Quarantini olé!

Morgen ist der erste April. Mir ist im Moment nicht nach Scherzen zumute. Aber wenn man zu Hause wegen des Clusterkindes darauf wartet, dass man seinen ersten offiziellen Test machen kann, ist die Wahrscheinlichkeit, dass einen irgendein Depp auf den Arm zu nehmen versucht, ja auch eher gering. Die beste Ehefrau von allen und die Kinder haben an sowas kaum Interesse. Mal davon abgesehen, dass die meisten Aprilscherze – wem immer dafür auch Dank sein muss – ja eher harmloser Natur sind. Ich jedenfalls bin im Moment unzufrieden knurrig. Könnte daran liegen, dass man meine pragmatische (nicht vorher abgestimmte) Entscheidung, bei Bekanntwerden des Problems einfach den Plan für die Woche umzustricken und dafür von zu Hause weiterzuarbeiten als oberhalb meines Kompetenzlevels empfand. Darum ist es mal wieder an der Zeit für eine Meditation über Präsentismus und Erreichbarkeit.

Apropos Erreichbarkeit. Wenn ich hier an meinem persönlichen Schreibtisch sitze oder stehe, bin ich auf mindestens SECHS! verschiedene Arten erreichbar: privates Smartphone, dienstliches Smartphone, Festnetz, Whatsapp Web, Telegram Web und E-Mail. Alles in Griffweite, und alles online, sobald ich meinen Arbeitstag beginne. Ich werde nicht lügen: es ist OK, ein paar Minuten länger liegen bleiben zu dürfen, weil die Fahrtstrecke zur Arbeit entfällt. Und es ist hier viel ruhiger, als an meinem Präsenzarbeitsplatz in der Dienststelle. Und an die gelegentliche Nutzung meiner privaten IT-Infrastruktur für Dienstliches habe ich mich im Lauf der Jahre gewöhnt; das passiert einem als Lehrer/Dozent öfter. Außerdem kann ich an meinem privaten Schreibtisch im Stehen arbeiten…

Ich verstehe, dass man seine Angestellten arbeiten sehen möchte. Es gibt einem das gute Gefühl, kein Geld für Faulenzeritis und Kokolores auszugeben. Man sieht, was man dafür bekommt! Oder…? Jetzt mal im Ernst: glaubt irgendjemand, dass Menschen arbeiten, nur weil die in ihrem Büro am Platz sitzen? Really? Was qualifiziert überhaupt als dieses mystische Ding namens „Arbeit“? Meine Kinder jedenfalls verstehen nicht, was ich da tue; weil es schwer zu durchschauen ist, was es nun mit Networking, Planung, Organisation oder Content-Produktion, etc. auf sich hat. Excel-Tabellen zusammenschubsen, Mails schreiben, telefonieren und so weiter und so fort; das sieht unspannend aus. Und es ist schwer durchschaubar, ob gerade etwas produktives geschieht, oder einfach nur zum x-ten Mal Akten von links nach rechts geschichtet werden – das geht ja auch digital.

Woran misst man, ob jemand „sein Geld wert ist“? Daran, dass er/sie/divers halt im Büro anwest? Oder doch eher daran, dass er/sie/divers einen Mehrwert erzeugt? Ihr wisst schon: dass wofür man diese Steuer zahlt. Also Wertschöpfung auf verschiedenen Stufen des Wirtschaftssystems. Ganz ehrlich, ich werde hier sicher nicht darüber urteilen, wie groß der Mehrwert ist, den ich für meinen Arbeitgeber derzeit erzeuge. Das Projekt ist ja noch im Aufbau befindlich. Aber wenn er denn dann entsteht, passiert das auf so vielen Ebenen. Zum Beispiel durch die mittelfristige Bereitstellung von kompetenten Mitarbeitern für das operative Geschäft „Rettungsdienst“. Durch Mitarbeiterbindung, welche durch gute Fort- und Weiterbildungs-Angebote nachweislich mindestens genauso gesteigert wird, wie durch ein angemessenes Salär. Durch die Schöpfung (und mittelfristig hoffentlich auch Verbesserung) von Qualität. Schließlich durch den Verkauf von Bildungsdienstleistungen an externe Nachfrager.

Warum zeige ich schon wieder meinen Schreibtisch? Als Signifikant für das Signifikat „Arbeit“, die hier vermutlich erbracht wird? Dann wäre der Mehrwert, den ich zu erzeugen hoffe das Referens; also die Entsprechung in der realen Welt? Und damit sind diese kuratierten Bildchen hinsichtlich ihres Sinnes auch schon hoffnungslos entzaubert, oder? Wie bei einem Magier, der seinen Trick Stück für Stück erklärt. Aber mir geht es nicht darum, meinen Wert bildlich darstellen zu wollen. Das tun nutzlose Kleiderständer in irgendwelchen Büros landauf landab jeden Tag. So tun, als wenn sie Wert schöpfen würden. Ich will kein Schulterklopfen und kein Danke – ich will einfach nur den Raum, so arbeiten zu dürfen, dass ich auch tatsächlich maximalen Mehrwert erzeugen kann. Und das geht mit den – pardon – eingeschränkten Möglichkeiten andernorts nicht immer. Tatsächlich nicht mal oft…

In einem Zeitalter in dem ein neuer Laptop schon als der Gipfel betrieblich Produktivitäts-Maschinerie verstanden wird, in dem die Äußerlichkeit der Dinge und deren Bedeutung dauernd miteinander verschmolzen werden, ist es äußerst schwer, zu erklären, warum kreatives Arbeiten nach anderen Regeln funktioniert – oder vielmehr, funktionieren muss – als Akten von links nach rechts zu schubsen. Auch die digitalen… Ich sage es wie’s ist: ich weiß nicht, wie Vorgesetzte im Mittel auf so einen Schrieb reagieren, aber ich muss mir Luft machen. Und weil Anschreien keine Lösung ist – und auch nie sein wird – ist dies hier die nächstbeste Möglichkeit, meinen Frust rauszulassen. Meinen Frust darüber, dass das frühe 21. Jahrhundert mit seinen mannigfaltigen Möglichkeiten, bestimmte Formen von Arbeit (bei weitem nicht alle!) zu flexibilisieren, immer noch nicht verstanden oder gar gelebt wird. Für heute habe ich fertig. Frohen ersten April. Mein Quarantini heute war übrigens ein Cappuccino!

Zwischenruf N°2

Ich stelle in letzter Zeit fest, dass, das Facebook kein guter Ort ist. Die Ambivalenz, die daraus resultiert, ist nervtötend. Denn einerseits habe ich dort eine gewisse Reichweite und nehme dadurch auch Netz-Nutzen mit. Andererseits ticken manche Leute, von denen ich das eher nicht erwartet hätte vollkommen aus und ich muss mir dann anhören, dass Grünen-Wähler genauso schlimmes Gesocks wären, wie „die Ratten, die der AfD hinterher laufen“ (O-Ton von jemandem, den ich eben entfreundet und blockiert habe). Anlass war eine Diskussion über einen Beitrag von Dieter Nuhr, den die Person geteilt hatte. Herr Nuhr benutzt hier die aus rechter Propaganda der letzten Zeit wohlbekannte Technik der Dekontextualisierung. Vereinfacht gesagt reißt man etwas aus dem übergeordneten Sinnzusammenhang (Kontext), der zum Verständnis aber notwendig wäre und verändert den Blickwinkel so, dass sich daraus eine negative Lesart konstruieren lässt. Machen in der Politik (und im Kabarett / der Satire) natürlich alle so.

Wenn man aber den Grünen den Drang nach Weltherrschaft unterstellt (das hätte in Deutschland ja Tradition), weil sie sich in ihrem Wahlprogramm ’21 zu dem Klimazielen des Pariser Vertrages bekennen, dessen Ratifizierung der deutsche Bundestag EINSTIMMIG zugestimmt hatte, ist die Grenze zum Tendenziösen mehr als überschritten. Hier wird der gesamten Partei implizit eine Nähe zum Faschismus unterstellt, die so sachlich unhaltbar ist und niederste Instinkte bedienen soll: der Tag ist ja so viel einfacher, wenn man ein schönes, ordentliches Feindbild hat, nicht wahr? Da drängt sich mir eigentlich nur eine Frage auf: Wann werfen die diese neoliberale Propagandaschleuder endlich aus dem Programm?

Dann kommen noch die üblichen Verdächtigen, wie das die Grünen den Deutschen das Auto (FALSCH) das Eigenheim (FALSCH) und das heimelige Kaminfeuer (FALSCH) verbieten wollen. Es wird lediglich darauf gedrängt, geltendes deutsches und EU-Recht endlich konsequent umzusetzen. Was im Übrigen auch während der grünen Regierungsbeteiligungen im Bund passiert ist. Man mag von Joschka Fischer halten, was man will (ich konnte ihn nie leiden, der ist ein arroganter S***): als Bundesaußenminister hat er in mancherlei Hinsicht jedoch eine bessere Figur gemacht, als Guido Westerwelle oder Heiko Maas. Aber das tut hier nichts zur Sache. Die Grünen haben Ihre radikale Anfangsphase überwunden und sind zu einer etablierten politischen Kraft geworden. Man mag auch die Lebenswege mancher grüner Politiker irritierend unkonventionell bis bizarr finden. Das ändert jedoch an den Beiträgen zur politischen Sacharbeit nichts.

Um das an dieser Stelle noch mal klarzustellen. Ich habe in meinem Leben schon mal grün gewählt. Ich bin aber immer noch Mitglied der SPD. Ich kann’s nur nicht haben, wenn a) irgendwelche bekannten Menschen ihre privilegierte Position als Medienmensch für – im Kern antidemokratische – Propaganda ausnutzen und b) Leute, die ihnen auf den Leim gehen mich dafür beschimpfen und beleidigen, dass ich versuche, ihren Blickwinkel für die Realität zu öffnen. Ich erwarte nicht, das irgendjemand meine Sicht der Welt übernimmt. So arrogant sollte kein Mensch sein. Aber akzeptieren zu können, dass andere Blickwinkel existieren, bei denen die Diffamierung einer ganzen Partei unterbleiben kann, wäre doch schon mal ganz nett. Ich habe es satt, Dogmatismus auf Grund mangelnder politischer Bildung ausgleichen zu müssen! Und tschüss…

Und es geht doch noch…

Ich bin auch einer dieser (schwachen) Menschen, die manchmal das unheilige Gefühl bekommen, eine Leere in sich selbst ausfüllen zu müssen und dann manchmal (na ja, eher zu oft) zur dämlichsten Lösung von allen greifen: nämlich sinnlosem Konsum. Dass ich gelegentlich gerne knipse ist ein alter Hut. Dass ich dazu bestimmtes Equipment benutze, habe ich vielleicht irgendwann mal irgendwo erwähnt. Also ich bin ein keine Marken-Hure, wenn es um Kamera-Präferenzen geht; aber es hat sich irgendwann ergeben, dass ich mich bezüglich meiner DSLR für Canon entschieden hatte. Folglich habe ich im Laufe der Zeit ein wenig Geld in das Hobby investiert (nur einen mittleren vierstelligen Betrag, ich bin ja nur Hobbyist), bekam aber irgendwann in letzter Zeit das Gefühl, nicht mehr so viel Gewicht rumschleppen zu wollen. Folglich liebäugelte ich mit einer spiegellosen Systemkamera – und natürlich der Anschaffung weiteren Equipments. Es gibt kein „Immer-Drauf“-Objektiv. Das ist eine Legende.

Weil man aber nicht unbegrenzt Geld hat, um es für Hobbykram auszugeben, und weil ich überdies in letzter Zeit eh über so einiges am Grübeln bin, dachte ich mir: „Verdammt Junge, du warst schon ewig nicht mehr einfach so zum Spaß knipsen!“ Und tatsächlich, ohne Grund und Ziel, einfach, um mal wieder ein bisschen zu üben und Spaß zu haben hatte ich meine Kamera bestimmt schon 7 Monate nicht mehr in der Hand! Ziemlich lange für jemanden, der behauptet, Fotografie sei eines seiner Hobbies, oder? Also habe ich ein solides Sigma 17-70mm 1:2,8-4,5 auf die angejahrte 60D geschraubt und bin einfach los gegangen, um zu knipsen. Und was soll ich sagen – es ist toll, wenn man feststellt, dass man eigentlich schon das richtige hat. ’ne Kamera ohne allzu viel Schischi, die einfach Bilder macht. Viellicht kaufe ich mir irgendwann doch noch was Leichtes für unterwegs (eine einfache MFT wäre auch zum Filmen ganz ok…); aber für den Moment habe ich mich nochmal neu in mein Bestandequipment verliebt. Vielleicht liegt’s am Frühling…

Erwachsen bilden N°30 – …alles für die Kunden?

Ich nehme das Credo des Artikels vorweg und sage rundweg mal NEIN! Ich tue nicht ALLES für meine Kunden. Ich erfülle gerne alle legitimen Ansprüche. Ich denke mir auch gerne Lösungen aus, die um die Ecke liegen, anstatt mitten im Sichtfeld. Ich baue mit Freude und Anstrengung ein Lern-Buffet auf, an dem man sich reichhaltig bedienen kann und gehe auf spezielle Wünsche ein, wenn es denn irgendwie machbar ist. Aber ich mache mich NICHT zum Affen, ich lasse mich NICHT ausnutzen, NICHT für dumm verkaufen und vor allem NICHT beleidigen. Da kommt ja immer mal wieder dieser Spruch „Der Kunde ist König!“ (in den Köpfen der meisten Dienstleister direkt gefolgt von „NIEDER mit der Monarchie!“) und dieser Spruch ist halt leider einfach falsch. Oder besser gesagt, er wird häufig entweder missverstanden oder – noch viel lieber – missbraucht, um ein Verhalten zu rechtfertigen, das schlicht und ergreifend Bullshit ist.

Ich verkaufe Bildungsdienstleistungen. Zugegeben sehr spezielle; aber das ist erst mal eher unwichtig. Also präziser gesagt, entwerfe ich im Rahmen der hierfür gültigen Anforderungskataloge welche, halte den Unterricht auch häufig selbst und habe die Vorgabe, damit am Ende etwas Geld verdienen zu müssen. Aber der Job ist schon ein bisschen vielfältiger als bloßes Verkaufen. Wichtig ist dabei, den Unterschied zwischen verschiedenen Dienstleistungen zu verstehen. Wenn ich ein maßgeschneidertes Softwareprodukt für den Launch einer Business-Plattform bestelle, dann gibt es ein Pflichten/Lasten-Heft in welchem Kunde und Dienstleister gemeinsam festlegen, was zum Portfolio gehört – und was nicht! Bei Bildungs-Dienstleistungen hingegen ist dieses Pflichtenheft, insbesondere im berufsbildenden Bereich eher dünn und hoch interpretationsfähig: am Ende soll üblicherweise der Erwerb einer, auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Qualifikation stehen. Sicher ist jeweils definiert, was die Person schlussendlich „können“ können soll. Der Weg dahin jedoch… ist oft Terra incognita. Weil Lehr-Lern-Prozesse nicht wie ein Software-Algorithmus programmierbar sind.

Chefs, Vorgesetzte, Teamleiter, etc. haben ja oft diese naive Vorstellung, dass meine Kollegen und ich morgens mit einem Bohrer und Infusionsbeuteln voller Wissen in den Lehrsaal kommen und dann das „Mana der Kompetenz“ fließen lassen, auf dass alle Teilnehmer:innen am Ende höchst belehrt und voll einsetzbar sind. Dass das Lernen meist schon viel früher (z.B. bei der Auswahl geeigneter Auszubildender) beginnt und damit Lernschwierigkeiten, eine mangelhafte Berufspassung, unbefriedigende Performance und manch andere Dinge u.U. ein hausgemachtes Problem sind, wird entweder nicht gesehen, oder geflissentlich ignoriert. Die Schule wird’s schon richten. Tatsächlich entwerfen wir Lernsituationen, in welchen die Teilnehmer:innen (oder SuS: Schülerinnen und Schüler) in die Lage versetzt werden, sich Wissen, Fähigkeiten und wie man diese kombiniert, um kompetent handeln zu können, selbst aneignen zu können (der Konstruktivismus lässt grüßen). Denn man kann niemanden „lernen machen“!

Aber auch die SuS oder Teilnehmer:innen haben oft nur eine vage Vorstellung, wie Erwachsenenbildung funktioniert, weil das allgemeinbildende Schulwesen mit seinem Fachzentrierten Unterricht anders läuft, als das Lernfeldzentrierte Unterrichten in einer Berufsfachschule. Die begreifen oft erst nach und nach, dass unser Ansatz im Kern ganzheitlich ist, also niemals nur ein Wissensfeld (oder Fach, wenn wir von Schule sprechen wollen) allein beackert wird, sondern immer mehrere auf einmal. Weil vor allem die Fähigkeit zum vernetzten Denken und Handeln gefördert werden muss. Dass ist eine der Anforderungen des Berufsfeldes, in welchem ich tätig bin. Daraus resultiert, dass es jemandem, der gerade die allgemeinbildende Schule hinter sich gebracht hat (oder auch manche Berufsschule aus dem gewerblich-technischen Bereich) ungemein schwer fällt, einen roten Faden zu erkennen, auch wenn der von Anfang an da ist – sofern der Lehrplan halbwegs clever designed wurde…

Ich muss wohl nicht erklären, dass daraus Zielkonflikte resultieren, denn die SuS denken, wir würden ihnen gar nicht das beibringen, was sie brauchen. Obwohl die ja oft noch gar nicht wissen (können), was sie alles brauchen (werden). Und die Chefs denken, dass das alles nicht schnell genug geht, weil sie in Kennzahlen und Einsetzbarkeit denken. Tellerränder und so…? Es braucht also oft viel Erklärungsarbeit (ich bin in mancher Hinsicht ein wahrer Transparenz-Junkie!), aber auch Geduld auf beiden Seiten. Und da entstehen dann die Probleme, die mich richtig fuchsig machen. Z.B. Menschen, die denken, dass alles nach ihrem Kopf gehen muss, und man die Abläufe (Unterricht, Prüfungen) gefälligst nach ihren Vorgaben strukturieren soll. Wenn ich aber einen Klempner bestelle, erkläre ich dem auch nicht, wann und wie das mit dem Rohr gemacht wird. Weil ich a) gar keine Ahnung habe, wie das geht und b) keine Verfügungsgewalt über die Zeitabläufe anderer Menschen habe. Man kann höflich um eine gewisse Flexibilisierung von Abläufen bitten. Wenn aber Forderungen gestellt werden, die schlicht das Unterrichtsziel gefährden, ist Schluss! Und zwar in jeder Hinsicht.

Auch über Rahmenbedingungen wird ja oft gemosert (zu warm, zu kalt, zu viel Theorie, zu viel Praxis, zu lang, zu kurz, schlechtes oder gar kein Catering, la, bla, laber, schätz). Den Service der eigenen Orga öffentlich zu beurteilen (gar zu loben), steht mir nicht zu; aber ich denke ehrlich, dass wir uns nicht verstecken müssen. Und dann nervt es schon, wenn man sich auf manche Kritik einlässt, Abhilfe schafft und im nächsten Schritt noch mehr Forderungen gestellt werden. Irgendwann ist es mal gut. Und auch wenn der Spruch ein wenig abgedroschen daher kommen mag: Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Das gilt auch anno 2021 noch! Ich tue daher nicht alles für den Kunden (wenn man es denn überhaupt als klassisches Anbieter-Kunden-Verhältnis sehen will; immerhin haben Berufsfachschulen auch einen gewissen Erziehungsauftrag); ich tue alles, was notwendig ist, damit die SuS am Ende erfolgreich sein können. Zwischen diesen Lesarten des Begriffes „alles“ muss man unterscheiden lernen, wenn man sich als Dozent und Schulleiter nicht vollkommen aufreiben lassen möchte. Und jetzt wünsche ich uns allen eine gute Woche.

Zwischenruf N°1

Um’s kurz zu machen: Thea Dorn ist KEINE Philosophin. Die Frau ist Krimi-Autorin, Moderatorin und ziemlich unpassender Weise von sich selbst überzeugt. An dieser Stelle sei betont: Richard David Precht ist auch kein Philosoph! Er ist ein ganz ordentlicher Speaker und geschmeidig lesbarer Autor populärwissenschaftlicher Titel; aber zum Format eines Habermas oder Luhmann fehlen ihm dann doch ein paar Meilen. Schwamm drüber. Wenn man sich aber, wie Frau Dorn, zu solchen Aussagen versteigt, wie in dem hier lesbaren Meme, muss man zur Einordnung einfach mal kurz wissen: DIESE FRAU IST UNWICHTIG! Ich würde mich total freuen, wenn wir endlich, nach einem Jahr, mit einem gesamtgesellschaftlichen Dialog darüber begännen, wie wir mit dem Rest des Lebens in, um und nach der Pandemie umzugehen gedenken. Der zitierte Imperativ: „Hauptsache gesund und lang sei das Leben.“ ist nämlich – hätte Frau Dorn das nur mal zu Ende gedacht – nichts weiter als eine Facette des kategorischen Imperativ, auf dem unsere gesamte Rechtsphilosophie fußt… und noch einiges mehr.

Was mich daran ärgert, ist nicht die Aussage an sich. Was mich daran ärgert ist, dass man Menschen in irgendwelche Studios lädt, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, dafür aber viel Meinung. So wie Frau Dorn. Natürlich ist das redaktionelles Kalkül. Wenn ich mir ein paar hübsche Dogmatiker in die Show hole, passiert wenigstens verbal was und die Leute erkennen die Insignifikanz des Formates nicht schon nach den ersten drei Minuten. Wenigstens in der Theorie. Man könnte argumentieren, dass den Dialog (oder auch mal den Streit) über kontroverse Themen anzuheizen eine Kern-Aufgabe öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei. Stimmt auch. Nur werden hier keine gesellschaftlichen Diskurse abgebildet (sofern denn überhaupt welche stattfinden), sondern medienwirksame Säue durch’s Dorf getrieben, so dass jeder mal seine fünf Minuten zum Aufregen hat. Wahnsinn, ich hol mir mal Popcorn…

Jetzt mal im Ernst: haben wir nix besseres zu tun, als Geld, Strom, Arbeitszeit, Schminke und erwärmte Luft zu verschwenden, damit ein paar Möchtegern-Feuilletonisten ihren Scheiß in unsere Wohnzimmer projizieren können? Vermutlich schon, dass will nur keiner sehen. Es wäre einfach ehrlich, wenn man das ganze nicht als Talkrunde mit gewissem Anspruch laufen ließe, sondern als das, was es eigentlich ist – verbalen Gladiatorenkampf. Dann dürften die Gäste auch mal mit Teilen der Einrichtung werfen, das ganze hätte also im Wortsinn Schmiss und die Zuschauer bekämen, wofür sie – wenn sie ehrlich wären – wirklich einschalten: geistlose Unterhaltung durch leidlich bekannte Mitmenschoiden. Schönen Sonntag.

Realität, was ist das schon…?

Ich hadere – und das schon seit einer Weile – mit der Frage, wie ich zu meinen Träumen stehen soll? Also nicht den nächtlichen, an die ich mich, wenn überhaupt, höchstens ein bis zwei Mal im Jahr erinnern kann. Nee, ich meine natürlich diese fixen Ideen, bezüglich derer wir uns selbst gerne glauben machen, dass ihre Realisierung unser Leben unfassbar viel besser machen würde. Was in der Folge bei weißen mittelalten Männern, wie etwa mir, des Öfteren zu einem beängstigenden Konsumrausch führt; oder aber – in schweren Fällen – zum noch beängstigenderen Glauben, dass man zur Selbstverjüngung unbedingt ein neues Lebensabschnitts-Meerschweinchen bräuchte. Was davon schlimmer ist, darf jeder für sich selbst beurteilen…

Wir alle haben in unserem Hinterkopf einen Gottesacker für jene Träume, die wir nicht realisieren konnten oder können, weil es a) zu teuer, b) zu riskant, c) zu verrückt erschien, oder immer noch erscheint. Und irgendwie ist es auch gut, dass man, zumindest mit zunehmendem Lebensalter, so weit zu denken lernt, dass man nicht mehr jedem Affekt erliegt, der entlang der kurvigen Straße des Lebens unversehens auftauchen mag. Sogar Kerle kriegen das hin. Vermutlich ist diese Lernkurve der Hauptgrund dafür, dass wir noch nicht ausgestorben sind. Was für den Planeten jetzt irgendwie auch wieder ein bisschen traurig ist…? Egal. So oder so wächst die Zahl der Grabsteine im Laufe des Lebens ganz unweigerlich immer weiter an.

Ebenso sagt der Volksmund, dass die Zeit alle Wunden heile. Für die meisten toten Träume stimmt das auch, aber manche… ja, manche verfolgen uns ein ganzes verdammtes Leben lang. Nicht immerzu, wie die Erynien ihre Opfer verfolgen, aber doch persistent genug, um einem immer wieder was zum denken und zum bedauern zu geben. Aber ist das tatsächlich so schlimm? Ich neige mittlerweile dazu, es als Antrieb sehen zu wollen, als Motivationsquelle weiterzumachen, als Erinnerung was noch alles Gutes kommt! Und da kommt noch eine Menge, dessen bin ich mir sicher. Ich muss nicht mehr ALLES wollen, weil ich langsam aber sicher ein gutes Gefühl davon bekomme, was zu wollen sich für mich tatsächlich lohnt.

Hätte jemand die Chance, zum Vergleich jetzt mal mein 20-25jähriges Ich zu befragen, was es denn will… ohwei, ohwei, das würde echt interessant werden und ich befürchte für mein bald 47jähriges Ich gäbe es so einiges zum fremdschämen. Das wird nicht passieren und ich muss ja auch nicht jedes schmutzige kleine Geheimnis über mich verraten ( 😉 ); aber es ist schon bezeichnend, das materielle Wünsche heute weit weniger eine Rolle spielen. Zeit zu haben für meine eigenen Projekte, meine eigene Agenda, das ist es immerzu, wovon ich heute träume. Ich habe schon häufiger über meine Kämpfe mit der eigenen Kreativität berichtet und es wird der einen oder dem anderen aufgefallen sein, dass ich mich neben meinem Job auch viel mit Geschichtenerzählen, Fantastik, Science-Fiction, Rollenspiel und jeder Menge anderem Nerd-Kram befasse. Weil das meine eigentliche Welt ist!

„Living in a world of make-believe, I can hide behind what’s real.“ Das ist eine Liedzeile von Ronny James Dio aus dem Song „Straight through the heart“ Und für mich ist es ein sehr schönes Bild, weil es dieses ewige Effizienz-, Leistungs- und Realismus-Paradigma unserer (Arbeits)Welt in 12 Worten dekonstruiert. Was die anderen häufig zu sehen bekommen, ist eine Person, die (zu) viel arbeitet und sich dauernd mit ernsthaften Themen befasst. Doch was hinter dieser äußeren Realität verborgen liegt – oder besser, was ich aktiv dahinter verberge – das ist mein Ding, mein Ort, mein Platz für Träume. Und doch hadert er, wie er zu seinen Träumen stehen soll? Nun, die einfache Wahrheit ist: oft fühlt sich dieser Platz für meine Träume zu klein an! Er hätte gerne mehr Raum. Doch die Realität, hinter der man sich versteckt, sie verlangt ihren Tribut für die Scharade; denn Geld regiert die Welt. Verdienst du keines (oder nicht genug) kannst du dir und deinen Lieben diese anderen, materiellen Wünsche nicht erfüllen. Und damit haben wir eine Zwickmühle, aus der es kein sicheres Entkommen gibt. Außer irgend jemand schenkt dir genug Kapital, dass du dir darum keine Sorgen mehr machen brauchst. Bedingungsloses Grundeinkommen, anybody?

Bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, zu fragen, ob ich derzeit schwermütig wäre: ja, das bin ich! Allerdings kaum schlimmer als die letzten 12 verdammten, Pandemie-geschüttelten Monate auch. Allerdings könnte ich langsam etwas Normalität vertragen, was auch immer das in Zukunft heißen wird. Vielleicht spiele ich doch mal wieder Lotto, einfach, um die gestresste Traum-Maschine in meinem Hinterkopf etwas abzulenken. Ansonsten ein schönes Wochenende…

Diskussionskultur?

Ich habe es in letzter Zeit schon ein paar Mal thematisiert, dass ich in der öffentlichen Auseinandersetzung den Punkt „Kultur“ im Begriff, der heute die Überschrift konstituiert, erheblich vermisse. Ich bin wirklich der Allerletzte, der nicht gerne mal bis zur Polemik überspitzt und andere Diskussionsteilnehmer auch mal hart verbal angeht. Das ich das im Gegenzug auch selbst erdulden muss – geschenkt. Das gehört dazu. Die Frage ist, ob man dabei an den Fakten orientiert bleibt und dem Gegenüber gleichzeitig die Chance einräumt, seinen Standpunkt zu äußern. Ein Mindestmaß an mentaler Flexibilität ist hierfür eine Grundvoraussetzung. und natürlich die Fähigkeit, abseits seiner politischen Dogmen zu denken.

Ich bin Sozialdemokrat. Ist nicht leicht dazu zu stehen, wenn man sich anschaut, was speziell die Bundes-SPD in den letzten Jahren an Mist verzapft hat, den man keinem echten Sozen als sozialdemokratische Politik verkaufen kann. Dabei sollte offen zur Diskussion und auch Disposition stehen dürfen, was Sozialdemokratie im Kern bedeuten soll. Was Olaf Scholz treibt, verdient diese Bezeichnung allerdings nicht im Ansatz. Schwamm drüber. Ich habe durchaus auch Sympathie für die eine oder andere Position der Linken. So, wie ich auch manches, was die Grünen sagen, gut finde und selbst manche tiefschwarze Ansicht findet meine Zustimmung. Wie schon vor langer Zeit gesagt – man kann eine politische Auffassung kaum mit drei Buchstaben abkürzen.

Dieser Beitrag von Jung & Naiv , in welchem Susann Hennig-Wellsow (neue Vorsitzende der Linken) ihre bemerkenswerte Unkenntnis im Bezug auf Wehrpolitik offenbart und sich dabei in typisch linkem Dogmatismus verstrickt, wurde in einem „Ich-habe-das-geteilt“-Thread Anlass einer Diskussion, in deren Verlauf ein Kommentar, welcher der Blase, die sich da hoch verächtlich und auch ad hominem äußerte nicht gefiel, kommentarlos gelöscht wurde. Wären das alles AfD-Leute, hätte es mich nicht gewundert oder gejuckt, obwohl man bei denen eher einen Shit-Storm erwarten dürfte. Da da jedoch lauter Leute unterwegs waren, die sich selbst als aufrechte Demokraten bezeichnen würden, war ich über diese freche Zensur doch mehr als nur ein bisschen betrübt. Insbesondere, da das teilweise Leute waren, die ich bislang aus unterschiedlichsten Gründen respektiert habe.

Sinngemäß hatte ich geschrieben, dass es schon zu billig und zu wohlfeil wäre, sich hier an der offenkundigen Unkenntnis von Frau Henning-Wellsow abzuarbeiten, und gefragt, was wohl schlimmer wäre: diese Unkenntnis, oder wenn doch eigene Parteifreunde sich Kraft Amtes bereichern (Nikolas Löbel), Cum-Ex-Verdächtige vertreten (Wolfgang-Kubicki) oder auf undurchsichtige Weise in eben jene Affäre verstrickt zu sein scheinen (Olaf Scholz). Ich weise an dieser Stelle noch mal drauf hin – auch die SPD kriegt ihr Fett weg! Die Grünen erwähne ich deshalb schon gar nicht mehr, weil das so unglaublich viele Menschen auf so unglaublich uncharmante Art triggert. Auf solche Schlammschlachten habe ich keine Lust mehr. Wer immer noch nicht begriffen hat, dass wir mit dem gesamtgesellschaftlichen Umbau jetzt schon ein Jahrzehnt zu spät dran sind, dem kann ich auch nicht mehr helfen.

Jedenfalls musste ich in der Folge jemanden entfreunden, den ich auch in Persona schon lange kannte (nun aber nicht mehr kennen will) , weil mir derlei Zensur weder verständlich noch tolerabel ist. Man wirft AfD-Anhängern und Verschwörungschwurblern immer gerne vor, dass die sich in ihrer Blase ja radikalisieren und dort undemokratische Meinungen und Verhaltensweisen verinnerlichen würden. Qualitativ ist das oben beschriebene Verhalten, missliebige Kommentare wortlos zu löschen genau das gleiche, denn man entzieht sich auf einfache Art und Weise einer inhaltlichen Diskussion. Das hat jedoch mit „ein aufrechter Demokrat sein“ dann nichts mehr zu tun. Natürlich nutzt man Facebook als Bestätigungs-Maschine, um das Belohnungssystem anzukurbeln. Für was anderes taugt es ja nicht. Dann sollte man aber auch so ehrlich sein und offen sagen: „deine Meinung wollen wir hier nicht!“.

Darum sage ich es der gemeinten Person jetzt im Gegenzug in aller Deutlichkeit: deine Art der „politischen Diskussion“ ist eines vermeintlich gebildeten Menschen unwürdig und deine Kritikfähigkeit unter aller Sau. Viel Spaß in der eigenen Blase…

Der verirrte Spielleiter #30 – Heist-Movie!

Ach ja, wir alle haben als Spieler manchmal so diese Idee, im Rahmen eines geheimen Raubzuges so zu glänzen, wie Danny Ocean und Rusty Ryan in Terry Benedicts Casino. Das Problem aus Spielersicht ist, dass selbst der best-gescriptete Plan aller Zeiten immer Schwächen haben wird, weil die Spieler halt Menschen sind und somit Fehler machen. Von verpatzten Dice-Rolls wollen wir hier gar nicht erst anfangen. Die Zahl der kritischen Pläne, die ich im Laufe von über 30 Jahren aus Spielersicht habe so funktionieren sehen wie gedacht, lässt sich an einer Hand abzählen. Und das liegt mitnichten daran, dass ich zu wenig gespielt hätte. Aus SL-Sicht fällt das Ergebnis nicht viel besser aus. Allerdings sind auf dieser Seite der Macht die Einflussmöglichkeiten auf das Outcome wesentlich größer.

Das Problem bei allen Heist-Movie-Szenarios ist – wenn die Spieler, bzw. ihre Chars nicht gerade vollkommen verblödete Mörder-Hobos sind – immer der/die SL. Denn die SLs bekommen ja von Anfang an mit, was die Chars planen. Und Hand auf’s Herz, wenn manche SLs feststellen, dass die Spieler gerade einen wirklich guten Plan entwickeln, der eine entsprechend hohe Aussicht auf Erfolg hat, legen sie automatisch eine Schippe drauf, weil sie es lieben, die Spieler/Chars scheitern zu sehen… Was natürlich vollkommener Humbug ist. Ich habe diesen Fehler auch schon gemacht und versuche ihn heutzutage so gut es geht zu vermeiden. Ich will es meinen Spielern mitnichten zu einfach machen. Erfolge wollen errungen sein, niemand mag es, sie geschenkt zu bekommen, weil dann das Gefühl des eigenen Vermögens eingeschränkt wird.

Wenn ich also einen coolen Heist plane und es läuft, allen Schwierigkeiten und den üblichen paar Holprigkeiten zu Trotz gut und am Schluss kommt es zu einer intensiven Klimax, weil eben immer ein paar Unwägbarkeiten übrig bleiben, dann ist das gut so. Kämpfe durch Geschick zu vermeiden, oder aber durch gute Planung die Oberhand behalten zu können, ist fein. Einen unvorhergesehenen Kampf für sich entscheiden zu können, ist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Wenn ich also als SL der Planung meiner Spieler beiwohne, dann bin ich dazu da, die Informationen rauszugeben, die ihren Chars mit deren gegebenen Möglichkeiten zugänglich sind. Wie immer werden planerische Entscheidungen dabei auf einer unvollständigen Datenbasis getroffen. Das ist auch im wahren Leben manchmal der Fall. Übersehen die Chars hierbei relevante Details (und wir reden hier über solche, die offensichtlich platziert sind!), vergessen sie die richtigen Fragen zu stellen (oder ignorieren prominente Hinweise des SL), oder stehen sie einfach auf „Rein-mit-Krawumms!“, dann bekommen sie auch ihren Krawumms – wie gut oder schlecht das dann halt ausgehen mag.

Was man als SL niemals tun sollte ist, die Prämisse des Geschehens zu ändern, wen man den Plan kennt. Habe ich das Setting vorgeplant und entsprechend beschrieben, kann ich nicht einfach das Setting ändern, sobald die Spieler mit ihren Aktionen beginnen. Die reale Welt verändert sich üblicherweise ja auch nicht einfach, um mir ein Bein zu stellen, wenn’s mir gerade gut geht (auch, wenn manche Menschen, wie zum Beispiel ich gelegentlich dazu neigen, solche Schuldzuschreibungen an das Schicksal, oder welche Entität auch immer zu formulieren). Das bedeutet, ist der Plan geeignet, die beschriebenen Klippen zu umschiffen und lässt genügend Spielraum für flexible Reaktionen auf die Dinge, über die man vorher einfach nicht hinreichende Infos beschaffen konnte, ändert sich nicht plötzlich der Schwierigkeitsgrad. Die notwendigen Fertigkeiten und Ausrüstungsgegenstände bleiben gleich, ebenso die Zahl und der Patrouillenrhythmus der Wachen, das Ziel ist nicht plötzlich weg und das ganze ein Falle. Außer, das ist von Anfang an die Prämisse des Szenarios! Das kann man dann mit den Spielern besprechen.

Da ich als SL omnipotent im Bezug auf die von mir gestaltete Spielumgebung bin, ist es meine Hauptaufgabe (eigentlich ist sie das immer) fair zu bleiben und es hinnehmen zu können, wenn die Spieler die von mir gestellten Aufgaben bezwingen. Möchte man das so sehen, ist damit „verlieren können“ die andere Hauptaufgabe des SL. Ich habe mit der Zeit rausgefunden, dass es recht lustig sein kann, auf höchst kreative Art besiegt zu werden; man lernt ja auch für das eigene Spiel was dazu. Was nun Heists angeht – nicht jeder mag das Genre. Subtiles, nuanciertes Spiel, evtl. notwendige Verführungs- und Ablenkungs-Manöver, langwierige Informationsbeschaffung durch Ausspähen und Nachforschungen, eben das Formulieren eines komplizierten Planes. All das mögen manche Spieler gar nicht, weshalb man sich eigentlich besser vorher darüber versichert, dass alle Bock auf so ein Szenario haben, sonst gibt’s am Schluss vielleicht lange Gesichter. Und wenn am Ende alle Versuche der Informationsbeschaffung ins Leere laufen, kann das ja auch ein Hinweis des SL sein; denn manchmal ist Impro King…

Meine Spieler waren in den letzten Jahren immer für alles offen. Oder sie wollten mir halt nicht sagen, wenn es Scheiße war, damit ich weiterleite. Letzten Endes wäre das schade, denn wir kommen ja zusammen (sofern das irgendwann wieder möglich ist, gerne auch in Persona), um Spaß zu haben. Also, alle, nicht wahr? Aber fragt man um Kritik, kommt halt auch oft nix. Also mach ich einstweilen mal weiter, wie bisher. Ich persönlich mag Heist-Szenarios übrigens ganz gerne. Was mir auf den Sack geht, sind die Diskussionen, wenn’s ans Planen geht. Ich bin, wie man möglicherweise schon gelegentlich rauslesen konnte, ein großer Verfechter von Plan X. Denn beim Improvisieren kann man so richtig schön freidrehen. Und das macht MIR oft den meisten Spaß. In diesem Sinne, hoffe ich, ihr nutzt das Wochenende weise – and always game on!

Neue Bürgerlichkeit?

Ich weiß, ich sollte das lassen, aber ganz ehrlich, es ist einfach zu verlockend, sich an der Dämlichkeit der ganzen Idioten, Nazis und Besser(un)wisser auf Facebook zu ergötzen. Es erspart mir Hartz-4-TV am Nachmittag und geht auch schneller. Und so bin ich über ein Interview mit Sophie Passmann vom Donnerstag gestolpert, unter dem – natürlich in Facebook – über den titelgebenden Begriff heftig diskutiert wird. Ich finde, Frau Passmann macht ein paar gute Punkte, wenn sie als „Neue Bürgerlichkeit“ diese E-Bike-fahrenden, explizit woken, öko-orientierten, absolut Ich-bezogenen (und oft auch bigotten), Social-Media-Hurenden Selbstdarsteller aus der Upper Middle Class definiert. Eigentlich hat sie dabei gerade auch die Hipster dekonstruiert, die letztlich Vorläufer dieser typischen Generation-Y-Vertreter mit Akademiker-Familien-Hintergrund waren. Letztlich reden wir über die perfekte Hassreflexionsfläche für einen langsam alt werdenden Sozen wie mich.

Macht es tatsächlich einen Unterschied für das Outcome, ob ich mein Biofleisch kaufe, damit ich per Insta jedem unter die Nase reiben kann, wie ökologisch wertvoll ich handele? Ist es nur Selbstdarstellung, wenn ich bei Wind und Wetter durch die Stadt radele, obwohl ich für’s Wochenende einen dicken Schlitten in der Garage stehen habe? Ist dieses ganze offensive Political -Correctness-Getue so schlimm, weil es den Redner in ein gutes Licht stellen soll? Ich denke eher nicht. Was mich aber stört – und da hat Frau Passmann leider Recht, wenn sie sagt, da könnte ruhig mal „so’n Sozialdemokrat vom alten Schlag daherkommen und das E-Bike umtreten“ – ist der Umstand, dass man sich diese Einstellung leisten können muss. Und ein winziges Stück weit (sorry Torsten Sträter) habe ich mich darin leider wiedererkannt. Nachdem ich endlich mit dem Kotzen aufhören konnte, musste ich sofort anfangen zu schreiben.

Ja, jeder und jede (und auch alles dazwischen) sollte tun, was möglich ist, um den Planeten ein bisschen langsamer in die Hölle zu konsumieren! Darüber werde ich nicht diskutieren. Da fällt mir doch by the way ein, dass ich heute auch noch das Tagesschau-Barometer zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gesehen habe. Das für sich betrachtet ist jetzt nicht weiter verwunderlich, haben sich die Werte in den letzten Wochen doch nur wenig geändert. Aber das jedes Mal diese ganzen Kognitionsamateure und Rechtskonservativen aus ihren Löchern gekrochen kommen, die einfach nicht verstehen wollen, dass die CDU – dieses Filzmonster zur Posten und Pöstchen-Verteilung – unser Ländle in den Abgrund geritten hat, mit einer Riege von Ministerpräsidenten, die wahlweise entweder Verbrecher, Lobbyisten, Nazis oder einfach nur unfähig waren. Und das es eine gute alte Zeit nie gegeben hat – es sei denn man ist ein ewig-gestriger Macho (oder ein Macho-höriges Weibchen), der auf Teufel komm raus mit dem Verbrenner bis vor die Gammelfleisch-Theke beim Discounter fahren muss, weil man das schon immer so gemacht hat.

Der Satz „Das haben wir schon immer so gemacht!“ bringt weltweit die meisten Menschen um (natürlich direkt gefolgt von „Halt mal mein Bier!“). Wer immer noch nicht begriffen hat, dass wir einen gesamtgesellschaftlichen Strukturwandel JETZT brauchen, dem kann ich auch nicht mehr helfen. Dass diese A*********r leider auch wahlberechtigt sind, kann ich nicht ändern. Es bedeutet nur, dass jeder halbwegs Vernünftige zur Wahl gehen MUSS, um dabei zu helfen, ein weiteres Erstarken nationalistischer Kräfte zu verhindern (und der so genannten Konservativen bitte auch – noch mal Grün-Schwarz, und ich muss über’s Auswandern nachdenken). Die AfD auf einer Regierungsbank wäre allerdings das ALLERSCHLIMMSTE, was diesem Land passieren kann. Falls es nicht aufgefallen sein sollte: ich habe hier zwei gesellschaftliche Kräfte gegenüber gestellt, die rein äußerlich unterschiedlicher kaum sein könnten. Doch im Kern sind sie beide konservativ bis reaktionär, wollen ihren jeweiligen Status Quo um jeden Preis bewahrt sehen, betrachten das jeweilige Gegenüber als Feind und sind in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich. Das die Rhetorik sich unterscheidet, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass beide Gruppen erbittert für ihre Partikularinteressen kämpfen.

Und ich – ich schaue mir diesen Zirkus an und frage mich, wann wir als Gesellschaft endgültig so weit sind, wie die USA, wo sich eben jene Gruppen – die (vordergründig) hippen, woken, kosmopolitischen Städter und die (vordergründig) reaktionär-nationalistischen Rednecks – so unversöhnlich gegenüber stehen, dass es in der Folge zu nahezu Bürgerkriegsartigen Ausschreitungen kommt? Denn momentan macht sich kaum jemand die Mühe, mit beiden Gruppen zu sprechen. Die „Neuen Bürgerlichen“ werden umgarnt und die anderen verdammt, obschon, sie doch im Kern alle reaktionäre Hammel sind, denen man mal so richtig… [setzen Sie hier die kleinbürgerliche Großmachtfantasie Ihrer Wahl ein]! Frau Passmann macht sich drüber lustig, vermutlich mit dem Hintergedanken, die „Neuen Bürgerlichen“ aufzurütteln, indem sie denen den Spiegel vorhält. Kann man machen. Täglich in den Arsch treten würde vermutlich mehr helfen, aber bitte…

Was die Rednecks angeht – mit manchen kann man tatsächlich noch reden, aber meine Geduld und meine mentale Kraft sind für’s Erste erschöpft. Also erlaube ich mir, sie alle als Nazis über einen Kamm zu scheren, zu beschimpfen und auszugrenzen. Zu mindestens 80% trifft’s dabei keinen Falschen. Zumindest auf Facebook nicht. Die leben eh alle in ihren Blasen. Fazit: unser gesellschaftlicher Diskurs wird derzeit von Technokraten, Nazis, Hipster-Nachfahren und selbsternannten konservativen Leistungsträgern dominiert, von denen KEINER den jeweils anderen zuhört und dabei auch noch glaubt, den Gral des Wissens zu besitzen. Wir sind also alle im Arsch. Wo ist mein Popcorn…?