Nun hatte mich auch ein Infekt niedergestreckt! Immerhin, das hat mich gezwungen, zu Hause zu bleiben, viel zu schlafen (ist ja auch noch Winter, nicht wahr), in aller Ruhe mal ein Buch zu lesen und gelegentlich zu schreiben, wenn mir danach war, das Bett zu verlassen. Mein Körper schien der Meinung zu sein, dass sich wieder in die Arbeit zu stürzen doch keine SO gute Idee sei. Wer bin ich, dass ich da widerspreche. Ich habe der besten Ehefrau von allen gegenüber die Tage geäußert, dass die Solitude und die Gelegenheit, etwas in aller Ruhe zu tun mir zur rechten Zeit noch einmal die Batterien gefüllt haben. Außerdem habe ich in den letzten Tagen gekeucht wie ein 1928er Lanz Bulldog und erst seit kurzem kann ich wieder die Treppe ins 3. OG gehen, ohne Atemnot zu bekommen… Es mag ein wenig egoistisch klingen, aber ich habe diese physisch durchaus anstrengenden Tage genutzt, mich NICHT mit dem Scheiß zu befassen, der mit Sicherheit am Arbeitsplatz auf mich wartet. Ich bin letzthin endgültig zu der Erkenntnis gelangt, dass der alte Deal “Lebenszeit gegen Kohle” für mich nun neue Grenzziehungen beinhaltet. Will heißen – wer nur für 40h bezahlt, bekommt fürderhin auch keine 50 mehr. Meine Gesundheit hat mir nämlich ins Ohr geflüstert, dass ich die Scheiße sein lassen soll! Ich habe es außerdem satt, anderer Leute hausgemachte Probleme lösen zu müssen, um dann dafür auch noch eine an den Sack zu bekommen, warum das denn nicht alles besser gelaufen sei. Die sollen froh sein, dass es überhaupt noch läuft…!
Ein entscheidender Hinweis, dass meine Streitbarkeit grade wieder ihre kritische Masse zu erreichen droht, ist der Umstand, dass ich wieder mit zunehmendem Enthusiasmus und gelegentlich sarkastischem Tonfall an politischen Diskussionen im semi-öffentlichen Raum (spezielle Foren) teilnehme. Jedes Mal endet das in einem Fiasko, weil ich irgendwann von den ganzen minderinformierten, teilintelligenten Subsistenzen, den Hardcore-Nazis, den Selbstdarstellern und dem ganzen anderen humanoiden Geschmeiss dermaßen die Schnauze vollhabe, dass ich mich genervt von allem abmelden muss. Ich bin so stolz auf mich, dass ich seit mittlerweile bald drei Jahren Facebook fernbleibe. Zuletzt hatte mich die Community dort nur noch angekotzt und wenn ich die aktuellen Diskussionen rings um die Zuckerberg’sche Bullshit-, Desinformation- und Erregungs-Verbreitungsmaschine so ansehe, habe ich NICHTS verpasst. Auch das Spiel, Nazis zu reizen und zu triggern, bis man sie melden und sperren lassen kann verliert irgendwann seinen Reiz. Ich las die Tage auf Zeit Online, dass Social Media tot sei. Ist schon interessant, dass auch Media-Redakteure, wenn auch mit sieben bis zehn Jahren Verspätung bemerken, dass etwas nicht stimmt. Hätte man auch 2011 schon wissen können. Evgeny Morozov hat es damals in seinem Buch “The Net Delusion. The dark side of internet freedom.” schon dargelegt, wo die Probleme liegen. Nun ja, besser spät als nie, dass man erkennt, wie in beinahe allen Antisocial-Media-Plattformen a) Anonymität Asozialität gebiert, b) die Konzerne zu viel Macht über die Inhalte haben und sich c) dennoch weigern, sinnvoll moderierend einzugreifen – und sich dabei hinter der Lüge verstecken, neutral sein zu wollen. Vielen Dank für nichts!
Bislang konnte ich mich halbwegs zurückhalten und meine Energie NICHT auf diese Weise zu verschwenden. Denn, selbst wenn manche Plattformen einem anfangs die Möglichkeit eröffnet hatten, sich mit Menschen zu vernetzen, mit denen man Interessen oder eine Vergangenheit teilte, so wird dieser vermeintliche Mehrwert allzu oft durch das idiotische Verhalten einzelner drastisch konterkariert; ich verweise noch mal auf a) Anonymität gebiert Asozialität! Denn das gilt auch unter vermeintlich Gleichgesinnten; und selbst dann, wenn manche Leute mit Klarnamen agieren. Schlicht, weil sie sich durch die physische Distanz asynchroner Kommunikation unangreifbar wähnen. Ich habe schon so manchem gesagt, dass er sich dieses dumme Gelaber Face-to-Face niemals trauen würde. Nur sehr, sehr wenige wollten aus vollem Herzen widersprechen… Aber darum geht es gar nicht. Es geht um Energie. Und zwar jene Energie, die jede:r von uns braucht, um irgendwie durch den Tag zu kommen, den Shit gerockt zu kriegen, sich halbwges wertvoll fühlen zu dürfen und irgendwie einen Sinn in diesem ganzen Chaos erkennen zu können. Antisocial Media schaffen es irgendwie, denn allzu schwachen, allzu naiven, allzu geltungsbedürftigen, allzu gierigen, allzu arroganten das Gefühl zu geben, durch ihre televerbalen Absonderungen einen Grad an Wichtigkeit zu erlangen, der sie die Mauer der nächsten Sekunde vergessen lässt. Ich glaube ja, die tun das – also das Verbreiten von so viel Scheiße – alle nur, um die entsetzliche Energie- und Kreativitätslose Leere in ihren Seelen vergessen zu können. Was für arme Würstchen…
Selbst mit müdem, hustengeschütteltem, fieberwattigem und medikationsgedämpftem Körper habe ich immer noch genug Selbstachtung, mich bewusst NICHT auf diesen absurd masochistischen, Energie und Zeit raubenenden, sinnbefreiten Wettlauf um fremder Leute Aufmerksamkeit einzulassen, den Influencer, Content-Creator und sonstige Sendungs-bedürftige Kreaturen der Websphere “Social Media” zu nennen immer noch die unfassbare Frechheit besitzen! Ja, ich poste auf Insta, weil es mir Spaß macht. Aber es ist mir Wumpe, ob ich 4, 40, 400 oder 4000 “Follower” habe. Als wenn nachbearbeitete Landschafts- und Architekturfotografie ein Kult wäre. Soll ich da jetzt sonntäglich ‘ne Messe lesen oder was? Habt ihr alle Lack gesoffen? Mal davon abgesehen, dass die Accounts mit den meisten Followern zumeist solche sind, bei denen halbwegs ansehnliche nackte Haut eine gewisse Rolle spielt. Sex Sells! War schon 1000 v. Chr. so, warum sollte sich das ändern, nur weil jetzt eine technische Übertragung dazwischen steht? Ist nichts weiter als funktionaler Narzissmus: “Seht her, wie schön ich bin!” Aber sich auf der anderen Seite über den Male Gaze oder weiblichen Sexismus (JA, den gibt’s auch) beklagen… auch ‘n kleines bisschen bigott oder…? Ne, ne, da bleibe ich alter Zausel lieber bei meinem Blog, ab und zu #nem Video und damit hat es sich. Meine Energie fließt in solche (durchaus kritischen) Texte, wie diesen hier, in mein Buchprojekt, andere ideen, an denen ich gerade arbeite, meine Hobbies (allen voran Pen’n’Paper) – und zu den bezahlten Zeiten in meinen Job. Und feddich. Schönen Sonntag…
- Morozov, E. (2011): The Net Delusion. The dark side of internet freedom. New York: Public Affairs.