Wenn man verschiedene Beschreibungen und Charakterisierungen von Pen&Paper gelesen und vielleicht auch mal an Runden teilgenommen hat, entsteht schnell der Eindruck, dass Würfeln nicht nur integraler Bestandteil des Spiels ist, sondern das zudem die Entwicklung der Geschichte stets vom Glück mit den regelmäßigen Polyedern abhängt. Dieser Eindruck trügt jedoch. Natürlich wird in vielen Regelwerken das Würfeln für die Auflösung kritischer Handlungen benutzt. Denn bestünde nicht die Gefahr eines Fehlschlages, weil einfach alles klappt, wäre das einfach grausam langweilig. Denkt doch mal an einen Film, in welchem dem Protagonisten einfach alles gelingt; der wäre nach ca. 25 Minuten zu Ende. Aber es wird nicht um des Würfeln Willens gewürfelt. Mal davon abgesehen, dass sowieso nicht in allen Regelwerken gewürfelt wird. Es gibt auch andere Methoden. Ich gestehe aber, dass ich Würfel mag…
Dem Würfelwurf geht jedoch üblicherweise ein komplexer Prozess voraus: Eine Situation wurde vom SL beschrieben, und nun gibt es für einen, oder auch mehrere Charaktere eine Zahl n an Handlungsoptionen. Manchmal entscheidet ein Spieler allein über seine Handlungen, oft sprechen sich die Spieler auch ab. Aber gleich, wie kurz oder lang dieser Findungs-Prozess auch dauern mag, am Ende steht die Entscheidung für eine Herangehensweise. Die Spieler beschreiben nun die Umsetzung der gewählten Option. Je nachdem, welcher Spielstil am Tisch vorherrscht, kann diese Beschreibung sehr einfach sein (ich greife den ersten Ork von links mit dem Schwert an), oder die Formulierung eines komplexen Planes beinhalten (Team A geht vorne rein, Team B hinten, während Team C das Sicherheitssystem hackt und Team D auf dem Dach landet).
Aufgabe des SL ist es nun, auf Grund der Beschreibungen seiner Spieler festzulegen, welche Würfelwürfe mit welcher Schwierigkeit von Nöten sind, damit die Aktion oder der Plan funktionieren kann. Und das ist gar nicht so einfach. Denn es ist notwendig, zu identifizieren, welche Skills für die Umsetzung einer Idee gebraucht werden und wie komplex die einzelnen Aufgaben sind; also, ob es Modifikatoren auf die einzelnen Fertigkeitsproben gibt, oder ob ein einfacher Wurf genügt. Und dieser Prozess ist nicht ohne. Denn es hängt nicht nur vom zur Zeit verwendeten Regelwerk ab, zu welchen Entscheidungen ich als SL komme, sondern auch von der Erfordernissen des Settings und des gerade gespielten Szenarios. Mal ganz davon ab, dass sich nicht jedes Regelwerk für jede Art von Spiel eignet.
Nehmen wir mal an, ich spiele eher cineastisch und meine Spieler-Charaktere sind Helden, die in einer kontinuierlichen Geschichte die Welt retten sollen. Dann werde ich bestimmte Einzelereignisse, die nur dem Aufbau der Spannung hin zu einer Klimax mit einem epischen Kampf zwischen Gut und Böse dienen sollen, sicher nicht mit einer Hammer-Schwierigkeit belegen, sondern es laufen lassen und manchmal auch gar keinen Wurf verlangen, wenn das Vorgehen gut beschrieben wird; denn Prämisse und Fokus des Spiels liegen ja nicht beim Bekämpfen unbedeutender Henchmen, sondern bei der finalen Schlacht, bis zu der die Helden aufgebaut sein sollen/müssen.
Richte ich mein Spiel allerdings an den Interessen und Motivationen einzelner Pro- und Antagonisten aus, können einzelne, zunächst eher unbedeutend erscheinende Taten oder Ereignisse durchaus von Belang für das Endergebnis sein, weil diese einzelne Personen in ihrer Agenda tangieren. Folglich werde ich hier im Einzelfall die Schraube anziehen, wenn ein prüfender Blick auf die Fertigkeiten der Charaktere und ihrer Gegenspieler dies hergibt. Ein wichtiger Aspekt ist also die Bedeutsamkeit einer einzelnen Aktion oder eines Planes für die Geschichte als Ganzes.
Der andere Blickwinkel ergibt sich nun aus der Frage, wie kompliziert das antizipierte Vorgehen im Gesamtgefüge des Spiels und mit Blick auf die Fähigkeiten des jeweiligen Charakters ist. Ein geübter Profi-Rennfahrer wird bei einer Verfolgungsjagd nicht so ins Schwitzen kommen, wie ein Versicherungsvertreter, der immer mit der Bahn zur Arbeit fährt. Und ein Barbar aus Vulgarien wird sich mit der Reparatur eines Plasma-Projektors sehr viel schwerer tun (…ist böse Magie, oder?), als der Chefingenieur einer schweren Pellaquinischen Raumfregatte. Das Zahlenschubsen als solches ergibt sich natürlich aus den Maßgaben des verwendeten Regelwerkes, aber die Vorüberlegungen muss der SL schon selber erledigen…
Sind alle Aspekte durch den SL bedacht und die notwendigen Würfe incl. Schwierigkeit benannt, gehen die Spieler frisch ans Werk. Die Würfel symbolisieren dabei ein Stück weit das Schicksal. Natürlich hat jedes Regelwerk seine Eigenheiten, welche jeweils die Wirksamkeit des Schicksals begrenzen oder ausweiten, aber das ist Teil des zuvor festgelegten Settings. Ob alles gelingt, oder nicht…; in jedem Fall entsteht eine neue Situation und der Anfangs beschriebene Zyklus der Entscheidung beginnt ebenfalls erneut. Aus meiner Sicht sind es nicht die Würfel, welche über Wohl oder Wehe der Charaktere und ihrer Agenda bestimmen, sondern die getroffenen Entscheidungen. Denn schon das beschriebene Herangehen entscheidet darüber, ob ein Wurf eine große oder eine kleine Chance auf Erfolg in sich trägt. Aber die Chance auf einen kritischen Fehlschlag besteht natürlich immer. Und irgendwie ist das ja auch ein Teil des Salzes in der Suppe… In diesem Sinne: always game on!
2 Antworten auf „Der verwirrte Spielleiter #11 – Kritischer Fehlschlag…!“