Erwachsen bilden N°37 – Zwischenruf!

Dieser Tage entspann sich im Dunstkreis der DGRe eine Diskussion um einen Beschluss-Vorstoß des deutschen Ärztetages, in der Ausbildung von NotSan mehr klinische und notfalldiagnostische Skills zu verankern – und diese Ausbildungsteile in ärztliche Hand zu legen. Dazu fallen mir spontan mehrere Punkte ein, die ich in dieser Debatte gerne beachtet wissen würde:

  • NotSan in Ausbildung bekommen die notwendigen notfalldiagnostische Skills für ihre spätere Arbeit bereits heute – zumindest den gängigen Curriculi nach – bedarfsgerecht und praxisorientiert vermittelt (die Güte mag hierbei einer Serienstreuung zwischen den Ausbildungs-Einrichtungen unterliegen). Das beinhaltet explizit auch die Fähigkeit zur Beurteilung klinischer Parameter, die für eine Weichenstellung der anschließenden klinischen Behandlung bedeutsam sind. Dennoch gilt, dass diagnostische Maßnahmen, die keine direkte therapeutische Konsequenz haben, in der prähospitalen Akutphase obsolet sind – sie kosten wertvolle Zeit, die bei der Versorgung kritisch kranker Patienten eh knapp ist! (Welche diagnostischen Maßnahmen jeweils schnell und sinnvoll zur Abwendung gebracht werden können und sollen, ist dabei vom Stand der Technik und der Anwendungssicherheit der Nutzer abhängig! => Sonographie anybody?)
  • Bevor man sich der Verlängerung der hospitalen Ausbildung von NotSan widmet, fände ich es sinnvoller, zunächst die vielerorts mangelhafte Verzahnung zwischen Fachschule, Rettungswache und eben den Kliniken neu aufzustellen. Die Summe der Reibungsverluste, welche durch die schlichte Non-Existenz von Kompetenz-Entwicklungs-Netzwerken entstehen zu minimieren, würde vermutlich bei allen Beteiligten erheblichen Frust und große Unsicherheit abbauen und gleichsam die Ausbildungsergebnisse verbessern helfen. Mangelnde Kommunikation, unklare Zielvorstellungen, Unkenntnis der Curriculi und persönliche Missverständnisse sind derzeit in diesem Feld an der Tagesordnung. Und es kostet sehr viel Mühe, diese Dinge immer erst in der Ex-Post-Betrachtung glattschleifen zu müssen…
  • Ein Medizinstudium befähigt NICHT automatisch zur Lehre an einer Berufsfachschule – oder an der Universität, auch wenn die Promotion (der Definition nach der Erwerb der Lehrfähigkeit für Hochschulen) dies evtl. suggerieren mag. Die pädagogischen Feinheiten sinnvoll gestalteter Lernarrangements in der Erwachsenenbildung bilden aus gutem Grund eine eigene hochschulische Domäne – und ich bin es ehrlich gesagt leid, hier immer wieder Diskussionen mit Medizinern führen zu müssen. Daher sehe ich den – vom Ärztetag explizierten – Wunsch, den klinischen Anteil der Berufsausbildung über weite Strecken in ärztliche Hände zu legen, als hoch kritisch an. Ich schicke ja auch keine Ärzte, um die Feinheiten der Gesundheits- und Krankenpflege unterrichten zu lassen; sondern Fachleute, die sowohl die Praxis kennen, als auch die notwendigen pädagogischen, psychologischen, soziologischen und didaktischen Skills erlernt und deren Beherrschung durch das Ablegen einer oder mehrere Prüfungen dokumentiert haben! Ich will an dieser Stelle erneut eine Lanze für die Schaffung einer eigenen Berufsprofessionswissenschaft innerhalb meines Berufsfeldes brechen; und das inkludiert selbstverständlich auch die Lehre in diesem!
  • Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Apekt ist die Verfügbarkeit der Ressource „Ärztin / Arzt“ im klinischen Setting. Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese in ausreichendem Maße zur Verfügung stünde, um eine derartige Zusatzbelastung überhaupt leisten zu können. Betrachtet man in diesem Zusammenhang dann noch die politischen Pläne, die Krankenhaus- Landschaft bundesweit einzudampfen, sehe ich in der Zukunft tendenziell eher ein Schrumpfen der klinischen Anteile der NotSan-Ausbikldung, bzw. deren teilweise Subsititution durch reichhaltige Simulationsszenarien.

Alles in allem betrachte ich den Vorstoß also als wenig durchdacht, im Hinblick auf die tangierten Ressourcen und Bedürfnisse für nicht bedarfsgerecht, und vollkommen an der klinischen Alltags-Realität vorbei. Ich würde mich über eine Diskussion freuen.

Erwachsen bilden N°35 – Flight of the Motivator…

Wer sich ein Weilchen mit Erwachsenenbildung im beruflichen Kontext befasst hat, weiß sehr genau, dass junge Erwachsene sich oftmals nur hinsichtlich der Größe und des Besitzes eines Führerscheins von Kindern unterscheiden. Und dabei spielt das Geschlecht kaum eine Rolle. Sie spielen „Mama-hat gesagt-Papa-hat-gesagt!“, versuchen die Honorar-Dozenten zur Stimmungsmache zu instrumentalisieren, fordern allerlei Mögliches (und auch Unmögliches) ein und jammern rum, dass es ja gar nicht wie in der „richtigen“ Schule wäre; man sähe überhaupt keinen roten Faden. Mit Ihnen dann eine Diskussion über lernfeldorientiert vs. fachzentriert und konstruktivistische Didaktik führen zu wollen, führt ins Nichts – ich hab’s schon mehr als einmal probiert. Das liegt zum einen sicher daran, dass solche Strategien woanders zweifellos funktionieren, und das vermutlich mit gewissem Erfolg; andernfalls würden sie den Scheiß nicht auch mit mir abzuziehen versuchen. Zum anderen sitzen sie der – von Anfang an stest auch von Kollegen und Ausbildern und Chefs befeuerten – Illusion auf, dass die dreijährige Ausbildung ein Wettlauf zum Examen sei.

Ich will ehrlich sein: selbstverständlich ist ein halbwegs gutes Zeugnis und die damit heutzutage sichere Anstellung bei irgendeinem Dienstleister im Gesundheitswesen als Motivation nicht von der Hand zu weisen. Denn schließlich muss jede*r irgendwie seinen/ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Diese, stark am Bild des Homo Oeconomicus orientierte Sicht auf die Funktion des Berufsbildungswesens hat gewiss ihre Berechtigung, wenn man das Bild des meritokratisch organisierten Deutschland aufrecht erhalten möchte. Sie klammert jedoch die tatsächliche Aufgabe aus: nämlich zu erlernen, wie man patientenzentriertes Handeln mit den sozialen, ökonomischen und ökologischen Erfordernissen unserer Zeit in Einklang bringen kann. Und das ist weder für die Lernenden, noch für die Lehrenden eine triviale Aufgabe Denn seien wir ehrlich – als allererstes muss man herausfinden, wie man die zumeist jungen Leute abseits des Paychecks am Ende der Straße motivieren kann, mehr zu sein, als nur eine Funktion, die im bunten Jäckchen mit dem großen, lauten Auto und fancy Gadgets durch die Stadt brennt, um sich selbst cool finden zu können…

Ich klinge ein wenig zynisch? Vielleicht. Doch nicht selten kommt mir die Bezeichnung in den Sinn, die ein alter Kollege von mir in einem anderen Zeitalter gerne mal für manche Vertreter unseres Berufsstandes genutzt hat: „Bauch- und schwanzgesteuerte, profilneurotische, blaulichtgeile Krankenträger“; an dieser Stelle sei erwähnt, dass es damals nur sehr wenige Kolleginnen gab. Allerdings weist sich, dass mittlerweile in diesem Zusammenhang auch Frauen manchmal so daher kommen. Doch selbst, wenn ich unterstelle, dass die allermeisten SuS nicht so eindimensional gestrickt sind, bleibt immer noch die Frage, wie man in ihnen die notwendige intrinsische Motivation erzeugt, den eben beschriebenen Weg zu gehen, und auch im Angesicht wirtschaftlicher Zwänge ein human agierender Healtcare-Professional zu werden, und zu bleiben? Und ich muss zugeben, dass ich immer noch an der Lösung arbeite. Manche Erfahrung sagt mir, dass das evtl. ein zu hoch gestecktes Ziel ist. Andererseits sehe ich schon zu viele Kollegen*innen, die mit a) vollkommen falschen Zielvorstellungen hinsichtlich ihres beruflichen Handelns, b) irritierend schlecht ausdifferenziertem beruflichem Selbstbild und c) viel zu viel Ego an den Job herangehen; nur um dann wenige Jahre später desillusioniert das Berufsfeld zu wechseln. Oder zum zynischen Abziehbild eines Sanis degeneriert ihren Frust an den Menschen abzulassen, die ihnen fortan tagtäglich begegnen müssen.

Es genügt nicht, ihnen Selbstreflexionsaufgaben über Schnittstellen zu geben und ihnen den Begriff der doppelten Handlungslogik vorzubeten; die anderen Beteiligten an der Ausbildung müssten ihnen eine Art des Handelns im Gesundheitswesen vorleben, die leider noch viel zu selten tatsächlich stattfindet. Immerzu stöhnen alle, wenn z.B über Kommunikation, Interaktion, Beratung und ethische Fragen gesprochen wird. Warum? Weil in viel zu vielen Köpfen immer noch dieses Bild des Hero-Action-Sanis (m/w/d) dominiert, dass so verdammt falsch, so verdammt gefährlich, so verdammt inhuman, so verdammt unnötig ist, dass es mir die Galle hochtreibt; weil nämlich immer noch viel zu viele Hero-Action-Sanis mit Egos, groß wie Wolkenkratzer da draußen ihr Unwesen treiben und eine positive Weiterentwicklung des Berufsbildes aktiv verhindern. Und – um mich hier mal selbst zu zitieren – deren Horizont ist zu beschränkt, um die Beschränktheit ihres eigenen Horizonts erkennen zu können. DIE MÜSSEN SICH ÄNDERN!

Denn so lange sie existieren, werden sie durch falsches Beispiel in meinen Azubis ein, für alle Beteiligten schädliches Selbstbild fördern, gegen dass unentwegt im Unterricht anzukämpfen unendlich viel Kraft und Nerven kostet. Wenn’s nach mir ginge, würde man diese Kollegoiden samt und sonders entsorgen. Weil das aber nicht geht, bleibt mir nichts Anderes übrig, als nach den besseren Methoden und Argumenten zu suchen. In einer idealen Welt würde das nicht so lange dauern, aber ich schätze mal, dass wir noch mindestens eine Generation brauchen, bevor unser Berufsbild sich tatsächlich zu dem entwickeln kann, was es sein sollte: der bestmögliche Erstkontakt unserer Patienten mit dem Gesundheitswesen bei Notfällen und Krisen. Wer träumt mit…?

Zwischenruf N°3

Immer wieder irritierend, was für Verläufe „Diskussionen“ auf Facebook nehmen. Hatte jemand drauf hingewiesen, dass unverpixelte KFZ-Kennzeichen Käse wären. Als Antwort darauf geht’s gleich ad hominem: „Lass doch mal die Kirche im Dorf“, es wird ein 14! Jahre altes, von der EU-DSGVO lange überholtes Urteil rausgezogen, und das Bild sei ja schon uralt; und wenn ich mir die Frechheit rausnehme, dem Mensch zu widersprechen, kommt gleich noch’n Anderer und weiß es auch besser. Man fühlte sich im Recht – und tat es mir kund. Dass ich mir erlaube, darauf nicht direkt zu antworten, wird dann wahrscheinlich auch noch als Bestätigung für die eigene Berechtigung gewertet, Gesetze so zu interpretieren, wie’s einem halt gerade in den Kram passt. Könnte aber auch daran gelegen haben, dass ich „nur“ Pädagoge bin. Da war es wieder, das Schachspielen mit Tauben…

Butter bei die Fisch: es gibt bei uns in Deutschland diesen einen, zufällig akademisierten Berufsstand, in dem immer mal wieder einzelne Vertreter glauben, dass Arzt zu sein bedeutet, alles besser zu können, besser zu wissen und folglich auch mehr zu dürfen, als alle Anderen. Ausdrücklich weise ich hiermit darauf hin, dass ’n fauler Apfel leider die ganze Kiste verderben kann. Mit anderen Worten: diese Einzelfälle erweisen dem Berufsstand einen Bärendienst, weil ich ehrlich gesagt wohl nicht der Einzige bin, der mittlerweile grundsätzlich Ärzten (außer wahrscheinlich Medizin) erst mal gar nichts zutraut, bis sie mir das Gegenteil bewiesen haben. Insbesondere, wenn es um die geistes- und sozialwissenschaftliche Themen geht. Denn seien wir mal ehrlich, weder das, noch Betriebswirtschafts- oder Führungslehre sind Bestandteil der Arztausbildung. Wenn Vertreter dieses Berufsstandes dort auch glänzen können, dann nur, weil sie sich abseits ihrer eigentlichen Profession weitergebildet haben. Auch das gibt es; Gott sei Dank genauso oft wie die anderen, von denen ich gerade sprach.

Warum mir das überhaupt einen – zugegeben etwas polemischen – Blogpost wert ist? Weil leider in manchen Gremien, deren Entscheidungen ich mich auch in beruflicher Hinsicht unterwerfen muss, gelegentlich Vertreter der „Kann alles besser – weiß alles besser!“-Fraktion sitzen, die sicher viele Qualitäten haben; jedoch oft nicht die, welche das Gremium gerade braucht. Und dann driften eigentlich sachlich zu führende Diskussionen und Output-orientiert zu gestaltende Prozesse in ständisches Geplänkel ab. Das hält auf, verschwendet Ressourcen und mach nichts besser. Gott sei Dank mache ich diese Erfahrung in letzter Zeit immer seltener. Die meisten Ärzte sind abseits irgendwelcher Titel pragmatisch und menschlich genug, an der Sache Fortschritt erzielen zu wollen. Und das tut gut!

Die Eingangs erwähnte Diskussion auf Facebook geht mir übrigens nachgerade mit Wucht am Arsch vorbei, weil mich die Meinung der anderen Protagonisten dort einfach nicht interessiert. Sollen sie doch glauben was sie wollen. Ich erkenne allerdings ein Problem, welches für mich daraus erwächst: wenn immer mehr Menschen, denen ich intellektuelle Leistungsfähigkeit zur Metareflexion ihres Tuns zumindest zugetraut hätte, mich vom Gegenteil überzeugen, indem sie implizit „Meine Förmchen, mein Sandkasten!“ oder wahlweise auch „Du bis blöd!“ schreien, anstatt über das Problem zu reden, oder einen anderen Standpunkt auch nur zu erwägen, tötet das langsam aber sicher mein Interesse an sachlicher Auseinandersetzung; weil ich eh nur noch allen möglichen Menschen unterstelle, selbstgefällige Dummschwätzer zu sein! Und eigentlich will ich das nicht…

Warum in drei Teufels Namen bin ich eigentlich noch bei Facebook? Weil ich meine Blogposts dort zur Kenntnis gebe? Ich schreibe das hier doch vor allem für mich… Wird vielleicht doch endlich Zeit zu gehen und diese ganzen Wesen, die ich als arrogante, unreflektierte Selbstdarsteller wahrnehme, sich selbst zu überlassen. Wenn ich Ihnen damit nur nicht auch den Rest der Welt überließe. Schließlich zählt kurzer Ruhm heute mehr als nachhaltiges Tun. „good fight – good night!“

Erwachsen bilden N°26 – Langeweile?

Zunächst muss ich feststellen, dass ich in den letzten Tagen zu wenig Zeit und Muse hatte, hier einen Text einzupflegen. Meine neue Position hat mich wohl doch mehr gefordert, als gedacht. Heute Abend hatte ich immerhin mal wieder Gelegenheit, einem Fachgespräch mit den Kolleginnen und Kollegen von der GzFWR beizuwohnen. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle die gesamte Diskussion darstellen zu wollen. Eine Sache ist mir jedoch auch in diesem Moment noch sehr präsent: nämlich die Frage, was die Menschen wieder aus unserem Berufsfeld, bzw. der tatsächlichen Tätigkeit als Notfallsanitäter/in hinaus treibt?

Unsere Gesellschaft hat gerade eine Studie zum Thema Berufstreue veröffentlicht, auf die ich bei dieser Gelegenheit hinweisen möchte. Doch unsere Diskussion kam auf etwas anderes, als den in der Studie beleuchteten Punkt „Rechtsunsicherheit“; wir waren irgendwann bei „Langeweile“ und konnten uns am Schluss darauf einigen, dass die passendere Bezeichnung „subjektive Unterforderung“ sei, unabhängig davon, ob diese Betrachtung objektiv zu halten wäre. Denn schließlich gibt es ja gelegentlich durchaus Differenzen zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung der eigenen Person.

Das Gehirn ist ein wundersames Ding. Ich nehme die Art, wie meines mit mir kommuniziert immer als asynchron und asymetrisch wahr. Ideen werden rezipiert, fallen in irgendein Loch und werden, manchmal mit erheblicher Zeitverzögerung wieder ausgespien. Manchmal zerfleddert, gelegentlich aber auch angereichert mit Neuem. Die Diskussion heute Abend hat mich direkt geflasht. Irgendwas in mir wurde munter und wollte raus zum Spielen. Ich meine jetzt auch zu wissen, was das ist: Ungeduld! Ungeduld mit mir selbst und meinen Fähigkeiten. Ungeduld mit der Entwicklung meines Berufsfeldes. Ungeduld mit den strukturellen und politischen Prozessen, die dabei eine Rolle spielen. Und schließlich: Ungeduld mit einigen Protagonisten, weil sie sich gerne selbst reden hören, dabei aber allzu oft nur heiße Luft produzieren und die Berufslandschaft eher zersplittern, anstatt sie zu einen. Egal…

Ich fing an, meine eigene Berufstreue zu überdenken, die ja nun schon über 25 Jahre anhält. Und egal, wie kritisch ich auch mit meinen Motiven bin: ich brenne immer noch für diesen Job! Für das Arbeiten mit Menschen, an Menschen, für Menschen! Doch warum ist das so…? Wenn ich an meine Jugend zurück denke, dachte ich immer, Maschinen wären mein Ding. und ich verspüre bis heute eine gewisse Faszination für Technik, insbesondere für IT. Doch meine andere große Leidenschaft, nämlich das Geschichtenerzählen hat mich schon früh gelehrt, dass ich mit Menschen auch sehr gut klarkomme. Denn eben das Geschichten erzählen lehrte mich einerseits, in unterschiedlichsten Rollen denken, sie analytisch durchdenken zu können; andererseits förderte es meine Kreativität. Und so war es für mich die Mischung aus analytischer Distanz und wohldosierter empathischer Zuwendung, mit der ich meinen Patienten helfen konnte (und immer noch kann).

Als Verfechter einer konstruktivistischen Weltsicht fällt es mir einerseits nicht schwer, „subjektive Unterforderung“ als Grund zum Ausscheiden aus dem Rettungsdienst zu verstehen. Wer seinen Job als immer wiederkehrende, irgendwann öde Routine erfährt, dem fordert dieser nicht mehr so, als dass er dabei bleiben wollen würde. Ich möchte gerne herausfinden, was solche Seelen bei der Stange halten könnte. Denn vielleicht würde beim einen oder anderen ein Reframing der eigenen Situation vollkommen ausreichen. Überdies möchte ich mich gern daran beteiligen, Perspektiven für einen Verbleib im Job aufzuzeigen, denn eines ist sicher: wir müssen dem manifesten Fachkräftemangel begegnen. Das wir auch endlich neue Wege in der Präklinik beschreiten, den Rettungsdienst als Gatekeeper für die weiteren Strukturen des Gesundheitswesens etablieren und dabei auch weitere Jobperspektiven etablieren müssen, steht außer Frage. Doch für solche Vorhaben braucht es Mitstreiter. Hat jemand Interesse…?

Erwachsen bilden N°25 – Covidiantentum…

Es sind komische Zeiten. Ja, in den USA stellt sich ein Psychopath zur Wiederwahl und das Beste, was die andere Partei aufzustellen vermochte, ist ein greiser, illiberaler Parteibonze. Na ja, wird schon schiefgehen. Das ist jedoch nicht, worum es mir gehen soll. Denn mein Augenmerk richtet sich einerseits an jedem vergehenden Tag im Moment auf die Gesundheit der Schüler und des Lehrkörpers (ja, auch meine). Covid19 ist gegenwärtig eine permanente Bedrohung für regelgemäßen Präsenz-Unterricht. Das betrifft ja nun nicht nur Berufsfachschulen, sondern vor allem auch das allgemeinbildende Schulwesen. Aber aus meiner persönlichen Sicht kann ich am Besten was dazu sagen.

Gleich vorweg – ich kriege einen Hals, wenn man Lehrern, die darauf hinweisen, dass E-Learning in vielerlei Hinsicht nicht gut – teilweise auch gar nicht – funktioniert wahlweise Inkompetenz, Faulheit oder mangelndes Engagement vorwirft. Viele Kolleginnen und Kollegen haben im ersten Lockdown non-existenter Infrastruktur, fehlender Ausbildung in E-Medien-Didaktik und mangelnder Unterstützung durch die zuständigen Behörden zum Trotze gezaubert. Und bekommen als Dankeschön dafür Gejammer und Gedisse. Schämen sollten sich diese Leute was. Insbesondere wieder jene, die keine Ahnung, dafür aber mal wieder verdammt viel Meinung haben.

Ich bin übrigens von einem dieser Kollegen aus dem allgemeinbildenden Schulwesen gerügt worden, weil ich Anfangs aus seiner Sicht nicht umfassend auf Hygienekonzepte hingewiesen habe. Ich kann an dieser Stelle sagen – danke für die Kritik, jedoch macht der Ton halt die Musik. Schwamm drüber, ich habe was dazugelernt. Insbesondere über Menschen. Mittlerweile sind die Konzepte ausgereift, gut beübt und dennoch, trotz aller Konformität mit behördlichen Vorgaben, vermutlich immer noch unzureichend. Wir werden sehen, wohin uns der November bringt. Ich vermute ja, dass wir noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angelangt sind. Was bedeutet, dass ich von meinen Kollegen und insbesondere meinen Schülern stringente Einhaltung der Vorgaben verlangen muss. Das ist sozial nicht immer einfach.

Aber eine Einstellung des Präsenz-Unterrichtes wäre zu diesem Zeitpunkt mindesten genauso ungünstig, wie sie das Mitte März war, als ich mich hoppladihopp dazu genötigt sah, Inhalte des RS-Grundlehrganges auf Fernlehre umzustellen. Rettungsdienst ist nun mal ein Gewerk, dass sehr viel handlungspraktisch relevanten Unterricht verlangt und dies ist im E-Learning nur mühselig, wenn es jedoch um handwerkliche Skills geht gar nicht zu bewerkstelligen. Durch Nachlässigkeiten im Umgang mit den Hygienerichtlinien würden sich die Schüler also direkt ins eigenen Fleisch schneiden. Ich habe das schon bei einigen Gelegenheiten verdeutlicht; und doch…

Ich beobachte an mir eine gewisse Tendenz zur Ermüdung. So wie ich an meinen Schülern auch eine gewisse Tendenz zur Ermüdung sehen kann. Nun bin ich am Thema Risikogruppe ca. zwei Jahrzehnte näher dran als sie. Vielleicht ist es diese Abstraktheit der Bedrohung, die Menschen so große Probleme bereitet. Wenn ich mir einen Horrorfilm anschaue, dann kommt die Schreck-induzierte sympatho-adrenerge Reaktion so sicher wie das Amen in der Kirche, spätestens, wenn die Gruppe sich getrennt hat. Bei Covid19 ist das anders: da gibt es eine akute Stressreaktion erst, wenn man die Todesnachricht von Verwandten oder Freunden bekommt. Vorher ist es mehr so wie Bullshit-Bingo. Kann man spielen, es hat ja eh keine echten Konsequenzen.

Das klingt vielleicht resigniert und böse, doch so ist es nicht gemeint. Auch mir fällt das alles schwer. 7-8h am Tag mit Maske im Unterricht stehen, immer wieder ermahnen und beten das alles weiterlaufen kann, raubt einem ganz schön viel Kraft. Aber die Alternativen sind jenen, die sich mit der Materie auskennen weidlich bekannt. Also heißt die Parole: immer vorwärts, immer weiter, und nach außen immer heiter… Denn wenn entweder einer meiner Schüler, meiner Kollegen, oder ich des Covidiantentums verdächtig werden, ist der Ofen für den momentan so wichtigen Präsenzunterricht ganz schnell aus. Und wie geht’s euch anderen da draußen so? Ich wünsche eine gesunde und erfolgreiche Woche.

New Work N°3 – Flight of the Evaluator!

Um’s an dieser Stelle klar zu sagen: meine Arbeit ist nicht neu. Feldschern gibt’s schon seit langer Zeit; und Lehrer sowieso. Was sich allerdings neuerdings immer schneller ändert ist die Art, wie wir unterrichten. Zum einen technisch: Web-Streams und Online-Unterricht sind nicht erst seit Corona der neue heiße Scheiß in meinem Zweit-Gewerk. Wobei nicht wenige, die sich an Online-Lehre versuchen Methode und Medium verwechseln. Was dabei teilweise qualitativ rum kommt, gruselt mich schon ein bisschen. Zum anderen ist aber auch immer ein gewisser Wandel in den pädagogischen Theorien bemerkbar. Was auch nicht mehr ganz new ist, jedoch auf Grund der Frage nach der Wahrheit in irgendwelchen vollmundigen Qualitäts-Versprechen immer mehr in den Blick kommt, ist das Evaluieren.

Einer Sache einen Wert beimessen, bzw. herausfinden, wie viel etwas wert ist. Ich beschäftige mich momentan auch des Studiums wegen mit solchen Fragen und stoße immer wieder auf den schmalen Grat zwischen deskriptiver Forschung, die nach Erkenntnissen sucht und Evaluation, die fragt, ob der Preis für eine Veranstaltung gerechtfertigt ist – OK, das war nicht nett, aber in der Realität spricht nun mal das Geld und auch Bildung ist heutzutage (zumindest für Kostenstellenverantwortliche) erstmal eine Dienstleistung, die einbringen muss, was sie in der Herstellung kostet…

Nun ist jedem halbwegs akzeptablen Lehrer klar, dass diese Dienstleistung nicht so produziert wird, wie etwa die Arbeit eines KFZ-Mechatronikers. Denn das Auto nimmt üblicherweise nicht als aktiver Mitgestalter am Prozess der Reparatur teil. Der Schüler / Teilnehmer tut dies aber sehr wohl in nicht unerheblichem Maße, so dass man beim Lehrer nicht vom Dienstleister, sondern vom (Dienst)Leistungs-Ermöglicher sprechen sollte. Was das Thema Evaluation dort sehr schwierig macht. Das Auto funktioniert nach der Reparatur wieder, wie es soll (manchmal auch nicht); die Parameter zur Beurteilung des Wertes dieser Dienstleistung sind hingegen leicht zu ermitteln: Funktioniert es wieder wie üblich? Wie lange hat es gedauert? Wie effizient war der Ressourcen-Einsatz? Und schließlich: wie nachhaltig ist der Reparaturerfolg? Auf Grund der beschränkten Komplexität des Systems „Automobil“ kann ich das alles relativ leicht feststellen.

Habe ich nun Schüler / Teilnehmer mit stark variierendem Lernerfolg, muss ich versuchen, zu differenzieren, ob der didaktische Ansatz situationsadäquat gewählt war, ob Faktoren in der Unterrichtsumgebung eine Rolle gespielt haben, ob irgendwelche Stör- oder Begünstigungs-Faktoren auf einzelne Teilnehmer, den Lehrer oder die Veranstaltung gewirkt haben, ob das Vorwissen (oder dessen Mangel) korrekt berücksichtigt wurde, ob der Zeitansatz richtig gewählt war, ob die Kommunikation angemessen war, etcpp. Und das ist bei weitem keine erschöpfende Auflistung. Dennoch muss ich mich mit der Frage nach der Qualität der Lehre befassen. Einerseits als Dozent, andererseits als Leiter einer Bildungseinrichtung und schließlich aus Forschungsinteresse.

Denn, ob wir tatsächlich das unterrichten, was zukünftige NotSans brauchen, und falls ja, ob wir es auf sinnvolle Art unterrichten, ist im Moment ehrlicherweise Gegenstand hoch spekulativen Theoretisierens. Wir haben Gedankengebäude, an denen wir uns orientieren. Aber um wieder auf Poppers Vorläufigkeit aller Erkenntnis zu sprechen zu kommen: wir wissen nicht, wie gut oder schlecht diese Theorien tatsächlich sind. Ohne die Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen (oder meine eigene) schlecht reden zu wollen – es mangelt uns einfach an empirisch belastbaren Fakten, an denen wir die Berufsbildung ausrichten können. Ein Punkt, dem wir gerne Abhilfe schaffen wollen. Mal schauen, ob das klappt.

Um aber auf das Evaluieren zurück zu kommen: dessen Apologeten meinen tatsächlich, mit trivialen Methoden (qualitative und quantitative Sozialforschung) Zustandsänderungen in nicht-trivialen Systemen – nämlich Menschen – halbwegs sicher messen zu können; um dann hinterher zu sagen „Maßnahme X ist mit einer Wahrscheinlichkeit von x wirksam.“ (Ich weiß, dass dieser Satz da so nirgends steht, es ist eine leicht polemische Überspitzung auf den oft höchst irrationalen Glauben in die Macht der Statistik) Ich staune immer wieder, wie man bei manchen Gelegenheiten auf solche Aussagen kommt, aber ich lasse mich natürlich gerne argumentativ überzeugen.

Ich denke, dass – speziell auf meinen Fachbereich bezogen – gegenwärtig das Evaluieren der Lehrmaßnahmen keinerlei Sinn macht, weil die professionswissenschaftliche Basis fehlt, an Hand derer sich festlegen ließe, was tatsächlich ein Lehrerfolg wäre. Aber wie schon gesagt, es gibt Menschen, die dran sind. Zum Abschluss möchte ich übrigens noch eindringlich davor warnen, echte Evaluation und Qualitätsmanagement in einen Topf zu werfen. Das erstere ist angewandte Wissenschaft, das letztere eine Management-Funktion, die allzu oft einer echten Qualitätsorientierung entbehrt. Denn in der EN ISO 9001 kann ich einen Haufen Scheiße als meine Qualität definieren; wenn man Blattgold draufklebt, stinkt es halt trotzdem noch. In diesem Sinne – Gute Nacht.

Erwachsen bilden #23 – …oder vielleicht doch nicht?

Im früheren Verlauf diese Abends entspann sich online eine Diskussion, die mich mehr geflasht hat, als viele Andere in der letzten Zeit. Es ging darum, ob man sich in einer Institution zuerst um die Lehre, oder doch zuerst um die Forschung kümmern soll; und vielleicht auch darum, wie beides zusammenpasst. Nun mag man sich die Frage stellen, was es denn am Rettungsdienst als solchem zu forschen geben könnte. Denn natürlich geht es bei so einer Diskussion um meinen beruflichen Background. Und der wird immer und ewig im Blaulichtgewerbe verhaftet bleiben…

Nun ist es so, dass der Rettungsdienst als professionelles Berufsfeld ja immer noch sehr neu ist und das Berufsbild Notfallsanitäter gerade mal gute 6,5 Jahre auf dem Buckel hat. Zu forschen gibt es genug, insbesondere, wenn man irgendwann erreichen möchte, dass sich der Beruf „Notfallsanitäter/in“ vom bloßen Handlanger zu dem entwickeln kann, was der Gesetzgeber von Anfang an intendiert hat: eine Fachkraft für die präklinische Triage und Versorgung. NotSans waren für den aufmerksamen Leser nämlich von der ersten Sekunde an als eine Mischung aus Berufsrettern und Gatekeepern für die nachgeordneten Funktionen des Gesundheitswesens gedacht. Das nordische Modellprojekt Gemeinde-Notfallsanitäter dekliniert diesen Gedanken lediglich ein Stück weiter, aber noch nicht konsequent zu Ende.

Es gibt so viele Themen, bei denen wir noch nicht annähernd so viel wissen, wie wir eigentlich müssten: Schnittstellenproblematiken mit anderen Akteuren der BOS und den restlichen Gesundheits- und Sozialdiensten im Berufsalltag. Die Fundierung unseres pädagogischen Handelns in der Aus- und Fortbildung. Die Bildung eines beruflichen Selbstverständnisses. Die Passung der Möchtegern-Azubis zum Beruf. Die Sinnhaftigkeit von Struktur und Inhalten der gegenwärtigen Ausbildung. Und so weiter und so fort. Um es noch mal mit Sokrates zu sagen: Wir wissen, wie wenig wir bislang verstehen. Da könnte man doch meinen, dass eine Diskussion um die Frage Lehre oder Forschung unnötig sei…

In der Lehre bin ich als Praktiker tätig. Und ich muss mit jedem weiteren Tag, der vergeht feststellen, dass wir in vielerlei Hinsicht im Nebel stochern und oft auf der Basis von Theoriegebäuden agieren, die man bestenfalls als unvollständig beschreiben kann. Doch wir haben derzeit nichts besseres. Sehr zum Schmerz mancher Kollegen. Dennoch muss es vorwärts gehen, denn wir können es uns nicht leisten, die Ausbildung ruhen zu lassen, bis wir „die Formel der Formeln“ für die Ausbildung gefunden haben. Dazu drängen die Zwänge des realen Alltagsgeschäftes viel zu sehr. Wir sind uns der Defizite unseres Tuns also durchaus schmerzhaft bewusst.

Gerade deshalb muss Beides Hand in Hand gehen, ohne einander zu behindern. Und das ist, so komisch das dem Uneingeweihten auch klingen mag, ein wahres Kunststück. Denn auf der einen Seite steht das Bestreben, junge Menschen gut auszubilden, damit sie auf der Straße einen sauberen, einen hilfreichen Job machen können; aber gleichzeitig auch der Wunsch, wissenschaftliches Arbeiten für mehr Menschen (im Rettungsdienst) verständlich und damit vielleicht auch schmackhaft zu machen. Weil man in der Zukunft nämlich Mitstreiter braucht, welche die ganzen oben genannten Forschungsfragen (und noch viele mehr) beantworten helfen können. Diese ganzen Probleme und Fragen warten nämlich auf der anderen Seite. Und wenn ich an dieser Stelle noch Karl Popper mit ins Boot nehmen und mich des Falsifikationismus bedienen darf, um mich noch einmal der Vorläufigkeit jeder wissenschaftlichen Erkenntnis zu versichern, wird mir bewusst, dass die Erschaffung einer eigenständigen Professions-Wissenschaft der Schaffung von Wissen um die Profession bedarf – und des Bewusstseins für die inhärente Dynamik dieses Wissens!

Es ginge viel zu weit, hier weitere Details der Diskussion darlegen zu wollen; und es wäre den anderen Teilnehmern gegenüber auch unfair. Was ich jedoch darlegen möchte, ist der umstand, warum mich die Diskussion so geflasht hat: nämlich die, anscheinend für manche Teilnehmer gefühlte Unvereinbarkeit der beiden beschriebenen Pole. Aus meiner Sicht ist es ebenso richtig und wichtig, erst einmal Wissen schaffen zu müssen, wie dennoch gleichzeitig die Ausbildung (auch, oder besser vor allem die wissenschaftstheoretische) voran zu bringen. Ob Forscher und Praktiker mit fruchtbaren Ergebnissen zusammen kommen können? Ich bin mir da nicht mal für meine eigene Brust sicher, in der beide Herzen schlagen. Aber ich will es versuchen. Und ich hoffe sehr, dass ich mit diesem Wunsch nicht allein stehe. Denn eines ist sicher: der Rettungsdienst BRAUCHT eine eigene Professions-Wissenschaft ebenso dringend, wie er eine noch wesentlich besser am Schüler orientierte Aus- und Fortbildung braucht. Gute Nacht.

Erwachsen bilden #12 – Auch noch erziehen…?

Oh weh! Immer wieder begegne ich der Frage, was der Praxisanleiter auf der Wache denn mit seinen Zöglingen anstellen soll? Was er tolerieren darf und was er korrigieren soll? Wie sich die aktuelle Tiefe und Komplexität des Ausbildungsstandes mit dem eigenen Tun und Lassen auf der Wache versöhnen lässt? Denn eines ist bei der NotSan-Ausbildung sicher: Theorie und Realität liegen oft um Welten auseinander. Und dabei rede ich noch nicht einmal von dem Disput um die Frage, welche (Be)Handlungs-Kompetenzen man Notsan zugestehen möchte, oder auch nicht. In dieses Dilemma werden die jungen Leute schon noch früh genug hineingezogen. Nein – mir geht es um die Frage, was den Azubis auf der Wache vorgelebt wird; und inwieweit das mit dem Unterricht zusammenpasst?

Den jungen Leuten wird am Anfang ihrer Ausbildung erklärt, was ein Spiralcurriculum ist und was das mit ihrer Ausbildung zu tun hat. Sodann beginnt man verschiedene Grundlagen aufzubauen und entlässt sie nach den ersten 8 – 10 Wochen Unterricht auf die Rettungswache, wo sie dann oft zum ersten Mal erleben, wie Kollegen den Job machen, welche die Erlaubnis zum Töten schon erworben haben. [OK, viele, die in die NotSan-Ausbildung kommen, haben vorher schon als RS gearbeitet. Aber eigentlich war das so nie gedacht. Und es bringt Probleme mit sich, über die ich an anderer Stelle reden möchte] Und das Drama nimmt seinen Lauf…

Beginnen wir einmal mit der Frage, ob ein 18-, 19-jähriger Mensch schon charakterlich reif ist? Nehmen wir Erik Erikson, lautet die Antwort: es hängt davon ab… Manche werden früher, andere später reif im herkömmlichen gesellschaftlichen Sinne. Was für uns als Ausbilder bedeutet, dass wir uns mitnichten auf die Position zurückziehen können, dass das Elternhaus es schon gerichtet haben wird und wir ihnen nur Skills eintrichtern müssen. Ein Ausbilder ist – in vielerlei Hinsicht – ein Role-Model. Eine Figur, an der sich Auszubildende orientieren. Auch jene, die schon eine gewisse Erfahrung oder ein höheres Lebensalter mitbringen. Denn auch für einen 23-jährigen RS gilt, dass er sozial erwartbares Verhalten produzieren wird, um mit den Wölfen heulen zu dürfen. Der Wunsch und Wille eines jeden Azubis ist nämlich zuvorderst, im Team ankommen zu dürfen.

Der Auszubildende muss also diese neue Rolle erst erlernen; ebenso, wie er die Rolle des verantwortlichen Teamführers im Laufe seiner Ausbildung erst erlernen muss. Manchen fällt das leichter, andere kämpfen während der gesamten Ausbildung damit. Die ständige Notwendigkeit, das Rollen-Gleichgewicht neu zu finden lässt in vielen Menschen eine Überforderungs-Situation entstehen. Das ist in der Berufsbildung umso wahrer, als hier auch noch Leistungsdruck hinzutritt. Beidem entgegen zu wirken, ist eine der wichtigsten und vornehmsten Aufgaben des Praxisanleiters und Fachschullehrers gleichermaßen.

Doch was erlebe ich in dieser Hinsicht? Manche Praxisanleiter scheinen echt der irrigen Meinung zu sein, dass die Persönlichkeitsbildung abgeschlossen zu sein hat, wenn das „Rohmaterial“ in ihre kundigen Hände gelegt wird; und sie bestenfalls noch die Grate schleifen müssen, um den Diamant zu Funkeln zu bringen. So ein Käse! Zuallererst muss ich als Ausbilder an meiner eigenen Einstellung arbeiten, denn sie wirkt auf meine Azubis; im Guten, wie im Schlechten! Und ich nehme mich selbst da nicht aus. Auch an mir erlebe ich dann und wann, dass ich ungeduldig reagiere, mir nicht genug Zeit nehme, die Sorgen meiner Azubis ignoriere, sie stehen lasse, etc. Nicht schön, aber wahr. Denn mir ist bewusst, dass sie mir nur folgen, wenn sie mir vertrauen. Und Vertrauen baut man nicht auf, indem man sie einfach machen lässt.

Natürlich müssen sie manche Fehler selber machen, um zu wissen, wie man diese in Zukunft vermeidet. Aber ich lasse sie doch nicht sehenden Auges in die Jauchegrube stürzen. Mache ich mit meinen Kindern ja auch nicht. Und selbst, wenn das Bild natürlich nicht ganz passt, denn weder sind sie noch Kinder, noch sind sie MEINE Kinder – die Verantwortung, die ich für sie übernehme, ist jener als Elternteil ziemlich ähnlich. Ein Umstand, dessen Kenntnis manche meiner Kollegen oft vermissen lassen. Ebenso, wie die gelegentlich nötige Distanz. „Tue, was ich sage, nicht was ich tue!“ ist in diesem Kontext ein bescheuertes Credo. Ausbilden Können hat was mit Leadership Ability zu tun. Und geführt wird von vorne!

Ich stehe an dem Punkt, da ich auf manche dieser Dinge bald etwas mehr Einfluss nehmen kann und ganz gewiss wird die Fortbildung von Praxisanleitern einer der Punkte auf meiner Agenda sein, dem ich besonderes Augenmerk widmen möchte. Denn ich kann – und das ist eine wichtige Message – vielen Praxisanleitern gar keinen Vorwurf machen, da sie es selbst nicht besser gelehrt bekommen haben! Hier liegt noch viel Arbeit vor der Community und ich will gerne meinen Beitrag dazu leisten, dem notwendigen Erziehungsaspekt der beruflichen Bildung die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die ihm gebührt. Bis die Tage.

Auch zum Hören…

Erwachsen bilden #11 – Kommunikation ist eine Kunst…?

Ich finde es irgendwie lustig, wenn manche 3-jährig Auszubildenden, aber auch Kollegen, welche sich gerade durch die Weiterbildung zum Notfallsanitäter leiden müssen, zusammenzucken, wenn das Thema „Kommunikation“ auftaucht. Man hat ja als Mensch diese naive Vorstellung, dass man sich schon mit Anderen austauschen könne und damit „die Beer g’schält wär“, wie man hier in der Gegend manchmal so sagt; an dieser Stelle Obacht: diese Redewendung ist älter. Jedenfalls zieht es sich wie ein roter Faden durch die Unterrichte, in welchen ich zu den mannigfaltigen Aspekten dieses Themenkomplexes referiert habe, dass die Leute fast körperliche Schmerzen zu bekommen scheinen, wenn ich das Wort nur in den Mund nehme.

Dabei ist Kommunikation, gleich auf welchem Kanal sie stattfinden mag, ein ubiquitärer Bestandteil unseres Daseins. Ich verweise – allerdings nicht ohne Schmunzeln – an dieser Stelle noch mal auf das erste Axiom nach Watzlawick: „Man kann nicht NICHT kommunizieren!“. Ist ein Allgemeinplatz, der jedem halbwegs intelligenten Lebewesen sofort einleuchtet und daher im Grunde keiner weiteren Erörterung würdig. Außer vielleicht, dass jeder von uns gut daran tut, sich Freiräume von Kommunikation zu schaffen. Denn wir haben, realistisch betrachtet, viel zu viele Kanäle, denen wir Beachtung schenken zu müssen glauben!

Ich habe mich selbst die Tage dabei beobachtet, wie ich innerhalb von etwa einer Stunde Telefon, E-Mail, Whatsapp©, Telegramm©, Threema© benutzt habe, wozu dann täglich noch Facebook©, seltener Instagram© und gelegentlich noch Skype© und GoTo©, sowie seit allerneuestem Slack© kommen. Und worauf lese ich meine Zeitung? Richtig, auf einem portablen digitalen Endgerät, dass all diese Kanäle in gebündelter Form zur Verfügung stellt. Es liegt jetzt übrigens auch auf dem Schreibtisch neben der Tastatur, mit der ich diese Worte schreibe. Ist das zu fassen?

Wenn jetzt irgendeiner die Schlagworte „Digital Detox“ und „Achtsamkeit“ im Kopf hat – davon rede ich gerade nicht. Natürlich hat es was mit Selbstsorge und Erhalt der eigenen Humanität zu tun, wenn man versucht, etwas weniger Zeit in soziale Medien und dafür mehr in das reale Leben zu investieren. Doch mich treibt natürlich die Frage um, ob man dem überhaupt entkommen kann? Und – falls die Antwort darauf JA lautet – wann und wie man das tun sollte?

Mit Blick auf die Auszubildenden muss ich als Pädagoge die Wirksamkeit digitaler Medien (seien das Cloudspaces für Materialien, Aufgaben und Lerntagebücher, Whatsapp-Gruppen zur Terminabstimmung, o.Ä.) kritisch hinterfragen. Gewiss bezeichnen wir unsere aktuellen Auszubildenden-Kohorten gerne als „Generation Z“ und unterstellen allen, dass sie „Digital Natives“ wären. Was sich – bei näherer Betrachtung – nicht selten als töricht herausstellt. Natürlich ist bei diesen jüngeren Menschen, die Telefonhäuschen, drei Programm im Fernsehen und 300-Baud-Modems nur als historische Relikte eines lange untergegangenen Zeitalters kennen, der Umgang mit neuen Medien oft sehr intuitiv. D. h. aber mitnichten, dass man sie da einfach schon mal rumwursteln lassen kann, weil sie das ja eh alles besser raffen als ich…

Die Pluralität der Kanäle und die Flut der zu verarbeitenden Informationen hat mitnichten innerhalb einer Generation eine evolutionäre Veränderung des Gehirns herbeigeführt. Wir haben immer noch nur ein Sensorisches Register, ein Arbeitsgedächtnis und ein Langzeitgedächtnis zur Verfügung, die während eines Tages in den Weiten des Netzes Höchstleistungen zu vollführen haben. Denn Medienkonsum muss moderiert werden, damit er nicht a) ins Leere läuft, oder zumindest die falsche Richtung und b) auch relevante Informationen zu Tage fördert, um Lernprozesse anzuregen. An dieser Stelle scheitern die meisten Lernplattformen kläglich. Einfach nur kuratierten Content auf eine Webseite zu klatschen, kriege ich auch in ein paar Minuten hin. Den Content für den Schüler mit Sinn anzureichern und so Lernen auszulösen ist die Kunst. Ich empfehle hier folgenden Buchtitel: „E-moder@ting“ von Gilly Salmon. Man muss sich vor dem Englisch nicht fürchten…

Wenn ich irgendein Projekt zu managen habe, das im Laufe der Zeit wächst und irgendwann auch mehr Mitarbeiter haben wird, komme ich nicht umhin, Daten, Deadlines, Strukturen, Meilensteine, etc. mit jenen zu teilen, die an dem Projekt teilhaben, oder es auf höherer Ebene verantworten. Und das gute alte Vier- oder Sechs-Augen-Gespräch ist natürlich eine wohltuend persönliche und zielorientierte Angelegenheit. Nichtsdestotrotz müssen viele Dinge im Laufe des Tages auf unterschiedlichen Wegen abgestimmt werden. Wenn ich dabei jedes Mal ein persönliches Gespräch führen möchte, werde ich irgendwann wahnsinnig. Entweder wahnsinnig viele Kilometer verfahren, wahnsinnig viel Zeit verschwenden, oder eben einfach nur wahnsinnig.

Moderation von Blended-Learning und Koordination von Projekten sind gute Beispiele für die Komplexität von Kommunikationserfordernissen. Und dabei habe ich noch kein Wort darüber verloren, worin die ganzen Hindernisse bestehen. Darüber reden wir gerne ein anderes Mal. Für heute möchte ich es dabei belassen, jeden dazu aufzurufen, mehr über Kommunikation zu lernen. Denn wenn wir bewusster, gezielter und achtsamer miteinander umgehen, machen wir unsere Welt besser. Guten Abend.

Auch zum Hören…

One-man-show…?

Also ehrlich: es ist schon schön, wenn es Indikatoren dafür gibt, dass man gebraucht wird. Z. B. die eigenen Kinder, die einen frenetisch begrüßen, wenn man nach einem langen Tag nach Hause kommt, oder sich freuen, wenn man mal dazu kommt, sie selbst vom Hort abzuholen. Die Freude der Gattin über das Mittagessen, das zu Hause auf sie wartet, wenn man mal nicht Kernzeit arbeiten muss. Freunde, die sich Zeit für einen Spieleabend, ein Telefonat (>1h) oder ein Frühstücksgespräch nehmen. So kleine Dinge halt, die einem zeigen, dass man nicht alleine auf der Welt ist.

Und dann gibt’s die Momente, in denen man verflucht, dass man auch aus anderen Gründen und für andere Menschen, die wir mal Kollegen nennen wollen, wichtig ist: wenn man im Urlaub, im Krankenstand mit E-Mail, Telefonaten und Messenger-Nachrichten vom GmbH-Typ beglückt wird: „Geh mal, bring mal, mach mal, hol mal!“. Da könnt ich… OK! Ich bin natürlich zur Hälfte selbst dran schuld. Ich könnte ja auch einfach nicht drauf reagieren. Was allerdings bei manchen Menschen dazu führt, dass die Intensität der Anfragenflut noch größer wird. Weil geflissentlich davon ausgegangen wird, das Funktionsträger in Organisationen ihre Funktion immer und überall ausüben. Hierzu ein klares NEIN!

Und überdies eine Klarstellung: wenn ich morgens über den Hof gelaufen komme, beantworte ich keine Fachfragen oder Anforderungen, bevor ich nicht mindestens eingestempelt habe! Eigentlich wäre es für die Gesundheit der Nachfragenden gut, wenn sie mich erst meinen Kaffee trinken ließen; immerhin habe ich meine Affekte heutzutage halbwegs unter Kontrolle. Tote und Verletzte sind daher bislang ausgeblieben. Aber es nervt. Und das weiß man eigentlich so als Mensch auch. Doch die Idee von der ubiquitären Verfügbarkeit sozialer Dienstleistungen scheint sich irgendwie in die Gehirne meiner Kollegen geätzt zu haben.

Sitze ich dann im Büro und bin – OFFENSICHTLICH – auf etwas anderes konzentriert (könnte man am Blick auf den Bildschirm und der Bewegung meiner Finger auf einer Tastatur relativ simpel herleiten), kommen die lieben Kollegen hereingewalzt und fangen an, ohne Punkt und Komma auf mich einzureden. Ohne abzuwarten, ob ich jetzt gerade die zeitlichen und kognitiven Ressourcen für ihr Anliegen frei habe. NEIN – ich sitze nicht den ganzen Tag da und warte auf einen Partner für ein Schwätzchen. Es kann ab und zu mal vorkommen, dass ich mir Zeit für die informelleren Teile meiner Arbeit nehmen kann. Aber nur, wenn die anderen Dinge erledigt sind, oder etwas wirklich wichtig ist. Dann hat man aber trotzdem 30 – 60 Sekunden Zeit, zu warten, bis ich Kommunikationsbereitschaft signalisiere. Das hat was mit dieser altertümlichen Unart namens „Höflichkeit“ zu tun…

Besonders problematisch wird es jedoch, wenn Arbeit und Privates vollkommen entgrenzt werden, weil mich Erstere in das Letztere verfolgt. Z. B., wenn ich – für die Schnupfensaison vollkommen untypisch – mit einem wüsten Atemwegsinfekt auf der Schnauze liege, daher plötzlich nix mehr funktioniert, wie vorgesehen und ich mit fiebrigem Schädel von Zuhause aus Dinge managen muss, weil ich vorher schlicht keine Zeit hatte, einen Plan B für alle Fälle zu entwickeln. Mal davon abgesehen, dass das Ressourcen-Portfolio die frühzeitige Vorplanung für solche Eventualitäten schlicht nicht zulässt. Schade auch…

Ich mache im Moment einen auf One-man-show, weil das Projekt, mit dem ich nun betraut bin noch entwickelt wird und ich nebenher meinem bisherigen Arbeitsbereich am Laufen halten und dazu noch ab und an Blaulichtauto fahren muss. Ich sag’s wie’s ist: das klappt nicht immer ohne Reibungsverluste und Friktionen. Aber man hat bei meinem AG im Hause immer noch nicht vollständig begriffen, dass das Zeitalter der eierlegenden Wollmilchsäue vorbei ist. Endgültig!

Die Lehre, die ich für mich daraus ziehe ist Folgende: ich werde zumindest versuchen, für die Zukunft nur noch mit einem Plan B zu disponieren. Alles, was keinen Plan B zulässt, sollte nicht realisiert werden, weil es sonst hinterher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur unangenehme Fragen und lange Gesichter gibt. Und ein vollkommen ausgebranntes Ich – hatt‘ ich schon, brauch ich nich‘ noch mal. Ich bin mir ziemlich sicher, ähnliches schon mal geschrieben zu haben, doch im Moment nervt mich vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der man annimmt, dass ich zur Verfügung stehe, obwohl ich KzH bin. Na ja, ab Januar wird alles besser. So wie jedes Jahr. Au revoir.