Sicherheitsbedenken N°3

Ich höre immer was von „Belangen der nationalen Sicherheit“ und dann denke ich mir manchmal, warum wir wegen etwas belangt werden müssen, dass doch eigentlich als Dienst an uns als Bürger dieser Nation verstanden sein sollte? Wie kann es denn sein, das man mich wegen eben dieser nebulösen – später noch etwas genauer zu durchleuchtenden – Belange bespitzelt, unter den generellen Verdacht der potentiellen Staatsuntreue oder gar -feindlichkeit stellt, mein geistiges Eigentum und meine persönliche Integrität beschädigt und mir verweigert, darüber bescheid zu wissen? Haben denn alle Staatsdiener vergessen, dass der Staat nur deshalb existiert, weil ich existiere und mich im Grunde aus freien Stücken entschlossen habe, bestimmte Regeln des Zusammenlebens, die hierorts gelten anzuerkennen? Und falls ich genau das nicht mehr täte, wäre ich dann ein Verbrecher, ein Terrorist oder einfach nur ein Freigeist, der die unrechtmäßige Einmischung des Staates in meine Privatsphäre ablehnt?

Bevor ich mich nun sofort ereifere, mich selbst als ablehnenden Freigeist zu outen, wäre es angezeigt, zu erklären, was die Grundlage meiner kritischen Haltung gegenüber verschiedenen Intitutionen unseres Staates ist und auf welchem gedanklichen Fundament sie steht. Ich empfinde nämlich Menschen, die „DAGEGEN!“ rufen, ohne eine Begründung für ihre Haltung nennen zu können als lächerlich dumme Schaumschläger, von denen auf Grund ihrer schieren Lautstärke Notiz nehmen zu müssen für mich eine Beleidigung meiner Intelligenz konstituiert. So let’s get on with it!

Warum haben Staaten irgendwann angefangen, Institutionen abseits einer, wie auch immer gearteten herrschenden Kaste auszuprägen, deren Legitimation lediglich darin bestanden hatte, irgendwie irgendwann mehr Macht angesammelt haben zu können, als alle Anderen? Zum einen, weil wirtschaftlicher Erfolg in autokratischen Regimen stets nur in begrenztem Umfang möglich ist, aber jeder gerne wirtschaftlich erfolgreich wäre, andererseits aber wegen der schlichten Menge der am Konstrukt Beteiligten. Irgendwann muss man damit beginnen, sich halbwegs zuverlässiger Instrumente zur Verwaltung der wachsenden Zahl an einem bestimmten Platz zusammenlebender Individuen zu bedienen. Tatsächlich war eine der ersten Erkenntnisse, dass es nur möglich ist, Steuern einzutreiben, wenn man auch weiß, wer wem wie viel Steuern schuldet, so man denn über die Möglichkeit verfügt, diesen Anspruch auch durchzusetzen. Man merke auf: durchzusetzen! Einen Anspruch zu haben und über die Mittel zu verfügen, ihn durchsetzen zu können bedeutet noch lange nicht, dass eben dieser Anspruch auch legitim ist.

Über Legitimität musste bzw. muss man sich ja aber auch heute nicht wirklich den Kopf zerbrechen, wenn man ein autokratischer Herrscher ist. Worauf man Lust hat, das wird gemacht… oder? Das stimmt zumindest solange, wie sich jene, welche von der Autokratie ausgebeutet werden nicht in der Lage sind, ihr Gefühl der Ohnmacht zu überwinden und sich gegen die Opression zu wehren. In dem Moment, da aber jener perfide Mechanismus, der uns Angst vor jenen mit gefühlt größerer Macht haben lässt zu versagen beginnt, ab dem Zeitpunkt da sich der Wille zum Widerstand regt und seine Tragkraft in der Breite entfacht, versagen die autokratischen Institutionen. Die lassen sich nämlich nur durch ein Geflecht von Abhängigkeiten und eine willkürlich erschaffene, von Immobilität geprägte, soziale Rangordnung aufrecht erhalten. Wird die Macht der Ranghöheren aber in Zweifel gezogen und schließlich angefochten, bliebt als letztes Mittel des Machterhaltes nur noch die Gewalt. Doch unsere Zeiten haben sich geändert, man kann nicht mehr einfach ein paar Tausend Menschen verschwinden lassen, ohne dass der Rest der Welt davon Notiz nimmt und die autokratischen Institutionen in ihrer Legitimität von Außen angezweifelt oder sogar angegriffen werden. Der so genannte arabische Frühling hat das sehr deutlich demonstriert.

Auch in einem als demokratisch etikettierten Staatswesen beruht die Legitimation seiner Institutionen auf der Anerkennung von Macht. Dem Wesen der Demokratie nach wird diese Macht aber als von den Bürgern ausgehend auf Mandatsträger delegiert, welche diese im Sinne der Bürger ausüben sollten… Tja, das mit diesem „sollten“ im vorangegangenen Satz, das ist so eine Sache, denn ist das Mandat erst erteilt, hat die delegierte Macht, welche sich ja nun auf wenige Individuen konzentriert die dumme Angewohnheit, sich zu verselbständigen. Könnte daran liegen, dass wir ja alle nur Menschen sind, es aber eigentlich besonderer charakterlicher Merkmale bedarf, um sich zum Mandatsträger überhaupt zu eignen und Politik offensichtlich nicht selten Individuen anzieht, welche eben diese Merkmale nicht mitbringen. Verdammt…

Es gibt eine Menge Theorien über systemische Autopoiese, also die Selbsterhaltungstendenzen komplexer sozialer (Sub)Systeme und welche Blüten diese so treiben kann, aber alle Theorie bringt uns nicht weiter, wenn eben die daraus erwachsende Entfremdung der Bürger eines Staates von den Institutionen des Selben uns in eben jene aktuelle Paradoxie zwingt, dass die Institutionen, bzw. deren Vertreter anfangen, die Bürger des Staates, der sie ja erst hervor gebracht hat unter den Generalverdacht der Staatsfeindlichkeit zu stellen. Nicht der Staat muss vor seinen Bürgern geschützt werden, sondern die Bürger vor einem solchen Staat.

Die Sicherheit des Staates – und damit ist in der Politik immer zuerst die Integrität seiner Institutionen und derer Interessen gemeint – als oberste Prämisse könnte als hehres Ziel gelten, wenn die Umsetzung nicht die Interessen der Bürger unterwandern und schädigen würde, anstatt diese zu schützen, wie es erwartbar wäre. Ich, als Bürger der BRD legitimiere die Institutionen dieses Staates durch mein Agieren als Bürger, durch die Wahrnehmung meiner Bürgerrechte und -pflichten und die Achtung der Gesetze, welche sich ein paar durchaus kluge Köpfe ausgedacht hatten, um ein einigermaßen friedvolles und produktives Zusammenleben von so vielen Leutchen auf einem Haufen irgendwie möglich machen zu können. Ich achte die Gesetze, doch wie sieht es mit dem Staat aus, in dem ich lebe?

Meine Sicherheit, also die Sicherheit meiner persönlichen Integrität, meiner Privatsphäre, sofern ich sie gewahrt sehe möchte und der Geschäfte, welche ich durch Erwerbstätigkeit und Konsum dauernd tätige, wird von diesem Staat anscheinend weniger geachtet als das Wohl seiner eigenen Institutionen und derer Vertreter. Dieser Umstand lässt mich am Sinn dieses Staatswesens ehrlich gesagt zweifeln. Und doch habe ich Hoffnung, nämlich dass es mehr Menschen geben wird, die auch hierorts anfangen, die Einhaltung ihrer Rechte anzumahnen. Noch sind wir Deutschen diesbezüglich träge, messen dem Gehorsam mehr Wert zu als der Kritik, außer wenn wir sie anonym und somit „gefahrlos“ absondern können. Aber vielleicht … vielleicht weht da inmitten der Hitzewelle doch ein laues Lüftchen der Veränderung. Kohl war bleierne Zeit, Merkel ist bleierne Zeit und ihr ministerialbürokratisches Gefolge ist machtvoll, aber Blei kann dankenswerter Weise auch versinken – hoffentlich bald dort, wo sie hingehören: im Strudel der geschichtlichen Belanglosigkeit.

 

Sicherheitsbedenken N°2

Irgendwie kann ich nicht umhin, meine Gedanken gelegentlich wandern zu lassen. Sie wandern dann an Orte, die weder kartographisch erfasst, noch – zumindest manchmal – einfach zu fassen sind. Ich bin mir des Umstandes bewusst, dass ich manchmal drei Mal um die Ecke denke, bevor für den Leser/Zuhörer das Ziel auch nur annähernd klar wird und ich verzettele mich bei meinen Denkspielen auch mal ordentlich öffentlich. Aber ehrlich gesagt finde ich das authentisch, denn all das bin ich und wenn ich dann, wie im letzten Artikel, das böse Fäkalwort nutze, dann geschieht dies sicher unter anderem auch aus dramaturgischem Kalkül, aber vor allem, weil es Dinge gibt, die man einfach nicht anders titulieren kann; ganz gleich wie gebildet man sich auch gerne gerieren würde.

Unabhängig vom Furor, der mich dann und wann packt, wenn ich meine Mitmenschoiden, insbesondere die Angehörigen der Subspezies Homo Sapiens Politicus zu beobachten gezwungen werde, ergehe ich mich eigentlich immer in Betrachtungen meiner Umwelt. Es ist mir quasi ein natürliches Bedürfnis, die Vorgänge um mich herum verstehen und miteinander in Beziehung setzen zu können. Übrigens ist genau das eine Grundvoraussetzung für politisches Agieren, gleich auf welcher Ebene. Die Folgerungen, welche ich aus meinen Beobachtungen ziehe und auszusprechen die Stirne habe, sind nicht selten wenig Mainstreamkompatibel, aber das ist mir egal, sofern ich wenigstens manchmal jemanden zum selber Denken anrege.

Ich räsoniere hier ein bisschen über meine Beweggründe und Ziele, weil ich mich in meinem letzten Blogpost zu der Bemerkung verstiegen habe, das Terrorismus, ganz gleich wie grausam, dumm und wenig Zielführend er auch sein mag, auf soziale Ungleichheiten aufmerksam macht. Und weil ich mir sicher bin, dass man das sowohl absichtlich als auch unabsichtlich missverstehen kann, ist hier ein kleiner erklärender Exkurs angezeigt:

Ein terroristischer Ausflug…

Wenn wir heutzutage von Terrorismus sprechen, so meinen die Allermeisten den so genannten islamistischen Terror, weil zumindest gegenwärtig der weitaus größte Teil aller terroristischen Taten auf das Konto von Menschen geht, welche die Lehre Allahs nicht recht verstanden haben oder sie im falschen Sinne erklärt bekommen haben. Der Boden auf welchem die Saat dieses gewalttätigen Gedankengutes aufgeht, ist in vielen Fällen durch eine soziale und wirtschaftliche Dürre sehr empfänglich für den wohlklingend verführerischen rhetorischen Regen, der im Kern einfach nur die Schuld für all die erduldete Not einem System zuschreibt, welches sich selbst gegenüber seinen eigenen Kindern als dankbarer Sündenbock zeigt – unsere durch und durch säkularisierte westliche Konsumgesellschaft.

Es gab und gibt auch jede Menge Menschen innerhalb unserer keineswegs perfekten Gesellschaftsform, die auf dem Wege der Gewalt etwas zu ändern suchen, etwa Theodore Kaczynski, besser bekannt als der UNA-Bomber, der den Neo-Luddismus, also die Ablehnung der immer weiter fortschreitenden Technisierung unserer Lebenswelt als Antrieb für seine Taten angab. Oder aber Timothy McVeigh, der das Murrah-Building in Oklahoma sprengte und über dessen Motive bis heute keine vollständige Klarheit herrscht, auch wenn ein ultranationalistischer Hintergrund zumindest vermutet werden kann. Auch ultralinks motivierte Gewalttaten verschiedener Gruppen in den 70er und 80er Jahren in Europa, wie etwa der deutschen „Rote Armee Fraktion“ oder der französischen „Action Directe“ können sicherlich als Terrorismus bezeichnet werden. Heutzutage jedoch dominiert global der islamistische Terror, der seine Wurzeln in einem weit verbreiteten Ohnmachts- und Ausbeutungsgefühl der Bewohner vieler Zweite- und Dritte-Welt-Länder gegenüber den Staaten der ersten Welt hat. Ich scheue mich bekanntermaßen davor, Menschen auf ökonomische Motive reduzieren zu wollen, aber die dort vorherrschende blanke Not mag zumindest die Vorbedingungen schaffen – ein radikales Umfeld lässt radikales Denken entstehen, aus dem irgendwann mit der „richtigen“ Motivation dann schlussendlich radikales Handeln wird.

Freilich gibt es Terror in vielen Darreichungsformen, schließlich sind Bomben, Schusswaffen und Messer, so grausam und zugleich Publizitätserzeugend sie auch sein mögen, nur die allerletzte Steigerung von Terror. Er beginnt immer mit dem Entzug einfachster Menschenrechte, wie ihn zum Beispiel die Taliban gegenüber Andersdenkenden und vor allem Frauen ausüben. Diesem Denkansatz folgend müsste es unser erstes – eigentlich einziges – Ziel sein, die Einhaltung der Menschenrechte durchzusetzen und, wie jenes pakistanische Mädchen Malala Yousafzai auf beeindruckende Art vor der Jugendversammlung der Vereinten Nationen eingefordert hat jedem Kind Bildung bringen. „Ein hehres Ziel, aber weder durchsetzbar noch finanzierbar!“ höre ich es in meinem Hinterkopf. Wie teuer waren doch gleich noch mal diese Spionageprogramme.

…endet nicht vor meiner Haustür!

Anstatt immer mehr Menschen zu kriminalisieren, zu bespitzeln, für dumm zu verkaufen und von Entscheidungsprozessen auszugrenzen, die unser aller Zukunft beeinflussen, sollten unsere so genannten Führer sich darauf besinnen, wer sie in ihre Ämter getragen hat und wem sie Rechenschaft schuldig sind – weder einzig der Wirtschaftslobby noch nur ihrer eigenen kranken Umwelt mit Namen Politik, sondern mir und jedem anderen mündigen Bürger, gleich wie viel oder wenig er/sie hat oder ist! Und darüber hinaus endlich verstehen, dass man Terror nicht mit Waffen und Bespitzelung sondern mit Bildung und wohl gemeinter Hilfe zur Selbsthilfe bekämpft. Der Weg ist gewiss lang und steinig aber ich finde ihn wesentlich wertvoller als die asphaltierte Schnellstraße in den Totalitarismus, auf der wir uns gerade befinden.

Ich habe noch nicht zu Ende gedacht, aber manchmal muss man zwischendurch nicht nur die Schrift sondern auch die eigenen Ideen interpunktieren und reifen lassen. Die folgen in Kürze auf diesem Kanal. Bis dahin, denkt wohl!

Sicherheitsbedenken N°1

Abhörskandal – ich kann diese Scheiße nicht mehr hören! Auf der einen Seite tummeln sich die selbst ernannten Bürgerrechtsaktivisten jedweder Couleur, übrigens auch solche, die unsere Bürgerrechte üblicherweise bestenfalls als Allerletztes auf ihrer Agenda haben, jedoch auf Sympathiestimmen im kommenden Wahlkampf hoffen und darum jetzt medienwirksam alle Formen von Datensammlung für Teufelswerk erklären. Auf der „Gegenfront“ stehen die Befürworter des Gläsernen Bürgers, für die jedes noch so kleine Geheimnis die potentielle Verschleierung einer möglichen Straftat bedeutet. Ein Albtraum für jeden Sicherheitsmenschen; hinterher könnten die Bürger noch Dinge denken, die man selbst zu bedenken Bedenken erdacht haben könnte.

Sicherheit sei ein genauso wichtiges Bürgerrecht wie die Privatsphäre, denn ohne sie würden die einfachsten Dinge des Alltäglichen plötzlich zum Pogohüpfen im Minenfeld. Garantierte der Staat zum Beispiel nicht für die Verbindlichkeit von Verträgen, könnte man nichts mehr einkaufen. Der Arbeitgeber könnte einen einfach ausnehmen; was er ja trotzdem auf jede erdenkliche Art tut. Also setzt man die Sicherheit des Staatswesens mit der Sicherheit seiner Bürger gleich, schließlich würde in einer Demokratie ein generelles Misstrauen gegenüber den Institutionen des Staates keine Berechtigung haben, denn zum Schutz der Freiheit sei der Schutz der Sicherheit unabdingbar und man wäre ja naiv, wenn man von staatlicher Überwachung überrascht wäre Ja, ist schon schön, wenn man öffentlich naiv sein darf und auch noch als Journalist dafür bezahlt wird.

Hier sind zwei grundlegende Denkfehler zu konstatieren: zum einen sind die Institutionen des Staates mittlerweile durch ihre inhärenten Selbsterhaltungstendenzen soweit vom Willen des Volkes entfernt, sofern dieser überhaupt auszumachen wäre, dass man getrost von systemischer Entfremdung durch Selbstzweck sprechen darf. Ich empfehle hierzu Habermas und Luhmann als Lektüre. Und überdies ist es ausgesprochen kurzsichtig, Volksvertretern und vor allem den Mitgliedern der ihnen beigeordneten Ministerialbürokratie zu unterstellen, dass sie für Versuchungen, welche sich im Spannungsbereich der Dichotomiepole Gemeinwohl und Eigenwohl abspielen in keinster Weise anfällig wären. Das sind alles Menschen – und hier dürfte der gleiche Prozentsatz an Individuen zu finden sein, welche schwach an Charakter sind, wie beim Rest auch.

Natürlich ist es ein wichtiges Vorhaben, die Sicherheit des Staates und seiner Bürger zu schützen, doch bevor man sich nun hinstellt und Sicherheitsbehörden mit diesem äußerst kurz greifenden Argument einen Persilschein dafür hinschmiert, sich einfach so meine intimsten Gedanken zu eigen machen zu dürfen, um dann irriger Weise zu glauben, beurteilen zu können, wie ich ticke und somit meinen individuellen Gefährdergrad benennen zu können, MUSS man sich fragen wer was dadurch gewinnen kann? Wieso braucht ein Staat überhaupt Kontrolle über seine Bürger? Sollte das Verhältnis nicht genau umgekehrt sein? Dieser Argumentationsstruktur liegt die vollkommen irrige Annahme zu Grunde, ein Staat müsse Macht über alle Lebensbereiche seiner Bürger ausüben können. Das ist autokratische Scheiße, gegen die man sich bis zur letzten Konsequenz wehren muss, denn der Bespitzelung folgt die Bevormundung und die mündete bisher immer in der Diktatur.

Anstatt immer mehr Geld in die Überwachung und Befriedung zu investieren wären wir – nein nicht wir, sondern unsere politischen Führer – besser beraten, mehr für sozialen Ausgleich zu tun. Denn das, was die selbst ernannten Eliten fürchten, ist nicht der Terrorismus als solches, sondern der Umstand, dass dieser – wenngleich auch auf die denkbar dümmste Art – auf soziale Ungleichheiten hinweist. Räumte man diese aus, beendete man auch den Terrorismus und könnte seine Drohnen und Funkanlagen und Computer und den ganzen anderen Rotz einmotten. Aber soweit sind wir noch lange nicht, darum will ich die Tage weiter über das Thema nachdenken…

Gegangen durch die Ä-gyp-ter…?

Präsident Mursi nach tagelangen Protesten durch weite Teile der Bevölkerung weggeputscht – STOP – Lage im Moment ruhig – STOP – Große Teile der Bevölkerung feiern – STOP – Muslimbrüder rufen zu Gegenprotesten auf – STOP – Weiterer Weg Ägyptens im Moment unklar – STOP – Intervention notwendig? – STOP…

Zu den Fakten: der erste demokratisch gewählte Präsident Ägyptens wurde durch das Militär aus dem Amt entfernt. So was nennt man einen Putsch. Sein Regierungsstil könnte als wenig Konsensorientiert betrachtet werden und sicherlich sind die politischen Ansichten der Muslimbrüderschaft vielen säkular orientierten Menschen viel zu sehr an der Sharia ausgerichtet, um als Grundlage für die Ausrichtung eines in vielerlei Hinsicht schon sehr lange weltlich orientierten Staates empfunden werden zu können. Das ist allerdings unsere westliche, Leitkulturideeverseuchte Lesart der Dinge.

Wir Europäer, oder vielleicht besser wir Mitteleuropäer, neigen sehr gerne dazu, unsere Idee davon, wie eine Gesellschaft günstiger Weise beschaffen zu sein hätte als allein sinnvolles, ja sogar selig machendes Prinzip zu betrachten und dies auch jedem zu erzählen, gleich ob er es hören mag, oder nicht. Die Amerikaner gehen noch einen Schritt weiter und exportieren ihre Ideologie gleich aktiv in jene Regionen der Welt, in denen man Bodenschätze… ähm, pardon, ich meinte natürlich Menschen findet, die nach dieser Ideologie dringend der Demokratie bedürftig sind. Mit der Demokratie erleiden sie dabei eigentlich immer Schiffbruch, aber wenigstens der Zugriff auf die Bodenschätze … ach lassen wir das.

Wenn ein Bundesaußenminister sich hinstellt und vor der Kamera alle Beteiligten am Konflikt zu Besonnenheit aufruft, dann folgt er lediglich einem formalisierten Ritual institutioneller Bigotterie, dem alle Angehörigen des politischen Standes der so genannten ersten Welt verpflichtet sind. Im Grunde positionieren alle zunächst ihre Figuren für die nächsten Züge im geopolitischen Kampfschach. Wie das mit Ritualen so ist – sie werden mit der Zeit berechenbar, da staatliche Interessenportfolios gewissen politischen Sphären zuordenbar sind. Letzten Endes geht es immer um die eine Frage: Was springt für uns dabei heraus? Und wer glaubt, in der BRD würden die Uhren diesbezüglich anders ticken, dem rate ich dringend mal darüber nachzudenken, welchen Partnern wir verpflichtet sind, wo unsere Rohstoffe herkommen und unsere Exporte hingehen. Money talks – und sonst hat hier niemand was zu melden!

Würde man sich als denkendes Individuum gerne auf seine ökonomischen Interessen reduzieren lassen – auch wenn, ganz nüchtern betrachtet, die pekuniären Zwänge tatsächlich für fast jeden von uns einen nicht unerheblichen Teil des Handlungsspielraumes beeinflussen – könnte man sagen, der Westerwelle hat Recht, wenn er sie zur Ordnung ruft. Geopolitische Instabilitäten sind schlecht für’s Geschäft und damit schlecht für unsere Binneneinkünfte. Wenn da nicht der Umstand wäre, dass ich mir vieler Dinge sicher bin; jedoch NICHT der Repräsentation MEINER Interessen durch UNSERE Politiker. Denn ich persönlich bin durchaus der Ansicht, dass zum Beispiel die Ägypter sehr wohl in der Lage sind, selbst heraus zu finden, was das Beste für sie ist. Und das muss nicht unbedingt eine Verfassung wie die unsere sein, denn solange sich die säkularen und die religiösen Kräfte nicht miteinander aussöhnen und einen Konsens finden, wird ein Land wie dieses nie zur Ruhe kommen. Solange Nationen jedoch aus der politischen Perspektive immer nur als Bankkontenbündel betrachtet werden, ist es sehr schwer, auf die Bedürfnisse abseits der Ökonomie einzugehen. Und die sind mannigfaltig.

Womit wir bei der grundlegenden Frage wären, was uns westliche Menschen zu der Arroganz veranlasst, zu glauben, wir wüssten, was für die Menschen anderswo auf dem Erdenrund das Richtige und Wichtige ist? Würden wir uns von diesem Stuss verabschieden, könnten wir die Dinge vielleicht mal etwas unvoreingenommener betrachten. Vielleicht würden wir dabei ja feststellen, dass nicht nur deren, sondern auch unsere Interessen auf andere Art und/oder durch andere Menschen besser vertreten werden könnten. Dieser Gedanke lässt mich hoffen.