Me, Self and I #06 – allzu wütend…?

Bruce Banners legendär markiger Einzeiler „Mein Geheimnis ist – ich bin immer wütend!“ könnte zu manchen Zeiten als Charakterisierung meiner Gefühlswelt dienen. Nicht immer, aber immer noch oft genug spüre ich diesen Drang, dummen Menschen einfach eins in die Fresse zu hauen. Im Gegensatz zu Bruce Banner hätte ich für derlei Aktionen allerdings keine große, grüne Entschuldigung, die in mir wohnt und manchmal einfach zuschlagen MUSS. Also zähle ich, innerlich kochend, bis zehn und denke mir mein Teil. Gäbe es entweder Denkblasen in der Realität, oder würde ich meinem Drängen doch mal nachgeben … oh mein Gott, man müsste mich auf ewig wegsperren!

Überhaupt sind emotionale Entgleisungen in vielen Kulturen mit dem Verlust von „Gesicht“ verbunden, mit sozialer Stigmatisierung und Sanktionen. Warum eigentlich? Wie befreiend es wäre, einfach mal einen strunzdummen Nazi plätten zu dürfen. So eine „Purge Night“ klingt an manchen Tagen wie eine ziemlich gute Idee. Andererseits haben die Zehn Gebote als Grundlage sozialen Miteinanders durchaus ihre Daseinsberechtigung. Denn im Umkehrschluss dürften die Nazis dann ja auch; also ehrlich – so herum betrachtet ist’s dann schon nicht mehr ganz so spaßig. Nun ja – drauf geschissen. Es gibt ja auch andere Möglichkeiten seine Wut zu kanalisieren. Manche gehen in den Wald und schießen auf Rehe (andere auf Menschen, aber das ist ja eigentlich unter Strafandrohung verboten!), manche springen ohne Not, nur mit einem Gummiseil am Fuß von ’ner Brücke (wiederum Andere auch mal ohne Seil, dass ist dann nicht ganz so lustig), oder gehen auf den Fußballplatz – und ärgern sich dann hinterher auch noch darüber, dass das Beinahe-Abfackeln des Nebenmannes zu Sanktionen für den geliebten Verein führt. Nun ja…

Ich versuche meine Wut unter anderem hier zu kanalisieren. Oder auf Fratzenbuch, wo meine verbalen Auslassungen gegenüber strunzdummen Nazis mittlerweile deutlich an Schärfe gewinnen. ich bin noch nicht im Bereich der hemmungslosen Beschimpfung angekommen, aber… wer weiß, kommt vielleicht noch. Wut ist Energie und Energie kann nicht vernichtet werden, sondern nur umgewandelt (ich weiß, dass diese Beschreibung vereinfachend ist, aber wenn ich schon mal Physik für Psychologie missbrauche, sind Verluste einzukalkulieren 😉 ). Also wandele ich einen Teil in Bewegung um, was bei mir nicht annähernd so spektakulär wie bei Bruce Banner oder irgendwelchen Hooligans aussieht. Ich gehe nämlich einfach nur spazieren. Und ein anderer Teil fließt in meine Kreativität.

Wie, der kann etwas erschaffen, wenn er wütend ist? Oh ja, sagt er; denn Widerspruch und Kampf (selbst nicht-physischer) beflügeln meinen Geist. Ich glaube nicht, dass man die Methode einfach auf andere Individuen transponieren kann. Aber wenn mich irgendwas umtreibt, dann muss es raus. Es ist ein körperliches Drängen, jetzt etwas zu „machen“, also etwas zu erschaffen. So ging es mir die letzten Tage. Mein Urlaub lief nicht ganz so, wie gedacht (es war eh nur freie Zeit zu Hause, was für echte Erholung tödlich ist), was dazu führte, dass mein Gehirn Überstunden an einem fernen Ort gemacht hat. Ich bin Pen&Paper-Rollenspieler (vor allem Spielleiter), also habe ich kurzerhand ein neues Setting geschrieben und gleich mit einer Kleingruppe geplaytested. War leider geil…

Was für mich und mein Wutlevel viel tödlicher wirkt, als alles andere, ist, wenn ich meiner Kreativität keinen Raum lassen kann, weil Zeitdruck und Verpflichtungen, auf die ich keinen Einfluss nehmen kann mich einengen, ja manchmal geradezu erdrücken. Und diese Situationen gibt es, weiß Gott nicht nur im Job! An manchen Tagen hadere ich mit meiner Wut. An anderen umarme ich sie, weil sie mich zur Rampensau macht. Und ich bin, im tiefsten Grunde meines Herzens, gerne eine Rampensau! Nun bemerke ich seit einer Weile, dass mein Wutlevel sinkt und weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll. Ich bin doch noch zu jung, um altersmilde zu werden, gottverdammt… ah, da ist sie ja doch noch… puh. Wie dem auch sei, ich kann nur dazu raten, sich selbst diesbezüglich genau zu analysieren. Vielleicht steckt ja doch ein guter Hulk in euch. Wenn ihr’s rausgefunden habt, sagt mir bescheid. Bis dahin – schönes Wochenende!

Auch zum Hören…

Work-Love-Balance…? Echt jetzt…?

Ich muss es gestehen – und im Zugeben meiner Lässlichkeiten und Fehler werde ich langsam aber sicher immer besser – dass ich mir über diese Begrifflichkeit noch nie Gedanken gemacht habe. Ja…, Work-Life-Balance damit kann ich was anfangen, seit ich gelernt habe diesen Quatsch zu hassen. Wo kämen wir denn da hin, wenn die guten, guten Arbeitgeber-Lobbyisten keine Möglichkeit mehr fänden, in unseren ach so modernen Zeiten auf allen erdenklichen Wegen in unser privates Leben vorzudringen. Der Gläserne Bürger ist für mich nicht nur auf Grund der Amok laufenden Sicherheits-Fuzzis ein Albtraum; er ist vielmehr die wahr gewordene Ejakulations-Zielscheibe eines jeden, der nicht nur Waren, sondern auch Ideen verkaufen muss.

Denkt doch mal: all diese fortschrittlichen Formen selbst organisierter Arbeit, wie etwa Home-Office sind nachweislich dazu gemacht, Work und Life zu entgrenzen und den Betroffenen mehr und länger arbeiten zu lassen, als der das müsste. DAMIT verdienen Unternehmen Geld. Ich mache meinen Job auch ganz gerne. Aber wenn die Zeit rum ist, ist sie rum – denn ich arbeite um zu leben, nicht etwa umgekehrt. Es ist zweifellos ein Privileg, einer Tätigkeit nachgehen zu dürfen, die man selbst als wert- und sinnvoll empfindet und die auch noch Spaß macht. Das darf aber nie darüber hinweg täuschen, dass mein Job darin besteht, für jemand anders Bigtime Kohle zu scheffeln, während ich selbst mit Peanuts nach Hause gehe. OK, manchmal liegen unter den Peanuts auch noch ein paar dry-aged T-Bone-Steaks und anderer Schischi; aber am Ende der Rechnung bin ich nur ein Rädchen im Getriebe.

Wahrhaft sinnstiftend für meine Existenz sind jedoch – auch wenn ich jetzt gewiss nicht über den Sinn des Lebens referieren werde, den findet ihr eher bei „Monty Python“, als bei mir – meine Familie, meine Freunde, meine kreativen Tätigkeiten und jede Mischung davon. Alles Sachen, mit denen ich kein Geld verdiene; und vor allem auch nicht verdienen muss. Denn die von jedem Lobbyisten gewünschte Durch-Ökonomisierung meines Daseins treibt mir Hasspickel ins Gesicht. „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“. So volkstümlich frontal dieses Bonmot auch daher kommen mag, sagt es doch eigentlich alles, was man dazu wissen muss. Und dann kommen irgendwelche Menschoiden daher und fangen an, von Work-Love-Balance zu reden.

Man habe ja so viel zu geben, auch auf der Arbeit (Karma-Friedefreudeeierkuchen-Kollegen-Geschwurbel); oder man bringe zu viel von der Arbeit mit nach Hause (Beziehungs-Coaching-Notwendigkeits-Geschwurbel) und überhaupt müsse man ja bei der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Leben auch immer Beziehungen mitdenken. Ja Scheiß die Wand an… Wie ich drauf komme? Ich hab die Tage so einen Artikel auf Fratzenbuch gesehen, kurz gelesen und einen freundlichen Kommentar dazu hinterlassen. Ja echt, ich war freundlich, habe aber drauf hingewiesen, dass die dort aufgewärmten Ratschläge zur Selbstausbeutung führen können. Wurde wohl sogar positiv aufgenommen, aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es nur eine vernünftige Sache für Work-Life-Love-Balance braucht: die eigene „NEIN“-Schwäche zu reduzieren!

Wenn ich nicht auf dem Dienstplan stehe, bin ich nicht verfügbar – vor allem nicht an Wochenenden, denn unter der Woche sehe ich oft meine Familie kaum, wenn ich Kernzeit arbeite. Mit Spät- und Nachtdienst ist es nur bedingt besser, aber wenigstens kann ich ausschlafen. Zudem sind da einige einige meiner Buddies, mit denen ich Pen&Paper spiele. Die können nur am Wochenende und kommen von 100-200 KM weit her. Die kommen nicht Donnerstags Abends mal eben auf einen Plausch vorbei. Ich kriege aber eben vor allem mit Hilfe dieser sozialen Events und meiner Familie meine Balance in den Griff, wenn ich nicht noch extra Work mit nach Hause nehmen muss. Das tue ich auch so schon oft genug, denn als Dozent in der Erwachsenen-Bildung kannst du nicht in Ruhe tolle Lehrgänge entwerfen, wenn Hinz und Kunz im zwei-Minuten-Takt mit irgendwelchem Kram durch deine Tür gewalzt kommt. Natürlich ist jedes Anliegen wichtig – zumindest für seinen Besitzer. Aber Kreativität braucht Ruhe und Zeit. Und ohne Kreativität gibt’s keine tollen Aus- und Fortbildungen. Aber der „Fuzzi von der Theorie-Abteilung“ ist halt auch noch Sachbearbeiter.

Und wenn ich manchmal so sehe, was für vollkommen unflexible Bürokratie-Monster auch im Gefüge karitativer Arbeitgeber entstehen, wenn irgendwelche Menschen was am Tisch auskochen, die offenkundig keine Ahnung haben, wie viel kostbare Zeit durch das unnütze, doppelte und dreifache Verschieben von Informationen verschwendet wird, möchte ich raus, wo der Maurer kein Loch gelassen hat. Aber das geht hier jetzt zu weit. Zum Abschluss nur so viel: ich arbeite gerne selbstbestimmt. Ich habe kein Problem mit Zielvorgaben und Erfüllungszeiträumen, mit Deckungsbeiträgen und Personalwirtschaft. Aber ich habe ein Problem damit, wenn andere denken, sie müssten Dinge zu Tode organisieren, die ich besser könnte, wenn ich dürfte. Was ich gerade beschreibe ist übrigens einer der häufigsten Gründe, warum Unternehmen qualifiziertes Personal verlieren… zum Beispiel mich!

Ich werde dann in Kürze mal sehen, ob ich meine berufliche Stellung nicht doch noch ein bisschen mehr in Richtung selbstbestimmte Tätigkeit bewegen kann. Dann würde auch meine Balance wieder besser. Au revoir.

Der verwirrte Spielleiter #06 – diplomatische Äxte…

Spiel mit Stil. Damit ist nicht gemeint, dass man den Bohemian Rhapsody mit ebenso viel Schmelz wie Freddy singen kann, wenn man einen Entertainer darstellen möchte. Oder das es spezieller Kleidung am Spieltisch bedarf. Sondern eher, dass einige, oft sehr unterschiedliche Persönlichkeiten sich mehr oder weniger regelmäßig zusammenfinden, um ein soziales Event zu gestalten. Über die Voraussetzungen habe ich schon gesprochen. Aber natürlich gibt es noch andere Aspekte, die über den Erfolg einer Rollenspielrunde bestimmen können. Einer davon ist der individuelle Spielstil.

Einmal mehr muss ich darauf hinweisen, dass mir diese ganzen Sozialwissenschafts-überfrachteten Oberdogmatiker bitte vom Halse bleiben sollen. Denn sie reduzieren eine komplexe Persönlichkeit mit Macken, Ecken, Kanten, Fähigkeiten, etc. auf ein sehr vereinfachtes Substrat, dass irgendwie in ihre Taxonomie von Gamist, Simulationist, Narrativist (oder irgendeine andere) passen soll; und verkennen dabei vollkommen, dass a) Motivation eine veränderliche mentale Disposition ist und b) ich als SL dem Spieler nur gerecht werden kann, wenn ich ihn auf so vielen Ebenen wie möglich anspreche. Was bedeutet, dass ich stets wachen Auges durch meine Sitzungen schreiten und die aktuellen Motivationen meiner Spieler identifizieren muss. Damit ich ihnen passende Herausforderungen anbieten kann.

Was oft als Spielstil abgleitet wird, ist ein Mischung aus verschiedenen Anteilen der Persönlichkeitsstruktur des jeweiligen Spielers. Und so, wie wir alle wissen, dass es eine Tagesform gibt, so haben die Spieler (und damit auch ihre Charaktere) eine variierende Tagesform. Ich kann als SL übergeordnete Ziele setzen (ist ja irgendwie auch meine Aufgabe, wenngleich meine Spieler sich ihren Ärger meist auch selber suchen könnten); die Reaktion darauf ist aber auch deswegen so unvorhersehbar, weil Tagesform eine entscheidende Rolle spielt. Lasst mich dies illustrieren:

Nehmen wir an, ich führe einen NSC ein, der den Charakteren dienlich sein könnte, weil er Informationen oder Dienstleistungen in seinem Porfolio hat, welche das Leben sehr viel leichter machen können. Der Con-man der Gruppe hat aber gerade heute einen schlechten Tag, weil sein Spieler Stress mit irgendjemandem hatte. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, der Rest der Gruppe wird mit hineingezogen, am Ende liegen womöglich ein paar Tote und Verletzte umher und der Kofferraum voller Ausrüstung ist in Rauch aufgegangen… Und wir reden hier explizit nicht von einem verpatzten Wurf auf Gassenwissen, sondern wahrscheinlicher von kaputter Kommunikation; und zwar zwischen SL und Spieler. Denn vergesst bitte nicht, dass die Interaktionen von NSC und Spielercharakter in diese eingebettet sind.

Es könnte aber auch anders laufen, weil der Spieler des Con-mans sich gerade mit sehr positiven privaten Erfahrungen an den Spieltisch gesetzt hat. Man handelt einen tollen Deal aus und alle verlassen zufrieden die Szene. Jedes Ergebnis irgendwo zwischen den Extremen ist natürlich auch denkbar. Doch die Tagesform ist nur ein wichtiger Aspekt, der aus der Spieler-Persönlichkeit heraus auf die Runde wirkt. Wie sieht es denn mit dem Rest aus?

Unwissenschaftlich gesprochen gibt es halt Menschen, die einfacher, schneller und weiter aus sich herausgehen können und wollen als andere. Die den theatralischen Aspekt von Rollenspiel gerne ausleben, tatsächlich in die Rolle eintauchen wollen. Dann gibt es die eher analytischen Typen, die beobachten und dann beschreiben, was sie tun, ohne allzu oft tatsächlich zu ihrem Charakter zu werden. Und auch hier wieder jede Menge Spielarten dazwischen. Dem gerecht zu werden – jedem auf seine Weise – ist weder einfach, noch Kräfteschonend. Allerdings ist es absolut notwendig, denn kein Spielstil ist mehr oder weniger wert, als ein anderer. Und das Ideal, nur Mitglieder einer Ausprägung an seinem Tisch sitzen haben zu wollen, ist eine Illusion.

Denn Rollenspieler sind zuallererst Menschen und tragen schon jede Menge Rollen mit sich herum. Sie dazu nötigen zu wollen, andere Rollen für das Spiel erlernen zu müssen, dass ja hauptsächlich Spaß machen soll, tötet den Spaß. Es ist durchaus denkbar, dass jemand, der Anfangs eher schüchtern erscheint, dies entweder tatsächlich nur spielt, oder ins Spiel einsteigt, um sein persönliches Rollenrepertoire zu schulen und zu erweitern. Ich selbst habe das (meist) unbewusst getan und das hilft mir bis heute in anderen Bereichen meines Lebens ungemein weiter. Aber ich darf das weder erwarten, noch forcieren. Das geht eigentlich immer schief!

Und dann ist da noch die Frage nach der Action… Also eigentlich ist das keine Frage, denn die meisten Pen&Paper-Rollenspiele kommen mit einem Regelteil zur Konflikt-Lösung (vulgo: Kampfregeln) daher. Konflikt (wie auch immer der dann aussehen mag) ist eine wichtige Zutat für das Drama. Das ist hier nicht anders. Aber auch hier gibt es Spieler, die ihre Charaktere gerne kopfüber in jede sich bietende Konfrontation werfen und solche, die am liebsten allem aus dem Weg gehen würden, was auch nur im Ansatz nach drohendem Beef riecht. Und – abermals – das Graufeld dazwischen. Deshalb konstruiere ich als SL Situationen, die der Diplomatie bedürfen und solche in denen man eine Axt braucht (oder was auch immer). Und nicht selten machen die Spieler aus dem einen das andere und umgekehrt. Was dazu führt, dass das Mitführen einer diplomatischen Axt quasi zur Notwendigkeit wird. Auch, wenn man sie eigentlich nicht, oder auch doch benutzen will. Wird Zeit, mal etwas über Kampf im Rollenspiel zu erzählen. Aber das passiert in einem anderen Post. Always game on!

DU OPFER – oder: was heißt hier schwach…?

Rollenverständnis. Insbesondere bei Geschlechterrollen. Eines der größten Probleme der Menschheit überhaupt. Wenn man es ein wenig überspitzt, ist es die Wurzel allen Übels. Weil sich in dem großem Graufeld zwischen Zero und Hero beiderseits des Gender-Äquators (und auch in dem Raum dazwischen) so viele Möglichkeiten auftun, sich selbst und andere Miss zu verstehen, dass Konflikte vorprogrammiert sind. Und wer glaubt, dass persönliche Kränkungen bei Politikern nicht ausreichen, um mal eben einen neuen Krisenherd aufzumachen, der soll sich einfach die letzten 27 Monate mit Donald Trump noch mal genau ansehen. (Nicht dass Barrack Obama eine blütenreine Weste gehabt hätte – auch unter seiner Administration gab es Staatsterrorismus).

Wir wachsen mit Rollenbildern auf. Es kann gar nicht anders sein, denn unsere Eltern, deren Eltern und wiederum auch deren Eltern und so weiter sind mit Rollenbildern aufgewachsen; tradierten Vorstellungen davon, wie ein Junge oder ein Mädchen sich zu verhalten hätten, während sie zum Mann bzw. zur Frau heranwachsen. Allein der Umstand, dass es Homo-, Bi- und Transsexualität (und noch so viele andere Spielarten) schon immer gegeben hat, wurde durch diese Traditionen in den meisten Kulturen – so auch in unserer – stets negiert. Erst allmählich begann sich dies zu ändern. Zögerlich treten jene ins Licht, die nicht länger bereit sind, ihre wahre Natur zu verstecken. Und ebenso allmählich finden diese „Angriffe“ auf tradierte Rollenbilder Eingang in die Medien.

Um wirklich verstehen zu können, wie entsetzlich das alles für „den klassischen Mann“ oder „die klassische Frau“ ist (heute bestenfalls noch künstliche Begrifflichkeiten, die vielleicht irgendwann einmal ein Korrelat in der realen Welt gehabt haben mögen), muss man sich nur vor Augen führen, wie kurz es erst her ist, dass die Welt subjektiv noch in Ordnung war. Bis 1958 brauchten Frauen die Erlaubnis des Vaters oder Gatten, um den Führerschein machen zu dürfen. Erst ab 1969 sah das BGB eine verheiratete Frau als geschäftsfähig an und erst seit 1977 dürfen Frauen ohne Erlaubnis des Ehepartners einem Beruf nachgehen. Ach, das waren noch gute alte Zeiten…

Wollt ihr mich verarschen? Es gibt keine gute alte Zeit. Es gab sie nie und vermutlich wird es leider auch in Zukunft immer wieder Perioden geben, derer man sich – ex post – unangemessen nostalgisch erinnert, weil Menschen das halt so machen; die Scheiße einfach mal ausblenden, damit das eigene Narrativ nicht ganz so düster daherkommt. Ich nahm gerade eben einen winzigen Ausschnitt aus der jüngeren Emanzipations-Geschichte der Frau, damit klar wird, warum so viele Männer immer noch nicht klar kommen. Jahrtausende des guten alten Patriarchats weggewischt von ein paar links-grün-versifften Emanzen, die einfach nicht verstehen wollen, dass das Primat des Mannes den Naturgesetzen folgt… Wacht auf, ihr Opfer und versteht, dass man Rollen auch ändern kann, aus ihnen ausbrechen, sie neu definieren.

Unsere Welt ist eine wesentlich stärker partikularisierte, als sie dies noch vor fünfzig Jahren war. Wir zahlen den Preis der Moderne durch die Notwendigkeit, uns unseren Platz in dieser Welt immer wieder selbst immer wieder neu suchen zu müssen. Ulrich Beck benannte dieses Phänomen mit dem Schlagwort „Risikogesellschaft“. Und in mancherlei Hinsicht ist seine Analyse immer noch aktuell. Die Medien sind, so sehr sie sich auch bemühen mögen, Avantgarde sein zu wollen, immer auch ein Spiegel des Zeitgeistes. Und es hat lange gedauert, bis wir im Fernsehen nicht mehr dauernd über den „Macho-Hero“ auf der Suche nach seiner „Damsel in Distress“ gestolpert sind, sondern eben auch ängstliche, (vermeintlich) schwache, suchende, verletzliche Männer zum Vorschein kamen, die in der Realität schon immer da waren. Wenn jetzt die plakative Übersexualisierung beiderlei Geschlechts noch aufhören würde, kämen wir vielleicht endlich zur Normalität. Wär doch mal ganz nett. Schöne Woche noch…

Der verwirrte Spielleiter #05 – tot geplant…?

Wie man es auch dreht und wendet: als SL kommt man einfach nicht drum herum, ab und an mal was vorzubereiten. Sei es die Karte einer Location, welche die Charaktere erkunden sollen, Handouts mit Informationen, die nach einem Zusammentreffen mit einem Antagonisten verfügbar werden oder einfach nur ein paar NSCs, welche der Gruppe lustigen Scheiß angedeihen lassen. Da man sich sowas aber schlechterdings einfach so merken kann, hat man ein Notizbuch. Oder auch mehrere. Oder irgendeinen Cloud-Speicher voll mit Textfiles, Bildern, usw. Oder was auch immer. Jeder entwickelt im Lauf der Zeit seinen individuellen Workflow, wenn es um so was geht.

Und jeder entwickelt sein individuelles Level an Planung. Ich selbst habe in meiner SL-Frühzeit mit Hingabe Dungeons geplant, Landkarten gemalt, Encounter minutiös vorbereitet… um immer wieder fassungs- und auch hilflos zusehen zu müssen, wie die bösen Spieler meine sorgsam geplanten Szenarios in Null Komma Nix verwüsten, zertrampeln, einstampfen, sprengen, verbrennen, fluten, oder sonstwie vernichten. Die ganze Arbeit für die Katz. Kotzen hätte ich jedes Mal können.

Bis ich erkannt habe, dass nicht die Spieler das Problem waren, sondern ich! Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht, ihnen meine Sichtweise der Geschichte, meinen Weg, meine Lösungen, meine Willkür servieren zu wollen? Es ist doch ihre Geschichte! Okay, ich habe die Grundlagen entwickelt, aber wenn wir diese zusammen weiter entwickeln wollen, warum sollten dann alle nach meiner Pfeife tanzen sollen. Das nennt man in Gamerkreisen „Railroading“ und es macht den meisten nicht sonderlich viel Spaß.

Das eigentliche Problem dabei ist, dass es unter Umständen Flaschenhälse oder gar Sackgassen erzeugt, die das Spiel vollkommen vernichten können. Beispiele dafür fänden sich in den ersten Tomb-Raider-Teilen, wo man bei manchen Rätseln absurde Kombinationen ausknobeln musste, um überhaupt weiterkommen zu können. Sowas ist frustrierend und reißt die Spieler eventuell auch aus ihrer Immersion. Das ist nicht klug. Insbesondere, wenn man manches auch einfach passieren lassen kann. Oder gleich eine Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten offen lässt.

Nehmen wir mal an, ich würde mal wieder Lust bekommen, ein Dungeon zu planen und so vorgehen, wie ich früher und viele andere SL heute noch; nämlich linear. Irgendwann kommt die Gruppe an eine verschlossene Tür. Der Dieb tritt vor und versucht das Schloss zu knacken, versemmelt aber seinen Wurf. Der vergiftete Dorn, der zur Sicherheit in das Schloss eingebaut worden war, vergiftet ihn so heftig, dass er eine ganze Weile außer Gefecht sein wird. Und kein anderer in der Gruppe hat die Fertigkeit „Schlösser öffnen“… Man könnte nun entgegnen, dass doch einfach noch ein paar Charaktere die Fertigkeit hätten lernen können. Stimmt grundsätzlich. Manche Systeme regulieren jedoch den Zugang zu bestimmten Fertigkeiten abhängig von der Klasse des Charakters. Wenn’s nicht gerade eine Gruppe mit lauter Dieben ist, wird es dann schwierig. Und wie glaubwürdig ist ein Paladin, der Schlösser öffnen kann…?

Solche Probleme kann ich durch ein flexibleres Design lösen. Zum Beispiel, indem es mehrere Wege zum Ziel gibt. Indem ich bei den wenigen obligaten Hindernissen keine strikt monokausalen Lösungswege (du musst dies…, nur dann wird das…) verlange. Indem ich ausufernde Dungeons einfach weg lasse. Indem ich die Umgebung so gestalte, dass die Kreativität bei der Problemlösung gefordert wird. Folglich plane ich nur wenig tatsächlich vor. Ich notiere mir stattdessen Nexuspunkte, an denen sich Personen und Ihre Agenden mit Ereignissen und ihren jeweiligen Auswirkungen verknüpfen und so jeweils einen Vortex an Möglichkeiten erzeugen. Ich gehe jetzt mal soweit es „meine Nexus-Vortex-Methode“ zu nennen; und ich möchte davor warnen, zu denken, dass ich mir dadurch Arbeit sparen würde. In meinem Notizbuch habe ich eine ganze Auswahl an NSCs mit Zielen und Aufgaben und in meinem Webglossar einen wachsenden Schatz an Orten und (geplant, aber noch nicht ausgeführt) natürlich Beschreibungen bereits abgelaufener Ereignisse. Dies immer wieder zu ordnen, während die Charaktere durch meine Sitzungen marschieren ist meine Aufgabe.

Wenn also zum Beispiel in einer meiner Sitzungen ein Hacking-Device ein unheilvolles Eigenleben entwickelt, haben meine Charaktere eine ganze Menge Möglichkeiten, dem entgegen zu treten. Sie haben es zuerst abgelenkt, den Datenstrom zu seinem Ziel verfolgt und dann mit einer EMP-Granate außer Gefecht gesetzt. Der Umstand, dass es sich dabei um einen Cyberschädel mit einem künstlich gezüchteten, sich unerwartet selbst regenerierenden biologischen Gehirn darin gehandelt hat, ließ das Ganze zudem ein bisschen gruselig wirken. Möglich gewesen wäre, es auf verschieden Arten direkt anzugreifen, es direkt zu hacken, es gewähren zu lassen, oder es gar bei Auffinden sofort zu vernichten. Stattdessen wollten sie es untersuchen und dann nahmen die Dinge ihren Lauf. Aber zu keiner Zeit habe ich die Charaktere zu etwas genötigt. Alle Entscheidungen wurden selbst und zum Teil unabhängig voneinander getroffen. Dennoch entstand alsbald Teamwork. Wenn eine Gruppe so funktioniert, kommt bei mir Laune auf.

Was ich damit sagen will ist dies: lernt, eure Geschichten fliegen zu lassen, nötigt die Spieler lediglich dazu, Stellung zu beziehen und etwas zu tun, oder zu lassen. Doch gebt ihnen bitte nicht vor, wie sie auf etwas zu reagieren haben. Das tötet nur die Lust am Spiel, weil es oft als Unfairness empfunden wird – zumindest von mir! Aber nur mit Spaß heißt es: aways game on!

Auch zum Hören…

Der verwirrte Spielleiter #04 – Fairness? Was ist das?

„Warum hat sich das regeneriert? So was habe ich ja noch nie gesehen. Das kann doch gar nicht sein…“ Ich habe da neulich eine, für meine Story aus meiner Sicht wichtige Wendung eingebaut, welche den Charakteren eine Chance geben sollte, einem neuen Antagonisten in meiner Space-Opera-Cyberpunk-Kampagne auf die Spur zu kommen. Das wurde primär nicht gut aufgenommen, weil es unerwartet kam. Doch ich bin der Meinung, dass das Unerwartete, das Unberechenbare, das Unbestimmte ja gerade der Stoff ist, aus dem Geschichten gesponnen werden sollten. Daher möchte ich zunächst auf den Unterschied zwischen Standardhandlungen und dem Unbekannten eingehen.

Ich habe gerade die Tage gesagt, das Standardhandlungen der Charaktere auch erwartbare Resultate liefern sollten. Wenn also der Charakter mit seinem üblichen Plasmablaster auf einen gewöhnlichen Gegner schießt, dann erwartet er vielleicht, weil das die letzten acht Male auch so war, dass der beim dritten Treffer umfällt. Braucht er plötzlich sieben Treffer, oder mein NSC für seinen Charakter nur einen einzigen- weil ich als SL gerade heute Lust drauf habe, ein paar Charaktere wegzuputzen – ist das Spiel dysfunktional geworden. Denn, da es sich beim Rollenspiel um eine Geschichte handelt, die wir – also SL und Spieler – gemeinsam erzählen wollen, müssen wir uns auch alle halbwegs an die Regeln halten.

Diese Aussage bezieht sich auf die mechanischen Konventionen, die zur Auflösung von Konflikten oder zur Lösung schwieriger Aufgaben verwendet werden. Also auf die Frage, wann welche Würfel welche Ergebnisse zeigen müssen, damit alle Lächeln können. Das ist natürlich von Regelwerk zu Regelwerk unterschiedlich gelöst, aber das grundlegende Prinzip bleibt dabei das gleiche: Hierbei sollten alle (fast) immer skrupulös handeln, denn sonst zerstört man das Vertrauen der Spieler in die Fairness des Spiels. Fairness ist jedoch ein wichtiger Faktor. Wie bereits neulich gesagt, wollen wir als SL unsere Spieler mit ihren Charakteren siegen sehen. Natürlich wollen die Spieler ihre Charaktere ebenso siegen sehen! Aber der Kampf bzw. die Schwierigkeit der Aufgabe muss fair gestaltet sein; sie wollen sich ihre Erfahrung hart verdienen und nicht einfach nur hinterher geworfen bekommen.

Damit stehe ich als SL vor einem großen Problem: dem nämlichen schmalen Grat aus DVSL#03, auf dem zu wandern ich immerzu gezwungen bin. Nehmen wir an, ich als SL verwickle die Charaktere in einen Boss-Kampf. Mit den Henchmen des Ober-Gegners läuft es so, wie sonst auch. Doch der Boss zaubert plötzlich – ohne, dass die Charaktere eine Chance gehabt hätten, sich darauf vorzubereiten – absurde Fähigkeiten aus dem Hut, die in keinem Regelwerk stehen und die ganze Gruppe im Nu beinahe killen. Wenn es dafür keine gute Erklärung gibt, ist das Spiel gestorben. Gebe ich jedoch jedem Charakter vor dem Zusammentreffen mit dem Big Boss eine nirgendwo dokumentierte BGF9000, wird das zu einer ebenso nutzlosen Erfahrung, weil es zweimal ordentlich rummst und dann war’s das. Beide Extreme illustrieren, warum man sich an den, durch das gewählte Regelwerk beschriebenen Rahmen halten sollte.

Big Boss, die Dritte: Alle haben Ausrüstung und Fähigkeiten im Rahmen dessen, was die Regeln hergeben, dennoch ist der Endgegner schwer zu überwinden, weil er einfach sehr gut in dem ist, was er so tut. Der Kampf dauert an, da verlässt die Fortune die Würfel eines Spielers im denkbar ungünstigsten Moment… Ich als Spielleiter muss sehr schnell durchdenken, wie ich die Sache ausgehen lasse. Und ich habe durchaus Möglichkeiten, das Ergebnis einer unglücklichen Aktion so zu moderieren, dass es seine eigentliche Schärfe verliert. Ob ich das durch Humor/Slapstick oder aber großes Drama tue, ist vollkommen egal. Wichtig ist auch hier, dass ich fair bleibe und mein Eingriff so subtiler Natur, dass die Spieler ihn akzeptieren.

Manche Dogmatiker werden jetzt sagen, dass der Spielleiter nicht bescheißen darf, auch wenn er damit vielleicht einen, oder sogar mehrere Charakter aus dem Spiel nimmt. Ich sage, dass ist kein Bescheißen, sondern kreative Realitätsmodifikation. Ich töte einen Charakter nämlich zum Beispiel nur sehr ungern auf Grund von dämlichem Würfelpech. Zum einen, weil ich ein Fan der Charaktere bin, zum anderen, weil ich genauso wissen will, wie die Geschichte ausgeht, wie meine Spieler auch. Denn als kollaborativer Geschichtenerzähler lasse ich mich selbst gerne davon überraschen, wohin der Zug fährt. Neulich zum Beispiel haben die Charaktere ein Vehikel, dass Ihnen später noch hätte dienlich sein können vom Himmel geholt, weil sie eine Antagonistin ums Verrecken nicht entkommen lassen wollten. Dann ist das halt so.

Worauf ich hinaus will, ist folgendes: wenn ich mir, womöglich über einen längeren Zeitraum die Mühe gemacht habe, die Charaktere aufzubauen, um (hoffentlich) ein paar bestimmten Storyhooks nachzugehen und in ein bestimmtes Geschehen hinein zu stolpern, wäre es höchst widersinnig, einen, oder auch mehrere dieser Charaktere dem Zufall zu überantworten. Das bedeutet nicht, dass es nicht doch mal zu Todesfällen kommen kann, insbesondere, wenn es der Dramatik der Geschichte dienlich ist und der Held mit einem gebührenden Knall abgehen kann. Aber wenn das passiert, muss es eine Chance für den Spieler geben, irgendwie wieder in das Spiel zu kommen. Denn auch er hat ein Anrecht darauf zu erfahren, wie diese Geschichte, an der er ja beteiligt ist, weitergeht. Kille ich mal eben so seinen Charakter, nehme ich ihm dieses Recht!

Was nun das anfangs erwähnte Unbekannte anbelangt: damit verhält es sich ähnlich. Und nutze ich etwas neu eingeführtes gegen die Charaktere, geben ich ihnen im Nachgang selbstverständlich die Chance, sich diesen neuen Aspekt des Spiel selbst zu nutze zu machen, um sich gegen zukünftige Bedrohungen wappnen zu können. Auch hier gilt, dass mein Eingriff subtil erfolgen und glaubwürdig auf dem aufbauen sollte, was es schon gibt. Wenn in meiner Space-Opera-Cyberpunk-Kampagne plötzlich irgendjemand ultraheiße Feuerbälle um sich würfe, wären meine Spieler vollkommen zu recht angepisst, weil Magie nirgendwo in meinen Handouts erwähnt wird. Sich selbst regenerierendes Gewebe gab’s aber schon. Ich habe da nur Bestehendes extrapoliert und neu abgemischt; et voilá, ich habe sie damit vollkommen überrumpelt.

Mit dem cheatenden SL ist es wie mit allem. Die Dosis macht, dass ein Ding ein Gift ist. Setze ich das sparsam und bewusst als Werkzeug ein, um die Geschichte voran zu treiben, oder mal einen Charakter am Leben zu lassen, wird es von den Spielern nach meiner Erfahrung als fair empfunden. Und da unser oberstes Ziel Spaß ist, kann es damit so falsch nicht sein. In diesem kontroversen Sinne: always game on.

Auch zum Hören…

Der verwirrte Spielleiter #03 – reden kann doch jeder…

…oder so? Die Krux an diesem Satz ist, dass sehr viele Menschen einfach mal Dinge tun, mit denen sie nicht so klar kommen. Kinderkriegen zum Beispiel, oder Autofahren. Kommunikation gehört auch dazu. Nicht umsonst widmen sich mehrere Disziplinen fachwissenschaftlich diesem Sujet; doch ich werde jetzt NICHT anfangen, über einschlägige Theorien zu referieren. Erstens, weil das den einen oder anderen überfordern könnte (nicht kognitiv, wohl aber an der Aufmerksamkeitsspanne). Und zweitens, weil das hier Spielleiter-Tipps sein sollen – also Ratschläge, die auch etwas mit dem echten Leben am Spieltisch zu tun haben. Denn erinnert euch bitte: wir kommen dort zusammen, um Spaß zu haben!

Es gibt eine goldene Regel, die aller Kommunikation am Spieltisch zu Grunde liegt:

Der Spielleiter muss ein FAN der Spieler und ihrer Charaktere sein!

Eigentlich ist damit schon fast alles gesagt. Sehen wir uns diese Aussage trotzdem etwas näher an. Warum Fan? Weil mit Fandom einhergeht, dass ich einerseits dem Subjekt meines Fan-Seins Aufmerksamkeit entgegen bringe. Also genau höre, was gesagt wird. [WICHTIG: Verwechselt das an dieser Stelle bitte nicht damit, dass ich als SL deswegen auch automatisch weiß, was der Spieler mit seinen Äußerungen für seinen Charakter gemeint haben könnte…] Und sehe, was nicht gesagt wird. Denn – auch wenn es ein Allgemeinplatz ist – bei weitem nicht alles, was wir kommunizieren findet rein über die Sprache statt. Womit auch klar wäre, dass das in der Überschrift genannte Reden allein nicht ausreicht.

Andererseits bedeutet Fandom aber auch, dass ich die Spieler siegen sehen will. So wie eine individuell favorisierte Sportmannschaft. Sie sollen den Shit rocken dürfen! Was wiederum nicht bedeutet, dass ihnen das einfach fallen soll/muss. Meine Spieler (insbesondere etwas erfahrenere Spieler) haben ein feines Näschen für Balance. Sind die Siege zu leicht, oder zu schwer, bzw. bleiben ganz aus, werden sie alsbald mürrisch sein. Zu recht. Der schmale Grat, sie ausreichend Erfahrung und Macht sammeln zu lassen, kommende Hindernisse und Antagonisten zu überwinden, während ich sie weder am ausgestreckten Arme hungern lasse, noch mit Goodies überhäufe, ist immer wieder eine Herausforderung. Aber dazu bei Gelegenheit mehr

Ich sollte meine Spieler, ihre Wünsche und Ideen, ihre jeweils eigenen Pläne für ihre Charaktere (in denen wahrscheinlich eine Menge Arbeit und Herzblut steckt) stets respektieren und das in meinem Handeln ausdrücken. Insbesondere in meinen Worten, Gesten und meinem Mienenspiel. Zweifelsohne klappt das nicht immer und in einer etwas mehr casual ausgelegten Runde bin ich wahrscheinlich nicht immer zu 100% da. Das soll keine Missachtung meiner Spieler oder meiner Spielleiter sein, sondern das Eingeständnis, dass es schlicht unmöglich ist, mehrere Stunden am Stück intensiv aufmerksam zu bleiben. Wenn ich ein wenig „drifte“ versuche ich aber, das Spiel der anderen nicht zu stören.

„Spotlight“ ist hier der entscheidende Faktor. Während einer Spielsitzung sind nicht immerzu alle Charaktere in alles involviert. In dem Moment, in dem der Lichtkegel aber auf mich fällt, werde ich als Spieler zur Rampensau. Als SL nehme ich eine eher passive Rolle ein. Ich beschreibe die Dinge. Ich warte auf die Aktionen meiner Spieler, treffe Entscheidungen darüber, welche Auswirkungen diese wohl haben werden (oder lasse die Würfel dies entscheiden, denn wer bin ich schon, alles wissen zu wollen 😉 ) und beschreibe dieser Auswirkungen, damit meine Spieler darauf neu reagieren können. Ich habe aber als SL KEIN Spotlight. Im Gegenteil, ich selbst versuche bewusst, dies zu vermeiden, denn es ist nicht meine Show, sondern vielmehr die meiner Spieler (bzw. ihrer Charaktere).

Nun ist es so, dass es auch am Spieltisch emotional hoch hergehen kann Und nicht immer trennen wir die Gefühlswelt von Charakter und Spieler oder Spielleiter dabei sauber. Das ist menschlich, denn letzten Endes ist jeder Charakter im Rollenspiel eine ausdifferenzierte, überspitzte, vielleicht sogar parodierte Facette unseres Selbst. Wir spielen ja mit Rollen – also auch mit den Rollen, die das Leben in uns angelegt hat. Daher lautet die zweite goldene Regel am Tisch:

Seid friedlich zueinander! Stress hat am Spieltisch eigentlich nichts verloren!

Und wenn doch mal welcher entsteht, was nicht ausbleiben wird, erinnert euch eurer Kinderstube. Wir sind alle nur Menschen und dies ist ein soziales Spiel. Manchmal muss man Fünfe gerade sein lassen, einmal tief durch die Hose atmen und sich einen Kaffee holen gehen. Dann wird das schon wieder. Wie mit allen Dingen, so ist es auch mit dem kommunikativen Aspekt des Spielleitens: Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen, außer durch mehr Erfahrung!

Es wird immer wieder Situationen geben, in denen eine SL-Entscheidung Diskussionen oder zumindest Unmut auslöst. Daher empfehle ich, sich in solchen Momenten die erste Regel ins Gedächtnis zu rufen. Sei ein Fan deiner Spieler! Ist eine Entscheidung gegen die Spieler in ihrer Härte nicht unbedingt von Belang für die Handlung, stoßt sie um, oder mildert die Folgen ab. Nicht, weil ich als SL eine Pussy bin, sondern weil ich nur jene harten Entscheidungen durchdrücken werde, welche auch für die Geschichte von Belang sind. Wissen meine Spieler (und die merken sich solche Dinge mit einer Präzision, die auch mich immer wieder irritiert), dass sie mir vertrauen können und ich sie nicht ohne guten Grund in die Scheiße reite, werden sie viel eher bereit sein, auch etwas zu akzeptieren, was ihnen (oder besser ihren Charakteren) erstmal gar nicht schmeckt. Womit wir bei der letzten wichtigen Regel wären:

Seid konsistent in eurem SL-Handeln! Gleichartige Aktionen der Charaktere müssen auch erwartbar gleichartige Ergebnisse in der Spielwelt erzeugen.

Hat man sich und seine Spieler an diese Dinge gewöhnt, läuft der Laden meist schon ganz gut. In meinem nächsten Post gehe ich auf SL-Entscheidungen ein – und, warum SL manchmal auch bescheißen dürfen sollten. Bis dahin: always game on!

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