Wer sich ein Weilchen mit Erwachsenenbildung im beruflichen Kontext befasst hat, weiß sehr genau, dass junge Erwachsene sich oftmals nur hinsichtlich der Größe und des Besitzes eines Führerscheins von Kindern unterscheiden. Und dabei spielt das Geschlecht kaum eine Rolle. Sie spielen „Mama-hat gesagt-Papa-hat-gesagt!“, versuchen die Honorar-Dozenten zur Stimmungsmache zu instrumentalisieren, fordern allerlei Mögliches (und auch Unmögliches) ein und jammern rum, dass es ja gar nicht wie in der „richtigen“ Schule wäre; man sähe überhaupt keinen roten Faden. Mit Ihnen dann eine Diskussion über lernfeldorientiert vs. fachzentriert und konstruktivistische Didaktik führen zu wollen, führt ins Nichts – ich hab’s schon mehr als einmal probiert. Das liegt zum einen sicher daran, dass solche Strategien woanders zweifellos funktionieren, und das vermutlich mit gewissem Erfolg; andernfalls würden sie den Scheiß nicht auch mit mir abzuziehen versuchen. Zum anderen sitzen sie der – von Anfang an stest auch von Kollegen und Ausbildern und Chefs befeuerten – Illusion auf, dass die dreijährige Ausbildung ein Wettlauf zum Examen sei.
Ich will ehrlich sein: selbstverständlich ist ein halbwegs gutes Zeugnis und die damit heutzutage sichere Anstellung bei irgendeinem Dienstleister im Gesundheitswesen als Motivation nicht von der Hand zu weisen. Denn schließlich muss jede*r irgendwie seinen/ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Diese, stark am Bild des Homo Oeconomicus orientierte Sicht auf die Funktion des Berufsbildungswesens hat gewiss ihre Berechtigung, wenn man das Bild des meritokratisch organisierten Deutschland aufrecht erhalten möchte. Sie klammert jedoch die tatsächliche Aufgabe aus: nämlich zu erlernen, wie man patientenzentriertes Handeln mit den sozialen, ökonomischen und ökologischen Erfordernissen unserer Zeit in Einklang bringen kann. Und das ist weder für die Lernenden, noch für die Lehrenden eine triviale Aufgabe Denn seien wir ehrlich – als allererstes muss man herausfinden, wie man die zumeist jungen Leute abseits des Paychecks am Ende der Straße motivieren kann, mehr zu sein, als nur eine Funktion, die im bunten Jäckchen mit dem großen, lauten Auto und fancy Gadgets durch die Stadt brennt, um sich selbst cool finden zu können…
Ich klinge ein wenig zynisch? Vielleicht. Doch nicht selten kommt mir die Bezeichnung in den Sinn, die ein alter Kollege von mir in einem anderen Zeitalter gerne mal für manche Vertreter unseres Berufsstandes genutzt hat: „Bauch- und schwanzgesteuerte, profilneurotische, blaulichtgeile Krankenträger“; an dieser Stelle sei erwähnt, dass es damals nur sehr wenige Kolleginnen gab. Allerdings weist sich, dass mittlerweile in diesem Zusammenhang auch Frauen manchmal so daher kommen. Doch selbst, wenn ich unterstelle, dass die allermeisten SuS nicht so eindimensional gestrickt sind, bleibt immer noch die Frage, wie man in ihnen die notwendige intrinsische Motivation erzeugt, den eben beschriebenen Weg zu gehen, und auch im Angesicht wirtschaftlicher Zwänge ein human agierender Healtcare-Professional zu werden, und zu bleiben? Und ich muss zugeben, dass ich immer noch an der Lösung arbeite. Manche Erfahrung sagt mir, dass das evtl. ein zu hoch gestecktes Ziel ist. Andererseits sehe ich schon zu viele Kollegen*innen, die mit a) vollkommen falschen Zielvorstellungen hinsichtlich ihres beruflichen Handelns, b) irritierend schlecht ausdifferenziertem beruflichem Selbstbild und c) viel zu viel Ego an den Job herangehen; nur um dann wenige Jahre später desillusioniert das Berufsfeld zu wechseln. Oder zum zynischen Abziehbild eines Sanis degeneriert ihren Frust an den Menschen abzulassen, die ihnen fortan tagtäglich begegnen müssen.
Es genügt nicht, ihnen Selbstreflexionsaufgaben über Schnittstellen zu geben und ihnen den Begriff der doppelten Handlungslogik vorzubeten; die anderen Beteiligten an der Ausbildung müssten ihnen eine Art des Handelns im Gesundheitswesen vorleben, die leider noch viel zu selten tatsächlich stattfindet. Immerzu stöhnen alle, wenn z.B über Kommunikation, Interaktion, Beratung und ethische Fragen gesprochen wird. Warum? Weil in viel zu vielen Köpfen immer noch dieses Bild des Hero-Action-Sanis (m/w/d) dominiert, dass so verdammt falsch, so verdammt gefährlich, so verdammt inhuman, so verdammt unnötig ist, dass es mir die Galle hochtreibt; weil nämlich immer noch viel zu viele Hero-Action-Sanis mit Egos, groß wie Wolkenkratzer da draußen ihr Unwesen treiben und eine positive Weiterentwicklung des Berufsbildes aktiv verhindern. Und – um mich hier mal selbst zu zitieren – deren Horizont ist zu beschränkt, um die Beschränktheit ihres eigenen Horizonts erkennen zu können. DIE MÜSSEN SICH ÄNDERN!
Denn so lange sie existieren, werden sie durch falsches Beispiel in meinen Azubis ein, für alle Beteiligten schädliches Selbstbild fördern, gegen dass unentwegt im Unterricht anzukämpfen unendlich viel Kraft und Nerven kostet. Wenn’s nach mir ginge, würde man diese Kollegoiden samt und sonders entsorgen. Weil das aber nicht geht, bleibt mir nichts Anderes übrig, als nach den besseren Methoden und Argumenten zu suchen. In einer idealen Welt würde das nicht so lange dauern, aber ich schätze mal, dass wir noch mindestens eine Generation brauchen, bevor unser Berufsbild sich tatsächlich zu dem entwickeln kann, was es sein sollte: der bestmögliche Erstkontakt unserer Patienten mit dem Gesundheitswesen bei Notfällen und Krisen. Wer träumt mit…?