Es gab mal Zeiten (an die ich mich sogar noch erinnere) da war Punk ein eigenständiger Begriff und Vertreter dieser Subkultur hatten (zumindest teilweise) eine Agenda. Und wenn es nur darum ging, möglichst wenig Berührungspunkte mit dem politischen und ökonomischen Establishment zu haben – vulgo unseren Eltern und anderen Personen, die in unsere Welt einzugreifen versuchten. Natürlich hatte das was mit den Ablösungs-Bemühungen zu tun, die jeder Jugendliche und Adolesezente durchlaufen muss. Rebellion gegen die Altvorderen ist unser westlicher Rite de Passage.
Ergo hat das Wort in meinem mittlerweile bald 45-jährigen Hinterkopf eine andere Bedeutung, als dies bei jüngeren Menschen der Fall ist, bzw. sein kann. Ich habe Punk als etwas Bedeutsames erlebt und auch wenn der Enthusiasmus der Jugend in den meisten Protagonisten meiner Geschichte gewichen sein mag, bleibt zumindest die Erinnerung an etwas, das größer war, als man selbst. Und das Gefühl, sich nicht vollkommen einem System ergeben zu haben, dass uns alle auf die eine oder andere Weise verschlingen möchte.
Heutzutage jedoch wird Punk nur noch als Suffix benutzt. Ein Wortanhängsel, dass diesem oder jenem Dings die Bedeutung „rebellisch“ oder „non-mainstream“ verleihen soll. Es dient – zumindest in den Köpfen jener, die gerne Etiketten verteilen, also zum Beispiel Kunst-/Film-/Literaturkritikern – nur noch dem Zweck, irgendwas ideologisch hoch zu adeln; einen Bedeutungsüberschuss zu erzeugen, der gar nicht da ist. Ich schrieb vor etwa einem Jahr, dass in meinen Augen Cyberpunk nicht tot ist. (Ich warne allerdings davor, es ist einer meiner wenigen Posts in Englisch). Nun haben wir auch hier einen Kunstbegriff, über dessen tatsächliche Herkunft viel gesprochen wurde, zum Beispiel von Bruce Bethke, dessen erste Kurzgeschichte 1983 diesen Titel trug. Wie er selbst sagt, haben viele dazu beigetragen, das literarische Genre, welches sich dahinter verbirgt zu definieren.
Es war das erste Kunstwort dieser Art, doch in den folgenden Jahren wurde alsbald alles als -punk definiert, was irgendwie nicht in die hergebrachten Taxonomien passte. Das -punk sich dabei eigentlich auf Rebellion gegen eine Gesellschaftsordnung bezog, die so mancher bereits damals (also Anfang der 80er des 20. Jahrhunderts) heraufziehen sah, wird dabei gerne unterschlagen; jene Ordnung die wir heute haben: die unumschränkte, alles durchdringen wollende, alles monetarisieren wollende Macht des Kapitals. Wir leben im Zeitalter des Cyberpunk und merken es nicht mal, halten den Begriff immer noch für Science-Fiction und uns selbst so weit entfernt von den beschriebenen Dystopien, wie es nur geht. How about taking a look around...
Hab ich die Tage von Neon Gods gesprochen? Natürlich hat dieser Begriff einen Überschuss an Bedeutung; Neonreklamen sind zum Sinnbild der Moderne geworden und Götter beten wir heute nicht mehr wirklich in der Kirche an. Mamon ist die neue Religion. Damit markiert Neon Gods einen Übergang von der Moderne zur Post-Moderne, der sich immerzu im Hier und Jetzt vollzieht. Wir haben nicht, wie Francis Fukuyama schon Anfang der 90er des 20. Jahrhunderts postulierte, das Ende der Geschichte erreicht. Wir sind vielmehr mittendrin. Denn wo sonst, als in der Gegenwart soll sich denn bitte das Ende von Geschichte realisieren?
Für die Schöpfer solcher Begriffe wie Cyberpunk haben ihre Kreationen Sinn und Bedeutung. Jene, die nur ein Geschäft wittern, degenerieren solche Begriffe zu Marketinginstrumenten, zu sinnentleerten Hülsen, die einfach nur Illusionen verkaufen sollen. Ich bleibe bei meinem Cyberpunk, wenngleich er sich neu erfinden muss, um wieder Relevanz zu gewinnen. Fragen, die Science -Fiction an unsere Welt stellen müsste, gibt es mehr als genug. In diesem Sinne eine schöne Woche.