine, Musik mit Stromgitarren, also am besten zwei davon, dazu ein Strombass, ein Schlagzeug und, falls unbedingt benötigt ein Keyboard; fertig ist ein Ensemble, dass mein Herz zu gewinnen vermag. Ich bin dabei nicht auf eine spezielle Richtung von Stromgitarrenmusik festgelegt – wie ich schon häufiger festgestellt habe, bin ich kein großer Freund von Dogmen – vielmehr gibt es Vertreter unterschiedlichster Stilrichtungen, die mich faszinieren. Ich höre auch andere Musik, aber zugegebenermaßen ist Stromgitarrenmusik so richtig mein Ding. Immer noch! Und diese Feststellung ist hier wichtig, mich durchzuckte nämlich kürzlich der Gedanke, dass der landläufigen Meinung zufolge der Musikgeschmack ebenso einem Reifungsprozess unterworfen sei, wie alles andere auch. Und dass folglich die Zeit für Stromgitarren vorbei sein müsste, wenn man so richtig erwachsen würde. Was mich ängstigte, weil ich doch meine Stromgitarren so mag, und mir eigentlich geschworen hatte, niemals ein Fan von Marianne und Michael zu werden. Ich hab nix gegen die als Menschen, weil ich sie ja gar nicht persönlich kenne, aber dieses schunkelselige Humptata geht mir halt auf den Sack. Und so manches andere auch…
Da ich aber immer noch nicht zum Liebhaber von Volksmusik geworden bin, begann ich mir so zu überlegen, dass das mit dem Musikgeschmack großer Käse ist, denn habe ich ihn einmal entwickelt, ändert er sich wohl nicht mehr so leicht. Zudem kannten wahrscheinlich meine Vorgängergenerationen das mit den Stromgitarren noch nicht so gut, und taten es als kindischen Quatsch ab, weil es ihren, unter anderen Einflüssen sozialisierten, Wahrnehmungsschemata zuwider lief. Aber jetzt gibt es Menschen meines Alters und auch so manchen deutlich darüber, der trotz sonstiger Reife (Kennzeichen hierfür sind eine feste Partnerschaft, Kinder, eine feste Bleibe, Schulden und eine gewisse Abgeklärtheit im Umgang mit dem Leben und seinen Stromschnellen an sich) immer noch Stromgitarren mag; was mir erhebliche Hoffnung bereitet, so im Bezug auf Marianne und Michael!

Es liegt mir fern, einfach nur meine alten Texte zu recyceln. Diese Zeilen stammen aus einem Text vom November 2014. Da wusste ich dann auch offiziell, dass ich Depressions-erkrankt bin. Und es wirkt so, als wenn Zeit und Muße, sich ausführlicher mit sich selbst auseinandersetzen zu können, manchmal echte Wunder bewirken. Da es uns Menschen oft schwer fällt, nach vorn zu blicken, weil so viele Variablen die Sicht versperren, ist der Bezug zu dem was war, und dem was man hatte, der natürlichste Ausweg – und leider auch die schlimmste Falle. Denn, wenn wir stets die Vergangenheit als Referenzpunkt für unsere Introspektive nehmen, wird der Blick auf die – vollkommen unbekannte – Zukunft immer Unbehagen, ja sogar Angst ausösen MÜSSEN. Wandel wird dann zu einem Endgegner; und diesen Bosskampf werden wir, genau wie gegen den Wäscheberg Level 267 immer wieder verlieren! Weil die Zukunft objektiv Terra Incognita bleiben MUSS! Daran zu verzagen ist aber – aus meiner ganz persönlichen Sicht, und hey, ich bin depressiv! – keine Option. Hier hilft eine gute Portion solides altes Re-Framing. Abkucken bei Pippilotta Viktualia, wenn sie da so schön singt „…ich mache mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt!“ Klingt blöd? Ist aber die einzige Möglichkeit, dem eben beschriebenen Dilemma zu entkommen.

Mir ist bewusst, dass bei weitem nicht alle Menschen mit der Gabe gesegnet sind, die Welt mit den Augen eines Kindes, staunend, neugierig, gestaltend, erforschend zu betrachten… NAAH, DER SATZ IST KÄSE! Ich will auch erklären warum. Ich lese momentan ein Buch, so weit nichts ungewöhnliches. „PEAK. Secrets from the new science of expertise.“ befasst sich damit, wie man zum „expert performer“ wird. Und zwar unabhängig vom Fachgebiet, in welchem man unterwegs ist. Anders Ericsson bedient sich dabei am Anfang eines Beispiels, nämlich des „perfect pitch“, des absoluten Gehörs, von welchem man lange dachte, dass es eine angeborene Begabung sei (er erzählt dabei über Wolfgang Amadeus Mozart). Dies ist jedoch, der neueren Kognitions-Wissenschaft zu Folge, falsch! Es ist, wie’s aussieht, alles eine Frage des richtigen Trainings zur richtigen Zeit. Es gibt wohl manchmal obere Limits – aber diese liegen deutlich über dem leicht zu erreichenden Durchschnitt, welchem man als Bewohner der Wohlfühlzone üblicherweise angehört. Woraus folgt, dass das Verlassen der Komfortzone und die richtige Form von Training einen immer voran bringen können, wenn man denn will. Und weil die Kognitionswissenschaft mittlerweile auch weiß, dass die Neuroplastizität, und damit auch die Lernfähigkeit über weite Strecken des Lebens (also auch bis ins höhere Alter) erhalten bleiben, gibt es auch keine Ausrede, weil man schon über 40, oder sogar bald 50 ist.

Was diesbezüglich für Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen gilt, das kann, nein Muss – so meine ganz persönliche Interpretation – auch für unsere Emotionen gelten. Der Mensch ist auch emotional lernfähig, andernfalls wäre das Ändern einmal gefasster Einstellungen nicht möglich. Das dies aber funktioniert, lässt sich an vielen Beispielen ablesen. Etwa an Ex-Nazis, die wieder re-integriert werden konnten. Überdies sind Lernen und Emotionen stets miteinander verbunden. Was bedeutet, dass man lernen kann, sich von der Zukunft nicht (mehr) überwältigen zu lassen. Das geht nicht schnell, das ist manchmal schmerzhaft und das bedarf gewisser Anstrengungen – aber es ist möglich. Und das sogar, ohne dass man zu einer gefühlskalten Maschine wird. Der Weg ist sicher für jeden Menschen etwas anders. Aber er ist vorhanden! Man muss ihn nur finden und beschreiten. Für mich selbst ist Wandel zu einem Motor geworden, der mich immer wieder aus meinen tiefen Tälern voller Lethargie und Verzweiflung reißt. Essenziell ist für mich, dass es nicht zu viel wird. Aber mit etwas Übung klappt auch das mittlerweile wenigstens oft ganz gut. Aber sagte ich nicht gestern Abend, der Weg sei das Ziel…? Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen sich darauf besinnen könnten, dann gäbe es weniger Dogmatiker und weniger Leid. Ich wünsche einen schönen Tag.

Das Buch, auf welches ich Bezug nahm.
Auch als Podcast…

re-post to re-think… N° 1

Das Auge des Betrachters…
"Tja, so kommt das, wenn man rausfindet, dass für das oberflächlich betrachtet einfache Wort "Glück" in der anderen Sprache - in diesem Fall dem Englischen - mehrere Synonyme existieren, die freilich nicht alle unbedingt das Gleiche bedeuten. Man könnte zumindest sinngemäß unterscheiden zwischen dem Glück im Sinne eines glücklichen Zufalls - luck - dem sich bezahlt machenden Glück des Tüchtigen - fortune - dem Glücklichsein - happiness; und wenn man es recht betrachtet, sind das ja allesamt Aspekte dessen, was wir im Deutschen unter dem einen Wort "Glück" subsummieren. Oder anders formuliert, uns Deutschen langt ein Begriff vom Glück völlig. Weil wir mit mehr Glück vollkommen überfordert wären ... oder?
[...] bleibt doch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es wohl genauso wenig EIN Glück geben kann, wie es EINE Normalität geben kann. Allein die Idee ist schon beknackt, weil die zunehmende Pluralisierung unserer Gesellschaft der Individualisierung der in ihr lebenden Menschen Vorschub geleistet hat (einmal mehr meinen Dank an Ulrich Beck). Also, noch mal zum Mitschreiben: Normalität ist das, was man selbst als solche definiert. Und es darf einem dabei ziemlich schnuppe sein, ob diese Definition Anderen in den Kram passt, so lange deren grundlegenden Rechte durch das Ausleben dieser Definition nicht tangiert werden. Siehe kategorischer Imperativ. Daraus folgere ich für mich höchst selbst, dass es bei Existenz MEINER Normalität auch MEIN Glück geben kann; oder besser geben muss! Ähnlichkeiten mit dem, was andere Menschen als Glück empfinden würden, sind gewiss nicht ausgeschlossen, aber weder bewusst beabsichtigt, noch notwendig. Womit wir auch diesmal alle One-Size-Fits-All-Ratgeber mit Wonne in die Tonne treten können.
Ich persönlich finde Glück, abhängig von der Situation in den unterschiedlichsten Dingen. Manchmal in etwas Tangiblem, manchmal einfach nur in einem - für meine Augen - perfekten Anblick oder einem - für meine Empfindung - perfekten Augenblick. Was auch Glück als nichts statisches, sondern als prozessual, als im Fluss, als immer wieder neues und immer wieder andersgestaltiges Phänomen erscheinen lässt. Sich also stets wieder darauf einlassen zu müssen, sein eigenes Glück neu zu suchen - und hoffentlich auch zu finden - ist zweifellos anstrengend, jedoch notwendig! Denn einer, oder auch viele Andere können mir nur in begrenztem Maße helfen, herauszufinden, was für mich richtig und wichtig ist. Sie können für mich richtig und mir wichtig sein, aber das kann ich nur selbst entscheiden; eben immer wieder auf's Neue. Das macht Glück aber auch spannend. So spannend, wie ein Leben halt ist. Glückliche Zeit noch..."
…ist ein mächtiges Werkzeug!

Den oben stehenden Text schrieb ich im November 2013. Schon eine ziemliche Weile her. Die Frage, was mich glücklich machen könnte, treibt mich als Depressionserkrankten immer noch um; pikant ist hieran, dass ich diesen Text schrieb, bevor ich meine Dignose bekam. Dennoch – und das ist wahrscheinlich dem Umstand geschuldet, dass ich schon viel länger depressiv war, bevor ich es von jemand anders gesagt bekam – hört man zwischen den Zeilen schon damals (vor über 8 Jahren) die verzweifelten Echos eines Unwohlseins, welches tatsächlich zu benennen mir damals noch nicht möglich war. So sehr ich mich auch darum bemüht haben mag. Heute kann ich darüber an den meisten Tagen lachen, weil ich weiß, worauf zu achten ist. Und so ist es für mich schon ein, nicht ganz so kleines Glück, feststellen zu ürfen, dass ich a) noch da bin und b) von dort bis hier einen langen, anstrengenden aber auch erhellenden Weg gekommen bin. Ich teile meine Erfahrungen nur zu gerne, wenn ich damit auch nur einer einzigen Person da draußen helfen kann, einen solchen Weg auch zu gehen; wichtig zu wissen ist, dass der Weg für immer das Ziel bleibt, und dass es nur eine Richtung geben darf: vorwärts! In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Abend.

Auch als Podcast…

Der verwirrte Spielleiter N°40 – Motivation…?

Manchmal verwechseln wir Story und Abenteuer. Ich denke ja, dass man gut daran tut, sich noch mal ins Gedächtnis zu rufen, dass Rollenspiel ein kollaboratives Geschichten-Erzählen ist. Die Story – das ist die Geschichte des Spielleiters. Das Abenteuer jedoch – das ist die Geschichte der Spieler! Und diese beiden sind nicht notwendiger Weise kongruent, oder auch nur ähnlich…! Ich sitze nicht mehr so oft, oder so lange an meiner Vorbereitung, wie das in vergangenen Jahrzehnten der Fall war. Teils, weil ich mittlerweile viel mehr Tricks im Kopf parat habe, als damals. Teils, weil ich über das eben Gesagte einiges dazulernen musste. Erzähle ich als SL nämlich MEINE Geschichte, und schubse, damit diese funktioniert, ggfs. Chars auch mal in diese oder jene Richtung, oder aber raube ich Ihnen Player Agency (also das Recht, IHRE Geschichte selbst zu schreiben, IHREN Motiven nachzugehen), gibt’s dafür einen uncharmanten Begriff: Railroading. Now, don’t get me wrong: es gibt Leute, die sich auch gerne mal auf Schienen fahren lassen; und dagegen ist absolut nichts einzuwenden, wenn das vorher abgemacht war. Wenn die Spieler jedoch denken, sie könnten frei agieren – tja, dann ist das Eingleisen schwierig…

Vielleicht sollte man an dieser Stelle noch mal kurz auf den Unterschied zwischen einer Railroad und einem linearen Abenteuer eingehen. Railroading bedeutet, dass die Entscheidungen der Spieler für ihre Chars auf den Ausgang der Story keinen Einfluss haben. Es gibt eine Geschichte, die passieren soll; und die Chars sind nicht viel mehr als Statisten, durch deren Augen die Spieler die Storytelling-Brillanz des SL erleben zu dürfen die Ehre haben. Selbstverständlich spielen die Spieler ihre Chars selbst – aber es macht einfach keinen Unterschied, weil am Ende das passieren wird, was passieren muss. FINITE. Ganz ehrlich – will ich nicht. Wenn wir schon kollaborativ Geschichten erzählen, dann will ich, dass mein Beitrag zumindest die Chance hat, die Geschichte zu verändern. Andernfalls kann ich auch einen Film schauen, oder ein Buch lesen. Lineare Abenteuer hingegen haben einen Start- und einen Endpunkt, sowie einen mehr oder weniger klaren Weg von A nach B, welchen die Spieler selbst gestalten. Das gute alte Dungeon ist zumeist ein lineares Abenteuer, weil es üblicherweise Ziele gibt, die ereicht werden sollen. Wie das jedoch von statten geht, liegt in der Händen der Chars (bzw. ihrer Spieler), und beinhaltet taktische Erwägungen und komplexes Problemlösen. Lineare Abenteuer können Momente des Railraodings beinhalten, wenn es nur einen Weg vorwärts gibt, der mit einer definierten Aufgabe verwoben ist.

(c) by Monika Merz

Gehen wir davon aus, dass Spieler in aller Regel motiviert sind, auch zu spielen, und sich deshalb darüber freuen, wenn sie endlich die Haltestellen des Plotbusses gefunden haben, ist ein lineares Abenteuer eine gute Möglichkeit, wenn es etwas heißer her gehen soll. Wenn der Action-Faktor stimmen soll (und dieser ist von Gruppe zu Gruppe oft höchst unterschiedlich), bietet ein gewisser Anteil linearer Abenteuer an einer Kampagne die Möglichkeit, Encounter zu platzieren und so Konfrontationen heraufbeschwören zu können (manchmal im wahrsten Wortsinn 😉 ). Eine reine Sandbox-Kampagne bietet diese Möglichkeit nicht so stringent, denn natürlich haben die Spieler immer die Möglichkeit, einem Kampf aus dem Weg zu gehen. Ob Konsequenzen dieses Tuns (oder Lassens) sie später einholen, steht dabei auf einem anderen Blatt Papier. Aber prinzipiell entscheiden in dem Fall nur die Chars darüber, welche Kämpfe sie jetzt annehmen, und welche nicht. Steigen sie jedoch in ein lineares Abenteuer ein (und wollen dieses auch zu Ende bringen!) kommen sie um bestimmte Hindernisse nicht herum. Deshalb sind meine Kampagnen üblicherweise Mischformen. Lineare Abenteuer eignen sich, wenn es darum geht, ein klares Teilziel zu erreichen; im Moment, in meiner neuen Villera-Kampagne lautet dieses z. B.: wir brauchen diese versteckten Informationen über die Intrige, welche die Stadt überschattet, in der wir gerade gastieren. Deshalb müssen wir diese Tunnel unter dem Haus erforschen – et voilá: Dungeon.

(c) by Monika Merz

Der Rest der Kampagne ist nach meiner Nexus-Vortex-Methode geplant: Zentrale NSCs mit jeweils eigener Agenda und ein Setting, welches immer viele verschiedene Wege erlaubt; oder auch, alles zu ignorieren und was vollkommen Anderes zu machen. Ich denke meine Abenteuer und Kampagnen immer in kritischen Erkenntnissen, kritischen Handlungen, kritischen Begegnungen und kritischen Konsequenzen. Aber was die Spieler mit und durch ihre Chars dann machen, versuche ich mir vorher nicht mehr wirklich auszudenken. Irgendwie sind es damit doch Sandboxes – und es ist am Anfang ein riesiger Haufen Prep-Work. Danach ist es allerdings meist recht schnell gelebtes Chaos voller lebendiger Erinnerungen und abgefahrener Moves – i. a. R. auf beiden Seiten. Das funkioniert aber nur sinnvoll, wenn beide Seiten ihre jeweiligen Motivationen auch mit ins Spiel bringen, bzw. diese im Verlauf des Spiels entwickeln können. Oft ist es so, dass Spieler sich einen Char machen, der einen gerade jetzt dominanten Aspekt der eigenen Persönlichkeit reflektiert. Oder sie machen einfach irgendwas, weil alleine daheim sitzen es auch nicht so bringt. Beides ist legitim, beides bringt zuweilen auf lange Sicht epische Chars hervor. Manche ergehen sich in einer 20 Din-A4 Seiten langen Backstory (die ich so gut wie nie zu Ende lese, weil zu viel Ballast mir das Auffinden des richtigen Startpunktes eher erschwert); und andere brauchen eine ganze Sitzung, bis ihnen mal ein Name einfällt. Auch das ist beides OK. Man sollte im Rollenspiel das tun, was man selbst braucht, damit es Spaß macht. Gilt übrigens auch für den/die SL.

Wichtig ist, dass das Spiel beiden Seiten – Spielern und SL – den Raum lässt, die eigene Motivation immer wieder zu finden, zu kultivieren und daraus Spaß zu generieren, während man zusammen lustige, epische, dramatische, gruselige, bunte, düstere, wilde, ruhige, fantastische oder auch mal realistische Geschichten erzählt, um der manchmal doch sehr grauen Realität des Alltags entfliehen zu können. Oft weiß man am Anfang gar nicht, was aus einem Char denn werden soll – meine beste Ehefrau von allen sagt dann immer, sie sucht für ihre Charaktere ein Happy-End. Wahrscheinlich sind es deshalb meistens so kaputte Typen, damit der Weg dahin auch schön lang und steinig ist… In jedem Fall ergäbe es Sinn, wenn man ab und zu mal darüber nachdächte, was einem selbst am Rollenspiel denn nun Freude bereitet. Das steigert die Chancen auf selbige nämlich erheblich. In diesem Sinne- always game on!

Auch als Podcast…

Satt am Sonntag!

Ich werde manchmal von einfachen Dingen getriggert. Zum Beispiel einem Hohkopf, der auf Facebook in einem Post alle Menschen, die ein Tempolimit fordern, pauschal als Dummköpfe abqualifiziert, was für sich betrachtet eine ganz schöne Nummer ist, weil es a) den Tatbestand der Beleidigung erfüllt und b) ALLES sagt, was man über Tempolimit-Gegner wissen muss. Die Fakten liegen seit Jahren auf dem Tisch; z.B hinsichtlich des Themas Klimaschutz durch Reduktion der CO2-Emissionen. Bei der Verringerung der Unfall-Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit. Noch heftig diskutiert wird der Einfluss von gezielten Tempolimits auf allgemeine Fließgeschwindigkeiten bei hoher Verkehrsdichte. Aber ich kann und muss – vollkommen ohne jede Ironie – sagen, dass jeder, der bei einer solchen Faktenlage auf seine freie Fahrt als freier Bürger pocht, nicht mehr ist, als ein egoistischer, asozialer Menschoid! Und ich habe die FDP (kurz für Faktenverdrehende Dampfplauderer-Partei) in der Ampel jetzt schon so hart satt, dass Neuwahlen eine verlockene Alternative darstellen. Keine Sorge, das wird nicht passieren; dazu sind sie ALLE viel zu geil auf ihre Posten und Pöstchen (und die CDU würde – vollkommen zu Recht – noch mehr abkacken).

Ob ich gerade geladen bin, wie eine 10er Haubitze? Oh ja, Freunde und Nachbarn; ich könnte mal wieder raus, wo der Maurer kein Loch gelassen hat, wenn ich mir diese ganzen Fratzen anschauen muss, aus denen sich sogenannter öffentlicher Diskurs heutzutage offenkundig zusammensetzt. Den meisten dieser, halbwegs aufrecht laufenden kognitiven Ausfallserscheinungen muss ich ja wenigstens nicht in realiter begegnen. Das würde manchmal interessant verlaufen; dessen bin ich mir sicher. Neulich lief ich dann aber doch so einem Kritikresistenten Online-Dogmatiker beim Verlassen meiner Arbeitsstelle über den Weg. Früher hat man sich mal ganz gut verstanden, aber Menschen entwickeln sich halt in unterschiedliche Richtungen. Bei Manchen, so würde ich vermuten, bringt der Alterungsprozess einfach nur all das Uncharmante zum Vorschein, das wahrscheinlich schon immer da war. Er war sich jedenfalls, wie immer, seit wir mal auf Fratzenbuch aneinander geraten sind, zu fein zum Grüßen, und machte stattdessen mit den anderen Menschen ringsum sein Ding. Fein für mich. Es erinnerte mich jedoch daran, wie sehr ich mittlerweile von der negativen Energie abgestoßen werde. Das geht mittlerweile soweit, dass ich manchmal ohne Rücksicht auf Verluste zurückbeleidige, und warte, dass ich auch mal ins Facebook-Gefängnis muss. Ich muss dieser Scheiß-Seite endlich endgültig den Rücken kehren.

Oft passiert es mir, dass ich in so einem toxischen Thread-Sumpf versinke, obwohl ich was Besseres, Sinnstiftenderes, Nachhaltigeres zu tun hätte – Bier trinken und ein Steak grillen zum Beispiel. Ich bin wirklich weit davon entfernt, ein Öko-Apostel zu sein, aber Fakten (wie die obenstehenden) sind halt Fakten. Diese zu ignorieren, weil man auf sein (nonexistentes) Recht pochen muss, die Welt nicht nur weiter zu verpesten, sondern dies auch möglichst zügig zu tun, ist nicht nur ein extremes Verkennen der Realität, sondern auch unfassbare Ignoranz für den kategorischen Imperativ. Und wenn Andere nun an ihren (fadenscheinigen) Begründungen festhalten, und selbstgewiss von sich sagen, dass Niveau nun mal von unten nur so aussähe wie Arroganz, sind sie halt leider trotzdem meistens einfach nur klugscheißende, arrogante Narzisse – nicht mehr, nicht weniger. Und ich schaffe es immer noch nicht, mich von diesem Müll fernzuhalten? Das Grauen hat wohl doch seine ganz eigene Faszination.

Während ich diese Zeilen schreibe, wird mir erst bewusst, wie sehr ich es satt habe, mir diesen Müll, diese negative Energie, dieses Egogebashe und diese verfickte televerbale Selbstherrlichkeit von diesen Typen anzutun – ICH BIN SATT AM SONNTAG! Und ja, es sind in den allermeisten Fällen Typen, die eine Fresse haben, so groß, dass ich subjektiv einen Braunkohlebagger bräuchte, um sie ihnen einzuschlagen. Und deshalb habe ich eben eine Entscheidung getroffen: Dies ist meine letzte Verlautbarung auf Facebook. Ich lösche mein Konto und bin zukünftig nur noch auf Insta und Twitter. Da ist es zwar auch asozial, aber wenigstens graduell besser. Wer mich lesen, hören oder erreichen möchte, weiß, wo ich zu finden bin. Ich schreibe hier eh für mich; um Reichweite ging’s mir nie. Schöne Woche; schönes Leben…

Auch als Podcast…