WTF-punk…?

Es gab mal Zeiten (an die ich mich sogar noch erinnere) da war Punk ein eigenständiger Begriff und Vertreter dieser Subkultur hatten (zumindest teilweise) eine Agenda. Und wenn es nur darum ging, möglichst wenig Berührungspunkte mit dem politischen und ökonomischen Establishment zu haben – vulgo unseren Eltern und anderen Personen, die in unsere Welt einzugreifen versuchten. Natürlich hatte das was mit den Ablösungs-Bemühungen zu tun, die jeder Jugendliche und Adolesezente durchlaufen muss. Rebellion gegen die Altvorderen ist unser westlicher Rite de Passage.

Ergo hat das Wort in meinem mittlerweile bald 45-jährigen Hinterkopf eine andere Bedeutung, als dies bei jüngeren Menschen der Fall ist, bzw. sein kann. Ich habe Punk als etwas Bedeutsames erlebt und auch wenn der Enthusiasmus der Jugend in den meisten Protagonisten meiner Geschichte gewichen sein mag, bleibt zumindest die Erinnerung an etwas, das größer war, als man selbst. Und das Gefühl, sich nicht vollkommen einem System ergeben zu haben, dass uns alle auf die eine oder andere Weise verschlingen möchte.

Heutzutage jedoch wird Punk nur noch als Suffix benutzt. Ein Wortanhängsel, dass diesem oder jenem Dings die Bedeutung „rebellisch“ oder „non-mainstream“ verleihen soll. Es dient – zumindest in den Köpfen jener, die gerne Etiketten verteilen, also zum Beispiel Kunst-/Film-/Literaturkritikern – nur noch dem Zweck, irgendwas ideologisch hoch zu adeln; einen Bedeutungsüberschuss zu erzeugen, der gar nicht da ist. Ich schrieb vor etwa einem Jahr, dass in meinen Augen Cyberpunk nicht tot ist. (Ich warne allerdings davor, es ist einer meiner wenigen Posts in Englisch). Nun haben wir auch hier einen Kunstbegriff, über dessen tatsächliche Herkunft viel gesprochen wurde, zum Beispiel von Bruce Bethke, dessen erste Kurzgeschichte 1983 diesen Titel trug. Wie er selbst sagt, haben viele dazu beigetragen, das literarische Genre, welches sich dahinter verbirgt zu definieren.

Es war das erste Kunstwort dieser Art, doch in den folgenden Jahren wurde alsbald alles als -punk definiert, was irgendwie nicht in die hergebrachten Taxonomien passte. Das -punk sich dabei eigentlich auf Rebellion gegen eine Gesellschaftsordnung bezog, die so mancher bereits damals (also Anfang der 80er des 20. Jahrhunderts) heraufziehen sah, wird dabei gerne unterschlagen; jene Ordnung die wir heute haben: die unumschränkte, alles durchdringen wollende, alles monetarisieren wollende Macht des Kapitals. Wir leben im Zeitalter des Cyberpunk und merken es nicht mal, halten den Begriff immer noch für Science-Fiction und uns selbst so weit entfernt von den beschriebenen Dystopien, wie es nur geht. How about taking a look around...

Hab ich die Tage von Neon Gods gesprochen? Natürlich hat dieser Begriff einen Überschuss an Bedeutung; Neonreklamen sind zum Sinnbild der Moderne geworden und Götter beten wir heute nicht mehr wirklich in der Kirche an. Mamon ist die neue Religion. Damit markiert Neon Gods einen Übergang von der Moderne zur Post-Moderne, der sich immerzu im Hier und Jetzt vollzieht. Wir haben nicht, wie Francis Fukuyama schon Anfang der 90er des 20. Jahrhunderts postulierte, das Ende der Geschichte erreicht. Wir sind vielmehr mittendrin. Denn wo sonst, als in der Gegenwart soll sich denn bitte das Ende von Geschichte realisieren?

Für die Schöpfer solcher Begriffe wie Cyberpunk haben ihre Kreationen Sinn und Bedeutung. Jene, die nur ein Geschäft wittern, degenerieren solche Begriffe zu Marketinginstrumenten, zu sinnentleerten Hülsen, die einfach nur Illusionen verkaufen sollen. Ich bleibe bei meinem Cyberpunk, wenngleich er sich neu erfinden muss, um wieder Relevanz zu gewinnen. Fragen, die Science -Fiction an unsere Welt stellen müsste, gibt es mehr als genug. In diesem Sinne eine schöne Woche.

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Hello Darkness, my old friend

Spazieren gehen tut dem Körper gut, der Seele sowieso und manchmal auch dem Intellekt. Ich habe heute morgen einmal mehr – zu meinem Bedauern immer noch eine eine meiner schlechteren Angewohnheiten – mehr oder weniger kurz in Facebook geschaut und dort festgestellt, dass mal wieder Polit-Trash-Discussion-Time ist. Diskutiert wurde über den Film „Kleine Germanen“, der natürlich auf beiden Seiten Beißreflexe ausgelöst hat. Auf der einen, weil die links-grün-versiffte Medienlandschaft wieder mal vermeintliche Lügen über die wahren Deutschen Patrioten verbreitet (was objektiv betrachtet leider nicht immer wahr ist); und auf der anderen, weil natürlich jeder, der Worte wie Volk, Patriot, Vaterland und Stolz in einem ganzen Satz (oder Absatz) benutzt, automatisch ein Nazi ist (was ebenso wenig stimmt)…

Im Grunde genommen ist also gar nichts Unerwartetes passiert. Unerwartet waren jedoch die Gedanken, die das in mir ausgelöst hat. Ich war ja nun in den letzten Jahren nie weit entfernt von harscher Kapitalismus- und Gesellschafts-Kritik, aber meine vagabundierenden Gedanken stolperten über einen alten Song, den ich sehr schätze: „Sound of Silence“ von Simon & Garfunkel. [Ich oute mich hier als Oldschooler – die Version von Disturbed mag ich nicht!] Jedenfalls blieben meine Gedanken an dem Song hängen und ich ging ihn noch mal durch. Nichts an diesem Text ist Füllwerk, denn er erzählt eine Geschichte von Entfremdung, Vereinsamung und Bedeutungsverlust im Angesicht moderner Zeiten, die flüsternd jeden Winkel unseres Daseins vergiften:

I’ve come to talk with you again
Because a vision softly creeping
Left its seeds while I was sleeping
And the vision that was planted in my brain still remains
Within the sound of silence

Kann es sein, dass die ständige Berieselung einen großen Teil von uns endgültig in durchkonformisierte Konsum-Sklaven verwandelt hat? Sind wir nicht mehr fähig, in der Öffentlichkeit differenziert über bestimmte Dinge zu reden, weil die Vereinfachungs-Didaktik der Werbung endgültig auch die politische Meinungsbildung erobert hat? Und falls dem tatsächlich so ist, warum bemerke ich das erst jetzt, wo Simon & Garfunkel doch vor 55 Jahren schon darüber gesungen haben…?

In restless dreams I walked alone
Narrow streets of cobblestone
‚Neath the halo of a streetlamp
I turned my collar to the cold and damp
When my eyes were stabbed by the flash of a neon light
That split the night
And touched the sound of silence

Und warum bemerken so viele andere nicht, dass sie geblendet werden?

And in the naked light I saw
Ten thousand people, maybe more
People talking without speaking
People hearing without listening
People writing songs that voices never shared
No one dared
Disturb the sound of silence

Es wäre arrogant zu vermuten, dass ich der Einzige bin, dem solche Gedanken durch den Kopf gehen. Einerseits, weil offensichtlich Künstler und Intellektuelle schon vor langer Zeit gesehen haben, welchen Weg unsere Gesellschaft nimmt. Man mag über Noam Chomsky denken, was man will, aber sein Buch „Manufacturing Consent“ (zusammen mit Edward S. Herman) ist schon ein Augenöffner. Öffentliche Meinung wird selbstverständlich gezielt zu beeinflussen gesucht. Die Kampagnen rund um Richard Nixons „War on drugs“ illustrieren dies eindrucksvoll. Andererseits, weil sich immer wieder Kampagnen gegen den, von der Politik vorgesehen Weg formieren. Was diese im einzelnen erreichen wollen und welche Methoden sie dafür nutzen, darf diskutiert werden (siehe die „Gelbwesten“ in Frankreich); Fakt ist jedoch, dass durchaus viele Menschen durch die Illusionen sehen und sich eine eigene Meinung bilden können. Eine Meinung ist zunächst etwas individuelles. Erst wenn sich viele Gleichgesinnte finden, wird aus einer Meinung eine Agenda…


„Fools“, said I, „You do not know“
„Silence like a cancer grows
Hear my words that I might teach you
Take my arms that I might reach you“
But my words like silent raindrops fell
And echoed in the wells of silence

Ja, warum ist das so, dass trotz der Möglichkeit dazu viele Menschen es nicht sehen, es nicht fühlen, es nicht verstehen können? Verstehen wollen? Weil auch jene, welche die öffentliche Meinung schon seit so langer Zeit beeinflussen, eine Agenda haben. Und sie haben es gewiss nicht verabsäumt, diese Agenda bei jeder sich bietenden Gelegenheit in unsere Köpfe zu hämmern:

And the people bowed and prayed
To the neon god they made
And the sign flashed out its warning
In the words that it was forming
And the sign said
„The words of the prophets are written on the subway walls
And tenement halls
And whispered in the sounds of silence

„Neon Gods“… ich mag diesen Terminus, denn er sagt in seinem gewaltigen Bedeutungsüberschuss fast alles, was es dazu zu wissen gibt. Ich bin mir sicher, als Neil Gaiman seinen Roman „American Gods“ verfasste, hatte er dieses Lied zumindest dann und wann im Hinterkopf. Doch wo führen mich meine ganzen Überlegungen über einen uralten Song hin? Nun…dahin, zu denken, dass unsere diskursiven Fähigkeiten durch Propaganda vergiftet sind. Der Mythos der Einfachheit (und Alternativlosigkeit) politischen Handelns, der von allen Seiten stets auf’s neue befeuert wird, macht die meisten Menschen zu willfährigen Anhängern dieser oder jener Agenda, die sich – langsam, aber unaufhaltsam – zu Dogmen verfestigt. Und ein Dogma erlaubt keine fruchtbare Diskussion mehr. Wir leben folglich im Zeitalter der Dogmen.

Ich weiß, dass meine Einsichten nur wenige weiter bringen werden, aber viele Wenig machen ein Viel. Vielleicht kommen wir ja doch wieder dazu, uns über die Dinge verständigen zu können, nicht nur despektierlich übereinander her zu ziehen. Uns zusammen zu setzen, um uns auseinandersetzen zu können. Das wäre mein Wunsch. In diesem Sinne – ein schönes Wochenende!

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Der verwirrte Spielleiter #02 – Vorbereiten? Ich…?

Wie bereits erwähnt, bedeutet SL zu sein Arbeit. Nicht im klassischen Sinne des Broterwerbs, obwohl ich gehört habe, dass es in den USA wohl Dungeonmasters for hire gibt, die stressgeplagten Städtern mit maßgeschneiderten Sitzungen einen Kick verschaffen und dafür eben bezahlt werden. Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll. Es klingt für mich zwar nicht nach einem Modell, dass allzu viel Wert auf Charakter-Entwicklung legt, aber jeder soll nach seiner Facon selig werden…

Allerdings steht fest, dass ein solches Bezahl-Modell eine Menge Vorbereitung auf Seiten des SL verlangt, da er für jede Eventualität, jedes Abweichen vom vorgesehenen Handlungspfad, jede Nebenaktion und jeden Wunsch der Spieler vorbereitet sein muss. Denn wer würde schon einen SL bezahlen, der mangelhafte Arbeit abliefert? Als SL muss ich mir also natürlich Gedanken darüber machen, wie ICH die Aufgabe lösen würde, wenn ich einen, oder mehrere der Charaktere spielen würde (was bedeutet, dass ich auch die Charaktere kennen muss). Was aber nicht bedeutet, dass die Spieler unbedingt auf die gleichen Ideen kommen müssen. Das Problem, dass daraus entsteht ist folgendes: was für Szenarien kann ich so stringent durchplanen, dass mein Zeitansatz und der vorgesehene Spielablauf in jedem Fall eingehalten werden und die Spieler hinterher auch noch Spaß gehabt haben können?

Wie in DVS#01 besprochen sollte sich die Gruppe vorher darüber geeinigt haben, welches Thema und welchen Fokus das Spiel haben soll. Miete ich mir einen D&D DM, läuft es auf Kampf- und Plünderungsorientierte One-Shots hinaus. Denn das Eingehen auf Spieler-Charaktere und ihre Hintergrundgeschichten braucht ebenso Zeit, wie die Entwicklung einer großen Geschichte. Man merkt, wir sind schon mittendrin, daher ein paar Worte zum Planen von Rollenspiel-Sitzungen und Kampagnen an sich: Die wichtigste Frage, die ich neben Thema und Fokus beantworten muss, ist, ob ich nur einzelne, unzusammenhängende Abenteuer erzählen möchte, die ich jeweils in einer, maximal aber zwei Spielsitzungen abhandeln kann; oder ob ich eine längere Erzählung plane, die neben der Hauptgeschichte auch Raum für Nebenkriegsschauplätze lässt? Die den Charakteren Freiraum bei der Erkundung der Welt gibt? Die sie auch Einfluss auf weitreichende Geschehnisse nehmen lässt?

Beschränke ich mich auf One-Shots, oder eine Serie von One-Shots, kann ich die Handlung wesentlich stringenter durchplanen, wobei ich auch in dem Fall vor dem Einbau von Problemen mit nur einer Lösung sehr warnen möchte. Denn – was mir offensichtlich erscheint, muss dies keinesfalls für meine Spieler sein. Ist doch klar, dass der nicht ganz so moosbewachsene Stein in der fünften Reihe von oben den Mechanismus auslöst – oder…? Trotzdem erlauben mir One-Shots mehr Kontrolle, da die Zahl der Optionen durch die geringe Größe der aktuellen Spielumgebung (das Geisterhaus, das kleine Dorf, die alte Burg, die Mafia-Wäscherei, das Schiff) quasi automatisch begrenzt wird. Gute Ausgangslage für ein „Whodunit“, o.Ä.. Überdies ist das Spiel-Ziel eines solchen Einzelabenteuers zumeist leicht zu erkennen.

Dafür brauche ich an vorzubereitenden Materialien nicht wirklich viel: ein paar Nichtspielercharaktere (NSCs), vielleicht ein, zwei Pläne für Gebäude/Verließe, ein paar Gegner, sofern ich es zu Kämpfen kommen lassen möchte und einen Zeitansatz, wie lange man ungefähr daran spielen könnte. Arbeit für einen regnerischen Nachmittag, sofern man seine Regeln schon ein bisschen kennt.

[KURZER EXKURS]: Regeln, also die mechanischen Notwendigkeiten eines jeden Spielsystems sollte man tatsächlich kennen, bevor man selbiges zum Einsatz bringt. Nicht notwendigerweise jede, noch so gut versteckte, Zusatzregel in irgendwelchen obskuren Quellenbüchern; aber man sollte schon halbwegs wissen, was man tut. Denn dauerndes Herumgeblätter in nämlichen obskuren Büchern bremst das Spiel und somit die Immersion der Spieler u. U. erheblich aus. [EXKURS ENDE]

Lege ich jedoch, nachdem ich mich mit den Spielern hinsichtlich Thema, Fokus, Regelwerk geeinigt habe, ein Kampagne an, ist viel mehr Vorarbeit notwendig. Ich brauche einen ganzen Sack voller NSCs unterschiedlichster Professionen, die ich wahlweise als Sidekicks, Aktionspunkte, Questgeber oder Antagonisten nutzen kann. Und jeder von denen hat seine eigene Agenda, seinen eigenen Shit am laufen, was durchaus Probleme erzeugen kann, wenn die Charaktere – mal wieder mit dem Kopf durch die Wand – aus Versehen jemandem in die Suppe spucken, der ihnen eigentlich wohlgesonnen war… Außerdem brauche ich wesentlich weitreichendere Areale mit Beschreibungen hinsichtlich Aufbau, Funktion, Infrastruktur, dort lebenden Fraktionen, wie etwa Gangs, etc, etc, etc.! Das kann, wie bei meiner aktuellen Kampagne, mehrere Tage meiner Freizeit in Anspruch nehmen.

Ich fahre dabei mittlerweile zweigleisig. Zum einen habe ich mein Notizbuch, in dem sich, eng beschrieben, Seite um Seite meine Gedankenstützen reihen. Andererseits pflege ich mittlerweile online – und auch für die Spieler zugänglich – eine Mischung aus Glossar und Tagebuch mit allem relevanten Infos, welche die Charaktere bereits haben. Natürlich notieren sich meine Spieler auch viel von dem mit, was ich während der Sitzungen beschreibe. Und trotzdem gehen gelegentlich Details verloren. Mir ist zwar deswegen noch nie eine Sitzung entgleist, aber manchmal hat nicht viel gefehlt. So gilt auch hinsichtlich der Nachbereitung von Spielsitzungen: wer schreibt, der bleibt!

Und was bleibt sonst noch? Ach ja: Ambiente… Dazu werde ich demnächst irgendwann ein paar Wort verlieren. Vorab nur so viel: das hängt sehr von den Spielern und dem SL ab, ob man sich die Mühe des Versuches machen möchte, am Spieltisch Ambiente erzeugen zu wollen. Über kommunikative Fertigkeiten als notwendige Vorbedingung des Rollenspiels sprechen wir das nächste mal. Bis dahin: always game on!

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Der verwirrte Spielleiter #1 – quo vadis?

Die meisten Leute fangen, wenn sie etwas zum Rollenspiel oder zum Spielleiten schreiben wollen, mit weitschweifigen Erklärungsversuchen an, wie das mit dem Darstellen der Figuren und dem ganzen mechanischen Schrott (vulgo Regeln) so funktioniert; und lassen dabei das Wichtigste von allem außer acht: Rollenspiel ist zuvorderst ein soziales Event. Menschen kommen zusammen, um miteinander etwas zu tun. Das unterscheidet sich kaum von anderen Dingen, die man miteinander unternehmen kann, wie Zoobesuche, Wanderungen, Bungeespringen, Volleyball und Essen gehen – oh ja, besonders Essen gehen.

Die Ähnlichkeit ist frappierend, denn man sitzt beisammen, rings um einen Tisch, in freudiger Erwartung genussvollen Konsums – na ja, also zumindest die meisten. Eine Person am Tisch hat eine andere Rolle: unser verwirrter Spielleiter. Ihm fällt die ehren- und zugleich schmerzvolle Aufgabe zu, sich ’ne Geschichte aus den Rippen schneiden zu müssen. Doch bevor das überhaupt passieren kann, müssen einige Fragen geklärt sein, die nachhaltigen Einfluss auf Wohl und Wehe der kommenden Ereignisse haben werden.

Die Gruppenzusammensetzung: Oft ist es so, dass man die anderen Personen am Tisch schon eine Weile kennt, aber dann und wann kommen auch mal neue Player ins Feld und dann tut man als SL gut daran, zu klären, wie diese Person tickt; und ob sie überhaupt reinpasst. Üblicherweise gibt es nämlich in jeder Runde, die sich schon länger trifft ein paar (zumeist ungeschriebene) Regeln, die alle beachten. Z.B., wie Verköstigungen beschafft werden, ob am Spieltisch auch Alkohol getrunken werden darf, ob Unpünktlichkeit toleriert wird, wie neue Termine ausgehandelt werden (falls man sich nicht, wie früher jeden Freitag um 17:00 und jeden Samstag um 14:00 trifft…), ob Charakterbögen beim Spielleiter gelagert werden, ob man sich überhaupt immer am gleichen Ort trifft, etc., etc. Eben alles, was nicht mit dem Spiel selbst, sondern mit dem Sozialleben der Spieler am Tisch zu tun hat. Und hier gilt es eben zu klären, ob der, oder die Neue „reinpasst“? Oder ob es sich der Meister sogar verbittet, das Spieler potentielle neue Mitspieler anschleifen. Manche sind da sehr reserviert…

[KURZER EXKURS] Das Wort „Gruppenvertrag“ kotzt mich an. Denn es impliziert, dass solche Regeln in Stein gemeißelt sind und NICHT, genauso wie die Persönlichkeit der Teilnehmer im Zeitlauf Veränderungen unterliegen können. Die Dogmatik, mit der mancher Apologet der Rollenspieltheorie zu Werke geht, stößt mich ab, weshalb ich mir die Terminologie nicht zu eigen machen werde. [EXKURS ENDE]

Gemeinsame Prämissen: Miteinander zu spielen, gleich welche Position man nun innehat bedeutet, neben den sozialen Regeln auch, sich über Thema und Fokus des Spiels verständigen zu müssen. Einfaches Beispiel: ich habe jetzt Lust auf Vampire, ein bekanntes, sehr gut ausgearbeitetes und weit verbreitetes Regelwerk zum Thema gefällt mir aber nicht, weswegen ich etwas eigenes konstruiere; am ersten Spielabend laufen meine Spieler, die nur das Wort Vampire verstanden haben, allesamt mit fertigen Charakteren nämlichen Regelwerks an und machen alle lange Gesichter, als ich Ihnen sage, dass sie diesen Dreck in die Tonne treten können…

Das Thema einer Rollenspielrunde könnte auch mit dem Wort „Genre“ beschrieben werden: Steampunk, Dieselpunk, High Fantasy, Horror, Space Opera, Dark Fantasy, Cyberpunk, Hard Science-Fiction, etc. Da nicht jeder immer auf das gleiche Lust hat, sollte man sich beim Neustart etwas Zeit nehmen, diesen Punkt zu klären. Mit dem Genre wird dann auch oft über das Regelwerk abgestimmt. Jeder SL, aber auch jeder Spieler hat da so seine Präferenzen. Ich will an dieser Stelle nicht zu weit ausholen, daher vorab nur soviel: es wird gerne behauptet, dass sich manche Themen oder Genres nur mit bestimmten Regelwerken gut spielen lassen. Ich halte das für Käse, denn ein Regelwerk ist, was der SL und seine Spieler draus machen. Es ist aber oft so, dass Setting und Regelwerk miteinander verwoben sind. Dann hat man wenig Chancen, das ohne großen Aufwand zu ändern. So oder so muss man zu einem Kompromiss kommen, den alle tragen wollen.

Der Fokus hingegen bestimmt, in welche Richtung innerhalb eines Genres wir gehen wollen. Nehmen wir der Einfachheit halber mal High Fantasy: wollen die Spieler, dass sich ihre Charaktere im Verlauf des Spiels zu epischen Helden entwickeln? Oder genügt es ihnen, als vagabundierende Abenteurer ein Verließ nach dem anderen zu plündern? Stürzen sie sich gerne in Diplomatie und Intrigen? Oder stehen sie doch lieber selbst auf dem Schlachtfeld? Oder beides? Unterschiedliche Möglichkeiten hat man innerhalb jedes Themas. Auch diese Frage kann man vorher klären. Wobei man bitte nicht zuviel erwarten darf: wenn ich sowas frage, heißt es meist nur: „…ach, mach doch einfach mal, wir sehen dann schon ob’s passt…“. Dieser genügsame Ansatz macht es für mich einfacher, denn tatsächlich hat es bislang meistens gepasst. Aber, wenn man vorher darüber angestimmt hat, gibt es hinterher keine Legitimation für Genöhle…

OK! Wir wissen nun also, wer mit wem was spielen möchte und wohin die Reise gehen soll! Super! Dann klären wir in der nächsten Episode doch mal, was der Spielleiter alles vorbereiten sollte, BEVOR die Gruppe sich am Tisch versammelt. Always game on!

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Randnotizen eines Erschöpften #08 – Welcome back, darkness…

Joa… was soll ich sagen? Scheiße gelaufen, da in Bremen mit der sogenannten Asylmafia, die zum Beispiel hier, hier, hier und hier beschrien wurde (hart rechte Webseiten ohne Impressum lasse ich bewusst aus, die finden sich bei einer Googelei aber immer ganz weit oben, weil dumme Menschen auf Schlagzeilen reinfallen). Also doch keine bundesweite, links-grün-versiffte Verschwörung gegen DAS VOLK, sondern einfach nur eine verliebte Behördenleiterin, die Goodies verteilt hat, um sich den Mann ihres Begehrens gewogen zu machen. Wer von Beiden dabei mehr kriminelle Energie hat zu Tage treten lassen, werden die Gerichte klären, aber eines steht fest: der Rechtsstaat funktioniert und die Mauscheleien halten sich in sehr engen Grenzen. Das dürfte unseren ganzen Nazis aber gar nicht schmecken, dass mal wieder eines ihrer Argumentations-Kartenhäuser mit extrem leisem Krachen in sich zusammenfällt…

Was gibt’s noch Neues? Ach ja – Neuseeland! An dieser Stelle möchte ich den Familien der Hinterbliebenen, aber auch den Kollegen, die bei diesem hinterhältigen Akt rechten Terrors zur Hilfe eilen mussten mein herzliches Mitgefühl aussprechen. Zur Sache selbst will ich mich nicht äußern, daran arbeiten sich schon viel zu viele andere ab. Was jedoch das nun verkündete Verbot für halbautomatische Waffen angeht – BRAVO! Wie immer kommen natürlich die Waffen-Fetischisten aus allen Ecken gekrochen und jammern rum. Auch dazu sage ich nichts, die Kommentar-Spalten in den Online-Zeitungen sagen alles, was man dazu wissen muss. Wieder nur Idioten unterwegs, wie ein lieber Kollege von mir sagen würde.

Brexit-Schmexit, untergehendes Venezuela, der rechte Hauptmann Jair Bolsonaro in Brasilien Präsident, wenigstens Orbáns Fidesz aus der EVP im Europa-Parlament ausgeschlossen; und dann auch noch Scheiß-Fußball. Diese Nachrichten des Tages sagen das gleiche, wie die letzten 100 Tage seit Krampf-Karrenbauer und die 100 Tage davor – wir lernen nichts aus dem Erlebten und machen immer so weiter, als wenn das Morgen ganz automatisch besser wird, auch wenn wir alles immer nur noch schlimmer machen. Und dann auch noch die ganzen Menschen, welche die Fridays for Future in den Schmutz ziehen müssen, weil ihnen ein 16-jähriges Mädchen Angst macht, dass viel mehr Leute mobilisieren kann, als sie selbst. Es geht immer nur um Macht und Geld. Nicht mehr um unsere Zukunft und die Fragen, die sie stellt; alle drehen sich nur noch um sich selbst.

Eigentlich ist es kein Wunder, dass meine Depression zurück ist. Mal schauen, wie’s läuft… schönen Tag noch.

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Der verwirrte Spielleiter #0 – wie wird man Spielleiter?

Um’s kurz und schmerzlos auf den Punkt zu bringen: durch Zufall. So wie man zumeist auch durch Zufall zu einem Hobby wie Pen&Paper-Rollenspiel kommt; oder besser durch Freunde oder Bekannte, die einem zeigen, was das ist und wie das geht. Viele probieren es aus, ein großer Teil sagt nach dem ersten Reinschnuppern „Danke, aber nein!“ und ein gewisser Prozentsatz bleibt halt dabei. Manche ein paar Jahre. Andere, so wie ich, ein paar Jahrzehnte…

Rollenspieler wird man, weil man Fantasie und Spaß an gemeinsamem Eskapismus hat. Vielleicht auch, weil Nerds und Nerds sich einfach besser verstehen; keine Ahnung, macht aber auch keinen Unterschied. Spielleiter wird man entweder, weil die meisten anderen Nerds keinen Bock auf die Arbeit haben, die sowas mit sich bringt. Dazu komme ich aber demnächst in einem eigenen Post. Oder, man hat einfach Freude daran, den anderen sauschwere Aufgaben zu stellen, um ihnen dann huldvoll beim Scheitern (oder wenigstens beinahe Scheitern) zusehen zu können. Wenn man das dann noch mit etwas Chuzpe und etwas mehr Humor verkaufen kann, hat man die wichtigsten Eigenschaften, die einen zum Spielleiter machen auch schon zusammen.

Achtung – ich höre irgendwo jemanden rufen „Aber als erstes musst du doch das Spiel kennen lernen, die Regeln, die Welt, die Konflikte, die Waffen, etc.!“ Bullshit. Meine dritte Spielsitzung insgesamt absolvierte ich als Spielleiter und ich hatte von dem Regelwerk wahrhaft episch wenig Ahnung. Aber fette Ideen, ein wüstes Dungeon und einen knalligen Bosskampf als Finale! Nicht übel für einen Noob dachten sich die anderen wohl, et voilá – a new gamemaster was born! Ja sicher sollte man halbwegs wissen, wie die Mechanik des Spiels funktioniert. Aber bis heute interessieren mich, sofern ich den Spielleiter-Sessel okkupiere, andere Dinge mehr.

Das Wichtigste überhaupt ist, dass man Spaß am Geschichten erzählen hat, dass man gerne selbst Szenarien und Ideen entwickelt und das man keine Angst hat, diese Roh-Szenarien anderen zu übergeben, damit sie meine Ideen zu ihren Geschichten machen können. Neben Erzählkunst, Regelkenntnis und Chuzpe ist nämlich der Mut, sich auf die erzählerische Macht der Spieler zu verlassen die wichtigste Eigenschaft eines SL. Und nur für den Fall, dass das auf den ersten Blick nach Überforderung klingt… ist es anfänglich auch. Aber wie mit allem anderen wird man auch mit dem Spielleiten nur besser, indem man es tut. Dies mag den Anfängern genauso ein Trost sein, wie mir, denn auch ich verkacke immer noch regelmäßig irgendwas. Und das mit fast 30 Jahren Erfahrung. Trotzdem gilt bei mir: always game on!

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Rollenspiel für Dummies #14 – Ratschläge für Spielleiter?

Ich geb’s ja offen zu – so lange ich auch schon selbst als Spielleiter für Pen&Paper-Rollenspiel unterwegs bin, es gibt immer noch Dinge, die mir nicht so leicht von der Hand gehen. Zumindest gefühlt, hadere ich mit der Hälfte dessen, was in meinen Sitzungen passiert. Nicht etwa, weil es keinen Spaß macht, sondern weil ich immerzu denke, dies oder jenes hätte aber besser laufen müssen, besser ausbalanciert sein sollen, tiefere Immersion erzeugen können, etc. Keine Ahnung, ob’s anderen SL genauso geht, aber ich bin in der Ex-Post-Betrachtung oft unzufrieden mit meinen Ergebnissen.

Was macht man in so einem Moment? Genau! Man befragt die allwissende Müllhalde, ähm sorry, natürlich Tante Internet, was andere SL dazu so zu sagen haben. Und weil mich die mittlerweile ans sozialwissenschaftliche grenzende Herangehensweise der deutschen Rollenspiel-Blogosphäre total nervt, schaue ich mir lieber an, was über dem Teich so geschrieben wird. Muss man ja heutzutage nicht mehr für verreisen…

Was ich da so lese, wenn ich z.B. den Begriff „game master advice“ eingebe, ist oft sehr pragmatisch. Und offenbart, dass ich nicht der einzige SL bin, der sich selbst für einen total untalentierten Volldepp hält. Das dämpft meine Kasteiungs-Exzesse dann wieder für eine Weile. Denn seien wir mal ehrlich: Erfahrung, gesunder Menschenverstand, Improvisationstalent und Kreativität sind durch nichts zu ersetzen. Auch nicht durch einen Master in Sozialpsychologie, oder einen VHS-Kurs in kreativem Schreiben. Oder was auch immer manche zu brauchen meinen…

Ich spielleite im Moment eine schräge Mischung aus Cyberpunk und Space-Opera in einem Universum voller mutierter Menschen, flankiert von einem Regelwerk, dass ich seit ca. 20 Jahren beständig weiter entwickele. Core-Story und Meta-Plot [Eine Beschreibung zu den Begriffen findet sich in einem Kurzglossar am Ende des Posts] finden dabei eine Zweitverwertung in einem Roman, den ich quasi nebenbei schreibe und der die Motive aus meiner Kampagne auf andere Art interpretiert. Folglich habe ich mich in den letzten Wochen und Monaten intensiv mit meiner Geschichte beschäftigt – und natürlich auch den unterschiedlichen Arten, auf die ich diese nun transportieren muss.

In einem Roman erzähle ICH die Geschichte und meine Aufgabe als Erzähler ist es, sie so plastisch und fühlbar wie möglich zu machen, damit der Leser in diese Erfahrung eintauchen kann. Niemals wird er dabei das Gleiche denken oder empfinden wie ich, aber das ist auch gar nicht das Ziel. Ich will die Fantasie des Lesers anstoßen, damit er MEINE Geschichte nimmt und in seinem Kopf daraus SEINE Geschichte macht; z. B. in dem er eine Vorstellung von den Protagonisten entwickelt. Die zumeist kaum etwas mit meiner Vorstellung von den Protagonisten zu tun haben wird. Und das ist OK. Denn erst, wenn der Leser EINE Geschichte als SEINE Geschichte fühlt, wird sie für ihn relevant.

Im Rollenspiel gehen wir noch einen Schritt weiter. Dadurch, dass die Spieler nicht nur Vorstellungen von ihren eigenen Figuren haben, sondern auch von der Welt und den Nichtspielercharakteren, die diese bevölkern, werden sie auch auf ganz und gar unvorhersehbare Weise mit den Problemen umgehen, die ich ihnen zu lösen gebe. Sie machen MEINE Geschichte, die ich mir als SL ausgedacht habe zu IHRER Geschichte, indem sie diese durch ihre Aktionen umschreiben.

Was am Ende herauskommt, muss von Anfang an offen bleiben. Denn wenn ich, wie beim Roman zunächst versuche MEINE Geschichte zu erzählen, beschränke ich dabei die Möglichkeiten der Spieler und damit vermutlich auch ihr emotionales Investment in das Spiel. Damit das aber gelingen kann, gilt es, eine Menge an Vorbedingungen zu erfüllen. Manche davon sind simpel, einige aber auch hoch komplex. Und man steht damit am Anfang ziemlich allein da…

Womit wir bei des Pudels Kern angekommen wären. Es gibt und gab schon viele andere, die das getan haben, oder immer noch tun, aber ich werde trotzdem anfangen, hier Spielleiter-Tipps zu veröffentlichen. Einfach weil ich denke, das Erfahrung durch nichts zu ersetzen ist, außer durch mehr Erfahrung. Daher willkommen zur neuen Reihe:

Der verwirrte Spielleiter

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und eine schöne Woche. Always game on!

Auch zum Hören…

Kurzglossar:

[Setting]: In diesem Kontext die Gesamtheit von Weltbeschreibung, Metaplot und Corestory, also die Gesamtheit dessen, was die Spielumgebung definiert und dem Spiel damit ein Thema und einen Fokus gibt.

[Weltbeschreibung]: Eine zusammenfassende Beschreibung der geographischen, politischen, sozialen, wirtschaftlichen und demographischen Gegebenheiten der gesamten Spielumgebung, inklusive der Teile, welche die Spieler vielleicht noch nicht kennengelernt haben.


[Metaplot]: Allem anderen übergeordneter Handlungsbogen, welcher die Historie, sowie kontemporäre politische, wirtschaftliche und soziale Ereignisse der, in der Corestory benannten Spielumgebung beschreibt. Kann (oder soll) durch die Handlungen der Charaktere aber auch ihrer Antagonisten u. U. beeinflusst werden können.


[Corestory]: Handlungsgerüst der Geschichte, in welcher die Charaktere gegenwärtig agieren, somit gleichzeitig der Fokus auf den augenblicklich bespielten (bespielbaren?) Teil der gesamten Spielumgebung.

Me, Self and I #05 – allzu kreativ?

Ich habe diese Beitragsreihe u. A. eröffnet, um auch etwas mehr über mich selbst herauszufinden, die Definition meiner Selbst zu schärfen, einige Positionen klar zu machen; schließlich mich selbst neu zu positionieren. Wer bin ich, wo steh ich, wo will ich hin? Das sind ja Fragen, die jeden Menschen mehr oder weniger stark bewegen, mithin also keine Besonderheit. Ich nehme mich selbst auch nicht als besonders wahr. Auch nicht im Hinblick auf meine Kreativität oder meine Fähigkeiten. Das sind Dinge, die man trainieren kann.

Wann immer ich mich mal genau an meinem heimatlichen Arbeitsplatz umsehe, bemerke ich die Vielzahl an unterschiedlichen Einflüssen, die während meiner kreativen Phasen auf mich einwirken. Diese Einflüsse empfinde ich als befruchtend. Ich bin der, der ich bin, weil ich das mit mir herumtrage, was ich war – Erfahrungen, Erinnerungen, Gesammeltes, Erlerntes, meine Hobbies und schließlich ältere Produkte meiner Kreativität. All das ist präsent und hilft mir vorwärts. Denn manchmal muss man, um ans Ziel zu kommen, nicht nur um die Ecke, sondern um den ganzen Block denken (vulgo sich selbst remixen). Das geht in MEINEM persönlichen Büro einfach am Besten.

[WIRKLICH KURZER EXKURS:] An meinem Arbeitsplatz in der Firma fällt mir echtes, kreatives Arbeiten schwer. Die typischen Sachbearbeiter-Dinge wie die Organisation und Nachbereitung von Fortbildungen, das Koordinieren von Ressourcen, etc. fällt mir nicht schwer; das geht im Team auch viel besser. Aber etwas Neues entwickeln, wenn dauern jemand mit einem anderen Problem oder einer Information durch die Tür kommt (open door policy)… das funktioniert nicht. Zumindest nicht für mich! Mal ganz davon ab, dass die firmeneigene IT-Ausstattung einfach nicht meinen Bedürfnissen entspricht. [EXKURS ENDE].

Kreativität bedeutet aus meiner Sicht also nicht, jedes Mal das verdammte Rad neu erfinden zu müssen; es gibt Dinge, die man nur schwerlich noch besser machen kann. Vielmehr ist Kreativität aus meiner Sicht die Fähigkeit, alle mentalen und kognitiven Ressourcen nutzbar zu machen, um ein Problem bestmöglich lösen zu können. Karl Popper, ein bedeutender Philosoph des 20. Jahrhunderts schreibt in seinem Buch „Alles Leben ist Problemlösen“ (Piper, München, 2015, S. 261 ff.) von Technik als Kulturfaktor. Für mich bedeutet dies, dass Technik nicht mehr als ein Hilfsmittel zum Problemlösen ist, ja nicht mehr sein darf. Sie darf mich nicht behindern, oder meine Kreativität durch Beschränkungen lenken (daher mein Problem mit der, aus meiner Sicht mangelhaften, IT-Ausstattung bei der Arbeit).

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich vor meinem Bildschirm und kann den Text schneller redigieren, als Stephen King, der laut eigenem Bekunden bis heute all seine Texte auf einer Schreibmaschine oder handschriftlich entwickelt. Das wäre mir selbst zu analog, was aber für mich beweist, das Kreativität in unterschiedlichen Individuen unterschiedliche Voraussetzungen hat; denn ich würde wirklich nicht bestreiten wollen, das Stephen King ein überaus kreativer Autor ist. Ich habe hier, wo ich sitze, Zugriff auf das Internet, meine persönliche Bibliothek und einige andere Dinge, die mich umgeben. Ich brauche diese erweiterte Herangehensweise und denke immer darüber nach, wie ich meinen individuellen Workflow noch besser gestalten kann.

Woraus natürlich die Frage erwächst, ob man auch zu kreativ sein kann? Ich denke schon, dass das der Fall ist. Wenn ich mich nicht zeitlich beschränke und mich zwinge, dann und wann aufzustehen, dann nehmen mich meine Gedanken mit auf weite Reisen; wobei selbstverständlich auch immer die Gefahr besteht, sich vollkommen zu verzetteln. Den Fokus zu verlieren und einfach irgendwas zu tun, anstatt auf das selbst gesteckte Ziel hinzuarbeiten. Darunter leidet erst die Qualität – und irgendwann der Mensch selbst. Denn ohne Fokus und Ziel ist Kreativität nutzlos.

Ich bin nichts Besonderes. Ich bin nur manchmal allzu kreativ, was dann mein Zeitmanagement und damit auch manch andere Dinge über den Haufen wirft. Fragt mal meine Familie! Doch genau dieser Teil definiert mich als Persönlichkeit in erheblichem Umfang. Deshalb kann und will ich das nicht beschneiden. Es ist auch der Grund, warum ich hier so entschieden auftrete. Denn ich habe durch mein Schreiben und Reden gelernt, meine Ideen und Meinungen präsentieren zu können. Also tue ich das, so laut ich kann!

Was als nächstes in dieser Reihe kommt weiß ich jetzt noch nicht. Aber wir hören uns ganz sicher auch in diesem Kontext bald wieder. Schönen Sonntag noch…

Eine kleine Anleitung zum kritisch-sein…

Irgendwie habe ich in den letzten Tagen häufiger beobachtet, dass Menschen, mit denen ich durch diese große, blöde Webseite mit dem Fratzennamen verbunden bin unreflektiert Blödsinn teilen…mal wieder. Dabei ist es so verdammt einfach, die Seriosität eines Artikels, oder auch einer ganzen Webseite zu überprüfen. Und weil ich den Eindruck habe, das manche Menschen hierbei vielleicht doch etwas Nachhilfe brauchen könnten, habe ich eine ganz einfach Anleitung zusammengestellt:

[ACHTUNG – WICHTIG] Wer natürlich meint, auch weiterhin unreflektiert Nazi-Scheiße in meine Timeline spülen zu müssen, den kicke ich ohne weitere Vorwarnung. Ich habe von diesem ganzen „Das-wird-man-doch-noch-sagen-dürfen“-Gesülze nämlich so dermaßen die Schnauze voll, dass ich sonst leider nicht jedermanns körperliche Unversehrtheit garantieren kann. [ENDE]

  1. Quelle überprüfen: Woher stammt der geteilte Artikel? Oft ist die Herkunfts-Webseite leicht ermittelbar. Wenn es einfach nur ein Meme von einer anderen Facebook-Seite ist, wird es schon schwierig mit der Glaubwürdigkeit.
  2. Impressum der Quelle überprüfen: Ist eines vorhanden, gehen wir direkt zum dritten Punkt. Ist keines vorhanden – Artikel sperren, weil er nicht als seriös eingestuft werden kann. Keine halbwegs seriöse Institution hat kein Impressum. (Ist übrigens in Deutschland überdies ein Rechtsverstoß gegen §5 TMG und §55 RStV).
  3. Glaubwürdigkeit des Impressums überprüfen: Nun glauben die ersten, ich sei paranoid, aber hierzu ein kleines Beispiel von heute: jemand verlinkt einen Artikel von der sogenannten „Bundesdeutschen Zeitung“. Deren Impressum findet sich hier: Eine Online-Redaktion in Schweden, eine Adresse unter den Linden, unter der sich laut Google ein Restaurant befindet und eine Telefonnummer, die zwar nach Berlin gehört, jedoch nicht zur Adresse passt…? Schlussendlich die Webseite, die sich den Anstrich einer seriösen Zeitung gibt, etwa nach den bekannten Vorbildern SZ, FAZ, NZZ. Den Untertitel „Qualitätsjournalismus durch Wissensvorsprung“ finde ich angesichts meiner Recherche-Ergebnisse wenig überzeugend.
  4. Autoren recherchieren: zu Journalisten (seriösen ebenso wie tendenziösen) gibt es eine Vita, die in aller Regel Aufschluss über Gesinnung etc. zulässt. Ich habe keine Probleme mit liberalen und echten konservativen Positionen. Nur mit Populismus, Chauvinismus, Rassismus möchte ich nicht behelligt werden.

Oh mein Gott, so viel Aufwand, wenn ich etwas teilen möchte? Aber die haben doch Recht, wir können doch nicht…..! Nein, meistens haben die nicht Recht, sondern nur Angst und Hass im Herzen, die sie überall zu verbreiten suchen. Die von mir oben beschriebene Vorgehensweise dauert ca. 3-4 Minuten und verhindert hoffentlich, dass wir ein 4. Reich bekommen. Das ist es mir immer wert. Denkt mal drüber nach, bevor ihr wieder unreflektiert irgendeinen Dreck verlinkt. Schönen Tag noch.

Auch zum Hören…

Me, Self and I #04 – allzu optimiert?

Der Homo Oeconomicus. Das Schreckgespenst meines Lebens. Eine künstliche Figur aus der Wirtschaftswissenschaft, die ihr gesamtes Leben der Nutzenmaximierung unterwirft. Das betrifft in der Theorie alle Bereiche des Lebens und ist, zu Ende gedacht, natürlich ein Albtraum für jedes halbwegs empathische Wesen. Ich will nicht in Abrede stellen, dass man idealisierte Denk-Figuren für analytische Zwecke braucht; insbesondere in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Dennoch feiert die daraus abgeleitete Denke immer wieder Urständ in den Medien.

Ich habe immer mal wieder Einlassungen zu den Themen Selbst-Optimierung und Work-Life-Balance veröffentlicht. Letztlich bin ich heute an dem Punkt angelangt, dass ich dieses ganze Geschwafel für Augenwischerei halte, die nur das Ziel hat, uns noch etwas mehr Arbeitsleistung abzupressen, damit andere noch mehr Geld für eine Pulle Schampus bezahlen können. Sorry, wenn ich jetzt klinge wie ein Sozialist mit Fackel in der Hand, aber gehen wir’s doch mal kurz durch, wer alles von Selbst-Optimierung spricht:

  • Krankenkassen mit Bonus- und Erziehungsprogrammen für einen gesünderen Lebensstil. Warum machen die das? Weil sie an ihren Kunden Geld sparen wollen, denn Krankenkassen sind nicht mehr einfach Sachwalter der fiskalischen Abwicklung von Gesundheitsdienstleistungen sondern profitorientierte Konzerne. Wie gut das der individuellen Gesundheit tut, darf sich jeder gerne selbst ausrechnen. So lange Krankenkassen-Vertreter Boni bekommen, wenn sie die Budgets z.B. für den Rettungsdienst besonders schmal verhandeln, habe ich kein Vertrauen in diese Läden.
  • Ratgeber-Autoren, die mit dem Trend Kasse machen wollen. Es ist schon irritierend, wie oft z.B. der „Stern“ in den letzten Jahren anstatt investigativem Journalismus riesige Leitartikel zur Verbesserung des Lebensstils gebracht hat und dabei auch ein ums andere Mal Autoren gepuscht wurden. Ein Schelm, wer was Böses dabei denkt.
  • Arbeitgeber, die mit cooperative Workspaces und flexiblen Arbeitszeitmodellen locken, die – sozialpsychologisch erwiesen – nicht selten in Selbstausbeutung bis hin zum Burnout münden.

Das ist natürlich nur eine Seite der Medaille. Es gibt mittlerweile auch genug Medien, in denen derlei ein differenzierteres, ja sogar kritisches Echo hervorruft; mündiges Googeln soll ja tatsächlich manchmal helfen. Denn bei all den Anforderungen, die an uns herangetragen werden, liegt es letzten Endes an jedem selbst, was er oder sie daraus macht. Und so ganz individuell optimiere ich am liebsten meine Denke…

Will heißen ich versuche informiert zu sein / zu bleiben, um mündige Entscheidungen für mich selbst treffen zu können. Ich bin dabei keinesfalls immer vernünftig (insbesondere beim Umgang mit meiner Physis) weil ich mir die Freiheit herausnehme, selbst entscheiden zu wollen, was schlecht für mich ist. Frei nach James Bond esse ich zu viel rotes Fleisch und zu viel Weißbrot; die trockenen Martinis habe ich allerdings durch Single Malt ersetzt. Klingt das clever? Nö! Aber bei allem, was ich tagein, tagaus auf unterschiedlichsten Ebenen für andere tue, gestatte ich mir sehenden Auges Torheiten, weil es meiner Psyche gut tut. Mindestens genauso gut, als mir hier dann und wann meine Rage vom Leib zu schreiben.

Aber mit Selbstoptimierung bleibt mir bitte vom Hals. dazu fällt mir nur dieses Lied von „Großstadtgeflüster“ ein! Schönen Tag noch…

Ach ja: die nächste Folge ist „…allzu Kreativ?“

Auch zum Hören…