Randnotizen eines Erschöpften #12 – Sprache vs. Terror…?

Nun ist es also amtlich. Ein von rechter politischer Gesinnung motivierter Mord an einem Politiker. Hatten wir schon eine Weile nicht mehr. Ich meine, rechte Gewalt, rechter Terror sind nie weg gewesen, aber sie waren im Bewusstsein der Gesellschaft immer schön am Rand, oder sogar ein Stück dahinter vergraben. Wenn linke Terrorakte begingen, hatte es stets etwas von einem Staatsakt, wie darüber berichtet wurde, aber Rechte, die Terror machten? DAS durfte es in einer angeblich entnazifizierten Republik nicht geben!

Nun gab es das aber immer; und auch wenn der Whataboutism der Medien und vieler Politiker immer einen Riesen-Bohei um die Zahl der Opfer des linken Terrorismus zelebrierte, um schön vom braunen Sumpf abzulenken, der allenthalben in der jungen Republik gärte, gibt es das jetzt auch offiziell. Es wurde lange genug relativiert, herum laviert und unsere Demokratie unterminiert, aber es muss laut gesagt werden: unsere Gesellschaft hat ein Nazi-Problem! Und zwar ein gewaltiges! Denn wenn Menschen bejubeln, dass ein CDU-Politiker getötet wurde, weil er so frei war, darauf hinzuweisen, dass Flüchtlinge aufzunehmen zu unserer politischen Kultur als Demokratie und zu unserem, ach so heiligen, christlich-westlichen Wertekanon gehört, dann muss ich mich nicht wundern, dass mit der Sprache allenthalben auch der Umgang insgesamt verroht.

Georg Seeßlen dekliniert in seinem heutigen Essay auf Zeit Online die Funktionsweise des politischen Mordes an sich. Und sein Hinweis, dass wir zwischen der Person und der Funktion, welche sie trägt sowohl juristisch als auch ethisch unterscheiden müssen, beweist tiefes Verständnis für Semiotik. In der Psyche eines Täters werden die Person und die Zeichen, bzw. Symbole, die sie aussendet eins. Walter Lübcke war wohl ein aufrechter Demokrat, aber was die Rechten wahrnahmen, war Folgendes: „DER LÄSST ASYLANTEN REIN! UND SAGT AUCH NOCH, WIR SOLLEN DIE FRESSE HALTEN ODER VERSCHWINDEN! DER IST KEIN AUFRECHTER DEUTSCHER!“ Das Walter Lübcke selbst ein konservativ-christlicher Politiker war, der einfach nur die Zeichen der Zeit erkannt hatte und pragmatisch handeln musste, ist ihnen dabei entgangen.

Wir neigen sehr oft dazu, Menschen auf ein einzelnes, von uns wahrgenommenes, Symbol zu reduzieren. Meist sind dabei optische Reize dominant und heraus kommt dabei zum Beispiel folgende Stereotypisierung: „dicke Menschen sind faul, dumm und unbeweglich!“. Wie dumm, oder faul, oder unbeweglich dicke im vergleich mit schlanken Menschen sind, oder ob die Gewichtszunahme bestimme Gründe hat, wird dabei übersehen. Viele vergessen sogar, dass es diese Frage geben könnte! Das gilt aber natürlich auch für Reize, welche auditiv (durch Hören) wahrgenommen werden.

Es ist kein weiter Weg von der Verächtlichmachung zur Stigmatisierung und dann weiter zur aktiven Diskriminierung. Ob ich mir dabei nun Dicke zum Ziel nehme, oder Grüne, oder Linke, oder Ausländer, oder gleich alle zusammen, ist dabei einerlei. Die Mechanik des Prozesses der Ausgrenzung und Stigmatisierung bleibt stets die gleiche. Und es beginnt IMMER MIT DER SPRACHE! Über die Zuweisung bestimmter Attribute, die als sprachliche Zeichen weitergegeben und so verbreitet werden. Erscheint der postulierte Zusammenhang irgendwie auch nur ein bisschen plausibel, stärkt er dabei vielleicht auch noch das Selbstwertgefühl der Diskriminierenden und wird er nur oft genug wiederholt, wird Propaganda zum Selbstläufer: „Flüchtlinge sind schlecht, denn sie nehmen uns die Arbeitsplätze und die staatlichen Zuwendungen weg!“. Das die gleichen Leute sich im nächsten Satz mit: „Flüchtlinge sind faul und liegen uns nur auf der Tasche!“ selbst widersprechen, wird dann nonchalant mit einem: „Ja was interessiert mich denn mein Geschwätz vorn vorhin!“ weggebügelt.

Und genau das passiert seit mittlerweile fast vier Jahren. Indem die Neo-Faschisten jeden gesellschaftlichen Diskurs kapern und mit ihren Hass-Thesen durchsetzen, erreichen sie einen Verbreitungsgrad, der vollkommen ausreicht, um den Teil der Bevölkerung, der für ihre Denke offen ist, zu radikalisieren. „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“ wird da gerne mit einem süffisanten Hinweis auf die Meinungs- und Redefreiheit gesagt. Dass diese Menschoiden, die sich so gerne auf Art. 5, Abs. 1 unserer Grundgesetzes berufen, diesen gerne für alle anderen einschränken würden, wird offenbar, wenn man nur offenen Auges durch unsere Medienlandschaft stromert. Und das dieses rechte Dauerfeuer mittlerweile auch Politiker anderer Parteien zu unglückseligen Ideen inspiriert, beweißt Frau Kramp(f)-Karrenbauer einmal mehr sehr deutlich.

Die Rechten lachen sich unterdessen kaputt und würden nun gerne auf die Zielgerade einbiegen. Und ihre Gefolgschaft? Ist in einer Filterblase gefangen, aus der man sie so leicht nicht mehr herausbekommt. Weil die sogenannten „Altparteien“ seit Jahren im diskursiven Dornröschenschlaf verweilen, anstatt die Deutungshoheit über die gesellschaftlich relevanten Themen mit sachlicher aber dennoch deutlicher Rhetorik zurück zu erobern. Denn eines weiß ich sicher, zu den Thesen Rechten: „NEIN, DAS DARF MAN NICHT EINFACH MAL SAGEN!“ In diesem Sinne noch eine heiße Woche…

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Der verwirrte Spielleiter #10 – Tempo, Tempo!

„Das ging jetzt viel zu schnell?“. „Was ist da noch mal passiert?“. „Wo sind die jetzt abgeblieben?“. Fragen, die man sich manchmal bei der Betrachtung eines Filmes oder einer Serienepisode stellt. Vieles passiert schnell hintereinander, oder die Szenen sind so geschnitten, dass es gefühlt quasi sogar gleichzeitig passiert. Da kommt Stimmung auf. Präzise ist es allerdings nicht irgendeine Stimmung, sondern Spannung, die gerade entsteht. Und das wollen wir doch eigentlich als SL erreichen, oder?

Zumindest teilweise ist das wahr. Damit die Spieler wirklich die Gesichte kaufen, oder besser, in die Geschichte einsteigen; damit sie bereit sind, sich auf den Scheiß, den ich mir ausgedacht habe einzulassen, ist es zwingend notwendig, dass Dinge passieren, die Interesse erregen. Ein Story-Hook – also eine Person, ein Gegenstand, ein Ereignis, weckt zunächst die Neugierde der Spieler und damit ihrer Charaktere – ist das eine. Haben sie die Fährte aufgenommen, muss aber im weiteren Verlauf einerseits das jeweilige Tempo der Szene stimmen; aber auch der Rhythmus, in dem die Szenen aufeinander folgen.

Wie oft hört man bei Beschreibungen oder Kritiken zu Büchern, Filmen, Spielen, dass die erste Hälfte langatmig war, die Sache dann aber Tempo aufgenommen hat? Es scheint eine Binse des Kreativ-Arbeiters zu sein, dass man dem Konsumenten erst mal einen Eindruck geben muss, die Chance, sich in einem Setting mental einzurichten. Ein solcher Eindruck kann langsam unter Einbezug ruhigerer Stimmung aufgebaut werden. Es ist aber genauso möglich, mit einem Knall zu starten.

Beide Herangehensweisen sind legitim; die Auswahl hängt von der Prämisse des Spiels ab. Bei der Erstberührung mit einer phantastischen Welt (egal ob Sci-Fi, klassische Fantasy, Gothic Horror, etc.) macht es Sinn, den Spielern die Zeit zu geben, sich ein Bild von dieser Welt zu machen, ein Gefühl für ihre Ordnung und Funktion zu bekommen. Kennen die Spieler (und ihre Charaktere) das alles jedoch schon, darf man auch gern knackiger einsteigen. Oder, wenn die Welt als solche bekannt ist und lediglich Teile der Kosmologie geändert wurden (Urban Fantasy).

Hat das Spiel begonnen, sind es zu einem nicht unerheblichen Teil die Spieler, die den Szenen-Rhythmus durch ihre Entscheidungen bestimmen. Ich als SL präsentiere in aller Regel ja Optionen und irgendwann kommt auch die schlimmste Qual der Wahl zu einem Ende und die Spieler gehen entweder durch Tür A, B oder C – oder schießen sich ungefähr bei K durch eine Wand. Aber das ist dann deren Entscheidung, nicht meine. Ich als SL beeinflusse den Szenen-Rhythmus nur, indem ich bestimmte Optionen aufzeige. Welche schließlich zum Tragen kommt, kann ich aber nicht vorher wissen. Wichtig für mich ist nur, dass ich für jede eventuelle Szene eine Idee bezüglich der nun folgenden Ereignisse habe.

Was das Tempo der Szene selbst angeht, bin jedoch ich als SL am Drücker. Betrachtet man den szenischen Aufbau von Büchern und Filmen, so fällt auf, dass im Buch so gut wie alle Dinge notwendigerweise – mal mehr, mal weniger ausführlich – beschrieben werden müssen, die ich im Film mal eben schnell zeigen kann. Im Buch nehme ich mir dafür tendenziell mehr Zeit für die Entwicklung meiner Charaktere, für die Exposition der Konflikte, etc. und kann, mit etwas Geschick, deutlich einfacher in die Tiefe gehen, als beim Medium Film. Die kurzen Aufmerksamkeit-Spannen sehr vieler Menschen verlangen heute ein hohes visuelles Erzähl-Tempo; allerdings erlaubt der Stand der Technik auch eine deutlich höhere Story-Dichte, als beim Buch.

Pen&Paper liegt irgendwo dazwischen. Ich bin nicht auf eine Abfolge festgelegt, wie Buch und Film sie haben. Ich habe zwar auch ein Story-Board, doch das ist modular angelegt. Und ich kann die Geschwindigkeit einer Szene on the fly ändern, wenn ich merke, dass die Spieler gerade nicht mitgehen, oder aber nicht mitkommen. Und genau hier liegt die Kunst, die sich nur durch Erfahrung erlernen lässt: zu spüren, wann die Spieler mehr Rumms brauchen und wann man vom Gas gehen muss. Dazu muss ich stets präzise wissen, was die Charaktere (ab)können und was sie motiviert. So wie die Skalierung der Antagonisten zu den Charakteren passen muss, so muss das Tempo zur Geschichte passen, die gerade läuft.

Eine wichtige Stellschraube ist dabei die In-Game-Zeit. Ich kann als SL mit einem Fingerschnippen mehrere Wochen vergehen lassen. Manchmal braucht man aber für das Ausspielen von einer Minute In-Game-Zeit eine Stunde. Zum Beispiel beim Kämpfen. Merke ich als SL, dass meine Spieler von der Non-Stop-Action eine Pause brauchen, oder das eine Aktion, die ich selbst gar nicht auf dem Schirm hatte, ihnen jetzt wichtig ist, dann gehe ich mit und lasse die Spieler den Fluss ihrer Geschichte bestimmen. Was die NSC in der Zeit tun, ist ja deren Sache. Jeder hat SEINE Agenda.

Pacing ist also aus meiner Sicht die Kunst, die (wichtigsten) Wünsche der Spieler und die Notwendigkeiten der jeweils erzählten Geschichte, durch geschicktes Spielen mit der Zeit, miteinander zu versöhnen und dabei weder zu viel Leerlauf noch zu hohe Story-Dichte zu erzeugen. Wie bereits gesagt, Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen – außer durch mehr Erfahrung. Trotzdem muss man keine Angst davor haben. Aus meiner Sicht hilft es, bei einem verfilmten Buch, das man selbst mag, beide Medien hinsichtlich des Umganges mit Rhythmus und Tempo zu analysieren. Irgendwo in der Mitte läge dann die Herangehensweise des SL. Das ist keine Wissenschaft, macht aber Spaß, denn sich mit anderen Medien auseinanderzusetzen, ist für die eigene Kreativität nie von Nachteil. In diesem Sinne, ein schönes Wochenende und always game on.

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Stress vs. Angst…?

Es ist seit Ulrich Beck’s Diktum von der Risikogesellschaft ein Allgemeinplatz, dass die steigende Komplexität unseres sozialen Umfeldes die Menschen ängstigt. Weniger – und vor allem auch weniger prägnante – Landmarken, höhere Anforderungen, eine schnellere Taktung; all das fordert unsere Sinne tagtäglich heraus, lässt unser ARAS (Aufsteigendes reticuläres Aktivierungs-System) heißlaufen und gibt unserem Hirn bisweilen mehr Futter, als es zu verarbeiten in der Lage ist. Erst, wenn wir eine Situation oder einen Sachverhalt als bedrohlich empfinden und außerdem feststellen, dass wir zu wenig, oder gar keine Ressourcen zur Verfügung haben, damit umzugehen, wird aus der Anforderung Stress.

Doch es gibt natürlich auch eine Feedbackschleife (in diesem Modellbild blau). Diese erlaubt es uns, aus bisher erlebtem Stress zu lernen und resilienter gegenüber später auftretenden Situationen zu werden. Das ist der Grund, warum High-Risk-Teams unter (weitestgehend) realen Einsatzbedingungen trainieren. Denn auch unsere individuelle mentale Resilienz ist – zumindest teilweise – wie ein Muskel, den man aufbauen kann. Doch man kann sich nicht auf alle Situationen vorbereiten. Es gibt viele soziale und politische Rahmenbedingungen, auf die wir keinen Einfluss haben und an denen wir primär nichts ändern können. Den daraus entstehenden Stress zu ertragen lernen funktioniert zwar auch durch Exposition; jedoch nur begrenzt.

Angst hingegen ist eine Grundemotion, die üblicherweise mit einer physischen (sympatho-adrenergen) Reaktion einhergeht und zumeist einen klar benennbaren Auslöser hat. Neuere Forschungen zeigen, dass es wohl einen physiologischen Zusammenhang zwischen Stress und Angst gibt; allerdings ist dieser noch nicht vollständig entschlüsselt. Wohl aber darf man davon ausgehen, dass ständiger Stress mit pathologischer Angst einher geht. Sehr individuell ist jedoch die Frage, was als Stressor auf uns wirkt. Es gibt verschiedene Theorien, die auch Einstellungen und andere sozialpsychologische Dispositionen in die Genese von Stressoren einbeziehen. Letztlich geklärt ist diese Frage nicht.

Wie komme ich überhaupt darauf? Nun, ich las dieser Tage mal wieder Zeitung und stolperte über einen Artikel, der die Geschichte rechtsextremistischen Terrors in der BRD seit Ende des zweiten Weltkrieges beleuchtet. Für sich betrachtet interessant, aber jetzt nichts ultimativ Neues. Interessant fand ich jedoch die Diskussion, die sich um die Eigenart rechten Terrors dreht, dass es eigentlich fast immer Lone-Wolf-Täter waren, die sich zudem so gut wie nie öffentlich zu ihren Taten bekannt haben, wie man das z.B. von der RAF oder der Action Directe kannte. Und das man gegen den allein operierenden Terroristen eigentlich nichts tun könne. Was leider eine korrekte Annahme darstellt.

In der Darreichungsform ist islamistischer Terror also von rechtsextremistischem Terror nicht zu unterscheiden. Beide Tätertypen radikalisieren sich zumeist alleine, heutzutage im Online-Umfeld und betätigen sich aus intrinsischer Motivation heraus als Verbreiter von Gewalt. Interessant daran ist, dass beide Gruppen jeweils eine tatsächliche Wahrnehmung der Realität des anderen vollkommen ausblenden und nur das Gegner-Klischee verinnerlichen. Die menschliche Grundfähigkeit Empathie wird – im Hinblick auf den vermeintlichen Feind – quasi abtrainiert. Der Stress beim Anblick dieses – für wahr genommenen – Zerrbildes nimmt zu, kann nicht mehr verarbeitet werden und kulminiert in dem Bedürfnis, zu zerstören, was einen ängstigt.

Es gibt für den Begriff „Terrorismus“ keine eindeutige Definition; die allermeisten von uns verstehen darunter aber üblicherweise hinterhältige, unvorhersehbare Gewaltakte gegen ein Gemeinwesen, mit dem Ziel, die Menschen darin in Angst und Schrecken zu versetzen, um so bestimmte politische Ziele durchsetzen zu können. Und die Frage, die mich seit dem Lesen umtreibt ist folgende: Haben wir uns mittlerweile so sehr an Terror gewöhnt, dass uns das hasserfüllte, rassistische, durch und durch verachtende Treiben und Skandieren des rechten Mobs einfach nicht mehr kratzt? Hat uns die Erfahrung tatsächlich so sehr gegen die Angst vor einer Wiederholung der Geschichte imprägniert, dass wir das alles nurmehr als riesige Reality-Soap begreifen?

Denn der Stress im Umgang mit den anderen, die Ängste, die daraus entstehen, sind ja durchaus ernst zu nehmen. Denn Angst als solches manifestiert sich für diejenigen, die unter dauerndem Stress stehen als vollkommen real. Ich unterstelle jetzt nicht jedem Rechten oder Nationalkonservativen eine Psychopathologie im Sinne einer Angst-Störung. Jedoch scheint mir der Mechanismus ähnlich. Und ich frage mich, wie wir als Gesellschaft diesen Kreislauf durchbrechen können, um wieder zu einem normalen Miteinander zu kommen. Denn wenn die Verrohung des Umgangs weiter zunimmt, kommen wir irgendwann an einen sehr finsteren Ort. Einen Ort, an dem ich nicht leben will. Denken wir doch mal gemeinsam drüber nach…

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Zeig mir deine Hütte!

Was soll man sagen? Berlin deckelt die Mietpreise für die nächsten fünf Jahre. Und jene Vermieter, die auf hohe Renditen durch ihr Geschäft spekulieren, werden sich sicher irgendwelche Möglichkeiten ausdenken, wie sie trotzdem absahnen können. Man kann von solchen Rendite-orientierten Unternehmen natürlich halten was man will; für ihre Shareholder MÜSSEN die allerdings Profit erzeugen. Und immer wieder finde ich es ulkig, wie dämlich einfache Leute sind, die durch Aktienerwerb genau diese Spirale des fiskalischen Unheils selbst mit befeuern und sich damit selbst die Preise treiben. Aber dazu irgendwann anders mehr. Wie viele Wohnungen sind es denn nun, die von den „Heuschrecken“ bewirtschaftet werden?

Wenn man den ausgewerteten Mikrozensusdaten Glauben schenken darf, sind ca. 59% der Vermieter kleine Hausbesitzer, ca. 24% Genossenschaften und kommunale Träger und nur ca. 17% die dauernd verteufelten Fondsgesellschaften wie „Vonovia“ oder „Deutsche Wohnen“. Mein Vermieter ist aber einer von diesen 59%, nämlich mein Schwiegervater. Er macht sich stets Sorgen um den Wert-Erhalt des Hauses, dass sich im urbanen Umfeld eines gewachsenen Stadtteils befindet, der sich allerdings in den letzten Jahren stark verändert hat. Stetige Bautätigkeit für so genannte Premium-Immobilien (hoher Freizeitwert, weil viel Grün und Fluss in Laufweite und trotzdem verkehrsgünstig, weil direkt am Hauptbahnhof und nur einen Katzensprung von der Autobahn entfernt), treibt auch in meiner Hood die Preise.

Und selbstredend werden auch hierorts bei Neuvermietungen die Preise angepasst. Allein schon deshalb, weil auch die Unterhaltungskosten eines gut 100 Jahre alten Sandsteingebäudes nicht eben kleiner werden. Altbau hat Charme, aber eben auch technische Macken, denen man immerzu hinterher renovieren muss. Und auch, wenn es genug kleine Besitzer-Vermieter gibt, die theoretisch näher an ihren Mietern dran sind, als gesichtslose Konzerne, sind diese – abseits aller Notwendigkeiten – nicht vor Gier gefeit. Man darf halt, wie bei jeder großen Mischkalkulation nicht alle über einen Kamm scheren. Fest steht aber, dass Eigentum verpflichtet – im Großen, wie im Kleinen. Würden sich alle daran halten, hätten wir keine Probleme.

Weil das aber gegenwärtig lediglich ein schöner Traum bleibt, ist die Diskussion über Wohnraum und seine Bewirtschaftung überfällig. Denn, wie Zacharias Zacharakis von der „Zeit“ in Anlehnung an Watzlawick so schön titelt: „Man kann nicht nicht wohnen.“ Eine Behausung ist nun mal für jeden von uns eine Notwendigkeit. Menschliche Grundbedürfnisse der Spekulation anheim fallen zu lassen, ist eine Gefahr für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Und auch, wenn mancher Online-Kommentator schon wieder geistesumnebelt von Staats-Sozialismus faselt; der Markt regelt eben nicht alles zum Guten. Bestenfalls stellt er für Jeden das Benötigte zur Verfügung und lässt ihm dann noch genug zum Subsistieren. Schlechtestenfalls (und das ist der gegenwärtige Zustand) macht er die Armen ärmer und die Reichen reicher. Dieses Maß an asozialem Verhalten MUSS reguliert werden!

Ob man dazu auf Innovationsanreize für mehr Wohnungsbau, Mechanismen zur Bremsung der Preisentwicklung, oder auf Enteignungen und Kommunalisierung setzt, ist eine Frage, die diskutiert werden darf und muss. Ob und wann etwas getan werden muss, ist nicht mehr die Frage – es muss jetzt etwas geschehen! Am besten gestern! Und man muss dabei im Auge behalten, dass das Gros der privaten, genossenschaftlichen und kommunalen Träger, welches auch ohne große gesetzliche Intervention bislang skrupulös gehandelt hat, nicht bestraft, sondern gestärkt wird. Es wäre auch eine Investition in den Erhalt der Mittelschicht, von deren Existenzkrise man immer wieder hört.

Wohnen ist aus meiner Sicht ein Menschenrecht und ebenso eine Frage der Würde, welche unser Grundgesetz ja für besonders schützenswürdig hält (siehe Artikel 1). Vor diesem Hintergrund dürfen bloße Gewinn-Interessen Einzelner Marktteilnehmer eigentlich kein Primat genießen. Aber wir leben ja im Kapitalismus – da ist alles möglich, was Menschen entwürdigt. Hauptsache am Ende ist ein Fetter noch fetter! Warten wir also ab, ob die Maßnahme greift. Aber nicht zu lange. Denn wenn Konzerne und Fonds anfangen, darüber zu bestimmen, wann Menschenrechte gelten (nämlich, wenn diese den Gewinnen nicht im Wege stehen), wird es Zeit aufzustehen. Ziviler Ungehorsam wäre doch mal ein Anfang, wenn Jürgen Habermas dieser Tage schon 90 wird. In diesem Sinne eine schöne Woche.

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Der verwirrte Spielleiter #09 – Ambiente, Baby!

Ich habe in vergangenen Artikeln dieser Reihe auf das Thema Immersion hingewiesen. Ich beschäftige mich mit der Materie auch auf Grund der Tatsache, das ich, obwohl ich manchmal gerne Profi-Spielleiter wäre und mein Geld am Liebsten nur damit verdienen würde, auf einen Broterwerb angewiesen bin. Auch in der Ausbildung von Notfall- und Rettungs-Sanitätern spielt der Begriff nämlich eine bedeutsame Rolle. Ich bin also zumindest in der glücklichen Situation, Hobby und Arbeit miteinander verbinden zu können. Ain’t I a goddam lucky boy…?

Allerdings sagt der Titel ja, dass es um Ambiente gehen soll. Doch was, um Himmels Willen, meint Ambiente im Zusammenhang mit Rollenspiel, speziell Pen&Paper? Die Meinungen hierüber gehen, wie bei so ziemlich allem, was mit der Sphäre des Sozialen zu tun hat – und zu der zählt mein liebstes Hobby wohl unbestritten – weit auseinander. Um eine Definition für den Pen&Paper-Bereich zu wagen: alle direkt beeinflussbaren Umgebungsfaktoren, die geeignet sind, eine zum Spiel passende Atmosphäre zu schaffen. Eine Dekoration mit Pummeleinhörnern in Pastellfarben würde zum Beispiel hervorragend zu einer Runde passen, in der Horror thematisiert wird, nicht wahr…?

OK, das war böse. Ich weiß, dass es SL gibt, die sich die Mühe machen, passende Playlists mit Musik für bestimmte Abschnitte oder Begegnungen innerhalb eines Abenteuers zusammenstellen und diese vom Smartphone aus gesteuert einsetzen, um zum Beispiel die Spannung zu steigern. Oder aber andere Gefühle aufkommen zu lassen. Andere dekorieren ihre Bude im Stile einer Taverne, oder als sonst was, um die Spieler auf das Spiel einzustimmen. Auch werden Spielrunden als ganzheitliches soziales Event mit gemeinsamem Essen quasi zelebriert. Und ich weiß ebenso, dass es viele Spieler gibt, die sich gerne von solchen Dingen einfangen lassen. Solche Umgebungsfaktoren KÖNNEN positiv auf die Immersion einwirken. Müssen sie aber nicht…

[Exkurs]: Bei einem LARP-Event sind es speziell die gestalteten Umgebungen und das äußerliche Anlegen einer alternativen Identität, welche das tiefe Eintauchen in das Spiel erst zu einem besonderen Erlebnis machen. Ich selbst habe derlei bislang erst selten erlebt/mitgemacht, verstehe jedoch den besonderen Reiz, den es ausübt. Ich gestehe hier jedoch, dass mich der Aufwand und die notwendige Festlegung auf eine Figur, der ich selbst auch optisch halbwegs gerecht werden kann, mich stets davon abgeschreckt haben, tiefer in diese Szene einzutauchen. Fest steht jedoch, dass das Erzeugen von Ambiente mit verschiedensten Mitteln dort – im Gegensatz zu Pen&Paper – BEDINGUNG für ein gutes Spiel ist. [Exkurs Ende]

Was die Spielrunde als soziales Event angeht, bin ich definitiv dabei. Alleine schon, weil manche Runden sich nur selten sehen und der Austausch mit Freunden über andere Dinge als das Spiel einfach wichtig ist. Was jedoch Ambienteerzeugung auf Teufel komm raus angeht, habe ich bezüglich der Wirkung große Variationen erlebt. Es mag daran liegen, dass ich mittlerweile kein Junge mehr bin, sondern ein Mann, aber dauerndes Gedudel im Hintergrund, das ich vor 15 oder 20 Jahren noch fancy fand, lenkt mich heutzutage eher ab. Und meine Wohnung, in der auch noch zwei Kinder wohnen in das „Tänzelnde Pony“ in Bree verwandeln zu wollen, wäre schlicht Käse.

Der entscheidende Grund, warum ich das nicht (mehr) mache, liegt jedoch im Auge des pädagogisch geschulten Betrachters bei der kognitiven Belastung. Wer mag, kann hierzu Ausführungen zur Cognitive Load Theory zur Rate ziehen. Fakt ist, dass der Versuch, Ambiente zu erzeugen, recht schnell zu einer hohen extrinsischen kognitiven Last sowohl für die Spieler als auch den SL führen kann – und die lenkt eher vom eigentlichen Geschehen ab. Natürlich ist Pen&Paper nicht auf’s Lernen ausgelegt; dennoch aktiviert eine Teilnahme an einer solchen Spielrunde die höheren Hirnfunktionen erheblich: Wahrnehmung, Kommunikation, Problemlösen, etc. Wenn dann die Umgebung zu viele Ablenkungen bereit hält, kann das Eintauchen in das Szenario zu einem Absaufen werden.

Und – wie eigentlich bei allen anderen Aspekten auch – hängt es sehr davon ab, mit wem man spielt. Es gibt eine Menge Leute, die dem „Schischi“, wie ich es ein wenig polemisch nennen möchte, durchaus etwas abgewinnen können. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Es gibt allerdings mindestens genau so viele, die sich davon tendenziell eher genervt und abgelenkt fühlen. Es empfiehlt sich daher, bevor man solche Mittel in seiner Spielrunde einsetzt, sich darüber mit den Spielern zu verständigen. Das erspart einem unnötige Arbeit und negative Gefühle…

Da das hier ja Tipps für (neue) Spielleiter sein sollen, kann ich meine Beobachtungen zum Thema relativ einfach zusammenfassen: Fragt eure Spieler! Weniger ist oft mehr! Wenn’s richtig funktionieren soll, bedeutet es viel Arbeit! Und genau das ist ein Aspekt, den SL immer beherzigen sollten: es ist (nur) ein Spiel, dass allen Beteiligten vor allem Spaß machen soll – auch dem SL! Stehen Arbeitsaufwand und Ergebnis jedoch in keinem Verhältnis mehr zueinander, läuft etwas falsch. Bedenkt das! Ansonsten: always game on!

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Ein Abend im Theater

Ich war anlässlich meines Geburtstag mit der besten Ehefrau von allen (Dank an Ephraim Kishon für den Begriff) Abends im Theater. Präzise in der Mannheimer Freilichtbühne, die diesen Sommer ihre Interpretation von William Shakespears‘ Komödie „Viel Lärm um nichts“ gibt. Ich mochte die Darbietung. Ich kam jedoch nicht umhin, aus hinteren Reihen Gemuffel darüber wahrnehmen zu dürfen, dass die besser in klassischen Kostümen gespielt hätten; und überhaupt… Und ich musste spontan an einen Text denken, den ich schon vor über sechs Jahren geschrieben habe. Ich reblogge mich selbst eher selten, aber in diesem Fall hielt ich es für angemessen.

Recyclingkreativität – gibt’s sowas überhaupt?

Es gibt offensichtlich in der englischsprachigen Welt eine Bewegung unter Künstlern und Kritikern, welche sich der Idee verschrieben hat, dass jedwede Art von Kunst nicht viel mehr ist als – wenn auch hoch entwickelter – Plagiarismus. Nicht in einem negativen Sinne, sondern eher aus einer Sicht auf die Kunst- und Kulturgeschichte heraus, welche den Verdacht nahe legt, dass alles irgendwie schon mal da gewesen ist; und dass echte Innovativität und kreatives Genie Mythen sind, da Schöpfung ex nihilo anscheinend wohl außerhalb der menschlichen Möglichkeiten liege.

Meine Lesart ist – und nicht nur, weil ich selbst schon publiziert habe und dies auch fürderhin tun werde – nicht kongruent. Die Idee, dass der Mensch, bzw. der Künstler stets lediglich verwertet, was andere vor ihm gedacht und erschaffen haben, dass er so quasi nur recycelt, dass alles Neue mehr oder weniger direkt aus Altem entsteht und somit gleichsam alt ist, entspringt einerseits der Erkenntnis, dass alles Dasein und auch alles Kulturschaffen als, in dieses Dasein eingebettet, ein Prozess ist, bei dem bestimmte Elemente sehr wohl tradiert oder vererbt werden; andererseits unser heutiger Mediengebrauch das Plagiat quasi befördert, macht doch das Internet Copy-Paste quasi zur einfachsten aller Kunstformen. Früher bedurfte es profunder technischer Kenntnisse, um ein einigermaßen brauchbares Bild zu schießen. Heute kriegen auch unbedarfte Amateure mit digitalem Equipment und etwas Software Know-How achtbare visuelle Produkte zu Stande. Gleiches gilt auch für das Texten und sicherlich haben sich die Wege des Veröffentlichens dermaßen pluralisiert (und damit auch demokratisiert), dass man das Plagiat schon fast als eigene Kunstform betrachten muss.

Doch diese Pluralisierung geht noch weiter. Die Menge an Information und Kunst, die täglich vor meinen Augen und Ohren vorbeizieht, hat sich vervielfacht, so dass die Leute, welche “recreativity” als Prinzip schöpferischen Tuns deklarieren, jeden Künstler nur noch als Knoten in einem Netzwerk sehen, der mit anderen korrespondiert, deren Signale interpretiert, modifiziert, variiert und weitersendet. Das World Wide Web als Analogie für unser Kulturschaffen. Doch bedeutet diese (gefühlt) fast ubiquitäre Verfügbarkeit älterer Produkte des menschlichen Kulturschaffens tatsächlich, dass wir nicht (mehr) wirklich kreativ sind, sondern stets mit der einen oder anderen Form des Abkupferns beschäftigt sind, gleich wie originell und spannend diese auch sein mögen?

Zum einen vermisse ich einen wichtigen Aspekt der Prozessualität von Leben und (menschlichem) Schaffen, nämlich den der je individuellen wie auch zeitgenössischen Eigenheiten der kreativ tätigen Menschen. Methoden ändern sich, Materialien und Techniken ändern sich; und natürlich ändern sich auch die Menschen. Das was wir als tradierte Güter ehemaligen Kulturschaffens mit uns herum tragen, mag eine gewisse Präsenz haben, doch es diktiert nicht mein eigenes schöpferisches Tun. Ich nutze Geschriebenes, Gemaltes nicht als Blaupause für meine eigenen Werke, so wenig wie die viele andere dies tun.

Vielmehr ist diese, dem Wandel innewohnende, Varianz Motor für Vielfalt, für Innovation. Mag sein, dass einmal Gedachtes oder Gemachtes hie und da seinen Widerhall in den Kreationen kontemporärer Künstler findet; doch dies entwertet die Kunst in keinster Weise, wenn die Idee und Erkenntnis des Künstlers in ihm selbst gereift ist und so seinem Werk zur Kraft gereicht, Idee und Erkenntnis zu transportieren. Wie oft denkt man einen Gedanken, nur um später herausfinden zu müssen, dass ein Anderer diesen auch schon hatte. Dennoch ist der vielleicht auf ganz anderem Wege dahin gelangt und wird für sich reklamieren, von selbst darauf gekommen zu sein, selbst wenn es auch vor ihm schon mal jemanden gegeben haben sollte, usw..

Die eine oder andere Idee kommt immer wieder zum Vorschein und gewisse künstlerische Motive werden ja sogar als Standardtypen an der Kunstschule gelehrt. Doch das macht Kunstschaffen nicht zum Plagiarismus, denn das Werk ist immer Spiegel des Individuums, welches es geschaffen hat. Und eben dieses Individuum ist immer selbst dauernd im Wandel befindliches Produkt eines Prozesses, der so sehr von Zufällen und Chaos bestimmt ist – nämlich unser Leben – das die Ergebnisse der kreativen Arbeit – natürlich unter bestimmten Voraussetzungen wie etwa Talent, Fähigkeiten, etc. – mindestens so spannend sein werden, wie das Leben selbst.

Mit Sicherheit verfangen einige Aspekte der Idee von der Recyclingkreativität. Sie jedoch als ausschließliches Prinzip der Kunstschöpfung zu deklamieren, um gleichzeitig die Existenz von wahrer Kreativität, vulgo des schöpferischen Genius zu negieren, nur weil das Internet nach und nach einige Modi des Kulturbetriebes verändert, halte ich für drastisch übertrieben. Mit Sicherheit ist an der Idee vom Künstler als Empfänger/Transmitter, als Knotenpunkt im Netz(werk), der Signale – oder besser im semiotischen Sinne Symbole – dekodiert, interpretiert, modifiziert, usw. insofern etwas dran, als wie bereits oben erwähnt, eine Demokratisierung des Kulturbetriebes mehr Menschen in die Rolle des kreativen (Inter)Akteurs gebracht hat; Menschen, die sicherlich oft viel Enthusiasmus, aber wenig Erfahrung und kaum formale Kenntnisse mitbringen. Aber auch für diese Leute gilt, dass sie als Individuen je eigene Algorithmen der Symbolinterpretation/Kodierung mitbringen, die auf mittlere Sicht eher einen Gewinn darstellen dürfte, denn eine “Verwässerung” des künstlerischen Schaffens.

Abschließend würde ich sagen, dass Kreativität zu fast gleichen Anteilen aus bewusstem Recycling, einer Beeinflussung durch tradierte Kulturerfahrungen und Originalität besteht. Kontemporäres kreatives Arbeiten aber als reines “Remixen” zu betrachten, rechtfertigt diese Erkenntnis in keinem Fall. Viel Spaß bei der Suche nach einer eigenen Meinung.

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…muss halt!

Diese Redewendung kennt man, wenn man schon mal Menschen nach Ihrem Befinden gefragt hat. Wenn die wahre Antwort darauf zu kompliziert oder zu persönlich ist, oder wenn man einfach nicht ausbreiten möchte, was einem gerade alles durch den Kopf oder den Leib geht, dann sagt man oft, dass es halt irgendwie geht, weil es gehen muss. Man hat Verpflichtungen, so wie alle anderen auch. Man hat Sorgen und Ängste, so wie alle anderen auch. Man hat knappe Ressourcen, so wie alle anderen auch. Aber irgendwie geht es trotzdem immer weiter… muss halt!

Ist es das, wofür wir leben? Muss halt? Ist es das, was wir uns eigentlich wünschen, wonach wir streben? Oder ist es nicht eher so, dass wir uns, jeder auf seine Weise das Wünschen und Streben nach und nach aberziehen, weil zuerst die Last des Alltages gestemmt werden muss? Eigentlich ist es traurig; zumindest auf den ersten Blick. Doch denkt man länger darüber nach, fällt auf, dass so viele Wünsche, so manches Streben einfach vollkommen unrealistisch ist. Damit trösten wir uns – mit Realismus, mit Bodenständigkeit, mit dem Verwurzelt-Sein im Hier und Jetzt…

JA VERDAMMTE SCHEISSE, SIND WIR DEN VOLLKOMMEN BEKLOPPT?

Unsere Träume sind es, die uns aus den Höhlen geführt haben, die uns ungeahnte Entdeckungen machen ließen, uns zu faszinierenden Einsichten geführt und zur dominanten Spezies auf dem Erdenrund gemacht haben. Und auch, wenn man jetzt einschränkend hinzufügen muss, dass dies für das Erdenrund teilweise fatale Konsequenzen mit sich gebracht hat, bleibt die Faszination über ein Wesen, dass sich so weit entwickeln konnte und dies immer noch tut. Doch berauben wir uns dieses Erbes, wenn wir immer nur „…muss halt!“ sagen. Denn wir können so viel mehr!

Ich habe lange darüber nachgedacht, was mich in letzter Zeit unglücklich, ja wahrhaft depressiv gemacht hat. Und ich kann mit Fug und Recht sagen, dass es meine eigene Unfähigkeit zu Entscheidungen war, die mich behindert hat; in mehr als einer Hinsicht. Doch ich habe meine Entscheidungen getroffen, Ultimaten (auch an mich) formuliert und meine Weichen gestellt. Ganz gleich, wie’s ausgehen mag – bis meine Familie und ich Ende Juli in Urlaub fahren, hat mein Leben wieder eine klare Richtung. Und diese Gewissheit wirkt befreiend.

Ich werde heute 45 und ich kann sagen, dass ich mich noch nicht so alt fühle. „…muss halt!“? Am Arsch, ich habe noch so viel vor und ich werde mich von „…muss halt!“ mit Sicherheit nicht länger aufhalten lassen. Das bedeutet nicht, dass ich irgendwen im Stich lassen will; wohl aber habe ich meine Prioritäten sortiert. Und das bedeutet, dass ich mit 45 einfach zu alt bin, mir bestimmten Bullshit noch länger anzutun. In diesem Sinne wünsche ich euch Kraft und ein schönes Wochenende.

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Randnotizen eines Erschöpften #11 – was vom Tage übrig blieb…

Der Lindner von der FDP hat keine Ahnung von Steuergesetzgebung und rechnet den Quandts die Steuerbelastung schön. Warum? Das weiß nur er. Männliche Hühnerküken dürfen weiter geschreddert werden! Wo bleibt der Aufschrei nach Gleichberechtigung? Ein Sozialdemokrat meint, 12,00€ Mindestlohn würden Jobs kosten. Und manche Menschen glauben, dass Computer mit Hilfe von Algorithmen bessere Entscheidungen treffen würden, als Menschen. Hallelujah!

Wann immer ich mir die Mühe mache, irgendwelche Tagespostillen zu lesen, fällt mir, vor allem in letzter Zeit, vermehrt auf, dass die Technik-Gläubigkeit neue Höchststände erreicht und der Humanismus dafür immer weiter an den Rand gedrängt wird. Das erklärt natürlich relativ eingängig, warum nicht wenige Menschen heutzutage mit dem allzu Menschlichen, wie etwa den „Fridays for Future“ oder anderen Bewegungen, die uns ins Gesicht sagen, wie Scheiße wir mittlerweile wirklich geworden sind, so ihre Probleme haben. Doch diese De-Humanisierung ist nur ein Symptom.

Jeder von uns hat mit Kritik Probleme. Vor allem, wenn diese offensiv geäußert wird und überdies auch noch zutrifft. Ich kann mir da an die eigene Nase fassen, dass auch ich mitnichten stets den korrekten Ton treffe, wenn mich irgendwas trifft. Man darf ja auch gerne Mensch sein. Aber wenn die erste Wut verraucht ist und man die Gelegenheit bekommt, sich zurückzuziehen, sollte eigentlich ein Denkprozess einsetzen, der einen – zumindest im Idealfall – zu einem besseren Menschen werden lassen kann, wenn man sich auf die Veränderungen, welche einem die eigene Denke nahelegt denn einlassen will. Und genau hier liegt der Hund begraben.

Bei den allermeisten Menschen geht es nicht darum, dass sie nicht verstehen, dass wir etwas ändern müssen; sei es nun sozial, ökologisch oder wirtschaftlich. Und dass es an jedem von uns selbst ist, der Politik so lange Feuer unter dem Arsch zu machen, bis sich überhaupt etwas ändert. Nein… es sind unsere Bequemlichkeit und unser steter Widerstand gegen die Veränderung als solches, die uns im Internet zu Anti-Greta-Trollen werden lassen, zu AfD-Wählern und Grünen-Hassern. Wir WOLLEN keine Veränderung, denn sie würde bedeuten, dass wir uns von lieb gewonnenen, kostbaren, wunderbar vertrauten Gewohnheiten trennen müssten.

Diese Gewohnheiten jedoch, so schlecht sie von Fall zu Fall auch sein mögen, sind unsere subjektive Garantie für eine sichere Zukunft. Wenn ich keinen Diesel mehr fahren darf, komme ich nicht zur Arbeit, verdiene kein Geld mehr, kann mir kein Schnitzel mehr leisten, mit dem ich unsere Wirtschaft ankurbele, was mein Gehalt steigert, damit ich mir einen schnelleren Diesel kaufen, mehr arbeiten und größere Schnitzel kaufen kann. „IHR SCHEISS-GRÜNEN WOLLT MIR MEINE EXISTENZ WEGNEHMEN!“ Dass die Sicherheit dieser Existenz eine Illusion ist, deren Dauer von so vielen Faktoren abhängt, die wir nicht beeinflussen können, haben wir offenkundig schon lange vergessen. Insbesondere, dass dieses Aufrechterhalten der Illusion um jeden Preis die Existenz, an die wir uns so sehr klammern noch viel schneller vernichtet. DUMME, DUMME MENSCHEN…

Und was bleibt nun am Ende vom Tage übrig? Nun, zum einen die Erkenntnis, dass ich es für mich und meine Lieben noch besser machen kann und werde. Und dass ich, allen negativen Auswirkungen auf meine persönlichen Befindlichkeiten zum Trotze nicht wegsehen kann, wenn online Scheiße gelabert und Unwahrheit verbreitet wird. In dem Zusammenhang ist mir auch etwas aufgefallen: wenn man offensiv gegen Trolle, Antidemokraten und Lügner vorgeht, werden sie zumeist recht schnell leise – denn sie haben keine Argumente; nur ihren Hass auf Veränderung. Lasst uns diesen Idioten gemeinsam entgegen treten. Denn im Gegensatz zu denen haben wir eine Zukunft, die wir selbst gestalten können und wollen. Schönes Wochenende.

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Me, Self and I #09 – noch ökologischer…?

Kohlendioxid-Emissions-Steuer. Was für ein langes Wort. Was für ein Haufen Probleme. Allseits großes Hauen und Stechen. Der angedachte Mechanismus ist eigentlich einfach: ich besteuere die Emission von CO2 bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, wodurch diese verteuert werden. Um daraus entstehende soziale Härten abzudämpfen, sollen die Einnahmen über ein Kopfpauschalensystem jenen zu Gute kommen, die wenig C02 erzeugen. Und da CO2 nun mal zu einem erheblichen Teil am – durchaus komplexen – Mechanismus der Erderwärmung teil hat, soll es eine Klimaschutz-Maßnahme sein.

Nun gibt es immer noch genug Menschen, die eine Erderwärmung durch unser Zutun für Käse halten (was wissenschaftlich eine nicht haltbare Aussage ist), jene, die immer mit dem Finger auf die Anderen zeigen und postulieren, dass die BRD allein das Klima nicht retten wird und wir es daher einfach ganz sein lassen sollten, um wenigstens wohlhabend in den Untergang zu schlittern (fatalistischer Egoismus vom Feinsten) und vor allem jene, die Besitzstände gewahrt sehen wollen und daher Einschnitte in ihre individuelle Haushaltskasse rundweg ablehnen; auch wenn die Kölner Bucht dann 2078 den Namen endlich verdient. Nach mir die Sintflut. Stop, ich habe die ganzen Greta-Hasser (man muss schon sehr mutig sein, um anonym ein 16-Jähriges Mädchen online zu verunglimpfen, dass sich wesentlich mehr Gedanken um seine Umwelt zu machen schein, als die allermeisten Erwachsenen), die (Auf)Rechten Nationalisten und die Manchester-Kapitalisten vergessen…

Und nun blasen viele der vorgenannten Protagonisten zum Sturm auf das Konstrukt, weil sie um ihre Pfründe fürchten. Ebenso natürlich gibt es auch jene, die tatsächlich darauf hinweisen, dass die aktuelle diskutierte Variante der CO2-Steuer wohl soziale Härten erzeugen wird, da sie Ältere mit kleiner Rente und Alleinstehende ganz generell benachteiligt – also diesen Gruppen höhere Kosten aufbürdet. Das ist natürlich problematisch, denn genau die leiden ja eh schon unter substanziellem Ressourcen-Mangel. Solche Härten auszugleichen, ist eine der Aufgaben jener Ministerialbeamten, welche die handwerkliche Ausgestaltung vorzunehmen haben.

Das jedoch eine Maßnahme, die explizit dem Klimaschutz dienen soll, indem CO2 eingespart wird für Menschen mit großem CO2-Footprint (und das sind nun mal häufig Menschen mit einem gewissen Einkommen) Einschnitte bedeuten kann, lässt mich kalt. Und es ist mitnichten so, dass ich selbst nicht vielleicht auch damit zu rechnen hätte. Aber wenn wir uns nicht endlich – und vor allem endgültig – von der Ressourcen-Verschwendung aus Luxus-Gründen verabschieden, werden unsere Kinder nichts mehr haben, dass sich verschwenden ließe; schon gar keinen Luxus.

Ich bin mitnichten ein Luddit, aber wir haben uns, speziell im letzten Jahrzehnt, an einen Lebensstil gewöhnt, der nichts mehr mit Vernunft zu tun hat. Immer noch viel zu viele Verbrenner auf den Straßen, jedes Jahr neue Gadgets, obwohl die alten noch gut sind, viel zu viel Fleisch und Wurst und Reisen um die Erde. Insbesondere wir in der ersten Welt verbrennen tagtäglich wortwörtlich die Zukunft Aller auf der Erde und es gibt tatsächlich Menschen, die sich über’s Schuleschwänzen aufregen? Obwohl uns diese Kinder einen Spiegel vorhalten. Da muss die Fratze, welche uns entgegen lächelt wohl doch recht hässlich sein; denn der getretene Hund bellt.

Wir alle tun gut daran, darüber nachzudenken, was wir selbst in ökologischer Sicht alles falsch machen. Bei mir ist es immer noch zu viel. Aber ich arbeite daran. Macht doch einfach mal dabei mit, unsere Welt zu retten, anstatt rumzunölen. Die meisten Helden tragen nämlich tatsächlich keine Capes…

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Erwachsen bilden #03 – Immergency…?

Einen nicht unerheblichen Teil meiner Arbeitszeit verwende ich heutzutage auf das Konzipieren und Durchführen von Simulations-Trainings. Ich arbeite in der Ausbildung von Rettungsfachpersonal und versuche dabei natürlich, mit der Zeit zu gehen. Ganz gewiss profitieren die Auszubildenden, aber auch das Bestands-Personal, welches immer wieder aufgerufen ist, seine Skills weiter zu entwickeln davon, wenn solche Szenarios möglichst nah an der Realität spielen. Möglichst nah an der Realität bedeutet allerdings u. U. einen nicht unerheblichen Ressourcen-Aufwand. Einerseits für die Materialien und Geräte – andererseits auch für die Schulung und Entwicklung der notwendigen Skills beim Ausbilder/Trainer selbst.

Die Prämisse ist, über eine Reduktion der Übungskünstlichkeit einen höheren Grad an Immersion zu erzeugen; also ein Für-wahr-nehmen des Übungs-Szenarios, was zu einem möglichst tiefen Eintauchen in die simulierte Realität führen soll. Wir wollen also quasi „Immergency“ erzeugen – Immersion in emergency. Und selbstverständlich sind dem Aufwand, den man dabei betreiben kann, kaum Grenzen gesetzt. Man kann bereits heute Tausende und Abertausende Euros in Material und Ausbildung investieren. Bei hohen Investitionen in die Qualifikationen bin ich da auch dabei. Was jedoch die Ausgaben für Equipment angeht, habe ich mittlerweile den einen oder anderen Zweifel, dass wir in die richtige Richtung gehen.

Man darf mich an dieser Stelle bitte nicht falsch verstehen: insbesondere das, was nicht unbedingt zu unserer alltäglichen Einsatzrealität gehört, müssen wir um so öfter üben, um im gegebenen Fall die indizierten Maßnahmen korrekt ergreifen zu können. Und ich bin stets bereit, für bestimmte Produkte Geld auszugeben, die einen leicht messbaren Mehrnutzen für die Aus- und Fortbildung erzeugen. So gehört zum Beispiel Video-gestütztes Debriefing nach der Simulation eindeutig zu den Dingen, von denen die Trainees (nicht nur subjektiv) profitieren; nämlich indem wir ihnen die Perspektive des Trainers auf ihr Tun zeigen und so den zweiten Learning-Loop anstoßen.

Doch wohin führt uns der Weg, wenn wir bei der Simulation immer mehr auf Immergency durch Technik setzen. Denn zweifelsfrei können wir mit den modernen Methoden erwartbare Reaktionen auf standardisierte Situationen drillen und durch Variationen auch das – oft notwendige – Um-die-Ecke-Denken in unseren Auszubildenden fördern. Was uns aber, wenn wir zu sehr auf technische Hilfsmittel setzen u. U. verloren geht, ist die Durchdringung der mannigfaltigen sozialen Aspekte unserer Tätigkeit. Ich brauche nicht unbedingt mehr Technik, um z. B. psychosoziale Notfälle zu simulieren, sondern vielmehr handwerkliche Skills als Ausbilder, die schon fast ans Schauspielerische grenzen.

Ich denke, erst die richtige Mischung aus Technik-Einsatz, wo er sinnvoll ist und stets entwicklungsfähigem Handwerk des Ausbilders/Trainers/Dozenten macht aus meiner Arbeit einen Gewinn für diejenigen, an denen ich sie ausübe – nämlich den jungen Kolleginnen und Kollegen, die unseren Beruf in die Zukunft führen werden. Das, was ich mir immer am meisten für meine Azubis wünsche – nämlich sie dahin zu führen, dass sie sich selbst und ihre Arbeit immer wieder reflektieren und aus eigenem Bestreben daran wachsen wollen – genau das muss ich durch mein eigenes Tun auch leben. Einerseits durch die Adaption neuer Simulations-Techniken, aber auch durch die Erweiterung meines persönlichen Methoden-Repertoires als Ausbilder. Denn auch für Ausbilder gilt – geführt wird von vorne und ich darf von niemandem mehr erwarten, als ich selbst zu leisten bereit bin. In diesem Sinne – frohe Pfingsten.

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