Spielerische Annäherung – Rollenspiel für Dummies #8

Ich habe neulich, wie ich so ein wenig in den weiten Untiefen des Netzes der Netze umherdümpelte (wer mich kennt, weiß, dass ich so oder so NICHT nach Surfer aussehe) natürlich auch mal wieder geschaut, ob es zu meinem Lieblingshobby etwas Neues zu wissen gibt. Hierzu als Aufklärung: ich bin schon seit weit über 25 Jahren Fantasy-Rollenspieler. Und neben solchen Dingen wie Spielsystemen, mit den dazu gehörenden Regel-, Quellen- und Fantasy-Art-Büchern, jeder Menge, für sich allein betrachtet, unnützen Allgemeinwissens und Diskussionen über alle möglichen soziologischen und technischen Aspekte des Spiels interessieren mich natürlich vor allem Ansichten, Ideen und Erfahrungen anderer Süchtiger… ähm, Pardon, Spieler meinte ich selbstverständlich. Und die findet man heutzutage, wie alles Mögliche andere auch, im Internet.

Rollenspiel ist insofern dem wahren Leben ziemlich ähnlich, als man hier ein um einen Faktor k (k kleiner eins) gestauchtes Modell desselben findet. Natürlich sind die Charaktere keine Normalos und sie tun im Kontext des Spiels auch keine normalen Dinge (es sei denn wüste Verfolgungsjagden, die NSA hacken, einen Drachen erschlagen oder sich durch feindliche Heerlager schleichen gehören zu eurem Alltag); ebenso wenig sehen sie zumeist wie Normalos aus und gehen manchmal auch keine normalen (virtuellen) Beziehungen ein. Oder besser gesagt: die zwei letzteren Dinge hängen vom Gusto der Spielerunde und ihrer Teilnehmer ab. Und wie man mit einem Blick in Foren, Blogs, etc. so feststellen kann, ist genau dieser Part gar nicht so unkritisch… fast wie im wahren Leben, nicht?

Es gibt da die unterschiedlichsten Ansichten, von denen ich einige durchaus „interessant“ finde; wobei dieses „interessant“ durchaus in Spock’scher Diktion verstanden werden darf. Da gibt es zum Beispiel jene, die sagen, Beziehungen im Rollenspiel interessieren sie nicht, für sie ist der „Loot der Woche“, also das Plündern irgendeines Schatzes weit wichtiger. Mich durchzuckte der Gedanke, dass jene, die sowas äußern entweder noch zu jung für Beziehungen sein mögen (sorry, aber Menschen unter 25, bzw. ohne eigene Kinder als „erwachsen“ ernst zu nehmen, fällt mir zunehmend schwerer), oder aber gebrannte Kinder sind, die nicht mehr an eine gelingende Beziehung glauben mögen. Schade für sie. Dann war da jene Gruppe, die grundsätzlich Beziehungen unter Charakteren OK findet, aber Männer müssen auf jeden Fall männliche Charaktere spielen und Frauen weibliche – was für ein Käse! Gerade das Spielen mit Rollen- und Geschlechterklischees macht doch den Reiz des Charakterspiels aus. Ach so, stop, vielleicht besteht die erste Gruppe auch aus Gamisten…? Die mögen natürlich kein Charakterspiel.

Ach ja und dann war da noch die Frage nach Homosexualität im Rollenspiel. Oh lieber Himmel, was da unter dem Deckmäntelchen „das passt ja nun nicht so in unseren Spielkontext“ an verkappter Homophobie unterwegs war, kotzt mich mal so richtig an. Ja, es ist nur ein Hobby, aber auch an diesem Ort des Spiels und Spaßes bin ich schon über Nazis, Rassisten und sonstige soziale Problemfälle gestolpert. Na ja, auch engstirnige Menschen haben manchmal Phantasie.

Ich klinge jetzt vermutlich ein bisschen gereizt, aber da liegt der werte Gast weit daneben. Amusement ist das Gefühl, welches mich mittlerweile befallen hat. Zum einen, weil ich die, den oben beschriebenen Meinungen zu Grunde liegende Selbstbeschränkung eigentlich lächerlich finde. Meine persönlichen Erfahrungen haben mich nämlich eine reiche Bandbreite an gespielten sozialen Beziehungen im Kontext einer guten Geschichte schätzen gelehrt. Zum anderen offenbart es jedoch in unverstellter Art und Weise, dass da Menschen am Spieltisch sitzen, die nicht so wirklich aus ihrer Haut können. Ein altes Diktum unter Rollenspielern sagt nämlich, dass in jedem Charakter ein Teil unserer ureigenen Persönlichkeit steckt. Und weil, wie ich vorhin schon sagte, das Rollenspiel ein quasi verkleinertes Abbild der wahren Welt ist, lässt dieser Gedankengang auch einen Blick auf meine eigenen Gedanken zu. Ich mag es, wenn mit Rollen- und Geschlechterklischees gespielt wird (ich selbst spiele gerne weibliche Charaktere, weil mich starke Frauen schon immer fasziniert haben und niemand wird ernsthaft erwarten, dass ein Rollenspielcharakter schwach ist – immerhin sollen es ja Helden sein). Ich finde, das Ausspielen von Beziehungen aller Art (nicht nur den romantischen, aber eben auch von denen) ist der wichtigste Teil von Rollenspiel überhaupt; und ich bin einem guten Loot dennoch nie abgeneigt.

Schließlich aber hoffe ich, mein Näschen für Beziehungskisten und meine Reaktionsfähigkeit hier spielerisch geschärft zu haben und dies auch weiterhin zu tun. Es ist für mich, da ich so viele Alternativen schon gesehen/gespielt habe, auch ein Training für meine sozialen Fertigkeiten; sozusagen eine spielerische Annäherung. Einerseits hoffe ich, mir so meine Offenheit für alles Neue konservieren zu können und andererseits sammle ich so auch die Contenance, mit den von mir hier geschmähten Meinungen und den Protagonisten, welche sie vortragen gelassen umgehen zu können. Auch im Spiel kann man was für’s Leben lernen, wenn man es nur zulassen mag. In diesem Sinne – always game on!

Über’s Wetter reden?

Ja, kann man mal machen. Ich selbst habe mich zwar schon des Öfteren über „das Wetter“ als ausgemacht seichtes Small-Talk-Thema ausgelassen. Allerdings muss ich zugeben, dass diese Betrachtungsweise dahingehend überholt ist, als Wetterphänomene, die allenthalben zum Nachteil gereichen immer häufiger werden. Man denke an die ungewöhnlich hohe Zahl extrem schwerer Gewitter in Süddeutschland im Juno dieses Jahres; die überdies mit einer, für deutsche Verhältnisse unverhältnismäßig hohen Zahl an Unwettertoten einhergingen. Überraschend waren vor allem die Intensität des Regens und die nun zu Tage getretene Unzulänglichkeit der örtlichen Infrastruktur, diese zu kanalisieren. Das hätte wohl tatsächlich keiner geglaubt.

Natürlich fangen dann wieder alle zu reden an. Sie reden aber nicht davon, dass die Klimaerwärmung uns nun mit einer Phase des Klimazonenwandels endgültig davon zu überzeugen sucht, dass sie real ist. Und dies Phase des Wandels äußerst sich gegenwärtig ganz offenkundig in immer extremeren Mikrowetterphänomenen. Oder hat irgendjemand schon mal so einen Juni erlebt? Ich nicht und ich habe auch keine Erinnerung an derart schnell heranrollende, mit solchen Temperatur-Amplituden einhergehende und derart schnell wechselnde Wetterperioden. Mag sein, dass meine subjektive Sicht alleine nicht aussagekräftig erscheint, aber tatsächlich haben Wissenschaftler ja immer wieder darauf hingewiesen, dass in der Klimaerwärmung Transitionsphasen mit Extremen in beide Richtungen (also Warm vs. Kalt und Trocken vs. Nass) immer wieder möglich sind und wir gerade erst am Beginn einer solchen Phase stehen. Aber kurzfristige wirtschaftliche Belange waren ja schon immer wichtiger und man kann auf Klimakonferenzen noch so viele schöne Worte absondern und noch so viele – von manchem Nachrichtengollum dann hinterher auch noch als „ambitioniert“ bezeichnete – Abkommen schließen; so lange die Wirtschaft diktiert wo’s langgeht, werden wir weiter in den Abgrund steuern.

Ich bin ein alter Soze, aber beim besten Willen kein Linksromantiker. Ich weiß, dass irgendwie essen auf die Tische der Menschen kommen muss und dass Wirtschaftsunternehmen dies quasi en passant durch ihre Wertschöpfung mit erledigen. Es ist aus meiner Sicht auch nichts daran auszusetzen, wenn man seine Arbeitskraft für den Erwerb des Lebensunterhaltes verhuren muss. Nur haben sich die Maßstäbe einmal mehr zu Ungunsten jener verschoben, die am unteren Ende dieses Prozesses stehen. Fast ein Jahrhundert des Kampfes für Arbeitnehmerrechte und gegen eine willkürliche Ausbeutung nicht nur der Menschen, sondern auch unserer natürlichen Ressourcen durch die Wirtschaft sind in den letzten 15 Jahren durch das Mantra der Organisation aller gesellschaftlichen Prozesse nach dem Bilde der Marktwirtschaft zunichtegemacht worden.

Was das mit dem Wetter zu tun hat? Nun, mit den Arbeitnehmerrechten rückten zunehmend auch Umwelt- und Verbraucherschutz in den Fokus der politischen Regulierungsabsicht. Vollkommen zu Recht, denn was ein entfesselter Kapitalismus mit seinen Kindern anstellt, kann man in der so genannten Volksrepublik China gerade sehr gut beobachten. Ausbeutung breiter Schichten insbesondere der ungebildeten Landbevölkerung geht mit massiver Umweltverschmutzung einher. Der Turbokapitalist tritt also nicht nur die Rechte seiner Angestellten (Sklaven wäre hier wohl die passendere Bezeichnung) mit Füßen, sondern auch das Wohl der Natur. Das erzeugt verseuchte Flüsse, ausgelaugte Erde und Treibhausgase, die zur Klimaerwärmung beitragen, auch wenn von den Konzernen bezahlte Wissenschaftler immer wieder statistische Nebelkerzen werfen. Die Klimaerwärmung erzeugt Wetterkapriolen und diese erzeugen schlechte Ernten, erschwerte, bzw. im schlimmsten Fall ausgelöschte Existenzen, erhebliche Infrastrukturschäden und alles in allem verschlechterte Lebensbedingungen. ABER NÖ, das hat ja alles nichts miteinander zu tun. Na ja, aber so lange die Arbeitsausfälle durch dauerschuftende freiwillige Feuerwehren, das THW und andere, sowie die Versicherungsfälle billiger sind, bzw. von anderen Teilen der Gesellschaft (also von uns!) getragen werden müssen, als tatsächlich wirtschaftlich umzudenken zu müssen, kann man ja immer so weitermachen. Pfui Teufel!

Ja, das Wetter ist schon lange kein Small-Talk-Thema mehr, zumindest nicht für mich. Ich unterhielt mich dieser Tage mit unserem Vermieter am Urlaubsort, der meinte, in der Region habe es seit zwei Monaten nicht mehr geregnet. Zwei Monate kein Regen? OK, das ist hier die Toskana, aber dennoch, dennoch… insbesondere, wenn man bedenkt, dass ich letztes Jahr, um dieselbe Zeit dieselbe Auskunft von einem anderen bekommen hatte, zusammen mit dem Hinweis, dass dies schon seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen sei! Jeder man sich seine eigenen Gedanken dazu machen. Für mich klingt das allerdings nach einer sehr großen Menge schlechten Karmas.

Ich könnte mich jetzt einfach freuen, dass seit über einer Woche jeden Tag die Sonne aus allen Kopflöchern scheint und meine Familie sich jeden Tag am/im Pool vergnügen kann, was mit kleinen Kindern eine gewisse Entspannung bedeutet. Aber leider kann ich das Auge für’s große Ganze nicht abschalten und so dräuen in meinem Hinterkopf die Probleme; zumindest ein bisschen, denn jetzt muss ich erst mal in den Pool, es ist nämlich verdammt heiß hier…

Auf der Suche

Das sind wir natürlich alle, immerzu und überall, nach diesem nach jenem und nach dem ultimativen Kick überhaupt, falls es sowas ohne, oder auch mit dem Einsatz (il)legaler, Bewusstseinserweiternder Mittel überhaupt geben kann. Auf der Suche ist ein Zustand, der, so er einmal in den Fokus unseres bewusst erlebten Daseins getreten ist, niemals mehr aufhört; zumindest soweit es mich betrifft. Ich suche jeden Tag nach irgendwas und damit sind beileibe nicht die Auswirkungen dieser typisch männlichen Tüddeligkeiten gemeint, die einen dazu nötigen, noch mal nachschauen zu müssen, wo die Brille, der Schlüsselbund, das Handy, das Notebook oder weiß der Teufel sonst was wohl abgeblieben sein könnten. Ich bin eher auf der Suche nach Ideen, wie man dies oder das besser machen könnte, nach Lösungen für Probleme, oder auch mal einer Möglichkeit, einen Streit beizulegen. Und manchmal suche ich einfach nur nach einem guten Grund morgens aufzustehen, wenn mein Körper doch lieber noch bis gegen elf gammeln würde. Wie war das noch mit dem Erwachsenwerden? Anscheinend bin ich doch erst ein Teenager…

Nun was das Letztere betrifft, flüstert mir mein vorgenannter Körper morgens eher was Anderes ins Ohr, aber im frommen Selbstbetrug – also der bewussten Abschaltung der Selbstreflexion zu Gunsten von Prokrastination, Schlemmen, Saufen und anderen Dummheiten – sind wir ja alle ganz gut, oder? Wie auch immer, Suche ist für mich keine kurzfristige Beschäftigung, sondern mehr so ein lebenslanger, desorientierter Dauerlauf. Und anscheinend bin ich mit diesem Problem nicht allein. Anders ist das allenthalben beobachtbare Wuchern von Ratgebern aller Art (besonders Bücher über Selbstoptimierung sind im Moment voll hip; Moment, ich muss kurz mal Brechen gehen) ist ein gutes Indiz dafür.

Ebenso wie die Blüte, welche Beurteilungsportale für Waren und Dienstleistungen aller Art zurzeit erleben dürfen. Das Web 2.00 in seiner wunderbarsten Form. Wenn man sich mal so richtig schlapp lachen möchte, liest man z.B. auf Amazon die Beurteilungen zu einem Film durch, zu dem man sich bereits selbst eine Meinung gebildet hat. Das funktioniert, egal, ob man das jeweilige Werk nun mag, oder nicht. Denn bekanntermaßen soll man nicht über Geschmack streiten, was hier allerdings in epischer Bandbreite stattfindet. Die schreiben teilweise über irgendwelchen, absolut unwichtigen Bogus so viel, das kann man schon fast als exaltiert betrachten. Ich habe tatsächlich auch schon aussagekräftige Rezensionen über technische Gadgets, oder aber Fachbücher gelesen, aber bei so genannten Machwerken der Unterhaltungskunst (Bücher, Filme, CDs, etc.) zählt für mich mittlerweile nur noch der Unterhaltungswert.

Aber natürlich gibt es noch andere Web-Orte des gegenseitigen Meinungsaustausches (die Leute kommen zu der Seite hin, sondern ihre Meinung und fühlen sich dabei gut!), zum Beispiel bei dem Buchungsportal, welches ich seit einigen Jahren für die Auswahl von möglichen Reisezielen für den sommerlichen Familienurlaub bemühe. Nun sind die Beschreibungen dieses Anbieters, gemessen an den eher mäßigen Standards der Reiseveranstalterzunft recht präzise und ich verfüge mittlerweile auch über einen guten Erfahrungsschatz bezüglich der bevorzugt bereisten Region Italiens, so dass die Bildung einer eigenen Meinung über ein potentielles Ziel auch ohne Kommentare anderer Reisender zumeist recht zielsicher gelingt. Dennoch lese ich mir manchmal auch ebendiese Einlassungen Weitgereister durch; und finde mich Kopfschüttelnd wieder.
Wer die Toskana schon mal bereist hat und dabei nicht in irgendwelchen Sternehotels eingekehrt ist, sondern, so wie meine Mischpoke und ich, in typischen Selbstversorger-Appartements, der weiß, dass diese in aller Regel einfach, aber zweckmäßig eingerichtet sind. Manches wirkt auf den ersten Blick unfertig oder einfach nur alt, vieles ungewohnt, weil dies eben ein anderes Land ist und mit Sicherheit findet man hier so gut wie nirgends eine voll ausgestattete Einbauküche, wie sie daheim die Küche ziert. Steht aber, so man des Lesens mächtig ist, alles in der zuvor erwähnten Beschreibung. Sich dann über die Küchenausstattung zu beschweren, ist dann doch ein bisschen Schizo, oder?

Ich hätte mir manchmal auch das Eine oder Andere anders gewünscht, aber ICH hatte noch keinen Vermieter, der auf Anfrage kleine Probleme nicht charmant zu lösen gewusst hätte. Einer hat mir sogar mal ein härteres Bett beschafft – wer Italien kennt, kennt auch die hiesigen Bettgestelle und die sind manchmal tatsächlich mörderisch, zumindest für mein Kreuz!

Ich glaube, manche meiner Landsleute sollten ihre Anspruchshaltung mal ein bisschen dämpfen, auf den Boden der Tatsachen zurückkommen und vor allem akzeptieren, dass man andere Länder bereist um andere Menschen und Kulturen kennenzulernen. Wozu auch Akzeptanz für das typisch italienische Laissez-Faire im Umgang mit dem – typisch deutschen – Begriff „Akkurat“ gehört. Mir gefällt es hier, ich habe diesmal wirklich weniger als 12h gebraucht, um vollkommen entschleunigt zu werden. Und ich werde gewiss wieder nach Mittelitalien reisen – auf der Suche nach Ruhe, Gelassenheit, gutem Essen und rotem Wein. In diesem Sinne: Bienvenuto a godersi la vita!

Alles auf Anfang

Eigentlich bin ich immer, wenn ein Projekt sich dem Ende zugeneigt hat und dann nur noch die umherliegenden Utensilien von der vergangenen Geschäftigkeit zeugen ein bisschen depressiv verstimmt. Also im Sinne von ausgelaugt vs. ziellos. Neue Ziele stellen sich natürlich in einem geschäftigen Leben mehr oder weniger von selbst ein, ohne dass man ihnen hinterherrennen müsste. Jeder mit einem halbwegs fordernden Job, der mit ein wenig Verantwortung einher geht, weiß genau, wovon ich spreche. Weshalb gerade für solche Leute ein gesundes Gefühl für Work-Life-Balance eigentlich eine gute Sache wäre. Wenn sie denn wüssten, was dieser doch eher diffuse Begriff eigentlich meint.

Arbeitgeber erzeugen da immer gerne die romantische Vorstellung von offenen Arbeitsflächen, in denen sich jeder seinen Platz sucht, der gerade zu ihm passt, um dann auf seine Weise die gerade anstehenden Aufgaben erfüllen zu dürfen. Solche Bilder, wie sie auch gerne in Hochglanzmagazinen gezeigt werden, sind schlicht Bullshit, weil sie bewusst mehrere harte Faktoren der echten Welt ausblenden: a) arbeiten insgesamt nur recht wenige Menschen überhaupt in komfortablen, loftartigen Großraumbüros, b) ist die Notwendigkeit, sich immer wieder einen neuen Platz suchen zu müssen, den man sich zudem nicht personalisieren kann Stress, weil der persönliche Bezug zum Arbeitsplatz so unterdrückt wird und c) gibt es sehr wohl einen definierten Workload, der erledigt werden muss, so dass die freie Zeiteinteilung lediglich eine Illusion ist. Das vordergründige Kuscheligkeitsgefühl, dass sowieso nur wenige Arbeitgeber zu erzeugen verstehen wird somit durch eine Entgrenzung des persönlichen Arbeitsplatzes und eine Entfremdung vom Wert der eigenen Arbeitsleistung erkauft. Unter dem Strich müssen die Menschen in diesen Büros genauso ihr Soll erfüllen, wie die Malocher am Band – welches im Übrigen heute auch nicht mehr annähernd so aussieht, wie zu den streng tayloristischen Tagen Henry Fords.

Ich persönlich fände es ehrlich, wenn man offen sagte: in einem Arbeitsverhältnis schuldet der Arbeitgeber ein, der jeweiligen Leistung angemessenes Salär und eine Arbeitsförderliche Umgebung und der Arbeitnehmer schuldet seine Arbeitsleistung und Loyalität – in dem Sinne, nicht wider besseres Wissen gegen die Interessen seines Arbeitgebers zu handeln. Würden beide Seiten sich an diese Regeln halten, könnte Arbeiten sogar Spaß machen, doch leider gibt es auf beiden Seiten immer wieder Stoffel, die grundlegende Regeln des Miteinanders nicht verstanden haben. Was mittelfristig für Arbeitgeber sogar dumm ist, denn jeder, der eine Statistik lesen kann, dürfte wissen, dass zufriedene Mitarbeiter – vulgo solche, denen ihr Job Spaß macht – motivierter sind und dadurch eine bessere Arbeitsleistung bringen. Mitarbeiter zu demotivieren, indem man sie knechtet, ihnen schlechtes Werkzeug gibt, nicht auf ihren Input hört, oder sie mies bezahlt, ist also insgesamt auch schlecht für’s fiskalische Ergebnis. Aber soweit denken die meisten Menschen nicht, weil Tellerränder ja so verdammt hoch sind…

Was nun aber das Arbeitsförderliche, motivierende Umfeld angeht, so kann es einem passieren, dass man sich selbst ausbeutet, unter Preis verkauft, zu heiß und zu schnell brennt und sich damit kaputt macht. Ein schlechtes Arbeitsumfeld ist in dem Sinne sogar sicherer, weil man merkt, dass es schlecht für einen ist; ein zu Gutes hingegen verschlingt einen vielleicht, bevor man überhaupt zu dieser Erkenntnis gelangen kann – was im Ergebnis allerdings genauso beschissen ausgehen kann.

Ich selbst bin da, wo ich im Moment stehe zufrieden – sogar fast sehr zufrieden. Natürlich bedeutet dies, dass ich gemäß meinen eigenen Ausführungen als gefährdet gelten darf. Ich weiß, ich weiß… meine diesbezüglichen Lektionen sind noch relativ gut im Gedächtnis und ich hatte nicht vor, mich nochmal in eine Erschöpfungsdepression zu manövrieren. Das letzte Mal war schlimm genug. Allerdings stehe ich an einem Scheideweg. Mein Studium neigt sich, wie’s aussieht einem halbwegs erfolgreichen Ende zu (ein Schein fehlt noch, dann ist Abschlussarbeit angesagt) und natürlich muss ich mich besinnen, was ich damit anzufangen gedenke. Sicher ist, dass ich vielleicht noch 7, 8 gute Jahre fahren kann, spätestens dann will ich in einer gefestigten Position sein und ich sehe mich dabei definitiv NICHT weiterhin am unteren Ende der betrieblichen Nahrungskette. Was bedeutet, dass ich meinen Marktwert testen muss!

Nach dem letzten abgeschlossenen Projekt, dessen Beendigung mich, zu meiner eigenen Überraschung, nicht depressiv verstimmt hat, stehen schon weitere in den Startlöchern und auch angesichts dessen bin ich ruhig, ja sogar entspannt, denn mittlerweile bin ich in vielerlei Hinsicht gefestigt und weiß was ich alles kann – und was nicht. Diese hart erarbeiteten Gewissheiten bedeuten für mich, dass in mehr als einer Hinsicht alles auf Anfang steht. Einerseits im Mikrogeschäft meiner day-to-day-work, aber auch im Makrogeschäft meines Arbeitslebens in seiner Gesamtheit. Ich bin eigentlich einfach nur gespannt, welche Gelegenheit als nächste daherkommt. Ich bin bereiter, als je zuvor!

Gesinnungsmonotheismus

Eigentlich leben wir ja in einem säkularen Staat; will heißen Staat und Kirche sind voneinander getrennt und sollen aufeinander auch keinen Einfluss nehmen können. Natürlich ist diese Aussage Bullshit, denn es gibt mannigfaltige Arten gegenseitiger Einflussnahme, auch wenn diese als moralische Appelle ausgesandt, oder in obskuren Gesetzestexten versteckt, oder aber lobbyös in Hinterzimmern ausgekungelt werden. Es ist ja auch immer wieder von der christlich-abendländischen Prägung unserer Kultur die Rede. Was in mir die Frage keimen lässt, warum wir nicht endlich mal wieder einen zünftigen Kreuzzug machen, um Heiden zu bekehren…? Ach so, Mord und Totschlag im Namen des Kreuzes waren nur so lange in Ordnung, so lange nicht allzu viele dabei zuschauen konnten. Tja, da ist das Internet natürlich nicht hilfreich. Handyvideos von Kreuzrittern auf Youtube, die „Deus lo vult“ schreiend IS-Kämpfern die Köpfe abschlagen wären vermutlich ein bisschen zu hart für’s Christenmenschen-Image.

Oder anders gesagt: es wäre politisch nicht korrekt. Was für eine Formulierung… „politisch nicht korrekt“. Anstatt diesen linguistischen Dreck von einer Formulierung zu benutzen wäre es ehrlicher, einfach zu sagen: „Sage dies nicht öffentlich und tu das nicht öffentlich, oder du wirst von uns erst böse angeschaut und danach machst du einfach nie mehr Karriere!“ Wobei das Augenmerk auf der Verwendung des Wortes „öffentlich“ liegt. Wie so oft gilt, Hauptsache die Außenwahrnehmung bleibt sauber. Denn was nicht öffentlich wahrgenommen wird, ist nie passiert, ganz gleich wie verwerflich es auch sei. Womit allerdings die Wirkungen zu besprechen bleiben, welche dieses Konzentrieren auf Äußerlichkeiten mit sich bringen.

Da fühlen sich nun also Leute dazu berufen, die Worte und Taten ihrer Mitmenschen genau zu beobachten und nach, in deren Blockwartmentalitätswelt anerkannten Kriterien abzuurteilen. Mora-Plag sozusagen, nur, dass es hier keine harten Kriterien wie das Abschreiben in wissenschaftlichen Arbeiten gibt, sondern lediglich den selbstgerecht erhobenen Zeigefinger des Blockwarts. Wenn man sich die Wurzeln der Political Correctness anschaut, ging es ja darum, diskriminierenden Sprachgebrauch zu unterbinden, um auf diese Art die Stigmatisierung und Marginalisierung von Minderheiten zu reduzieren. Auf der anderen Seite standen von Anfang an die Rechten und haben die Einschränkung ihrer Redefreiheit beklagt.

Ich bin zwar kein Rechter und ich schließe mich der Kritik an der Political Correctness auch nicht an, um weiterhin diskriminieren zu können – Idioten, Low-Performer, Trolle und Rassistengeschmeiss diskriminiere ich sowieso wann, wo und wie ich will – sondern weil sich diese Idee zu einem Religionsersatz für Leute mit Sendungsbewusstsein entwickelt hat: ich will, dass jemand meine, zumeist vollkommen unwichtige Meinung wahrnimmt? Na da prangern wir doch einfach mal einen ausgewählten jemand mit konträrer Meinung für seinen zu unkonventionellen Sprachgebrauch, seinen Lebensstil, sein Aussehen oder irgendwas Anderes an, was jetzt gerade passt und lenken so von der eigenen Minderleistung ab. Kostet nix und macht viel Wind.

Auf diese Weise kann man jemanden zum Beispiel dafür flamen, dass er immer noch Fleisch ist, wie eklig… Hauptsache, eine Meinung ist in meiner jeweiligen Umwelt Mainstream-kompatibel, dann kann ich sie als moralischen Standard etablieren und jeden dämonisieren, der nicht meiner Vorstellung vom richtigen Leben entspricht. Und weil diese Gesinnungs-Nazis dabei im Vertreten ihrer Standpunkte geradezu religiöse Verzückung zu verspüren scheinen, rede ich im Zusammenhang mit Political Correctness jetzt gerne von Gesinnungsmonotheismus. Meine Meinung ist mein Gott und es kann nur einen Gott geben! Herrgott wie zuwider mir das ist, sich auf die (rein subjektive) eigene Wichtigkeit einen zu wichsen. Ekelhaft!

Dieses Phänomen geht übrigens eng einher mit dem neulich beschriebenen der Diskussionsunfähigkeit. Ich will nicht so weit gehen, unserer modernen Gesellschaft eine generelle narzisstische Störung zu unterstellen; allerdings erscheint es meinen Beobachtungen nach angezeigt, mal wieder auf Dieter Nuhr hinzuweisen: „Wenn man von irgendwas überhaupt keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten!“ Denn eine allzu explizit geäußerte Meinung ist leider oft auch ein ziemlich guter Gradmesser für eine mangelhafte Sachkenntnis bezüglich des Sachverhaltes, zu dem man sich gerade geäußert hat. Klingt paradox, ist aber so. Ich empfinde es deswegen übrigens auch nicht als Widerspruch, einerseits gegen Diskriminierung jeder Art zu sein und auf der anderen Seite Political Correctness Kacke unnötig zu finden, denn ich habe mich wenigstens weidlich mit dem Thema auseinandergesetzt, bevor ich zu meinen Worten anhub. In diesem Sinne schönes Kommentieren auf Fratzenbuch; aber immer schön den Ball flach halten!

Diskussionsfähig?

Ich weiß auch nicht, was die Leute immer mit ihrem Nationalismus haben. Seine Herkunft für einen Quell der Freude und des Stolzes zu halten ist ja nun eine Sache. Man mag das gut finden, oder auch schlecht; sinnvoller wäre es jedoch, einfach zu akzeptieren, dass ein Teil dieses komplexen Geflechts, welches wir unsere Identität nennen, sich über die (gefühlte) Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen realisiert. Und eine solche soziale (Groß)Gruppe ist eben unser Herkunftsland. Soweit verstehe ich das und kann es auch akzeptieren, denn es gibt ja das eine oder andere, worauf man an z.B. an unserem Land stolz sein kann. Ich persönlich bin zwar lieber auf meine eigenen Leistungen stolz, denn auf die anderer, die ich nicht mal persönlich kenne, aber das ist meine Präferenz und mitnichten für andere gültig.

Nun ist es aber so, dass dieser Stolz, den man ja durchaus bereits als Grundform von Nationalismus verstehen könnte, leider nicht die höchste Eskalationsstufe darstellt. Manche Menschen beginnen dann damit, krude Theorien darüber zu verbreiten, was jemanden wohl als Mitglied „ihrer“ Nation qualifiziert – womit wir beim Thema Ausgrenzung wären. Ich werde nicht müde, darauf hinzuweisen, aber den deutschen Nationalstaat mit einheitlicher Sprache und Kultur gab es nicht, bevor Bismarck in den 1860ern mit seinen Einigungsbemühungen begann, die 1871 im wilhelminischen Kaiserreich mündeten. Ein Blick auf die Deutschlandkarte zum Reichsdeputationshauptschluss 1806 vermittelt ein gutes Bild des Flickenteppichs aus Kleinstaaten, als der sich das spätere Reichsterritorium präsentierte. Zu dessen einender Geschichte gehörte auch die Vereinheitlichung der Sprache, sowie die Erzählung eines nationalen Mythos, der die Bürger hinter den militaristischen Großmachtträumen seiner Anführer einen und zu gehorsamen Untertanen machen sollte. Hätte es tatsächlich einende Elemente zwischen Preußen, Badenern, Hannoveranern und Bayern gegeben, wäre der Vormärz 1848 nicht zu so einem jämmerlichen Ende gekommen.

Dennoch wird das Deutschsein, oder besser deutscher Nationalismus, der eben mit der (non-existenten) langen Geschichte und Tradition des Deutschseins begründet wird immer wieder gerne als Legitimations-Karte gezogen, wenn es zum Beispiel um die Verteufelung des Projektes „Europäische Union“ geht. Wie z.B. in den Kommentarspalten zu diesem Artikel:Anleitung zum Nationalismus. Da wird von einer linkspopulistischen Blase gesprochen, in welcher der Autor anscheinend steckt. Und da offenbaren sich in den ersten Momenten der Kommentierung schon einige der grundlegenden Probleme in den interaktiven Elementen des Journalismus: a) wissen Menschen anscheinend mit dem Begriff „Polemik“ nichts mehr anzufangen, b) ist das respektvolle zur Kenntnis nehmen anderer Meinungen vollkommen aus der Mode geraten und c) ist das politische Etikett „linksintellektuell“ zu einem Schimpfwort umgedeutet worden. Mag vielleicht daran liegen, dass intellektuelle Kompetenz dem einen oder anderen, anscheinend eher konservativ gepolten Kommentator eventuell nicht geheuer ist; denn was man nicht versteht, fürchtet man. Und von der Furcht zum Hass ist es kein allzu weiter Schritt.

Eigentlich findet Willensbildung durch Diskurs statt; das bedeutet, dass man sich mit unterschiedlichen Meinungen zu einem Sachverhalt konfrontieren lässt, unterschiedliche Aspekte desselben Sachverhaltes betrachtet und sich dann eine halbwegs fundierte Meinung bildet, nach deren Maßgaben man dann auch handelt. Soweit die Theorie. Tatsächlich kokonieren sich aber Internetbegnadete Menschen heutzutage gerne in ihrer – wenn man in deren eigener Nomenklatur bleiben will, zumeist rechtslastigen – Meinungsblase ein. Eigentlich sind Etiketten wie rechts oder links ja insofern Käse, als man heutzutage durchaus ein ökologisch orientierter, sich vegan ernährender, ehemals SPD wählender Nazi sein kann, ohne dass das noch irgendjemand seltsam findet. Problematisch ist der Kokon, weil der derart mental eingesponnene Mensch andere Sichtweisen und möglicherweise bedenkenswerte Aspekte nicht mehr so gut wahrnimmt, da diese allein schon in seinem virtuellen Umfeld komplett ausgeblendet werden. Und zwar weil Nazis von Nicht-Nazis gerne aus den Fratzenbuch-Freundeslisten geext werden, wodurch kritische Diskussionen zumeist unterbleiben. Ich diskutiere ganz gerne – nur wenn die Echos gar keinen Grund zur Hoffnung geben, bin ich weg.

Richtig dumm wird es allerdings, wenn man auf Grund seiner Meinung anfängt, die Posts anderer Menschen nach Punkt und Komma auseinanderzunehmen, ohne den eigentlich offensichtlich erkennbaren Sinngehalt zu würdigen und sogar Fakten in einer dem eigenen Standpunkt dienlichen Art uminterpretiert. Derartige Wortklauberei ist vielleicht toll um seine, in ungesundem Maße nationalistische Gesinnung intellektuell zu verbrämen – sofern man dessen fähig ist – verschleiert jedoch unter Umständen reale Tatbestände und ist damit eigentlich unzulässig. Und damit gelten sie mir als nicht diskussionsfähig – Ende der Diskussion.

PS: Man mag mir diesen kleinen Wortwitz verzeihen, aber es ist wirklich frappierend, wie unverschämt, tatsächlichen Argumenten unzugänglich, engstirnig und arrogant sich Mancher im Internet gibt. Im echten Leben würden die das nie tun, weil sie damit rechnen müssten, sich ordentlich Maulschellen einzufangen…

Islamismo-Leaks…

Es wirkt fast schon verstörend unprofessionell, wenn ein, vom Urheber durchaus als vertraulich gekennzeichnetes Dokument mehr oder weniger en passant seinen Weg in die Medien findet, dort postwendend zu neuerlichen Irritationen zwischen zwei Staaten führt und dabei offenkundig wird, dass die Bundesministerien des Inneren und des Äußeren nicht viel von Ressortübergreifender Kommunikation halten. Hingegen lustig ist es für mich, wenn der zuständige Staatssekretär auf Anfrage dürr bescheidet, dass er die Beantwortung einer Anfrage aus einer Bundestagsfraktion ja wohl nicht unterdrücken könne. Recht hat er; denn so vertraulich ist es ja nun nicht, dass die Türkei freundschaftliche Beziehungen beispielsweise zur Hamas unterhält. Das wurde immerhin öffentlich durch den Bundespressesprecher Seibert bestätigt!

Zum einen zeigt sich hier einerseits die Bräsigkeit unseres Behördenapparates, die anscheinend so weit geht, dass sie die diplomatische Handlungsfähigkeit der BRD negativ beeinträchtigt. Es ist nämlich eine Sache, wenn es alle unter der Hand wissen, dass die Türkei hierorts als terroristische eingestufte Organisationen unterstützt, aber eine ganz andere, wenn ein offizielles Statement dies öffentlich bestätigt. Wäre ich Verschwörungstheoretiker, würde ich eine halbwegs geschickt lancierte Provokation vermuten, die dazu angetan wäre, Frau Merkel unter Druck zu setzen und sie dazu zu zwingen, beim Tänzchen mit Herrn Erdogan endlich Farbe zu bekennen. Und so die Frage zu klären, ob unsere Politik moralische Standards hat, oder es tatsächlich nur noch um Machtgewinn bzw. – erhalt durch Klientelpolitisches Taktieren und Lavieren geht? Auf der anderen Seite offenbaren manche Kommentatoren eine fast anrührende Naivität im Umgang mit sowohl unserem strategischen Partner am Bosporus, als auch unserer eigenen politischen Kaste. Glaubt tatsächlich irgendjemand, dass sich Frau Merkel und Kollegen nicht gewärtig sind, wes Geistes Kind Herr Erdogan und seine getreuen AKP-Leute sind? Oder das Herr Erdogan und seine Kollegen nicht wissen, dass die deutschen Diplomaten sehr genau über die Bündnisse und Verpflichtungen der Türkei gegenüber anderen regionalen Kräften im Bilde sind? Die Vorstellung ist lächerlich, wenn man bedenkt, wie leicht ein halbwegs geschickter Sucher mit einem Internetfähigen Endgerät sich solche Informationen besorgen kann. Und Politiker haben immerhin Zugriff auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse.

Natürlich ist die Türkei eine „zentrale Aktionsplattform für islamistische Gruppen“. Die AKP ist ausgesprochen religiös orientiert und pflegt schon lange freundschaftliche Beziehungen mit anderen sunnitisch-islamischen Kräften. Islamismus gibt es nun sowohl bei den Sunniten als auch bei den Schiiten und ganz gewiss bei den Wahhabiten. Die vornehmlich sunnitische Türkei braucht aber – zumindest in der Gedankenwelt von Herrn Erdogan – gleichgesinnte Partner, um Hegemonialmacht der Region werden und bleiben zu können, insbesondere gegen den erstarkten schiitisch orientierten Iran und Ägypten, wo die sunnitische Muslimbruderschaft für’s erste den Kampf mit dem Militär verloren hat. Und da für Herrn Erdogan der Laizismus anscheinend keine nennenswerte Bedeutung hat, verquickt er die jeweilige religiöse Gesinnung seiner Nachbarn mit der Frage nach dem Freund-oder-Feind-Sein. Klingt Blöd, ist aber so…

Man könnte das Gezuchtel um ein Dokument mit einem Schulterzucken abtun und sagen, dass all diese Dinge doch schon lange bekannt sind und dass man sich an die Unaufrichtigkeit der Protagonisten im Flüchtlingsverschiebungstango doch schon gewöhnt hat. Ist ja auch so, dass kaum jemand glaubt, dass die Türkei in ihrer aktuellen politischen Entwicklung tatsächlich noch als privilegierter Partner für die EU in Frage kommt. Es ist offenkundig nur noch eine Frage der Zeit, bis der vom Beginn an wacklige und wenig an tatsächlichen Bedürfnissen orientierte „Flüchtlingsdeal“ offiziell platzt. Und doch bleibt das ausgesprochen unangenehme Gefühl zurück, dass da noch ein dickes Ende nachkommt. Wohin entwickelt sich die Türkei nun tatsächlich und kann die BRD darauf irgendeinen Einfluss nehmen? Wird die Mittelmeerroute endgültig zu einem Massengrab, wenn die Flüchtlingsströme wieder zunehmen? Hat die EU überhaupt noch irgendwelche gestalterischen Kapazitäten, wenn es um so wichtige Nationen übergreifende Fragen wie die Flüchtlingspolitik oder die Reaktion auf die türkischen Entwicklungen geht? Ganz gleich wie diese Fragen in, sagen wir mal einem Jahr, zu beantworten sind – einfach wird das nicht. Und jedwede – gezielte oder ungezielte – Indiskretion macht Diplomatie unter solchen Bedingungen eigentlich nicht unbedingt leichter. Im aktuellen Fall jedoch birgt es die Chance, ein paar Positionen zu klären. Wenn unsere politischen Führer denn den Mut dazu aufbringen können. Glaubt ihr da draußen daran…?

Post-Trauer?

Bevor die letzten Wochen zu einem Parforce-Ritt in interfamiliärer Gefühlsbewältigung wurden, hatte ich eigentlich an verschiedenen Projekten gearbeitet und rumgedacht, die im weiteren Sinn mit meinem Studium zu tun haben. Denen wollte ich mich jetzt wieder zuwenden, nachdem die letzten Wochen mir schon, durch verschiedenste Aufgaben, wenig Gelegenheit zur Kontemplation gelassen hatten. Allerdings gab und gibt es immer noch Unerledigtes und Ablenkungen, die mich nicht so recht zur Ruhe kommen lassen. Einerseits musste ich, allen Sorgen zum Trotz, eine Hausarbeit für mein Studium abschließen, weil der Termin dräute und ich beim besten Willen keinen Nerv habe, über die Regelstudienzeit zu prolongieren. Das mag abgebrüht klingen, aber wem nützt es, wenn ich alles liegen lasse und den sterbenden Schwan spiele? Meinem leider verstorbenen Vater? Wohl kaum.

Andererseits war es letzthin nicht einfach mit manchem umzugehen und verschiedentlich hatte ich den Eindruck, dass die Menschen ringsum eine spezielle Art der Trauerbewältigung von mir erwarten würden; ganz so, als wenn es für Emotionen aller Couleur Schalter gäbe, die man einfach nur umlegen muss. Oder als wenn es obligat wäre, eimerweise zu greinen. JA – ich habe einen Verlust erlitten! NEIN – ich muss nicht so trauern, wie es in irgendwelchen schlauen Büchern über die Psyche steht. Ich kenne diese Bücher, ich musste selbst oft genug anderen Menschen – vor allem Angehörigen von Patienten – Trauer in Extremsituationen kanalisieren helfen. Und mitnichten findet man die beschriebenen Phasen tatsächlich in signifikanter Häufigkeit. Trauer als Arbeit zu bezeichnen, ist übrigens nach meiner persönlichen Erfahrung auch Käse. Ich muss keine mentalen Steine bewegen, ich muss lernen, zu akzeptieren, dass ein Mensch, mit dem ich vielleicht gerne noch das eine oder andere geteilt hätte jetzt nicht mehr da ist. Wann und wie ich darauf reagiere, ist allerdings verdammt nochmal mein ganz privates Bier!

Ich habe Emotionen und ich bin auch spirituell, jedoch nicht auf allzu plakative Weise. Damit kommen manche nicht klar. Sie glauben, ich würde alles in mich hineinfressen und müsste daran dann jämmerlich zu Grunde gehen. Vielleicht lesen die einfach nicht mein Blog? Wie dem auch sei, es liegt mir nicht besonders, einen riesigen Bohei um meine Gefühlswelt zu machen; zum einen, weil sie privat ist und zum anderen, weil mir das, was andere Menschen zeigen allzu oft aufgesetzt, ja manchmal nachgerade falsch vorkommt. Wer weiß, wie man unter meine Oberfläche schaut, der ahnt, dass es da durchaus brodelt…

Es gibt vielleicht den Zustand der Prä-Trauer; also quasi jenen, bevor man einen großen Verlust erdulden muss. Der hält in aller Regel an vom Erlangen eines echten Bewusstseins für das Miteinander bis zum ersten Blutsverwandten, den man selbst zu Grabe tragen muss. Das Schicksal hat mich bis zu meinem 43 Lebensjahr davor bewahrt und mir so die Chance gegeben, zu einer gefestigten Persönlichkeit zu werden. Einen Zustand der Post-Trauer wird man danach aber nie wiedererlangen können. Denn das, was man als Hinterbliebener mit dem Verstorbenen geteilt hat, bleibt für immer. Der Schmerz wird blasser, bis er zu einer Narbe auf der Seele abheilt, die nur noch zu bestimmten Gelegenheiten schmerzt. Doch wenn der private Lord Voldemort auftaucht, muss man das ertragen.

Man könnte also sagen, dass es einen Zustand der Trauer-Unschuld gibt, der mit dem ersten familiären Trauerfall endet. Ich empfinde das im Moment als sehr zwiespältig, denn einerseits hätte ich mir natürlich gewünscht, dass noch ein wenig aufschieben zu dürfen. Andererseits sollte jemand aus meinem beruflichen Milieu eigentlich wissen, dass das Leben nun mal endlich ist. Vielleicht ist es aber auch genau dieses, durch jahrzehntelange Erfahrung verfestigte Wissen, dass mich in anderer Leute Augen als abgebrüht erscheinen lässt. Wer kann das schon so genau wissen…? Im Moment nehme ich es, wie’s kommt und pfeife weitestgehend auf die Meinungen Anderer; auch wenn man mich dann wohl als noch weniger empathisch wahrnimmt. Da gibt es keine Patentlösung. Nur so viel: diejenigen, die für mich emotional relevant sind, werden es erfahren, wenn ich dann doch zusammenbrechen sollte. Alle anderen jedoch dürfen bitte ab jetzt davon Abstand nehmen, mich taxierend zu beobachten, denn es nervt mich total und ist überhaupt nicht hilfreich. Schönen Dank und schönes Leben noch!