Blank paper calling…!

Gestern war Game-Session. Wir haben versucht einen Faden aufzunehmen, der seit fast einem Jahr ruhen musste, weil … Dinge … dazwischen gekommen sind. Gemessen an der Funktionstüchtigkeit normaler Menschengehirne, welche meine Spieler durch ihre eigenen Session-Notizen zu pimpen mittlerweile gelernt haben, lief es ganz gut. Ich selbst mag es zwar gar nicht so sehr, alte Geschichten noch mal aufwärmen zu müssen, weil ich immerzu neue im Kopf habe, die raus wollen. Aber in diesem Fall handelte es sich um einen Story-Arc im Kontext einer längeren Kampagne, die noch nicht ganz abgefrühstückt ist. Also muss das Ding fertig werden! Und nach dieser Teilgeschichte wird mir diese Kampagne auch wieder Raum für Anderes bieten. Was bedeutet, wieder kreativ werden zu KÖNNEN. Okay, auch kreativ werden zu MÜSSEN, aber das ist für mich eher selten ein unangenehmer Zwang. Was ich allerdings an mir bemerkt habe, ist diese Tendenz, viel mehr Tagsüber zu erledigen, als früher – obwohl ich merke, dass das überhaupt nicht meine Zeit ist. Doch das Familien- und Berufsleben formulieren Anforderungen, die sich meist ab ca. 06:00 – 06:30 in der Frühe abspielen – UND ICH HASSE DAS! Ich will wieder mehr in den dunklen Stunden an meinen Ideen arbeiten dürfen. Ich verstehe, dass es Arbeitszeitgesetze und Tarifverträge gibt, aber das ist mir wumpe. Wenn ich morgens an meinem Desk sitze, merke ich, dass sich meine Gedanken träge wie kalte Melasse durch das weite Feld des zu Denkenden wälzen. Und ich könnte schreiend davonlaufen; wenn ich nicht so verf***t müde wäre…

Ich las, dass der präfrontale Cortex, der für unsere Handlungsplanung sowie Emotions- und Impulskontrolle unter Tage verantwortlich ist, nachts seine Funktion zurückfährt, weil er auch mal Ruhe braucht. Das macht uns nachts impulsiver, risikobereiter, aber – zumindest sofern wir dies auch unter Tage sind – ebenso deutlich kreativer. Und wenn ich so darauf zurückblicke, dann sind nicht unwesentliche Teile meines Schreiboutputs früher des Nachts entstanden, zumeist irgendwann zwischen 23:00 – 02:00. Das muss dann diesbezüglich wohl meine Peak-Performance-Time zu sein; oder zumindest war sie das früher. Denn heutzutage erreiche ich so gut wie nie diesen Zustand zu dem Zeitpunkt, weil ich viel zu oft vorher schon erschöpft in die Federn sinke; wie soll’s auch anders sein, wenn man halt um 06:00 aufstehen muss. Auch die kurzen Phasen meines WAHREN Biorhythmus, die ich am Wochenende erleben darf, bringen da wenig Relief, lebe ich doch mit anderen Menschen zusammen. Da kannste halt auch nicht einfach machen, wie de willst! Zugegebenermaßen klingt das jetzt wohl nach einem Gejammer, dass die Vorteile (und Notwendigkeiten) sozialer Bindungen ausblendet. Aber mal ganz ehrlich: manchmal, wenigstens für einen kurzen Zeitraum müssen einem doch andere Menschen und deren Bedürnisse auch mal scheißegal sein dürfen, wenn man seine eigenen ansonsten so sehr vernachlässigen muss, dass ein Teil von einem stirbt? Ich habe schon so manchen Teil meiner Seele auf dem langen Weg bis hierher verloren. Meine kreatives Kind möchte ich gerne behalten dürfen.

Ich befürchte, dass ich eine von diesen gelegentlich beschriebenen „Eulen“ bin, die in einer Welt leben müssen, deren Maßstäbe von den „Lerchen“ diktiert werden. Und wenn ich irgendwann doch noch vollkommen durchknallen sollte, dann liegt es daran, dass ich nicht mehr damit klarkomme, mich unnötigerweise zu einem vorgegebenen Zeitpunkt X an meinen Desk oder in meinen Lehrsaal schleppen zu müssen, um dort mit weit weniger als Peak-Performance ein Programm abzuspulen, auf welches ich zu eben jenem Zeitpunkt X soviel Lust habe, wie Schweine zum Fliegen. Und, wann habt ihr das letzte Mal ein Schwein mit Flügeln gesehen? Eben…! „Das sind doch nur Luxusprobleme!“ höre ich gerade irgendjemand im Auditotium unreflektierterweise von sich geben. NEIN, SIND ES NICHT! Nehmen wir mal kurz an, Menschen dürften – wenigstens in der Mehrzahl – ihre Peak-Performance-Times so nutzen, wie sie halt individuell fallen; könnte es nicht sein, dass wir manches gesellschaftliche Problem dann gar nicht hätten (z.B. unfassbare viele Konflikte zwischen Lehrern und Schülern, zwischen Chefs und Angestellten, zwischen Eheleuten, usw.) und andere im Nu lösen könnten; einfach, weil das kreative Potential der Menschheit insgesamt um ein Vielfaches gesteigert würde? Aber DAS ist eine unfassbar bedrohliche Vorstellung für die ganzen Angstzentrzums-gesteuerten möchtegern Menschen-normierenden „Eliten-Vertreter“ da draußen, die einfach nur dumme Drohnen haben wollen, die für sie (noch mehr) Geld verdienen, die Fresse halten und keine Fragen oder Forderungen stellen. Und von diesem Typus des selbsternannten „Leistungsträgers“ gibt’s LEIDER da draußen immer noch mehr als genug Vertreter.

Ich mag meine Arbeit wirklich, weil ich mit einem tollen Team arbeiten darf, weil ich gewisse gestalterische Freiheiten habe (die allerdings immer wieder neu verteidigt werden müssen), und weil ich verschiedenste Menschen beim Wachsen unterstützen darf; dass das Gehalt stimmt, ist ein schöner Zusatznutzen, den ich auch sehr zu schätzen weiß. Aber die normativen Vorgaben von Menschen, die einfach nicht verstehen können, was ich tatsächlich mache, was mich dabei antreibt, was ich nicht zulassen kann und werde, sowie die Arbeitszeiten TÖTEN IMMER WIEDER MEINE KREATIVITÄT. Aber diese Kreativität ist es, die mich als Wesen definiert! Also tötet das zumindest ein Stück meiner Seele. Und das kann ich nicht zulassen! It’s as simple as that: kill or be killed! Je länger ich also darüber nachdenke, desto häufiger finde ich mich an diesem Punkt wieder, an welchem ich meine persönlichen Freiräume neu definieren muss, um wenigstens einen Ausgleich für das zu haben, was mich irgendwie krank macht, aber halt die Brötchen verdient. Ein Teil davon sind die Game-Sessions; Gottseidank macht das Spielleiten wieder Spaß! Ein anderer Teil davon ist, dass ich Arbeitszeiten so shiften muss, dass sie MEINEN Bedürfnissen entsprechen, wann und wie immer es möglich ist. Alles andere wird auf lange Sicht nicht funktionieren. Aber ich bin jetzt bereit, die dafür nötigen Aushandlungsprozesse auf mich zu nehmen, auch wenn das bedeutet, dass man mich evtl. als weniger belastbar wahrnimmt. Vielleicht bin ich das? Vielleicht bin ich aber auch einfach nur noch bereit, genau das zu geben, wofür ich tatsächlich bezahlt werde…? Wir werden sehen, was daraus erwächst. Einstweilen ist noch ein halber Sonntag da und der Grill ruft… Wir hören uns.

Auch als Podcast…

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