Ja sind wir im Wald hier…?

Echt bemerkenswert, wie schnell sich der Geist klärt, wenn man anfängt zu gehen. Ich bin ja weder sportlich (nicht mal nahe dran) noch spüre ich diesen Bewegungsdrang, den ich an manch anderem Zeitgenossen mit gewisser Irritation wahrnehmen muss. Ich bin einfach nur so’n Typ mit Vitamin-D-Mangel; oder anders gesagt: wenn es schon sonnig ist, muss man auch mal raus. Während ich so ging, schossen eine Menge Gedanken durch meinen Kopf. Viele sind schon wieder verschwunden und irgendwie bereue ich es fast, nicht doch die Diktierfunktion meines Smartphones benutzt zu haben. Andererseits sagt mir meine Erfahrung, dass jene Gedanken, die’s wert sind, weitergedacht zu werden, irgendwann ganz von selbst wieder auftauchen.

Überhaupt betrachte ich es als Privileg, mal ziellos denken zu dürfen. Mir kommt in letzter Zeit viel zu oft die Arbeit in den Kopf, selbst, wenn dazu gar keine Veranlassung bestünde. Und es ist schwer, morgens um 04:45 die Mitarbeiter des Gedankenzirkus wieder aus der Manege zu nötigen. Manchmal hilft es mir, wenn ich mir Gespräche mit Personen vorstelle, die ich gerne mal führen würde – oder die ich gerne anders geführt hätte. Das ist schon ein bisschen wie Selbstgespräche führen; diese Tätigkeit ist übrigens aus meiner Sicht zu Unrecht übel beleumundet. Man ist nicht beknackt, wenn man (laut) mit sich selbst spricht. Ich betrachte sowas eher als Rhetorik-Training.

Für mich ist dieses Durchspielen fiktiver Gespräche genauso wertvoll, wie jedes Szenario-Training, denn ich bin auch in Gedanken dazu gezwungen, potentielle Reaktionen meines Gegenübers antizipieren und in meiner rhetorischen Strategie berücksichtigen zu können. Und manchmal kann ich meiner Geschichtenerzähler-Ader freien Lauf lassen, um wilde, verrückte Fantasien zu durchleben, die mich gelegentlich stark inspirieren. Die Grenze zwischen Selbstgespräch und Tagtraum ist nach meiner Erfahrung nämlich höchst schmal und fließend. Was zur Folge hat, dass andere Menschen auf Waldspaziergang eventuell doch auf die Idee kommen könnten, ich hätte vielleicht eine schizo-affektive Störung…

Wir Homo Sapiens Sapiens sind – durch unsere Fähigkeit zur reflexiven Rollenübernahme – zumindest ein wenig davon abhängig, von Anderen als positiv bewertet zu werden. OK, wenn man sich Instagram und Facebook so anschaut, ist das bei manchen wohl mehr als nur ein wenig der Fall , aber das tut hier nichts zur Sache. Ich gehe zumeist extra tief in den Waldpark, wo an einem sonnigen Samstagmittag Ende Oktober eher wenige Menschen unterwegs sind; aber auch da ist man nicht alleine mit sich selbst. Sei’s drum.

Ich hatte genug Zeit, um mir über Folgendes klar zu werden: die Menschen, mit denen ich solche fiktiven Gespräche führe, sind keine Promis sondern zumeist – wie Studs Terkel wohl gesagt hätte – „mundane people from all walks of life“. Die Bekannten, die Narzissten, die spotlight-hurenden Influencer (schreibt sich nicht umsonst beinahe wie eine Krankheit) und anderes Geschmeiß können mir gerne gestohlen bleiben. Und natürlich ist gelegentlich auch mal eine vollkommen fiktive Person dabei. Schließlich bin ich, neben manchem Anderen, auch Autor und Rollenspieler. Jedenfalls tut es gut, auf diese Weise einerseits Selbstbeschau zu betreiben und andererseits jene Teile der eigenen Persönlichkeit zum Lüften nach draußen zu holen, denen wir sonst lieber aus dem Weg gehen wollen.

Ja, für mich ist das ganze ein Stück Psychohygiene, auch wenn das für Außenstehende dann und wann vielleicht genau anders herum wirken kann. Das ist übrigens nicht erst seit Corona – oder gar dem zweiten Teil-Lockdown – so. Vielmehr pflege ich diese Schrulle seit Jahrzehnten und bislang hat sie mir gute Dienste geleistet. Vielleicht probiert ihr das ja auch mal. Insbesondere die zweite Funktion, die ich heute allerdings nicht mehr diskutieren möchte – nämlich tatsächlich stattgefunden Gespräche zu analysieren, um zum Beispiel herausfinden zu können, wo man falsch abgebogen ist – ist für Einsteiger gut geeignet. In diesem Sinne wünsche ich euch ein schönes Rest-Wochenende.

Zufriedenheit N°2 – extrinsisch oder intrinsisch?

Ich traue mich ja kaum, das öffentlich zu sagen, aber irgendwie fühle ich mich durch den neuerlichen Teil-Shutdown kaum beeinflusst. Ich nehme es zur Kenntnis. Meine besseren 75% sorgen sich bereits wegen der Implikationen betreffs des Endes der Herbstferien in wenigen Tagen. Ich kann dazu nur sagen: ich habe keine Ferien. Der fette Hamster trabt im Moment immer weiter munter in seinem Laufrad und betet jeden Abend, dass er nicht sowas wie Husten oder Schnupfen bekommt, denn dann ist der Ofen aus. Und nicht nur für ihn. Aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Post…

Ne, ne, die Verschärfung der Maßnahmen war zu erwarten, fällt aus meiner Sicht fast noch zu moderat aus und betrifft – aus gutem Grund, denn wir sind tatsächlich systemrelevant – meine Institution bislang in keinster Weise. Läuft also bei mir. Was allerdings immer noch nicht so recht laufen will, ist das gute Gefühl, dass all die Erfolge im Moment eigentlich in mir erzeugen sollten. Das bleibt immer noch aus. Und das liegt nicht etwas daran, dass ich nicht eine tolle Klasse, Spaß an der Arbeit, gutes Equipment und Freiraum für meine Ideen hätte; sondern vielmehr an meiner verfi****n Gehirnchemie. Aber – Schwamm drüber.

Denn wahrhaft unzufrieden, unglücklich oder gar depressiv bin ich im Moment wirklich nicht. Es ist eher so eine Form von gespannter Erwartung, was wohl als nächstes schief oder gar vollkommen in die Binsen geht. Denn irgendwie rechne ich stets damit. Ich meine – kleine Katastrophen passieren und garnieren dabei unseren Alltag auf die eine oder andere Weise. Ein vollkommen reibungsloses, quasi gestreamlinetes Leben wäre ja irgendwie auch erschreckend langweilig. Stellt euch mal Supermarktregale vor, in denen es keine Auswahl gibt. Ist schon so, dass wir heute eher ein Übermaß an Angebot haben; aber nur noch eine einzige Sorte wählen zu können wäre schon etwas einschränkend, oder?

Ich stecke also mal wieder mittendrin (in meinem Job), ohne emotional wirklich immer dabei zu sein und funktioniere dennoch richtig gut, beinahe erschreckend effektiv. Effizient bin ich allerdings nicht, denn ich wende mal wieder zu viel Energie auf, um das erwartete Ergebnis abliefern zu können. Ich bin also im Moment vollkommen extrinsisch orientiert, denn mein derzeit gesetzter Gradmesser ist die Zielerfüllung für Andere. Meine eigenen Bedürfnisse jedoch habe ich im Moment einmal mehr hintan gestellt. Das ist nicht mal bewusst geschehen, sondern weil meine – über Jahrzehnte gewachsenen – sozialen und beruflichen Reflexe mich einmal mehr in alte Bahnen gezwungen haben. Und wenn ich nur diesen Teil meiner Existenz betrachtete, wär’s OK!

Doch ich bin nicht nur Lehrer und Schulleiter. Ich bin auch einfach nur ein Mensch. Und wenn ich es recht bedenke: irgendwie trauere ich immer noch meinem Sommerurlaub nach, der einfach nicht annähernd so befriedigend war wie sonst. Ich bin anscheinend in den letzten Jahren zu einer Hure der toskanischen Sonne geworden. Und kann darob absolut kein Schuldgefühl entwickeln. Stattdessen sorge ich mich darum, dass es meiner ersten NotSan-Klasse gut geht. Ob die wohl irgendwann verstehen, wie viel Kraft dieser Start gekostet hat; und wie mau der Return of Investment für mich bisher ausfällt. Ich werde es denen bestimmt nicht auf’s Brot schmieren, denn die haben andere Sorgen. Aber eines kann ich sagen: meine persönliche Zufriedenheit – also, speziell der intrinsische Teil – war schon mal besser aufgestellt.

Was bliebe also zu tun? Ganz ehrlich: ich weiß es nicht! Ich ahne jedoch, dass ich meiner intrinsischen Zufriedenheit – also jenen Teil meines Selbst, der mir eigentlich meine Kraft verschafft und mich als Mensch am Laufen halten sollte – wieder viel mehr Zeit und Aufmerksamkeit widmen sollte! Das ist aber leichter gesagt, als getan. Und mit der Feststellung stehe ich ganz gewiss nicht alleine da. Aber, so wie mein Herz mit mir spricht, braucht es das jetzt und es wird kein Weg dran vorbei führen. Ich bin gespannt, wie, bzw. ob ich das alles unter einen Hut bekomme. ihr werdet es vielleicht mitbekommen. Einstweilen alles Gute. Wir hören uns…

Der verwirrte Spielleiter N°25 – Dysfunktional – im Dutzend billiger!

Ja, ja, Charaktere müssen eine gewisse Tiefe haben, brauchen ein bisschen Geschichte, die als Aufhänger für den Einstieg in verschiedene Abenteuer dienen kann und sollten keine Dutzendware sein. Warum zum Teufel sind dann gerade die gebrochenen, getriebenen, traumatisierten – mit einem Wort dysfunktionalen anscheinend im Dutzend billiger zu haben? Die Großmutter hat deinen Char zusammen mit dem bösen Wolf missbraucht und deswegen ist dein Rotkäppchen eine männermordende Lolita? Schneewittchen hat zulange unter Glas gelegen und ist darum jetzt shoppingsüchtig? Prince Charming wurde in der Stadtwerbungsagentur von „Ganz weit weg“ zusammen mit dem gestiefelten Kater erwischt und wurde aus Scham Stricher? Der dumme Hans hatte irgendwann von Gretel die Schnauze voll und ist nach dem ersten Kill auf den Geschmack gekommen?

Ach du liebes Lieschen. Ich kann’s nicht mehr hören. Zuerst gab es Charaktere, die so eindimensional waren, dass man genauso gut drei mal denselben zum Spielen mitbringen konnte, es wäre eh keinem aufgefallen – nicht mal dem Spielleiter. Dann wollten angeblich plötzlich alle Geschichte anstatt Gemetzel. Die Backgroundstories wurden ausgefeilter, die Chars als Spielfiguren plastischer, lebendiger, interaktiver. Man spielte nun miteinander, anstatt nur gegen das Dungeon des Spielleiters. Allright! Dann kamen die ganzen anderen Settings. Die Monster, die man vorher nur erlegen durfte, wurden nun spielbar. Spieler begannen tatsächlich, sich mit der Frage auseinander zu setzen, wie die Gefühlswelt von Vampiren aussehen könnte. Und kamen auf den Geschmack. Charakterplay war auf einmal „in“…

War das jetzt polemisch? Vielleicht. Aber wenn ich mich heutzutage umsehe und umhöre, scheint es fast ein wenig so, als wenn manche Menschen im Pen’n’Paper den Spieltisch als Ort der Psychohygiene missbrauchen. Versteht mich nicht falsch: ich bin der Letzte, der irgendeinem Spieler einen Char nicht zulässt, weil die Hintergrundgeschichte etwas überzogen wirkt, oder weil’s mir so vorkommt, als wenn der Spieler seinen Char bewusst punishen möchte, um irgendwas zu kompensieren. Ich mach sowas ja manchmal auch. Aber spätestens, wenn die ganze Gruppe aus gequälten, gejagten, kaputten und irgendwie soziopathisch angehauchten Knalltüten besteht, wird’s schwierig. Denn welchen Grund sollten 3 – 5 suicidal loners haben, zusammen auf ein Ziel hin zu arbeiten…?

Ich werde nicht in Abrede stellen, dass an einem Spieltisch mit Erwachsenen auch erwachsene Themen behandelt werden, dass dort Geschichten eine Rolle spielen, die ihren Bezug zur Lebensrealität der Teilnehmer oft nur sehr mühsam leugnen können und das Pen’n’Paper auch mal ein bisschen Therapie spielen darf, weil Eskapismus durchaus ein Ventil für die angesammelte Alltagsfrustration sein kann und soll. Aber vielleicht wäre gerade aus dem Grund eine klassische Runde mit ein paar strahlenden Gestalten eine echte Abwechslung? Insbesondere unter dem Aspekt, dass man sich ja vielleicht mal besser, stärker, würdiger fühlen möchte, als dies im normalen Leben der Fall ist? Ich fühle mich jetzt nicht schlecht, aber ein wenig mehr Glamour wäre manchmal schon nicht zu verachten…

Und das alles mir, der ich so gerne eher die sinistren Typen spiele. Diebe, abgehalfterte Agenten, zweifelhafte Künstler und ähnliches lichtscheues Gesindel stellen einen nicht unerheblichen Teil meiner Charaktere. Aber irgendwie mag ich es, wenn dennoch ein Ton der Leichtigkeit, ein lebensbejahendes, das eigene Schicksal annehmendes Element die Rolle bestimmt, wenn ich Rampensau sein und die Welt mit jener bösartig-ironischen Leichtigkeit kommentieren darf, die mir im wahren Leben aus mannigfaltigen Gründen oft versagt bleibt. Ich mag deftige One-Liner, hintersinniges Geplauder und Savoir-Vivre. Ein bisschen kaputt dürfen sie ja meinetwegen sein – aber es darf mir nicht die Chance nehmen, als Schelm agieren zu können. Sonst macht mir das Spiel keinen Spaß.

Ich habe festgestellt, dass das gute, feine Kind aus anständigem Haus für mich genauso wenig funktioniert, wie das vollkommen fertige Psycho-Wrack. Ich brauche Grenzgänger mit Spaß an der Sache. Vielleicht bin ich deswegen manchmal auch als SL leicht angenervt, wenn ich das nächste dysfunktionale Charakterkonzept vorgelegt bekomme. Die dürfen ja gerne mitmachen, sollen sich aber bitte hinterher nicht beklagen, wenn es mir dann zur sportlichen Herausforderung wird, die spielerseitig abgelieferte Dysfunktionalität mit dem Vorschlaghammer zu beheben. Denn ich finde Antihelden auf Dauer genauso langweilig, wie dieses unerträgliche Superman-Gesocks. Vielleicht wird die nächste Runde, in der ich mal wieder spielen darf ja richtig gut.

Ach ja, dieses Wochenende haben wir mein aktuelles Projekt, ein Arcana-Spaceopera-Cyberpunk-Crossover weiter gespieltestet; und was soll ich sagen? Ich hatte meinen Spaß. Ist aber auch nur ein Psycho-Wrack dabei. Da kann ich mit umgehen. Daher: always game on!

Erwachsen bilden #24 – Notiz an mich…

Es ist soweit. Die erste NotSan-Klasse in meiner Institution ist gestartet. Man könnte sagen, ein Meilenstein sei erreicht. Und objektiv betrachtet war es bis hierher bereits ein verdammt langer und streckenweise steiniger Weg. Ich bin ihn zumeist gerne gegangen. Doch eigentlich war der offizielle Start ein Rite de Passage. Für die erträumte Schule, weil sie nun Wirklichkeit geworden ist. Für die Schülerinnen und Schüler, weil sie eben in einen neuen, verdammt anstrengenden, sicherlich gelegentlich frustrierenden aber gewiss auch spannenden und am Ende hoffentlich lohnenden Lebensabschnitt eingetreten sind. Und für all die anderen Menschen, die das Projekt durch ihre Arbeit getragen haben, weil sie die Früchte ihrer Arbeit nun tatsächlich sehen können. Und für mich…?

Nach dem Start ist vor dem Start ist nach dem Start. Ich steh‘ erstmal selber wieder in der Bütt und gebe mein Bestes, bis mein Mitarbeiter-Stab denn tatsächlich voll arbeitsfähig ist. Kann noch ein paar holprige Wochen dauern, bis endlich alle Teile wie geplant zusammenfallen und ein halbwegs stimmiges Bild ergeben. Es hat sich also im Vergleich zu letzter Woche nichts geändert. Der Planungshorizont ist auch der gleiche geblieben: immer bis zur nächsten, kleineren oder größeren Katastrophe, die mal wieder Impro-Theater notwendig macht. Ich bin’s gewöhnt und mittlerweile auch recht geübt in Desaster-Management und Trouble-Shooting, auch wenn ich meinen Master ja in Erwachsenenbildung mache.

Erschöpft? Ja, ein bisschen schon. Resigniert? Nur, ab und an, und nur bezüglich mancher Marotten mancher Kollegoiden. Enttäuscht? Nicht die Bohne, denn – sehr zu meiner Verwunderung – läuft bisher fast alles wie am Schnürchen. Aufgeregt? Na klar, wie könnte ich auch nicht, es bleibt ja spannend. Überfordert? Vielleicht ein wenig durch den noch nicht so 100% einsatzbereiten Stab meiner Institution, was mir die eine oder andere Extrameile abverlangen wird. Herr der Lage? Tja, „Leben in der Lage“ ist so ein Motto, dass man in meinen Kreisen häufiger hört. Und ich persönlich verstehe das so: Mal habe ich die Zügel in der Hand, mal bin ich der Rodeo-Clown, aber der Zirkus muss weitergehen. Also gehe ich jeden Tag da raus und versuche mein Bestes.

Ich bin, auf Grund meiner Ausbildung und meiner Erfahrung davon überzeugt, dass es eine gute Dosis Konstruktivismus in dieser Berufsausbildung braucht, dass nur möglichst reichhaltige und realitätsnahe Selbst-Erfahrungen den Schülern wirklich weiterhelfen. Das kann manchmal ein wenig beliebig wirken, doch wenn es adäquat gerahmt und begleitet wird – nämlich in dem man sie dazu bringt, selbst die richtigen Fragen zu stellen und auch eine Antwort auf diese suchen zu wollen – wird daraus ein nachhaltiges Lernerlebnis. Und Spaß machen kann es auch. Nur die Vorbereitung ist viel Arbeit, denn den eben genannten Rahmen richtig aufzubauen und wirksam werden zu lassen braucht Geduld; und manchmal auch den Mut zu Fehlschlägen. Denn eines ist sicher – wir Berufspädagogen wissen noch nicht genau, ob wir Ihnen all das Handwerkszeug mitgeben können, dass sie in der Zukunft brauchen werden.

Die Anforderungen an unseren Beruf verändern sich momentan schnell und das erhoffte Profil der fürderhin benötigten Kompetenzen ist noch nicht erarbeitet. Wir bilden im Moment auf Basis dessen aus, was früher funktioniert hat. Doch die Realität lehrt uns unterdessen, dass wir hier noch einiges zum Nachjustieren haben werden. So ist denn eine der wichtigsten Funktionen unserer Ausbildung, den Schülerinnen und Schülern einen möglichst kompletten vorläufigen Stand der Dinge mitzugeben UND ihnen ein Verständnis für eben diese Vorläufigkeit zu geben; und die unmittelbare Konsequenz, dass sie ihr ganzes Berufsleben lang werden weiterlernen müssen. Und mir ist bewusst, dass diese Flexibilität und das Interesse am Neuen mitnichten in jedem Menschen in gleichem Maße vorhanden sind. Was die Kultivierung natürlich erschwert.

Wir werden sehen, was unterwegs noch angepasst werden muss. Für’s erste bin ich jedoch froh sagen zu können, dass ich die Ehre und das Vergnügen habe, mit einem tollen Haufen junger Leute arbeiten zu dürfen. Wenn ich es schaffe, in ihnen jenes Feuer zu kultivieren, das auch in mir immer noch brennt, darf ich mich glücklich schätzen. Der Weg ist lang, aber ich bin schon wieder unterwegs. Denn nach dem Ziel ist vor dem Ziel ist nach dem Ziel…

Zufriedenheit – gibt’s die überhaupt (tatsächlich N°1)?

Sprache ist ein Instrument, dessen Klaviatur wahrhaft beherrschen zu lernen vor allem der Übung bedarf. Eine der – für mich selbst – befriedigendsten Erfahrungen ist, mit Sprache zu arbeiten, sie zu formen, ihr neue Klänge zu entlocken und sie zu nutzen, um meine Ideen, Ideale, Irrtümer und Irrwitze transportieren zu können. Andernfalls wären diese ja wertlos, weil niemals von jemand anders wahrgenommen. Der Mensch realisiert sich zumeist im Sozialen. Es gibt zwar auch diese Eremiten-Typen, die sich selbst genug sind; und ich werde nicht leugnen, dass ich ab und an auch solche Anwandlungen habe, von meiner Umwelt, wenn irgend möglich, mehr Distanz einzufordern. Aber in Summe brauche ich, so wie jeder andere auch, meine Bindungen.

Einen Ort bestimmen zu können, braucht immer ein Koordinatensystem. So, wie das GPS mich auf Reisen von A nach B lotst – und mir unterwegs manchmal auch den sehenswerten Ort B‘ zeigt – so braucht auch unsere Seele ein GPS, um nicht im Orkus der Wortlosigkeit, im Nirvana der Sinnleere oder dem Fegefeuer der Sehnsucht verloren zu gehen. Und dieses MPS (Mind Positioning System) besteht üblicherweise aus dem Netzwerk unserer Beziehungen. Selbst die vorgenannten Eremiten haben wohl welche. Nur wahrscheinlich viel weniger davon, als wir Stadtmenschen. Vielleicht erleben sie dafür Begegnungen, denen wir kaum Bedeutung beimessen würden, weil diese eher beiläufig passieren, wesentlich intensiver. Ob sie dabei auch solche Zufriedenheit erfahren, wie z. B. ich selbst beim Geschichtenerzählen, muss hier Anlass zur Spekulation bleiben.

Ich schrieb vor ein paar Tagen von Zufriedenheit als Prozess. Und es ist vielleicht angebracht, hier klarzustellen was ich meinte: Es gibt eine Triebfeder der Motivation, die uns dazu bringt, nur selten ruhig sitzen zu bleiben, weil da so ein unbestimmtes Gefühl in uns ist; uns fehlt immerzu irgendetwas. Manche bleiben dann einfach unzufrieden und nehmen es passiv duldend zu Kenntnis, dass es einer gewissen Anstrengung bedürfte, um diese Unzufriedenheit ausgleichen zu können – passiv duldend, weil sie nicht bereit, oder nicht fähig sind, diesen Extrakilometer zu gehen. Andere jedoch fangen auf Grund dieses subjektiven Mangels an, zu streben: nach mehr Liebe, mehr Anerkennung, mehr Geld, mehr Macht, mehr wasauchimmer… Dieses Streben setzt Energien frei, die einen früher oder später zumindest zu Etappensiegen befähigen; ein Mangel wird dabei ausgeglichen.

Aber… Moment mal… das da drüben sieht doch noch viel besser aus, als das, was ich eben errungen habe. Die sprichwörtlichen Kirschen in Nachbars Garten scheinen uns immer zum Greifen nah. Doch haben wir sie gepflückt, lockt schon der nächste Garten, mit noch vielversprechenderen Früchten als jener, in dem wir gerade stehen. Und so mutiert die eben erreichte Zufriedenheit immer wieder zu einer höheren Stufe von Unzufriedenheit. Und denen, die meine Beschreibung dieses Strebens jetzt als Sinnbild für das Anhäufen von materialistischen Quatsch abtun, was ihnen ja nicht passieren kann, weil sie ja alle so aufgeklärt sind, sei folgendes gesagt: diese Streben kann auf alles Mögliche gerichtet sein: körperliche Fitness ebenso wie akademische/berufliche Meriten oder Anerkennung für soziales Engagement. Dinge, nach denen man streben kann, gibt’s wie Sand am Meer. Und viele Kategorien kennen qualitative Steigerungen. Man denke an Sport; oder Autos…

Das bis hierhin Gesagte klingt vielleicht ein wenig resigniert, weil man es so interpretieren könnte, dass alles Streben nie zu wahrer Zufriedenheit führen kann und deshalb nutz- und wertlos ist.. Oder arrogant, weil man ja auch meinen könnte, ich würde diesen Marathon der Unzufriedenheit sardonisch lächelnd aus der Zen-Meister-Position beobachten. Aber vielleicht ist das alles auch nur eine ironische Volte, ohne Ziel und Sinn, um über euch lachen zu können, weil ihr den Gag nicht kapiert? Nun, zumindest eines kann ich versichern: als ich das letzte Mal nach irgendeinem Blödsinn, den meine Kinder getrieben hatten meinen Puls gemessen habe, war da gar nichts Zen-Meister-entspanntes dran… GAR NIX! Ich glaube halt, dass man sich damit schon arrangieren kann. Aber das dazu notwendige Reframing kostet Zeit und Kraft. Denn ich muss erst dahinter steigen, was mich selbst motiviert – und wie ich meine Erfolge festhalten kann. Das ist allerdings ein schmerzhafter Prozess.

Ich lerne gerne. Das ist so eine Eigenschaft, die ich irgendwann an mir bemerkt habe. Ich mag nicht blöd sterben. Ich will mich lieber meines Intellektes bedienen. So ganz Kant-Like Aufklärung erfahren (ne, nicht mehr DARÜBER, da weiß ich schon halbwegs Bescheid, danke der Nachfrage…). Früher dachte ich immer, dass es mir um meinen Wert auf dem Arbeitsmarkt geht. Das ist nämlich so eine beliebte Begründung, sich noch mal in die Knochenmühle des Hochschulstudiums zu werfen. Mittlerweile denke ich jedoch, dass es bei mir eher daran liegt, dass ich verdammt noch mal verstehen will, wie manche Dinge funktionieren. Und weil ich mit Maschinen nicht so super kann, wie ich als Jugendlicher mal dachte, versuche ich das halt mit Menschen und ihrem Bemühen zu lernen. Eigentlich ist das sogar eine Metareflexive Position, denn ich lerne über das Lernen um des Lehrens Willen – und erfahre dabei viel über mich selbst. Und ob ihr das nun glaubt oder nicht – das macht mich zufrieden.

Auch diese Zufriedenheit hält nicht ewig (ich verweise auf meine Dämonen) . Und manchmal muss ich erst von jemand anders daran erinnert werden, wie verdammt zufrieden ich eigentlich sein dürfte. Was mich allerdings zu dem Dilemma bringt, in der nächsten Meditation über das Thema bedenken zu müssen, ob Zufriedenheit extern erzeugt werden kann, oder doch nur in mir drin erwächst. Bis dahin wünsche ich euch einen schönen Abend.

Meinungshoheit?

Es gibt da einen Begriff in den Geistes- und Sozialwissenschaften, der immer mal wieder an das öffentliche Bewusstsein dringt: „Deutungshoheit“. Diese zu besitzen bedeutet, dass der Inhaber sich sicher ist, über ein derzeit unhintergehbares und damit vorläufig sicheres Wissen über einen Sachverhalt zu verfügen. Diese, dem Falsifikationismus verpflichtete erkenntnistheoretische Position wird im öffentlichen Diskurs allerdings ganz oft mit der dogmatischen Position verwechselt, über eine unumstößliche Wahrheit zu verfügen, die alle anderen Mitdiskutierenden verdammt noch mal anerkennen müssen…

Wenn also Menschen im öffentlichen Diskurs Deutungshoheit für sich beanspruchen, ist der tatsächliche Wahrheitsgehalt Ihrer Aussagen üblicherweise umgekehrt proportional zur Lautstärke und Überzeugtheit, mit welcher diese vorgetragen werden. Kommt dann, wie z. B. bei Donald Trump noch eine ordentliche Portion Dunning-Kruger-Effekt hinzu, ist der „Dogmatidiot“ (die gesellschaftspolitische Oberkategorie des Covidioten) perfekt. Denn Meinungshoheit für sich zu reklamieren bedeutet eben nicht – nicht mal im Ansatz – Deutungshoheit zu besitzen. Meist ist eher das Gegenteil der Fall.

Eigentlich sind diese Zusammenhänge so einfach zu erkennen, dass ich mir nicht die Mühe machen müssen dürfte, sie noch mal zu erklären. Und doch… doch gibt es immer noch genug Menschoide, die Wissen und Glauben verwechseln. Da gibt’s zum Beispiel diesen evangelischen (eigentlich evangelikalen) Pastor in Bremen, der gegen Homosexuelle und die Ehe für alle hetzt, weil er sich durch seinen Glauben im Recht dazu sieht. Mit Verlaub: was für ein ekelhafter Kognitionsamateur teilt da nominell meinen Glauben? Ich bin auch protestantisch getauft und selbst, wenn ich mein Bekenntnis nicht durch regelmäßigen Kirchgang praktiziere und zur Institution Kirche ein eher ambivalentes Verhältnis pflege, kann und will ich den Ansatz der Bremer Landeskirche, einen Dialog mit solchen Renegaten pflegen zu wollen nicht verstehen. Und auch nicht tolerieren.

Ich will, dass man dieses unwürdige Geschöpf seiner Weihen beraubt und ihn in Schimpf und Schande fortjagt; und zwar dahin, wo er hingehört: in jene Ecke der Geächteten, wo sich Nazis, Chauvinisten und anderes Gelichter tummeln, dass in unserer Gesellschaft keine Stimme mehr haben darf – weil alles, was diese Stimme verbreitet, Hass, Zwietracht und Stigma ist! Wann verstehen wir endlich, dass man diesen Leuten die Stirn überall bieten muss – auch und gerade im Glauben. Denn die Evangelikalen sind ein Hort der Neurechten im Schoss von Mutter Kirche. Doch seit Jahr und Tag hält man dort die andere Wange hin, während diese Möchtegern-Christen immer wieder mit Wucht guten, liebenden Christenmenschen in die Fresse schlagen. Was für ein Mist!

Es mag in der Natur des christlichen Glaubens liegen, Nächstenliebe auch zu den Feinden bringen zu wollen. Doch in diesem Fall ist das eine Verschwendung humaner Ressourcen, die mich irritiert zurücklässt. Wie lange möchte man solche Umtriebe noch hinnehmen? Insbesondere in politisch bewegten Zeiten wie diesen? In dem Wissen um die Nähe der Evangelikalen zum Rechtsextremismus? Müssen erst irgendwelche Prediger offen zur Wahl von Demokratiefeinden aufrufen, bevor man sich hierzulande zu erkennen wagt, welche Gefahr sich da in manchem Gottesdienst zusammenbraut?

Ganz ehrlich – was ich glaube und warum, geht nur mich etwas an. Ein wenig Spiritualität braucht vermutlich jeder Mensch in seinem Leben. Aber dieses braune Sauce infiziert Menschen auf der Suche nach ebendieser Spiritualität mit vermeintlich gottgerechtem Hass auf alles, was die nicht verstehen (wollen)! Und solchem Treiben muss man einen Riegel vorschieben. Und wenn man dafür auch mal einen angeblich evangelischen Pastor von der Kanzel runter verhaften muss, dann ist das halt so! Fangt endlich damit an. Schöne Woche noch.

Zufriedenheit… wie geht das (wahrscheinlich N°0)?

Ich bin ( man darf einen Post im eigenen Blog, glaub ich, ich ruhig mal so egoistisch beginnen) objektiv betrachtet ein Lucky Guy: Tolle Frau, großartige Kinder, liebe Freunde, einen Job den ich gerne mache, keine existenziellen Sorgen – es gibt da draußen unheimlich viele Menschen, denen es bedeutend schlechter geht. Schaue ich gerade auf dieses Wochenende, war es bislang großartig. Ich konnte meinem Hobby N°1 frönen, wurde heute lecker bekocht und durfte im Garten Vitamin D tanken. Kein Stress, keine….

Tja. Und da waren sie wieder, meine entsetzlichen alten Freunde. Die Dämonen, die mich manchmal nachts um zwei aufwachen lassen, mein Inneres die hell erleuchtete Manege eines Gedanken-Zirkus, erfüllt von dieser Musik, welche die nächste Frage-Nummer ankündigt: Was, wenn ich nicht rechtzeitig liefere? Was, wenn ich nicht gut genug liefere? Was, wenn dies, das oder jenes nicht glatt läuft, ich nicht glänze, ich nicht gewinne, ich nicht….ach scheißegal was? Irgendwas wird schon schief gehen und ich werde wieder sagen – hab ich’s doch gewusst: bin doch zu nix nutze.

Das Innen und das Außen sind bei mir zwei unversöhnliche Kontrahenten. Ich weiß – rational betrachtet – was ich kann, was ich will und sogar ungefähr, wie ich dahin komme. Doch unser Leben besteht mitnichten nur aus Ratio. Und so ist das hier keine literarische Selbst-Sabotage oder gar Mitleidheischendes Männchen-Machen, sondern die schlichte Erkenntnis, das Zufriedenheit für jeden Menschen, egal ob Hedonist oder Asket immer nur ein Prozess ist und das Depressive es einfach nur noch ein kleines bisschen schwerer haben, als alle anderen, weil ihnen manchmal auch noch der Antrieb fehlt, das Gute, welches sie sich erarbeitet haben einfach auf der Bank des Lebens abzuheben; während das Schicksal schon wieder kalt lächelnd einen Wechsel zulasten meines Kontos einlöst.

Bitte, bitte… es ist eine alte Leier. Es macht keinen Spaß, das zugeben zu müssen, aber vermutlich werden mich solche Episoden für den Rest meines Daseins begleiten. Und wenn ich das hier so freimütig äußere, dann geht es mir weniger darum, was mit mir ist – ich kam klar, komme klar und werde auch fürderhin klarkommen, denn ich habe Kraftquellen. Aber, was ist mit denen, die nicht solche Kraftquellen haben, wie ich (siehe Absatz 1)? Wer fängt sie auf, trägt sie ein Stück des Weges, bis die eigenen Füße wieder wollen, sagt ihnen, dass sie genauso wertvoll und wichtig sind, wie jedes andere Individuum. Selbst Donald Trump erfüllt ja einen Zweck: als abschreckendes Beispiel und Figur, die zu hassen man einfach ohne Reue lieben kann. Aber ich wiederhole es noch mal: wer hilft denen, die sich jetzt nicht selbst helfen können?

Meine Einsatzerfahrung aus 26 Jahren Rettungsdienst und Rettungsleitstelle sagt mir nämlich, dass es da draußen eine Menge Menschen gibt, die genau jetzt genau die gleichen Probleme haben, im Gegensatz zu mir aber a) vielleicht kein Blog pflegen, b) sich nicht trauen, ihr Inneres nach Außen zu kehren, c) den Sinn nicht erkennen, sich zu öffnen, oder d) ihren eigenen Wert vergessen haben. Schaut bitte nach solchen Leuten und helft ihnen. Denn es entspricht wiederum meiner Erfahrung, dass solche Menschen gerade auf Grund ihrer über-agilen Empfindsamkeit wertvoll für die Gesellschaft sind. Und damit für uns alle. Sie sehen die Welt nur öfter wesentlich klarer als das was sie ist: streckenweise Scheiße…

Ich weiß nicht, wie oft ich schon mit Kollegen über die Frage diskutiert habe, was eine psychische Erkrankung bedeutet. Nicht wenige von Ihnen haben erst verstanden, was da wirklich passiert, als sie selbst damit konfrontiert waren. Psychisch krank bedeutet für viel zu viele Menschen da draußen nämlich immer noch: „behämmert“, „dumm“, „ne Pussy“, „lebensunfähig“, „Hypochonder“, „schwach“, etc. Keinen Dank dafür, denn nix davon trifft tatsächlich zu. Wen’s interessiert: unter dem ICD10-Schlüssel F32.1 findet man eine recht nüchterne Beschreibung. Ich will einfach nur, dass ihr eure Lauscher und Glotzen aufsperrt um auch mal andere Menschen WIRKLICH wahrzunehmen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und selbst, wenn ihr keinem depressiven Menschen helfen könnt – mit offenen Sinnen durch die Welt zu gehen, ist eine echt abgefahrene Sache. Probierts doch einfach mal. Schönen Sonntagnachmittag noch…