Al mattino in piscina – Neue italienische Geschichten N°5

09:40. Der Pool ist angenehm kühl. Genau richtig, um den Tag nach einem kleinen Frühstück mit etwas Bewegung so richtig zu starten. Gegen 11:00, nach ca. 1,2 Km und kurzer Trockung in der Sonne dann zurück zum Appartamento. Könnte ich das, zumindest in der Frühlings- und Sommerzeit, in meinen alltäglichen Arbeitsrhythmus eintakten, wäre ich vermutlich erheblich ausgeglichener, als dies in den letzten 6 Monaten gelegentlich der Fall war. Ich befürchte zwar, dass ich meinen Arbeitgeber nicht für diese Form von Remote-Work begeistern könnte. Aber drei bis vier Monate im Jahr in der Toskana wohnen und arbeiten, das hätte schon was. Für’s erste werde ich mal versuchen, eine Vereinbarung über einen Tag Home-Office bzw. Remote-Work pro Woche zu erzielen. Das wird schon schwer genug.

Nicht alle Tage beginnen hier so. Manchmal machen wir ja auch Ausflüge. Gestern haben wir die Gegend um Gaiole in Chianti erkundet. Die Stadt selbst ist nicht so ein Juwel, wie etwa Siena oder San Gimignano. Es gibt aber ein paar Flecken in der Region, die sehr hübsch sind. Und, wie der Name der Stadt schon sagt – sie liegt mitten im Chianti, jener sagenumwobenen Weinbauregion, die den Hahn als Wahrzeichen hat. Also haben wir natürlich auch was zum Probieren mitgenommen (wenn man mit dem Auto unterwegs ist, sollte man sich das mit der Weinprobe gut überlegen, da versteht die Polizia Stradale keinen Spaß). Eine Station war Castello Meleto, Die Burg ist hübsch (man kann da wohl auch Zimmer mieten) und der Chianti Classico lecker…

Vertine hingegen ist eigentlich „nur“ ein Stadtteil von Gaiole. Allerdings ein, meiner Meinung nach höchst sehenswerter. Man kann hier keinen Wein verkosten, aber es gibt, wenn wir die Schilder richtig interpretiert haben, Fremdenzimmer. Aber auch eine Stippvisite lohnt sich, denn das kleine Örtchen ist wunderschön – und die Aussicht überragend.

Überhaupt ist die Gegend zwischen Castellina in Chianti und Gaiole mehr als eine Tagestour wert: Badia a Passignano, Montefioralle, Panzano, Radda, etc. Die Landschaft ist einfach wunderschön; Weinberge und Olivenhaine wechseln sich ab mit kleinen Wäldchen, es wird nie eben, und die Straßen schlängeln sich mal auf den Hügelkämmen, mal durch die Täler. Dazu gibt hinter jeder zweiten Ecke was zu sehen. Vorausgesetzt, man möchte sich die Zeit nehmen. Was mir aufgefallen ist: die Touristenaktivität ist fast wieder auf dem Niveau anderer Jahre. Da denkt man natürlich schon mal kurz an Corona. Allerdings halten sich die allermeisten auch hier an die üblichen Regeln. Deshalb bleibe ich dennoch angstfrei. Zudem wir eigentlich fast nur im Freien unterwegs sind. In diesem Sinne auch den daheim Gebliebenen schöne Tage. Wir hören uns bald wieder.

Incompresioni comprese – Neue italienische Geschichten N°4

Was man manchmal sagt: „Ich glaube, wir haben einen Zielkonflikt.“ Was verstanden wird: „Du bist blöd und kannst nix!“ Immer und immer wieder. Die beste Ehefrau von allen und ich machen da keine Ausnahme, denn – TADA – Watzlawicks drittes Axiom, auch bekannt als „Der Empfänger macht die Botschaft!“ ist immer und überall gültig. Letzten Endes muss man sich einfach damit arrangieren, dass die Dinge manchmal nicht so laufen, wie man sich das vorgestellt oder gewünscht hat. Denn auch im Uralub ist das Leben halt manchmal nur ein Ponyhof mit lauter mies gelaunten, störrischen, schnappenden Ponys – und dazu passenden Reitern. Was beim Einkaufen und in Orten mit Sehenswürdigkeiten häufig zu Hindernisparcours führt, kann im Urlaubszuhause zum Culture-Clash degenerieren, wenn unterschiedliche Vorstellungen aufeinanderprallen.

Dazu muss man folgendes Wissen: die Urlaubsgestaltung unserer Familie inkludiert eine Menge Dinge: gemeinsame Mahlzeiten, ganztäglich gelegentliche Spiele und gewisse abendliche Rituale für die Kinder, den einen oder anderen Ausflug, um sich Dinge anzusehen, viel Zeit am Pool, Lesen, Schreiben, etc. Nur eines kommt darin wochenlang nicht vor: Fernsehen. Zumindest für die Eltern. Die Kids dürfen sich Sonntags abends die Sendung mit der Maus streamen, das ist quasi Pflichtprogramm. Aber ansonsten bleibt die matte Scheibe schwarz. Das tut sie im Sommer sowieso sehr häufig. Was dazu führt, dass man auf sich selbst und seine Lieben zurückgeworfen ist. Und dann muss man sich miteinander befassen…

Es ist mitnichten so, dass wir uns nach über 27 Jahren nix mehr zu sagen hätten. Nur manchmal hat man keine Lust, den eben abgelaufenen Tag noch mal durchzukauen. Insbesondere, wenn nichts besonderes war. Gottseidank teilen wir auch schon immer ein für mich sehr wichtiges Hobby: Pen’n’Paper-Rollenspiel. JA super, da kann man doch einfach ein bisschen one-on-one zocken und die Beere ist geschält! ODer? ODER…? Habe ich rwähnt, dass Watzlawicks drittes Axiom…? Nun jedenfalls war es eine blöde Idee, Kritik zu üben und vielleicht ein bisschen zu drängeln. Ich bin halt eine ungeduldige Rampensau, wenn’s ans Zocken geht; das gebe ich offen zu. Aus der Haut komme ich allerdings auch nicht mehr raus. Und jetzt ist erst mal nix mehr mit Zocken.

Ich versuche das gelassen zu nehmen (und ich weiß, dass SIE dies hier liest). Aber irgendwie bin ich auch etwas enttäuscht; weil ich in der Geschichte eigentlich immer noch eine Menge Potential sehe. Ich hätte es halt nur schneller entwickelt. Aber wenn Kreative unterschiedliche Ansichten zu einer Geschichte vertreten, ist das legitim. Wer erinnert sich an meine Einlassungen zum Thema Buch und Film? So wie unterschiedliche Medien divergierende Erzählstrukturen fordern, sieht man u.U. verschiedene Aspekte beim Betrachten ein und des selben Stoffes, aus dem Träume gemacht werden. Ehrlich gesagt bin ich jedoch nicht Willens, Männchen zu machen; weil zu einem Streit immer zwei gehören. Zudem bin halt auch etwas alt und stur.

Also ist diesbezüglcih erst mal Funkstille. Solange das den Rest des Urlaubs nicht tangiert, soll’s mir Recht sein. Vielleicht arbeite ich dann doch an einer anderen Geschichte weiter. Auch wenn ich mir selbst ein wenig Unterhaltung als Konsument gewünscht hätte. So und jetzt ist genug gejammert auf hohem Niveau. Die TAge gibt’s mal Bilder. In dieem Sinne: Buonasera.

Risparmiare per la vechiaia? – Neue italienische Geschichten N°3

Wenn man durch die Gegend fährt, um Dinge zu besorgen (man erinnere sich, Einkaufen dauert hier etwas länger, weil man meist ein Auto dafür braucht), hat man Zeit zum Nachdenken. Ich weiß, dass viele Leute sich viel lieber dauernd die Hirnwindungen mit Musik zukleistern, während sie umherbrausen. Ich habe dieses Bedürfnis eher selten. Dafür führe ich manchmal Selbstgespräche. Ja, ja, schon gut; ich bin ein komischer Kauz. Es mag ein wenig abmildernd wirken, dass manche dieser Alleinunterhaltungen auch folgenden Inhalt haben können: „Fahr deinen Verf*****n B***koffer aus dem Weg, du versch******r W*****r!“ Wer sich an „Die Osbornes“ erinnert fühlt, hat Recht…

Alleinunterhaltung ist auch deswegen ein passender Begriff, weil’s mich tatsächlich unterhält. Es ist für mich eine Mischung aus hörbarer Introspektion und simulierten Gesprächen (nicht nur mit mir selbst, sondern Gott und der Welt, wobei Gott hier für alles Mögliche stehen darf – nur nicht für Gott. So schlimm steht es dann doch noch nicht um mich). Und weil ich mich auf dem Weg zu einem Konsumtempel befand, wanderten meine Gedanken zu den sogenannten Frugalisten, also diesen Leuten, die in ihren frühen Lebensjahrzehnten auf Teufel komm raus arbeiten und sparen, damit sie möglichst früh mit dem Arbeiten aufhören können. Klingt im ersten Moment spannend, oder?

Nun ist es so, dass die meisten Tipps der Frugalisten sich darauf beziehen, bei den drei Hauptausgaben zu sparen: nämlich a) Wohnen, b) Mobilität und c) Essen. Und schon kann ich eine Menge Leute laut lachen hören, weil die bei a) so ungefähr das gleiche denken, wie ich: wenn ich beim Wohnen sparen könnte, hätte ich das schon lange getan. Das verändert sich spätestens bei b), denn unfassbar viele Menschen halten ein Automobil immer noch für ein Statussymbol; oder kommen ohne schlicht nicht zu ihrer Arbeitsstelle. Und c)…? Nun ja, hier scheiden sich die Geister. Ich persönlich glaube ja, dass man beim Essen keine Abstriche machen müssen sollte, wenn es nicht unbedingt medizinisch notwendig ist. Aber das ist meine Meinung.

Was viele gar nicht thematisieren, ist das Thema Kinder. Und seien wir mal ehrlich: wenn ich mein Geld gerne schneller ausgeben möchte, als ich es verdienen kann, sind eigene Kinder ein exzellenter Katalysator. Von der allgemeinen Kinder- und Jugendfeindlichkeit unserer deutschen Gesellschaft (keine nennenswerten Investitionen in Bildung, Verweigerung erziehungsfreundlicher Arbeitsplätze, kein Platz für die Kids, um sich zu entfalten, UND DANN DIESE KINDERLOSEN AMATEURE; DIE GLAUBEN, SIE WÜSSTEN BESSER ALS ELTERN, WIE ERZIEHUNG FUNKTIONIERT, etc.) will ich hier gar nicht erst anfangen. Die beste Ehefrau von allen und ich haben Kinder, wir wissen also wovon wir reden, danke.

Ganz ehrlich – selbst wenn ich alleine wäre, passte dieses Modell nicht zu mir. Dazu bin ich einfach zu sehr Hedonist. Sich seine Freiräume auch neben der beruflichen Tätigkeit her zu schaffen und darauf zu achten, dass man die magischen 70% Leistung, die man recht gut dauernd abrufen kann nicht allzu oft überzieht, macht schon viel aus. Denn am Ende bleibt immer die Frage, was mir mein Frugalismus genutzt hat, wenn ich mit 42 an einem Infarkt versterbe… Ich für mein Teil bleibe also bei meinem Lebensplan: der ist einfach, denn ich habe keinen Masterplan und sorge halt einfach nur für die Eventualitäten vor. Ob’s genutzt hat, oder nicht, verrät mir am Ende das weiße Licht. In diesem Sinne, bis zur nächsten Folge.

meno è abbastanza – Neue italienische Geschichten N°2

Strandliegen-Urlaub. So sieht’s bisher aus. Abgesehen von zwei Ausflügen zum Einkaufen dreht sich unsere Welt im Moment um Pool und Prokrastination. So weit, so gut. Nun stehen die Dinge so, dass es wohl manche Menschen gibt, die damit (und dem Kampf-Strohhalmen alkoholischer Getränke aus Blecheimern) locker drei Wochen füllen können. Ist vermutlich ein evolutionär erworbenes Talent, mit weniger auskommen zu können; dass damit allerdings unbedingt weniger Futter für den Geist gemeint gewesen sein soll, will mir bis heute nicht recht einleuchten. Um der Ehrlichkeit Willen: wir saufen halt nicht aus Eimern, sondern aus Gläsern. Und ich kenne ein gutes Sangria-Rezept; auch wenn wir gerade in Italien sind.

Es gibt da so dieses oft aufgekochte Klischee vom Universitätshintergründigen Bildungsurlauber: tagsüber alte Steine, abends alte Reben. An dieser Stelle noch ein Geständnis: passiert uns manchmal auch. Diesen Urlaub brauchte es ein paar Tage, bis sich die Lust einstellte, mal was anzuschauen, aber wie die beste Ehefrau von allen kürzlich sagte – Urlaub muss auch Neues für die Sinne bieten. Im besten Falle Eindrücke, die einen zum Nachdenken, oder gar zur Kreativität anregen. Der persönliche, positive Nebeneffekt für mich ist, dass ich mich im Urlaub wesentlich mehr bewege, als zu Hause. Jeden Tag ein km im Pool, Spazieren gehen zum Knipsen, usw. Urlaub ist also gesund. Und abends sind es ja nur Gläser, keine Eimer…

Ich bemerke noch andere Prozesse an mir. Zum Beispiel eine gewisse Scheiß-drauf-Haltung beim Autofahren, die ich zurück in der bunten Republik dringend wieder ablegen muss. Man hält in Italien schon immer viel mehr von Gebrauch der Hupe anstatt dem des Fahrtrichtungsanzeigers, Abstand- oder Spurhalten sind mehr so Optionen, und in die engste Kurve passt noch ein Überholmanöver. Es hat genau vier Stunden gebraucht und ich fahre wieder, wie alle anderen hier auch – wie eine gesengte Sau. Dafür ist man kaum nachtragend, jeder macht sein Ding und der Verkehr fließt zumeist trotzdem halbwegs. Nur eine Sache werde ich wohl nie verstehen: Kolonne fahren und Reißverschlussprinzip kann auch hier keiner. Schwamm drüber. Alle anderen regen sich vermutlich genauso über die verfluchten Staus auf, wie ich.

Ich habe meine neue Kamera schon ein bisschen durch die Hügel rings um unser Appartamento getragen und bin gespannt, ob die Locations, die wir für die nächsten Tage ausgekuckt haben meinen rechten Zeigefinger auch so zum Zucken bringen. Manches kennen wir schon, manches noch nicht. Irgendwo schon mal gewesen zu sein, ist allerdings nicht unbedingt von Nachteil, denn neue Blickwinkel finde ich manchmal auch beim fünften Besuch noch. Keine Ahnung warum, und auch keine Ahnung, ob’s anderen auch so geht – aber manche Orte werden MIR einfach nie langweilig. Das widerspricht ein bisschen dem Wunsch meiner besseren 85% nach neuen Eindrücken, oder? Na ja, wir werden schon einen gesunden Mittelweg finden.

Weniger? Das einzige Weniger, dass ich bisher feststellen konnte, ist ein bemerkenswerter Mangel an negativen Stressoren. Ansonsten vermisse ich nix. Man kann auch mit etwas altmodischerer Ausstattung sehr bequem leben. Manchmal frage ich mich sogar, ob ich überhaupt so weitermachen will, wie bisher? Ob ich Karriere brauche? Ob mein Wort etwas gelten muss? Ob weniger nicht tatsächlich mehr sein könnte? Nämlich mehr Lebensqualität. Und ganz ehrlich – wenn ich nicht für eine Familie zu sorgen hätte, würde ich manche Entscheidung anders getroffen haben. Nun ist mein Leben, was es ist, und ich bin nicht der Typ, der vor Verantwortung davonläuft. Aber der Moment, da es wieder losgeht, ist genau jetzt unendlich weit weg. Das darf er – zumindest subjektiv – gerne noch länger bleiben. Buonasera…

coda sulle autostrada… – Neue italienische Geschichten N°1

Bevor irgendjemand jetzt gleich auf die unselige Idee kommt, meine Familie und mich verdammen zu wollen weil wir, Corona zum Trotze ins Ausland gereist sind – geht doch einfach mit den Zwiebeln spielen! Wir sind in der Toskana in einem Selbstversorger-Appartment auf einem Agriturismo (Wein und Oliven), den wir schon von früher kennen. Deshalb war es möglich, mit dem Gastgeber eine Übereinkunft zu treffen, die eine flexible Absage möglich gemacht hätte. Nun ist die Situation aber nach wie vor entspannt. UND ICH BRAUCHE DIESEN URLAUB SO SEHR WIE NOCH NIE IN DEN LETZTEN JAHREN! Also geht zum Jammern in den Keller. Herzukommen war anstrengend und schwierig genug, da brauch ich nicht auch noch Moralisten-Vibes. Insbesondere, wenn man den Umstand in Betracht zieht, dass wir satte 4,5h in Staus haben liegen lassen (Gotthard, Gernzübergang Chiasso, immer wieder auf der A1 von von Mailand bis Florenz) und ich deshalb erst gestern abend gegen 21:00 meine ersten 700 Meter im Pool schwimmen konnte. Immerhin – dafür gab es neben dem Pool noch Eis, Pizza, Prosecco und eine große Mütze voll Schlaf.

Ansonsten funktioniert hier alles, wie in Deutschland auch: mit Tests, Abstand und Maske. Was für Deutsche gewöhnungsbedürftig sein mag, ist für mich mittlerweile einfach ein tolles Feature: Sonntags Vormittags im COOP einkaufen gehen können; ist hier in der Urlaubszeit möglich. Allerdings geht hier alles nur mit dem Auto. Da muss man sich vorher schon genau überlegen, was man alles braucht, damit man nicht umsonst Sprit verbrennt. Dafür ist schon die Fahrt ein Erlebnis, denn unser Anwesen liegt am Ende einer ca. 2 km langen Staubstraße (im Moment wortwörtlich zu nehmen) durch die Hügel nahe Certaldo. Ich habe mich ehrlich gesagt gestern über die Staus und die Warterei tierisch aufgeregt. Die mir gegenüber getroffene Feststellung „Der Weg ist das Ziel!“ hätte gestern u. U. zu Toten geführt. Heute jedoch… ist alles eitel Sonnenschein. Und das sogar mit Gewitter am Vormittag. Die Grillen Zirpen, die Landschaft duftet auf diese besondere Art, die Sonne scheint wieder und heute Abend wird der Grill heiß und der Wein kühl sein.

Zu sich kommen (nicht im medizinischen Sinne) ist für mich, erkennen zu dürfen, dass es wenig braucht, um sich als Mensch fühlen zu dürfen. Auch wenn man dafür manchmal einen etwas längeren Weg gehen – bzw. fahren – muss. Das mag ökologisch nicht 100% einwandfrei sein, aber immerhin ist das Auto bis unters Dach beladen => hohe Effizienz. Manche Leute faseln immerzu irgendwas von Erholungsdruck im Urlaub, weil sie meinen, etwas Besonderes tun oder erleben zu müssen – und bei der Jagd nach diesem Moment übersehen, dass er sich eben schon realisiert hat. Z.B. in einem schönen Blick aus der eigenen Appartmenttür, den man schon morgens beim Frühstücken genießen kann. In der Möglichkeit, Abends, wenn alle anderen ihr Ding machen, noch mal ein paar 100 Meter im Pool schwimmen zu können. In Raubvögeln, die am Tage über der Zufahrtsstraße kreisen und scheuen Rehen, die abends am Waldrand stehen. Im Geruch der Landschaft. Es ist dieser Geruch, der für mich eine spezielle Bedeutung hat: nach Hause kommen. In diesem Sinne bin ich nun gesegnet

Die nächsten Tage werden mit dem gefüllt, was keinem besonderen Zweck dient – außer, noch mehr zu sich selbst zu kommen. Mal ein Nicht-Fachbuch lesen. Schöne Sachen anschauen und knipsen bis der Auslöser glüht. Kochen und Essen. Bloggen (sorry, aber es wird noch mehr kommen). Runterkommen. Und jeden Tag schwimmen. Alles zusamen genommen: hart prokrastinieren! In diesem Sinne sind es keinen neuen italienischen Geschichten. Obwohl, wer weiß schon, was sich in den kommenen Tagen und Wochn ereignet. Ich freue mich drauf. Mehr kann man sich doch gar nicht wünschen, oder…?

The networked mode – what about groups?

Dieser Tage saß ich abends mit der besten Ehefrau von allen bei geistigen Getränken auf dem Balkon und wir parlierten so über dies und das. Irgendwann kam das Gespräch darauf, dass es mich ein wenig amüsieren würde, dass bei einer Fortbildungsveranstaltung in der Vorstellungsrunde alle TN auf ihre beruflichen Funktionen rekurriert haben, um sich den Anderen zu präsentieren. Und das es mich grundlegend irritieren würde, dass Menschen so sehr auf dieses Distinktionsmerkmal „Beruf“ fixiert seien. Die Replik meiner Gattin war eine Frage: wodurch sollten sie sich denn sonst definieren? Und so ganz unrecht hat sie damit ja auch nicht. Denken wir das ganze mal in Gruppenprozessen, geht es neben der Distinktion der eigenen Person von Anderen ja auch um die Zugehörigkeit zu einer Peergroup. Und da wir nicht mehr in marodierenden Nomadenstämmen durch die Gegend ziehen, um dann in Clans gegeneinander Krieg um Land und Vieh zu führen, ist die eigene Berufsgruppe als Platz der Zugehörigkeit ein dankbarer Ersatz. Man muss dafür halt auch niemandem den Schädel einschlagen…

Das Problem mit Gruppenprozessen aller Art ist, dass sie in der Folge nicht selten dazu verführen, um der Zugehörigkeit in der eigenen Peergroup Willen Dinge zu tun, die nicht ganz so schön sind. Eine auch heute noch beeindruckende Beschreibung solcher Prozesse lieferte Norbert Elisas in seinem (mittlerweile wohl als Klassiker der Sozialwissenschaften betrachteten) Buch „Etablierte und Außenseiter“ von 1965. Merkmale der eigenen Gruppe werden dabei als positiv stilisiert, Merkmale anderer Gruppen hingegen abgewertet, um einerseits den subjektiven Wert der eigenen Gruppe zu erhöhen und andererseits durch den daraus entstehenden Konformitätsdruck („Willst du drin sein, oder draußen?“) den Zusammenhalt zu steigern. Eine Gruppe wird so zu einem selbsterhaltenden sozialen System (Autopoiese), dass allerdings – sofern der oben beschriebene Mechanismus wirksam wird – die Betonung des Andersseins gegenüber anderen Gruppen für die eigene Kohäsion benötigt. In der Folge kann es z. B. zur Stigmatisierung der Mitglieder anderer Gruppen kommen. Insbesondere, wenn die Gruppe, von welcher diese Art von Aggression ausgeht, die Mehrzahl der Menschen in einem Bereich stellt.

Doch, was hat das nun wieder mit Netzwerken zu tun? Betrachten wir zunächst die Beziehungen innerhalb einer solchen Peergroup, weicht die Punktualisierung als zufällig emergierende soziale Verbindung mit u. U. unabsehbaren Auswirkungen und ungewisser Zukunft einer Ritualisierung, ja beinahe Formalisierung der Beziehungen – und in der Folge auch der genutzten Kommuniaktionsformen (Bro-Fist, Special Handshakes, Running Gags und Insider Gags, etc.). Ein weiterer möglicher Aspekt ist die Entstehung einer – vielleicht formellen, oft aber eher informellen – Rangordnung innerhalb der Gruppe. In der Folge kann es wiederum zu Machgefällen kommen, welche dazu führen, dass eine (Subjektive) „Elite“ innerhalb der Gruppe Macht über die anderen Mitglieder erlangen und schließlich Herrschaft über diese ausüben könnte. Nun kann man Herrschaft über andere Menschen allerdings üblicherweise nur dann ausüben, wenn die Beherrschten die Beherrschung selbst legitimieren. Da innerhalb einer Peergroup jedoch Konformitätsdruck herrscht, kann eine hinreichend gute Begründung (z.B. durch gemeinsame Feindbilder) für die eigenen Ziele so viel Zustimmung einwerben, dass der eben beschriebene Prozess in Gang kommt. Ein prominentes Beispiel ist die Vereinnahmung der AfD durch Nazis.

Gegenüber anderen Gruppen verändert sich dadurch natürlich das Auftreten. An die Stelle der (natürlichen) Suche nach Konsens mit anderen Gruppen durch öffentlichen Diskurs tritt die öffentliche Verneinung der Legitimation anderer Standpunkte ohne inhaltliche Diskussion; der eigene Standpunkt wird als „letzte Wahrheit“ verabsolutiert und alles andere als schädlich verworfen (=> Grünen-Bashing). Was Stigmatisierung mit anderen Menschen macht, kann man exzellent an der Diskussion um Intergration in unserem Lande sehen. Es wird immer wieder dieser widerliche Begriff „Leitkultur“ verwendet, bei dem nicht wenige Menschen so ein bestimmtes Bild im Hinterkopf haben: lauter weiße Menschen, Bierzelt, Schützenfest, Spanferkel „Mei, is des deitsch!“. Alternativ darf man natürlich die Reihenhaus-Vorstadt-Siedlung mit akkurat gestutzem Rasen und deutschem Markenfabrikat in der Auffahrt nicht vergessen. Was nicht in dieses Bild einer Mehrheits-Kultur passt, wird verachtet und demgemäß gedisst. Dass Kultur ein Prozess ist – nun ich habe es schon tausend Mal gesagt, und werde das gewiss noch tausend Mal tun – bedeutet jedoch, dass diese Bilder von der „guten alten Zeit“ eine Illusion sind. Ein Schritt von vielen in der Entwicklung unseres Landes…

ACHTUNG: Gruppenprozesse sind mitnichten immer böse! Dass sieht man am kameradschaftlich-altruistischen Handeln vieler, vieler Menschen in den von der Flutkatastophe betroffenen Gebieten. Aber die beschriebenen Mechanismen können eben genauso wirksam werden – und sie tun dies jedesmal, wenn jemand Facebook aufruft, weil der Algorithmus dies begünstigt. Da kann man noch so viele Anti-Hate-Crime-Gesetze auf den Weg bringen. So lange asoziale Medien nicht anders strukturiert werden (und damit unrentabel für die Betreiber werden, weil der Algorithmus Werbeeinnahmen generiert), bleiben sie asozial. Das ist nur ein Netzwerk-Aspekt, aber damit wollen wir’s mal gut sein lassen. Peace

  • Elias, N.; Scotson, J. 2002: Etablierte und Außenseiter. Frankfurt/Main: Suhrkamp.

Der verwirrte Spielleiter N°34 – (be)schreiben…?

Das es beim Pen’n’Paper nicht ohne das verbale Heraufbeschwören von Bildern in den Köpfen meiner Spieler*innen geht – ich also schlicht gezwungen bin, all die Orte, Personen, Dinge zu beschreiben, mit denen die Chars in Kontakt kommen – kann man getrost als Fakt stehen lassen. Schließlich muss die Geschichte ja irgendwie ans Laufen kommen. Die großen Probleme dabei sind variierende Vorstellungskraft, nicht kommunizierte, bzw. unreflektierte Prämissen und die Macht des Konstruktivismus. Ganz gleich, was ich als Bild in meinem Kopf habe – da ich nicht gut zeichnen kann, und mich deswegen durchaus häufiger eines Bildes aus dem Internet als Krücke bedienen muss, sind die Vorstellungen in den Köpfen meiner Spieler*innen zwangsläufig häufig nicht identisch mit denen in meinem Kopf. Wenn’s dabei um die Farbe der Blumen geht, den Schnitt eines Kleidungsstückes oder die Form der Pflastersteine, ist das meist kein Ding. Betrifft diese Divergenz jedoch Plot-Devices, wichtige Figuren, die räumliche oder zeitliche Beschaffenheit einer kritischen Szene / eines Ortes, sind die Ergebnisse oft… überraschend… 😉

Es gibt Ratgeber im Internet, wie man Rollenspiel-Szenen beschreiben soll und die meisten pendeln zwischen minimalistisch, dogmatisch-penibel, plüschig-gewaltig oder scheiß-drauf. Hilft keinem, und ist oft noch nicht mal amüsant zu lesen. Daher dachte ich mir, ich versuche mal, ein paar Hilfen zu geben, die weder Anspruch auf Vollständigkeit erheben, noch einen erhobenen Zeigefinger beinhalten sollen:

  • Was ist ein Primer? Spieler suchen oft bewusst nach jenen salienten Reizen, welche ihren Chars auffallen würden. Bereits indem ich etwas einfach nur beschreibe, kann ich dem Subjekt meiner Beschreibung Relevanz verschaffen. Das geht oft nach hinten los, wenn die Spieler dann in meiner Beschreibung nach etwas suchen, was nicht da ist – wie z. B. ein Plothook, ein Schatz, oder sonst irgendwas cooles. Denn nicht jede Szene ist kritisch!
  • Die Aufmerksamkeit lenken? Dogmatiker würden das bereits als Railroading bezeichnen. Doch tatsächlich nutzt fast jede Geschichte ein gewisses Maß an Nudging. Etwa, um uns von heraufziehenden Plot-Twists abzulenken, damit die Spannung erhalten bleibt (Roter Hering ahoi!). Hier gilt, wie Paracelsus schon sagte: „Die Dosis, macht, dass ein Ding kein Gift ist!“ Zusammengenommen mit der ersten Frage haben wir bereits stabile Hinweise, wie ich meine Spieler bei der Stange halten kann, ohne sie tatsächlich „einspuren“ zu müssen, und trotzdem eine konsistente Vorstellung zu erzeugen vermag.
  • Blumige Sprache, oder Subjekt – Prädikat – Objekt? Wenn ich mich langweilen will, kaufe ich generische Fantasy-Literatur… Ernsthaft, das hängt von drei Faktoren ab: A) dem Genre! Ein aufrechter D&D-Palladin kommuniziert (hoffentlich) anders, als ein Cyberpunk von fragürdiger Reputation. B) dem Pacing der jeweiligen Szene! Spielen wir Downtime aus, darf’s gerne auch mal etwas etwas barocker sein. Geht jedoch gerade die Post ab, sollte man auf unnötigen Schischi verzichten. Das gleiche gilt übrigens auch für die Kommunikation mit NSCs. Oder sprechen die bei euch alle gleich? [Obacht: Schischi kann auch ein Plot-Device sein!] C) den Wünschen eurer Spieler*innen! Mit ein bisschen Übung wissen sie schon, was sie wollen; und sie werden es euch auch mitteilen. Falls nicht – fragt verdammt noch mal nach!
  • Prämissen abgeglichen? Manchmal gibt es unausgesprochene Annahmen bezüglich der Spielwelt und der Art, wie diese funktioniert, die man mal kurz abgleichen sollte. Denn unterschiedliche Ideen vom Look und Feel, den Auswirkungen des Metaplots und der Core-Story oder bezüglich der NSCs müssen ausdiskutiert werden; andernfalls könnte die eine oder andere Szene in die Binsen gehen.
  • Und was ist jetzt mit Vorstellungskraft? Verlangt bitte nicht zu viel! Manche Menschen denken einfach visueller als andere. Wenn die Bilder im Kopf mancher Spieler*innen einfach nicht so bunt sind, wie die in eurem eigenen, trägt daran niemand schuld; sondern das ist halt einfach so! Es sollte allerdings nicht daran hindern…
  • …eure Spieler ihre eigenen Aktionen auch beschreiben zu lassen! Sowohl im Kampf, als auch in der sozialen Interaktion lasse ich meine Spieler*innen nur sehr selten mit einem stumpfen Würfelwurf davon kommen! Die Beschreibung hat u. U. direkte Auswirkungen auf Boni/Mali auf Würfe; und kann einen Wurf manchmal sogar komplett ersetzen.

Pen’n’Paper sollte ein höchst kommunikatives Hobby sein. Und ich möchte jeder/ jedem SL davon abraten, sich von irgend jemandem erklären zu lassen, wie genau es an seinem oder ihrem Spieltisch zuzugehen hätte. Wenn etwa euer Stil barock-blumig gewachsen ist, sind Ratschläge wie „In der Kürze liegt die Würze“ für euer Setting für die Tonne. Das bedeutet nicht, dass man niht mal was anderes ausprobieren kann. Es gibt allerdings eine Sache, die ich euch noch ans Herz legen möchte: dichtet euren Chars in euren Beschreibungen nicht irgendwas an. Das würde die Player-Agency einschränken – und darum macht man DAS tatsächlich nicht! Beschreibt genug, so dass Spieler*innen sich überlegen können, wie ihre Chars auf eine bestimmte Situation reagieren (auch emotional!); dann passiert die Magie ganz von allein. In diesem Sinne – always game on!

Eine wahre Katastrophe!

Das tatsächliche Ausmaß des Schreckens und des Leids, welche den Menschen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen widerfahren sind, wird erst nach und nach sichtbar, aber bereits jetzt lässt sich sagen, dass man sowas in der Qualität sehr lange nicht mehr gesehen hat. Und ich möchte den Betroffenen von ganzem Herzen Kraft und Zuversicht wünschen – und dass unsere Politik nicht, wie sonst auch, nur in Gumnmistiefeln umherwatschelt und große Reden schwingt. Was die Helfer der BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) und des Militärs leisten, verdient unseren höchsten Respekt und tiefempfundenen Dank! Als Mitarbeiter im Rettungsdienst und Dozent in der Ausbildung von Rettungsfachpersonal weiß ich in etwa, was dort gerade abläuft. Einerseits bin ich schon traurig, nicht selbst mit anpacken zu können. Andererseits gibt es abseits der Katastrophe ein normales Leben mit Aufgaben, die erledigt werden müssen…

Es ist ein mentaler Balance-Akt, denn der altruistische Teil meiner Seele möchte hinfahren und mit anpacken. Der rational-ökonomische Teil meiner Seele und der erfahrene Ausbilder in mir sagen: Lass es, der Einsatz ist so schon viel zu kompliziert zu koordinieren! Wenn jetzt auch noch irgendwelche Honks mit ’ner Schaufel im Gepäck angefahren kommen, wird das Chaos nur noch schlimmer. Also sitze ich daheim und vernehme mit Schrecken diese Zahlen, die das tatsächliche Ausmaß der Geschehnisse nicht mal ansatzweise abbilden können. Alle vor Ort geben ihr Bestes, um zu helfen. Aber der Leitstellendisponent mit 15 Jahren Erfahrung in mir sagt, dass es kein Wunder ist, wenn eine Einheit unverrichteter Dinge wieder abziehen muss, weil diese Lage viel zu unübersichtlich ist, um sie schnell in den Griff zu bekommen. Und vor so eine Lage zu kommen (d. h., Überblick haben, Abläufe strukturieren und Ressourcen effizient einsetzen können) wie wir in der Führungslehre sagen dauert, wenn ich mir die schiere Größe der Fläche anschaue, mindestens eine Woche!

Damit komme ich zu dem Punkt, der mir abseits des zum Ausdruck bringens meiner Erschütterung und meines Mitgefühls wirklich wichtig ist: nämlich all diesen aus der Ferne agierenden kognitionsallergischen Hohlköpfen, Spackos, Vollidioten und Möchtegern-Besserwissern mal aus vollem Herzen zuzurufen: HALTET DIE FRESSE! Da gibt’s Menschen, die doch tatsächlich Bilder von durch das Unheil pflügenden Bundeswehr-Fahrzeugen für Ihre (Anti-Grüne) politische Agenda zu nutzen versuchen. Da ist mir der Kragen geplatzt und ich musste in Facebook Folgendes schreiben:

„Herrgott, ihr dämlichen Grünen-Basher habt den Knall wirklich nicht gehört. Schon wieder ein Strohmann-Argument, weil Ihr dauernd glaubt, irgendjemand nimmt euch was weg – immer nur ICH ICH ICH. Ihr hört euch alle an wie verschissene 4-Jährige, die im Sandkasten um’s Schäufelchen streiten. Ihr glaubt radikaler Klimaschutz sei unnötig? Die große Mehrzahl der Wissenschaftler sei dümmer als Ihr? Könnt ihr ne Klimakarte überhaupt richtig rum halten, Daten sammeln und interpretieren? Oder habt ihr einfach nur keine Ahnung, ein großes Ego und ne noch größere Klappe? Is mir auch egal, ich kann euch Kognitionsallergiker nicht mehr ertragen.“

Ich weiß, ich weiß, man soll nicht mit der Amygdala sprechen. Aber manchmal kann ich nicht aus meiner Haut. Die Honks, die irgendwo auf Facebook darüber schwadroniert haben, dass es ja nicht sein kann, dass man so einen Einsatz mit Steuergeldern bezahlt, wil ich mal sehen, wenn sich hinter ihrem Haus der Berg in Bewegung setzt. Und warum die Lage noch nicht beherrscht wird und manches daher für Laien und Unbeteiligte unkoordiniert aussehen mag, erkläre ich gerne bei anderer Gelegenheit im Lehrsaal. Dazu braucht man aber Sitzfleisch und den Willen etwas zu lernen. Zwei Dinge, die ich bei vielen, vielen Kommentatoren in den Antisozialen Medien bitter vermissen muss. Aber hey – Hauptsache ihr konntet mal einen raushauen, oder? Lassen wir die Kolleginnen und Kollegen vor Ort ihren Job nach bestem Vermögen tun, und hoffen wir auf ein paar gute Nachrichten! Mehr sollten, jene, die nicht direkt betroffen, oder als Einsatzkräfte involviert sind sind, einfach bleiben lassen. Mögen die Opfer in Frieden ruhen und die Hinterbliebenen alle Hilfe erhalten, die sie nun brauchen – Frieden.

Ein freier Tag…

Müßiggang. Eines dieser Hassthemen für so unendlich viele Leute. Weil sie alle immer noch glauben, dass es sowas wie ein Endziel gäbe; und dass mehr Leistung sie schneller dorthin brächte. Doch hinter jedem erreichten Ziel, hinter jeder Mauer, die ich so mühevoll überwunden habe, lauern doch nur immer weitere Wege – und mehr Mauern, die es zu überwinden gilt. Einer der unschönen Aspekte am Erwachsenwerden ist, erkennen zu müssen, dass dieser, auf den ersten Blick saublöde, Glückskeksspruch „Der Weg ist das Ziel!“ die einzige Art beschreibt, das Leben wahrnehmen zu können, ohne daran zu verzweifeln, dass jedes Ziel bestenfalls ein Wegpunkt ist. Ich hatte gerade vorhin eine längere Unterhaltung mit meiner 12-jährigen Tochter. Und für sie ist diese langsam heraufdämmernde Erkenntnis ein echter Dämpfer. Weil man Kinder erst langsam an den Dauerlauf namens „LEBEN“ heran führen muss.

Hier lauert eine derbe Ambivalenz. Denn einerseits müssen wir unsere Kinder natürlich daran gewöhnen, immer weiter zu gehen (wir müssen uns selbst ja auch immer wieder daran erinnern). Insbesondere dann, wenn’s gerade mal nicht so läuft, und es viel schöner wäre, die Tür zur Welt zuzumachen, um sich mit irgendwas schönem von seinen Problemen abzulenken. Im Hier und Jetzt gibt es dafür zu allem Überfluss (leider) auch noch unfassbare viele Möglichkeiten und Hilfsmittel. Andererseits mussten wir alle irgendwann lernen, dass es Phasen der Ruhe, der Erholung, des Müßigganges braucht, um diesen Dauerlauf besser durchhalten zu können. Und wenn wir ehrlich sind: eigentlich müssten diese Phasen ab einem bestimmten Alter jedes Jahr länger werden. Ich könnte mir z. B. sehr gut vorstellen, neben den üblichen, tariflich vereinbarten Urlaubstagen für jedes weitere Lebensjahr ab, sagen wir mal 45, einen zusätzlichen Urlaubstag pro Jahr dazuzubekommen.

Auf diesem schmalen Grat zwischen notwendiger Bewegung und (ebenso notwendiger) Prokrastination sind Unfälle aller Art natürlich vorprogrammiert. Insbesondere von Anderen verursachte, weil wir Deutschen daran gewöhnt wurden, einander die Butter auf dem Brot zu missgönnen! Wenn jemand etwa öffentlich schreibt, er/sie arbeite pro Woche jetzt nur noch 32h und käme damit super klar, weil trotzdem nichts liegen bliebe, dauert es zumeist geschätzte 17 Mikrosekunden, bis irgendein selbsternannter „Leistungsträger“ das entweder

  • a) als Lüge bezeichnet!
  • b) unterstellt, dass die Person dann vorher überbezahlt war!
  • c) dieses Modell ja eh nur für ganz wenige Branchen funktionieren kann, weil wer wischt denn Omi im Heim sonst den Hintern ab?
  • d) man keine Lust habe, die Faulheit anderer mitzufinanzieren (wo genau die Transferstöme gesehen werden, bleibt dabei zumeist im Dunkeln)
  • e) wir dann auch gleich den Sozialismus ausrufen könnten

Diese Liste ist natürlich weder vollständig, noch ist es überhaupt wichtig, sie weiter zu ergänzen. Die meisten Leute, die so kommentieren, haben entweder nicht verstanden, dass die vierte industrielle Revolution immer schneller dazu führt, dass in vielen Branchen und Sektoren Arbeit wegfällt – und dass es sinnvoll sein könnte, speziell den Bereich Care-Work auskömmlicher und attraktiver zu gestalten, weil es ansonsten in vielen Institutionen des Gesundheitswesens für deren Klienten tatsächlich alsbald zappenduster werden wird. Anzuerkennen, das jedwede Form von Arbeit prinzipiell gleichwertig ist, und wir nur auf Grund der strukturellen Verfasstheit unserer Gesellschaft unterschiedlich bewertete Preisschilder draufkleben, wird aber vermutlich für eben jene „Leistungsträger“ noch ein paar Äonen in Anspruch nehmen. Narzistische Egos schrumpfen nämlich nicht so schnell...

Ich habe meinen freien Tag, den ich mir genommen habe, weil ich mehr als genug Stunden auf meinem Arbeitszeitkonto habe, und heute überdies keine wichtigen Termine auf der Agenda standen, mal wieder gänzlich anders verbracht, als gedacht. Denn in meinen Träumen sitze ich mit einem guten Buch in der Sonne, nachdem ich ein Weile spazieren gegangen bin. In der Realität mache ich mir mal wieder öffentlich Gedanken über irgendsoein soziales Thema, nachdem ich eingekauft und Essen für meine Lieben gekocht habe. Und morgen ruft sie wieder unerbittlich – die Arbeit! Ein freier Tag extra dann und wann vermag nicht zu ändern, dass ich im Moment immer noch erschöpft durch den Sirup meiner Probleme wate – aber er bietet mir die Chance zum Innehalten und gleichzeitig ahnungslos in das Hineinleben, was auch immer gerade geschehen wollen mag. Ein Futzel frische Freiheit. Genau das wünsche ich euch allen da draußen auch. Bis die Tage.

Zwischenruf N°8 – Robuster Diskurs

Um es kurz zu machen: allenthalben kommen die Apologeten der Reinheit des Kanzlerwahlvereins – a.k.a. CDU – aus ihren Löchern gekrochen und beginnen ihr hysterisch-beleidigtes Gekreische: „Wir werden alle untergehen, wenn der Baerbock nicht sofort geschossen wird!“. „Nur wir können das WAHRE Deutschland vertreten!“. „Lieber tot als rot!“. „…mit den Blauen koalieren wir nur, wenn es gar nicht anders geht, an die Macht zu kommen…“ Ups. Sorry, das letzte haben sie ja (noch) gar nicht gesagt. Aber wenn der Kanzlerkandidat seinen nordrheinwestfälischen Staatskanzleichef Nathanael Liminski mitnimmt, haben wir einen astreinen Erzkatholiken mit Opus Dei-Verbindung in Berlin sitzen. Nimmt man dann noch (F)Laschets Unfähigkeit hinzu, sich vom unerträglichen Rechtsaußen Maaßen endlich richtig zu distanzieren, sehe ich hier eine Blaue Stunde heraufziehen, die sich gewaschen hat. Wo kriegt man nur all das Fressen her, dass ich gerade im Strahl kotzen möchte?

Klipp und Klar: Vertreter aller Parteien haben zu verschiedenen Zeitpunkten bei allen möglichen Gelegenheiten ihre Schäfchen ins Trockene gebracht, Seilschaften gebildet, unredlich gehandelt, das Wahlvolk nach Strich und Faden beschissen, und so weiter und so fort. Aber wenn unsere beste Antwort als Gesellschaft darauf lediglich ein müdes „…weiter so…“ für den größten Haufen Flaschen, Betrüger und Luftpumpen ist (JA, ICH MEINE DIE VERDAMMTE CDU, DIE VERDAMMT NOCHMAL ENDLICH DAS C DURCH EIN B ERSETZEN SOLLTE!), dann haben wir es nicht besser verdient, als bald wieder von stramm marschierendem Faschistenpack gepiesackt zu werden, während unweit von Köln kurze Zeit später neue Grundstücke mit Meerblick erschlossen werden können. Wenigstens müssen wir unsere Orangen dann nicht mehr aus Italien importieren, sondern können sie in der oberrheinischen Tiefebene selber züchten…

Aber Hauptsache, ICH kann auf Facebook die Grünen bashen, weil ICH Angst habe, dass ICH nach der „Machtübernahme“ dann nicht mehr mit MEINEM SUV durch die Stadt cruisend Radfahrer anpöbeln kann, welche die Frechheit besitzen, MEINE freie Fahrt als freier Bürger aufzuhalten. Und dann auch noch diese Parkgebühren, für Plätze, auf denen MEINE Scherbe von den Ausmaßen eines M2 Bradley gar keinen Platz findet. Empörend ist das, Menschen mehr Raum geben zu wollen, wenn ICH den doch für MEIN überteuertes, überschweres, übergroßes, übergefährliches Blech brauche. JA, MEINE wahre Freiheit kann es nur in einem extra-autofreundlichen Deutschland geben. Und weil es keine anderen Götter neben MEINEM Blech geben kann, sollen die Baumkuschler verdammt noch mal verschwinden – JAWOLL! Und überhaupt, MEINEN Lebensstandard für das Wohl kommender Generationen – was ist das überhaupt für ein bekackter Begriff, ICH lebe JETZT – auch nur ein Futzel zu senken, kommt ja überhaupt nicht in Frage. IHR nehmt MIR nichts weg, verstanden linksgrünversifftes Pack! [Für alle, die zu blöd sind, semantisch zu denken: das war IRONIE!]

Jeden Tag, an dem ich solchen Menschen ihre eigenen Denke präsentiere, muss ich mir diesen Schwachsinn anhören. Hey Leute, ich gehöre zur Generation X (klares Feindbild der FfF-Aktivisten, weil ich’s verkackt habe), und habe trotzdem verstanden, dass wir vom Gas runtermüssen, dass wir Ressourcen schonen müssen, dass wir uns zurücknehmen müssen, dass wir auf Bio, Öko, nachhaltig umstellen und weniger verbrauchen müssen. Und das die einzige Partei, die auch nur halbwegs in die richtige Richtung geht (und sich dennoch dem demokratischen Kleinklein des Kompromisses wird beugen müssen), sind halt die Grünen. Schmeckt mir auch nicht in allen Punkten. Aber weiter so ist keine Option! Gelber Marktliberalismus ist keine Option. Rotes „Wir wollen über alles mögliche reden, nur nicht über Ökologie“ ist keine Option. Und endloses, weltfremdes, dogmatisches Marxisten-Geschwafel ist auch keine Option! Und BLAU – HERRGOTT BLAU IST WEDER EINE OPTION, NOCH EINE ALTERNATIVE, SONDERN NUR FASCHISTENMÜLL! Ich bin gespannt, wie schlimm es wird, denn leider denken die allermeisten Menschen, dass grüne Politiker Ihnen etwas wegnehmen wollen. Wenn Sie sich für weiter so entscheiden, wird die Welt evtl. Ihnen, spätestens aber ihren Kindern und Kindeskindern noch viel, viel mehr wegnehmen. Wegen diesem verschissenen Egoismus, der heute als Maß aller Dinge gilt. Denkt mal drüber nach, Leute…