A snipet of IoT

Mein Kühlschrank soll also in Zukunft im Internet was zu Futtern bestellen können, wenn’s alle ist. Bestellt mein Handy dann auch Nutten, wenn’s mich zufällig beim Wichsen beobachtet? Meine Heizung soll ich schon von unterwegs bedienen können, bzw. sie soll mit meinem Auto absprechen, wann ich von der Arbeit kommend zu Hause eintreffe, damit ich wohltemperiert auf der Couch vor meiner bereits anlaufenden Lieblingsserie darnieder sinken kann; schließlich hat das Auto auch meinem Infotainmentsystem Bescheid gesagt. Liest Alexa dann auch meinen Kindern die Gute-Nacht-Geschichte vor, ohne, dass ich was dazu tun muss? Falls ja, müsste ich vermutlich schreiend davonlaufen! Denn dieser himmelschreiende Irrglaube, dass dieses ganze Techno-Spielzeug mein Leben einfacher oder gar besser machen würde, kotzt mich an.

Wer mal William Gibson, oder auch manch anderen Protagonisten des Genres Cyberpunk gelesen hat, bekommt eine Ahnung davon vermittelt, wie eine Welt aussehen könnte, in der wir unsere Autonomie und unsere soziale Deutungshoheit auf dem Altar der Technikgläubigkeit geopfert haben. Der Weg dorthin ist mittlerweile schon ziemlich gut geteert. Ich bin tatsächlich kein Luddit, auch ich nutze Tech-Gadgets und akzeptiere, dass es technische Artefakte gibt, die unser Leben verbessern. Aber ich würde dabei Folgendes zu bedenken geben:

Meinen Töchtern selbst etwas vorzulesen beinhaltet mehr, als den reinen Transport in Schallwellen transponierter Information. Ein Glas Wein in guter Gesellschaft, auf einer von warmer Abendsonne durchfluteten Terrasse wird durch ein Selfie nicht besser, sondern entweiht. Die Flüchtigkeit des besonderen Augenblicks ist es erst, die ihn besonders macht. Folglich beraube ich den speziellen Augenblick seines Zaubers, wenn ich ihn mit Gewalt einfangen muss, oder durch Maschinen extern steuern lasse. Insbesondere, weil z.B. diese Smartphoneknipserei nichts als ein sinnentleerter Ausdruck hemmungs- und grenzenlosen Narzissmusses ist. Wer wissen will, wohin sowas führt, muss sich nur die aktuelle US-Politik anschauen. Übergebe ich aber nun die Kontrolle über meinen Narzissmus auch noch einer ganzen Kohorte miteinander flüsternder Geräte, ist mein Dasein nicht nur in Gefahr, im Namen der Selbstoptimierung entweiht zu werden, sondern ich gebe sogar noch die Kontrolle über meine eigene Oberflächlichkeit ab. Und wenn ich bei Style-over-Substance sogar die Macht über den Style abgebe, dann ist mein Menschsein auf einem sehr niedrigen Niveau angelangt. Was für ein grandioser Akt der Selbstachtung…

Nee, nee, nee… mit dem IoT, so wie es sich Ingenieure und geldgeile Tech-Konzern-CEOs vorstellen, will ich nix zu tun haben. In diesem Sinne einen schönen Tag.

Asoziale Medien…?!

Es heißt ja immer, wir wären soziale Wesen. Nun könnte man diese Behauptung, offen gestanden, nach einem kurzen Blick in die Kommentar-Spalten bei Facebook, oder nach dem „Genuss“ eines durchschnittlichen Nachrichten-Potpourris als Nonsens abtun. Das Maß an verbaler Gewalt macht es nicht eben leichter, an die Bildbarkeit, oder aber die Soziabilität des Menschen an sich zu glauben. Ich kann mir da aber mit einem kleinen – wissenschaftlich untermauerten – Trick helfen: Soziabilität, Extrovertiertheit und Offenheit für Neues sind drei von fünf Variablen, welche die Sozialpsychologie zur Persönlichkeits-Beurteilung heranzieht. Der Trick liegt darin, dass ICH weiß, dass diese Parameter bei jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt sind. Damit kann ich manchen Quatsch, den man auch genauso gut als Beleidigung des eigenen Menschseins auffassen könnte, einfach als das abtun, was es ist: ungefilterte, unreflektierte Gehirnkacke. Und schon geht’s mir besser, weil ich das nicht allzu ernst nehmen muss.

Unter dem Strich bleibt aber stehen, dass jedes menschliche Wesen die Nähe anderer menschlicher Wesen braucht, um nicht zu verkümmern oder gar zu sterben. Und dass ein Ball mit dem Namen Wilson hier nur ein sehr kümmerliches Substitut ist, hat uns Tom Hanks sehr schön vorgeführt. Ob diese andere Menschen nun Typen sind, die ich leiden kann, oder nicht, ist dabei vollkommen Wurst, denn auch negativer Input hat seinen Wert, schärft er doch unsere Wahrnehmung. Allerdings ist es mit dem Sozialen wie mit allem anderen auch; wie der alte Paracelsus schon wusste: „Jedes Ding ist ein Gift. Nur die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“

Bezogen auf Mehrsamkeit heißt dies, dass Solitude gelegentlich hilfreich sein kann. Ein Gleichgewicht herzustellen ist in unserer Zeit aber nicht immer so leicht. Zum einen sind wir stets eingebunden in Familie, Arbeit, Freundeskreis. Zum anderen lassen wir uns nur allzu gerne zu noch manchem mehr einbinden, als gut oder gar gesund wäre. Dass ich im Rahmen meiner Arbeit viel zu kommunizieren habe, liegt in der Natur der Sache (Gesundheitswesen, Ausbildung, etc.). Dem kann ich mich nicht entziehen, aber ich habe Wege gefunden, es zu kanalisieren. Im privaten Bereich stört es mich vermehrt, dass Menschen offensichtlich glauben, dass ein Smartphone bedeutet, dass man darauf immer und dauernd erreichbar sein muss. Einen Bullshit muss ich!

Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, was für Inhalte mich tatsächlich interessieren und habe daher verschiedenes deinstalliert, was Zeit verbraucht, ohne einen Mehrwert für mein Leben zu erzeugen: Instagram, Facebook, Twitter, Signal; WhatsApp habe ich im Moment noch, weil verschiedene Kanäle dort Dinge organisieren, die ich auch für die Arbeit brauche. Doch in mittlerer Frist werde ich auch dort verschwinden, weil mir diese elende Dauer-Gebimme und -Gebrumme auf den Sack geht. Wenn’s was Wichtiges gibt, schreibt mir ne SMS, schickt eine Mail, oder noch besser, ruft mich an. Die meisten „Messenger-Gespräche“ dauern achtmal so lange, wie das Telefonat, dass es gebraucht hätte, die Sache zu klären. Und für so einen Mist ist mir mein Leben zu schade!

Ach und noch etwas: auch in der informellen Schriftkommunikation gelten die guten alten Regeln der Orthographie und Interpunktion unvermindert weiter. Wer also von mir tatsächlich ernst genommen werden möchte, tut gut daran, zu schreiben, wie es üblicherweise in der formellen Kommunikation vorausgesetzt wird. Klar soweit?

Ich lief die Tage ein Stück durch die Felder hinter dem Dorf, in dem ich zurzeit zum Urlaub mit meiner Familie logiere und nach einer Weile, wie ich da gelegentlich meine Kamera hochnahm, um der Landschaft den einen oder anderen Blickwinkel abzuringen, der vielleicht später zum Strahlen anregt, kam die nahe Ostsee in den Blick. Alleine dazustehen, auf diesem windzerzausten Acker, fasziniert von den Geräuschen der Natur, dem Geruch von Salz und dem Gefühl von Weite, ist mir einmal mehr klargeworden, dass abseits aller Ideen und Pläne, die ich noch zu verfolgen gedenke das wahre Leben genau jetzt stattfindet; und dass ich mir nicht von irgendjemandem im Namen der Arbeit oder irgendwelcher selbsterfundener sozialer Zwänge seine Scheiße aufzwingen lassen werde, damit diese mein Leben genau jetzt entwertet. Alles hat seine Zeit. Das gilt insbesondere für das Digitale.

Komische Worte aus den Tasten von jemandem, der doch offensichtlich ein Blog betreibt, oder? Sagen wir mal so: hier bestimme ICH, was, wieviel und zu welchem Zeitpunkt ich von mir preisgebe. Bei Facebook und Co. Jedoch nicht. Denkt mal drüber nach – oder lasst euch schön weiter sedieren…

Ey, isch brauch des neue Phone UNBEDINGT…!

Wer kann sich mich in einem pinkfarbenen Anzug mit lila Einstecktuch und Krawatte vorstellen? Die Vorstellung ist schauderhaft, oder? Das relativiert sich jedoch in dem Moment, in dem ich in einem solchen Aufzug auf einem AfD-Parteitreffen rosa Rosen an die weiblichen Teilnehmer verteile. Wie würde die Security wohl reagieren, wie die Delegierten, oder Redner am Pult? Die Vorstellung gefällt mir so gut, dass ich gedanklich schon mal ein paar Euro für eine solche Aktion zur Seite gelegt habe.

Wie kommt er denn jetzt auf so was? Nun, ich habe dieser Tage ein Buch von Harald Welzer gelesen und muss gestehen, dass seine Ausführungen über eine politisch vollsedierte, hyperkonsumistisch befriedigte Gesellschaft auf dieser Seite des Erdenrunds bei mir einen Nerv getroffen haben. Dass unsere Welt nicht so beschaffen ist, wie sie dies sein sollte, ist mir schon lange bewusst, doch die Idee, mit der er seine durchaus schmerzliche Analyse unserer Zeit beschließt, nämlich jenen, welche die parlamentarische Demokratie endgültig zugunsten ungezügelter Ausbeutung zu Grabe tragen wollen mit (bisweilen anarchistischem, bisweilen sogar strafbarem) Spaß zu begegnen, finde ich im Kern ziemlich gut.

Ein Gedanke aber hat mich bis in den Schlaf verfolgt: Aktivismus gegen das bestehende System kann nur dann sein Ziel erreichen – nämlich erst einmal überhaupt ein Problembewusstsein zu schaffen – wenn er die Leute da abholt, wo sie sind; sie in ihrer Lebensrealität berührt. Was interessiert mich ein abschmelzender Gletscher, im Moment geht es mir doch gut? Warum soll ich mir kein IPhone kaufen, es wird ja nicht meine Frau bei Foxconn in China ausgebeutet und langsam in den Selbstmord getrieben. Warum soll ich überhaupt weniger Scheiß kaufen, der ganz anderswo von Menschen hergestellt wird, die ein teilweise genauso schlimmes Leben führen müssen, wie die Sklaven auf den Baumwollplantagen? Ich habe doch damit nichts zu tun, dass es denen schlecht geht! Doch natürlich haben wir das, jeder einzelne von uns! Aber so lange wir nicht spüren, was das tatsächlich bedeutet, was wir unserer Welt und damit automatisch auch den Generationen nach uns antun – also unseren eigenen Kindern! – werden wir nichts an unserem Tun oder Lassen ändern.

Was daraus folgt, bleibt ein wenig nebulös, weil natürlich auch Harald Welzer in seinem Buch nicht zu Straftaten, zu zivilem Ungehorsam, ganz unverhohlen zum Widerstand aufruft. Man könnte ihn dafür belangen, wenn jemand mit seinem Buch in der Hand einen Apple-Store niederbrennt und „Tod den Sklavenhaltern!“ brüllt. Ich glaube auch nicht, dass es diese Art von Subversivität war, die ihm so vorschwebte, als er sich für die ganz persönliche Abwendung vom Hyperkonsum aussprach, für ein Weniger, dass auf lange Sicht ein Mehr sein würde. Wenn denn nur mehr von uns mitmachten.

Ein gutes Buch wirft, bei aller Kontingenz seiner eigenen, inneren Logik zumeist mehr Fragen auf, als es zu beantworten vermag. An dem Punkt bin ich gerade und ich kann andere nur einladen, sich die gleichen Fragen zu stellen. Im Moment brüte ich noch. Ich hatte mal die Idee, eine Lernplattform einzurichten, was bislang an Zeitmangel gescheitert ist. Frei Ressourcen herzustellen und bereitzustellen, quasi als Antimodell zur ewigen Profitgenerierungsnotwendigkeit. Selber etwas tun, das wäre doch ein Anfang, nicht? Ja, auch ich genieße bestimmte Möglichkeiten, die mit Gadgets zu tun haben. Aber ganz nüchtern betrachtet, würde ein Kaffee, den ich im Sonnenschein auf einer Terrasse nahe der See trinke um kein Jota besser, wenn ich dabei ein Selfie von mir machte. Er würde wahrscheinlich noch besser, wenn neben meiner Frau und meinen Kindern noch Freunde dabei wären, mit denen man über dies oder das schwatzen kann – Leben halt.

Aber dieses ganze Selfiegeschieße, das lediglich noch mehr Personen mit narzistischen Störungen hervorbringt, dabei gleich das Internet mit Daten über mein Leben beschickt und so Konzernen und Regierungen noch mehr Wissen und damit eventuell Kontrolle über mich gibt – das macht mein Leben überhaupt nicht besser. Auch wenn irgendwelche Followergeilen Vollhonks in so genannten sozialen Medien uns gerne etwas Anderes suggerieren wollen. Doch denen geht es nur um eines: Geldverdienen auf Teufel komm raus. Da will ich nicht mitmachen. Mal sehen, ob ich einen weg finde, mein Smartphone verantwortungsbewusst zu nutzen. Ich seh‘ euch; am liebsten in echt.