Auf dem Entschleunigungsstreifen…

Sonnendurchflutete Hügellandschaften, bewachsen mit allerlei südlichem Laubgehölz umfrieden ein Natursteinhaus, hinter welchem man einen kleinen Pool finden kann, der sich allerdings am Hügel knapp unterhalb eines auf charmante Art dezent verwilderten Renaissancegärtchens findet. Das klingt nach einem Ort, der durchaus zum Verweilen einlädt, insbesondere wenn man den Umstand in Betracht zieht, dass der Besitzer des Anwesens sich nicht nur die Freiheit nimmt, Teile des Hauses – natürlich gegen ein Entgelt – zum Bewohnen auf Zeit anzubieten, sondern überdies auch ein recht ordentlicher Winzer zu sein scheint.

Abzüglich der üblichen Urlaubsimmanenten Missgeschicke und Reibungsverluste doch ein ziemlich hübscher Entschleunigungsstreifen, auf den ich meinen müden Geist gebracht habe. Langsamer zu leben bedeutet allerdings nicht unbedingt, langsamer denken, oder gar unproduktiv sein zu müssen, obschon ein gutes Stück echter Müssiggang – und für Solchen bedarf es ebenso genuiner Tiefenentspannung – natürlicher obligater Bestandteil der Erholungszeit von der Drangsal der Lohnarbeit sein sollte. Sonst braucht man keine Arbeitsunterbrechung!

Das Leben solcher Art zu entschleunigen bedeutet auf der Verlustseite, keinen bzw. nur sehr eingeschränkten Internetzugang, kein Fernsehen, keine Tageszeitung und wenig tiefer gehende soziale Interaktion abseits der eigenen mitgereisten Verwandschaft und gelegentlicher Bekanntschaften zu haben. Auf der Gewinnseite steht Zeit; Zeit zum (lustvollen!) Lesen, Zeit zum Erkunden neuer Orte, Zeit zum Genießen und schlussendlich Zeit zum Nachdenken. Und die brauchte ich in letzter Zeit reichlich!

Man hört häufig davon, dass Leute, zumeist solche, die ein wenig bekannter sind als ich auf Reisen gehen, um sich selbst (wieder?) zu finden; was in mir die Frage aufwirft, ob man sich denn erst richtig verlieren muss, um sich wiederfinden zu können, oder ob man sich auch dafür qualifizieren kann, indem man nur ein bisschen vom Weg abkommt, welcher Weg das auch immer sein mag…? Und ist das, was man so zu finden hofft im Erfolgsfalle zwingend besser als dass, was man vorher an sich hatte? Ehrlich gesagt hab ich diesbezüglich für andere Menschen bestenfalls eine Ahnung, aber keinen Ratschlag. Was jedoch mich betrifft, so weiß ich sehr genau, was ich an mir habe und was nicht, wobei das Haben und das Nichthaben jeweils sowohl positive, als auch negative Seiten besitzen. Ich muss demnach zumindest nichts wiederfinden, sondern habe vielmehr Dank der Entschleunigung Rechenleistung für aktuelle Problemstellungen frei, die sich ergeben haben.

Immer wieder im Leben kommen wir an Scheidewege; entweder, wenn sich durch neue Kenntnisse und Erlebnisse unsere Prioritäten verändern, oder wenn sich die persönlichen „Umgebungsparameter“ durch äußere Einflüsse mehr oder weniger nachhaltig verändern. Derlei zwingt uns zumindest, das bisherige Vorgehen zu Überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Wenn wir uns dann allerdings geliebter Gewohnheiten entledigen müssen, schlicht weil deren Basis nicht mehr existiert, tut das trotz des Wissens um die Dynamik weh. Solcher Schmerz kann allerdings auch klärend auf den Geist wirken und in mir ist die Erkenntnis gereift, dass es an der Zeit ist für Veränderungen. Wenn man nach Jahren des Stillhaltens, Duldens und Hoffens auf besseres Wetter endlich bemerkt hat, dass man bestimmte „Umgebungsparameter“ trotz aller Bemühungen nicht zum Positiven wenden kann, ist es wahrscheinlich an der Zeit, die Umgebung zu wechseln und auf bessere „Parameter“ zu hoffen…

„Should I stay, or should I go…?“

Heimkehr nach Politistan…

Ich war drei Wochen weg. Drei Wochen in Italien. Drei Wochen fern von meinem üblichen Maß des Internetgebrauchs. Drei Wochen fern der Nachrichten und vor allem des Wahlkrampfes. Nun komme ich heim; und obschon ich darüber nachgedacht habe, weiß ich keinen Deut besser als zuvor, welcher dieser selbstverliebten, vom Subsystem „Politik“ bis zur Unkenntlichkeit des Menschseins dressierten leeren Hüllen voller unnötiger, verlogener und Daseinsentfremdeter Propaganda ich meine Stimme geben soll. Oder besser, welcher Agenda ich zustimmen mag, die zu repräsentieren diese Repräsentatoren die Stirne besitzen?

Eigentlich keiner und damit beginnt ein Dilemma, dass unsere Demokratie, so sie diesen Namen denn überhaupt noch verdient, nicht besser machen wird. Denn unabhängig davon, ob es am Schluss dieser Farce Rot-Grün (Oh je!), Rot-Rot-Grün (Gott behüte!), Schwarz-Gelb (Bitte nicht nochmal!) oder Schwarz-Rot (Ach du liebes Lieschen!) heißen muss, wird es vermutlich mehr Nichtwähler, sicher aber mehr Protestwähler geben. Und solche so genannten Alternativen wie die Anti-Euro-Partei (das Rad der Geschichte kann man nicht zurück drehen!), die Piraten (das Rad der Geschichte kann auch nicht mit Gewalt schneller gedreht werden und wir sind für liquid democracy einfach noch nicht reif!) oder irgendwelche Kräfte vom äußersten Linken oder rechten Rand sind als Stimmenfänger bestenfalls ein Symptom für das wohl endgültig erreichte Verfallsdatum unseres politischen Systems.

Eigentlich ist es Zeit, mal wirklich über Alternativen nachzudenken, die sich nicht in den Ritualen des Status Quo zerreiben lassen. Viel Spaß beim Wählen!

Sicherheitsbedenken N°3

Ich höre immer was von „Belangen der nationalen Sicherheit“ und dann denke ich mir manchmal, warum wir wegen etwas belangt werden müssen, dass doch eigentlich als Dienst an uns als Bürger dieser Nation verstanden sein sollte? Wie kann es denn sein, das man mich wegen eben dieser nebulösen – später noch etwas genauer zu durchleuchtenden – Belange bespitzelt, unter den generellen Verdacht der potentiellen Staatsuntreue oder gar -feindlichkeit stellt, mein geistiges Eigentum und meine persönliche Integrität beschädigt und mir verweigert, darüber bescheid zu wissen? Haben denn alle Staatsdiener vergessen, dass der Staat nur deshalb existiert, weil ich existiere und mich im Grunde aus freien Stücken entschlossen habe, bestimmte Regeln des Zusammenlebens, die hierorts gelten anzuerkennen? Und falls ich genau das nicht mehr täte, wäre ich dann ein Verbrecher, ein Terrorist oder einfach nur ein Freigeist, der die unrechtmäßige Einmischung des Staates in meine Privatsphäre ablehnt?

Bevor ich mich nun sofort ereifere, mich selbst als ablehnenden Freigeist zu outen, wäre es angezeigt, zu erklären, was die Grundlage meiner kritischen Haltung gegenüber verschiedenen Intitutionen unseres Staates ist und auf welchem gedanklichen Fundament sie steht. Ich empfinde nämlich Menschen, die „DAGEGEN!“ rufen, ohne eine Begründung für ihre Haltung nennen zu können als lächerlich dumme Schaumschläger, von denen auf Grund ihrer schieren Lautstärke Notiz nehmen zu müssen für mich eine Beleidigung meiner Intelligenz konstituiert. So let’s get on with it!

Warum haben Staaten irgendwann angefangen, Institutionen abseits einer, wie auch immer gearteten herrschenden Kaste auszuprägen, deren Legitimation lediglich darin bestanden hatte, irgendwie irgendwann mehr Macht angesammelt haben zu können, als alle Anderen? Zum einen, weil wirtschaftlicher Erfolg in autokratischen Regimen stets nur in begrenztem Umfang möglich ist, aber jeder gerne wirtschaftlich erfolgreich wäre, andererseits aber wegen der schlichten Menge der am Konstrukt Beteiligten. Irgendwann muss man damit beginnen, sich halbwegs zuverlässiger Instrumente zur Verwaltung der wachsenden Zahl an einem bestimmten Platz zusammenlebender Individuen zu bedienen. Tatsächlich war eine der ersten Erkenntnisse, dass es nur möglich ist, Steuern einzutreiben, wenn man auch weiß, wer wem wie viel Steuern schuldet, so man denn über die Möglichkeit verfügt, diesen Anspruch auch durchzusetzen. Man merke auf: durchzusetzen! Einen Anspruch zu haben und über die Mittel zu verfügen, ihn durchsetzen zu können bedeutet noch lange nicht, dass eben dieser Anspruch auch legitim ist.

Über Legitimität musste bzw. muss man sich ja aber auch heute nicht wirklich den Kopf zerbrechen, wenn man ein autokratischer Herrscher ist. Worauf man Lust hat, das wird gemacht… oder? Das stimmt zumindest solange, wie sich jene, welche von der Autokratie ausgebeutet werden nicht in der Lage sind, ihr Gefühl der Ohnmacht zu überwinden und sich gegen die Opression zu wehren. In dem Moment, da aber jener perfide Mechanismus, der uns Angst vor jenen mit gefühlt größerer Macht haben lässt zu versagen beginnt, ab dem Zeitpunkt da sich der Wille zum Widerstand regt und seine Tragkraft in der Breite entfacht, versagen die autokratischen Institutionen. Die lassen sich nämlich nur durch ein Geflecht von Abhängigkeiten und eine willkürlich erschaffene, von Immobilität geprägte, soziale Rangordnung aufrecht erhalten. Wird die Macht der Ranghöheren aber in Zweifel gezogen und schließlich angefochten, bliebt als letztes Mittel des Machterhaltes nur noch die Gewalt. Doch unsere Zeiten haben sich geändert, man kann nicht mehr einfach ein paar Tausend Menschen verschwinden lassen, ohne dass der Rest der Welt davon Notiz nimmt und die autokratischen Institutionen in ihrer Legitimität von Außen angezweifelt oder sogar angegriffen werden. Der so genannte arabische Frühling hat das sehr deutlich demonstriert.

Auch in einem als demokratisch etikettierten Staatswesen beruht die Legitimation seiner Institutionen auf der Anerkennung von Macht. Dem Wesen der Demokratie nach wird diese Macht aber als von den Bürgern ausgehend auf Mandatsträger delegiert, welche diese im Sinne der Bürger ausüben sollten… Tja, das mit diesem „sollten“ im vorangegangenen Satz, das ist so eine Sache, denn ist das Mandat erst erteilt, hat die delegierte Macht, welche sich ja nun auf wenige Individuen konzentriert die dumme Angewohnheit, sich zu verselbständigen. Könnte daran liegen, dass wir ja alle nur Menschen sind, es aber eigentlich besonderer charakterlicher Merkmale bedarf, um sich zum Mandatsträger überhaupt zu eignen und Politik offensichtlich nicht selten Individuen anzieht, welche eben diese Merkmale nicht mitbringen. Verdammt…

Es gibt eine Menge Theorien über systemische Autopoiese, also die Selbsterhaltungstendenzen komplexer sozialer (Sub)Systeme und welche Blüten diese so treiben kann, aber alle Theorie bringt uns nicht weiter, wenn eben die daraus erwachsende Entfremdung der Bürger eines Staates von den Institutionen des Selben uns in eben jene aktuelle Paradoxie zwingt, dass die Institutionen, bzw. deren Vertreter anfangen, die Bürger des Staates, der sie ja erst hervor gebracht hat unter den Generalverdacht der Staatsfeindlichkeit zu stellen. Nicht der Staat muss vor seinen Bürgern geschützt werden, sondern die Bürger vor einem solchen Staat.

Die Sicherheit des Staates – und damit ist in der Politik immer zuerst die Integrität seiner Institutionen und derer Interessen gemeint – als oberste Prämisse könnte als hehres Ziel gelten, wenn die Umsetzung nicht die Interessen der Bürger unterwandern und schädigen würde, anstatt diese zu schützen, wie es erwartbar wäre. Ich, als Bürger der BRD legitimiere die Institutionen dieses Staates durch mein Agieren als Bürger, durch die Wahrnehmung meiner Bürgerrechte und -pflichten und die Achtung der Gesetze, welche sich ein paar durchaus kluge Köpfe ausgedacht hatten, um ein einigermaßen friedvolles und produktives Zusammenleben von so vielen Leutchen auf einem Haufen irgendwie möglich machen zu können. Ich achte die Gesetze, doch wie sieht es mit dem Staat aus, in dem ich lebe?

Meine Sicherheit, also die Sicherheit meiner persönlichen Integrität, meiner Privatsphäre, sofern ich sie gewahrt sehe möchte und der Geschäfte, welche ich durch Erwerbstätigkeit und Konsum dauernd tätige, wird von diesem Staat anscheinend weniger geachtet als das Wohl seiner eigenen Institutionen und derer Vertreter. Dieser Umstand lässt mich am Sinn dieses Staatswesens ehrlich gesagt zweifeln. Und doch habe ich Hoffnung, nämlich dass es mehr Menschen geben wird, die auch hierorts anfangen, die Einhaltung ihrer Rechte anzumahnen. Noch sind wir Deutschen diesbezüglich träge, messen dem Gehorsam mehr Wert zu als der Kritik, außer wenn wir sie anonym und somit „gefahrlos“ absondern können. Aber vielleicht … vielleicht weht da inmitten der Hitzewelle doch ein laues Lüftchen der Veränderung. Kohl war bleierne Zeit, Merkel ist bleierne Zeit und ihr ministerialbürokratisches Gefolge ist machtvoll, aber Blei kann dankenswerter Weise auch versinken – hoffentlich bald dort, wo sie hingehören: im Strudel der geschichtlichen Belanglosigkeit.

 

Sicherheitsbedenken N°2

Irgendwie kann ich nicht umhin, meine Gedanken gelegentlich wandern zu lassen. Sie wandern dann an Orte, die weder kartographisch erfasst, noch – zumindest manchmal – einfach zu fassen sind. Ich bin mir des Umstandes bewusst, dass ich manchmal drei Mal um die Ecke denke, bevor für den Leser/Zuhörer das Ziel auch nur annähernd klar wird und ich verzettele mich bei meinen Denkspielen auch mal ordentlich öffentlich. Aber ehrlich gesagt finde ich das authentisch, denn all das bin ich und wenn ich dann, wie im letzten Artikel, das böse Fäkalwort nutze, dann geschieht dies sicher unter anderem auch aus dramaturgischem Kalkül, aber vor allem, weil es Dinge gibt, die man einfach nicht anders titulieren kann; ganz gleich wie gebildet man sich auch gerne gerieren würde.

Unabhängig vom Furor, der mich dann und wann packt, wenn ich meine Mitmenschoiden, insbesondere die Angehörigen der Subspezies Homo Sapiens Politicus zu beobachten gezwungen werde, ergehe ich mich eigentlich immer in Betrachtungen meiner Umwelt. Es ist mir quasi ein natürliches Bedürfnis, die Vorgänge um mich herum verstehen und miteinander in Beziehung setzen zu können. Übrigens ist genau das eine Grundvoraussetzung für politisches Agieren, gleich auf welcher Ebene. Die Folgerungen, welche ich aus meinen Beobachtungen ziehe und auszusprechen die Stirne habe, sind nicht selten wenig Mainstreamkompatibel, aber das ist mir egal, sofern ich wenigstens manchmal jemanden zum selber Denken anrege.

Ich räsoniere hier ein bisschen über meine Beweggründe und Ziele, weil ich mich in meinem letzten Blogpost zu der Bemerkung verstiegen habe, das Terrorismus, ganz gleich wie grausam, dumm und wenig Zielführend er auch sein mag, auf soziale Ungleichheiten aufmerksam macht. Und weil ich mir sicher bin, dass man das sowohl absichtlich als auch unabsichtlich missverstehen kann, ist hier ein kleiner erklärender Exkurs angezeigt:

Ein terroristischer Ausflug…

Wenn wir heutzutage von Terrorismus sprechen, so meinen die Allermeisten den so genannten islamistischen Terror, weil zumindest gegenwärtig der weitaus größte Teil aller terroristischen Taten auf das Konto von Menschen geht, welche die Lehre Allahs nicht recht verstanden haben oder sie im falschen Sinne erklärt bekommen haben. Der Boden auf welchem die Saat dieses gewalttätigen Gedankengutes aufgeht, ist in vielen Fällen durch eine soziale und wirtschaftliche Dürre sehr empfänglich für den wohlklingend verführerischen rhetorischen Regen, der im Kern einfach nur die Schuld für all die erduldete Not einem System zuschreibt, welches sich selbst gegenüber seinen eigenen Kindern als dankbarer Sündenbock zeigt – unsere durch und durch säkularisierte westliche Konsumgesellschaft.

Es gab und gibt auch jede Menge Menschen innerhalb unserer keineswegs perfekten Gesellschaftsform, die auf dem Wege der Gewalt etwas zu ändern suchen, etwa Theodore Kaczynski, besser bekannt als der UNA-Bomber, der den Neo-Luddismus, also die Ablehnung der immer weiter fortschreitenden Technisierung unserer Lebenswelt als Antrieb für seine Taten angab. Oder aber Timothy McVeigh, der das Murrah-Building in Oklahoma sprengte und über dessen Motive bis heute keine vollständige Klarheit herrscht, auch wenn ein ultranationalistischer Hintergrund zumindest vermutet werden kann. Auch ultralinks motivierte Gewalttaten verschiedener Gruppen in den 70er und 80er Jahren in Europa, wie etwa der deutschen „Rote Armee Fraktion“ oder der französischen „Action Directe“ können sicherlich als Terrorismus bezeichnet werden. Heutzutage jedoch dominiert global der islamistische Terror, der seine Wurzeln in einem weit verbreiteten Ohnmachts- und Ausbeutungsgefühl der Bewohner vieler Zweite- und Dritte-Welt-Länder gegenüber den Staaten der ersten Welt hat. Ich scheue mich bekanntermaßen davor, Menschen auf ökonomische Motive reduzieren zu wollen, aber die dort vorherrschende blanke Not mag zumindest die Vorbedingungen schaffen – ein radikales Umfeld lässt radikales Denken entstehen, aus dem irgendwann mit der „richtigen“ Motivation dann schlussendlich radikales Handeln wird.

Freilich gibt es Terror in vielen Darreichungsformen, schließlich sind Bomben, Schusswaffen und Messer, so grausam und zugleich Publizitätserzeugend sie auch sein mögen, nur die allerletzte Steigerung von Terror. Er beginnt immer mit dem Entzug einfachster Menschenrechte, wie ihn zum Beispiel die Taliban gegenüber Andersdenkenden und vor allem Frauen ausüben. Diesem Denkansatz folgend müsste es unser erstes – eigentlich einziges – Ziel sein, die Einhaltung der Menschenrechte durchzusetzen und, wie jenes pakistanische Mädchen Malala Yousafzai auf beeindruckende Art vor der Jugendversammlung der Vereinten Nationen eingefordert hat jedem Kind Bildung bringen. „Ein hehres Ziel, aber weder durchsetzbar noch finanzierbar!“ höre ich es in meinem Hinterkopf. Wie teuer waren doch gleich noch mal diese Spionageprogramme.

…endet nicht vor meiner Haustür!

Anstatt immer mehr Menschen zu kriminalisieren, zu bespitzeln, für dumm zu verkaufen und von Entscheidungsprozessen auszugrenzen, die unser aller Zukunft beeinflussen, sollten unsere so genannten Führer sich darauf besinnen, wer sie in ihre Ämter getragen hat und wem sie Rechenschaft schuldig sind – weder einzig der Wirtschaftslobby noch nur ihrer eigenen kranken Umwelt mit Namen Politik, sondern mir und jedem anderen mündigen Bürger, gleich wie viel oder wenig er/sie hat oder ist! Und darüber hinaus endlich verstehen, dass man Terror nicht mit Waffen und Bespitzelung sondern mit Bildung und wohl gemeinter Hilfe zur Selbsthilfe bekämpft. Der Weg ist gewiss lang und steinig aber ich finde ihn wesentlich wertvoller als die asphaltierte Schnellstraße in den Totalitarismus, auf der wir uns gerade befinden.

Ich habe noch nicht zu Ende gedacht, aber manchmal muss man zwischendurch nicht nur die Schrift sondern auch die eigenen Ideen interpunktieren und reifen lassen. Die folgen in Kürze auf diesem Kanal. Bis dahin, denkt wohl!

Sicherheitsbedenken N°1

Abhörskandal – ich kann diese Scheiße nicht mehr hören! Auf der einen Seite tummeln sich die selbst ernannten Bürgerrechtsaktivisten jedweder Couleur, übrigens auch solche, die unsere Bürgerrechte üblicherweise bestenfalls als Allerletztes auf ihrer Agenda haben, jedoch auf Sympathiestimmen im kommenden Wahlkampf hoffen und darum jetzt medienwirksam alle Formen von Datensammlung für Teufelswerk erklären. Auf der „Gegenfront“ stehen die Befürworter des Gläsernen Bürgers, für die jedes noch so kleine Geheimnis die potentielle Verschleierung einer möglichen Straftat bedeutet. Ein Albtraum für jeden Sicherheitsmenschen; hinterher könnten die Bürger noch Dinge denken, die man selbst zu bedenken Bedenken erdacht haben könnte.

Sicherheit sei ein genauso wichtiges Bürgerrecht wie die Privatsphäre, denn ohne sie würden die einfachsten Dinge des Alltäglichen plötzlich zum Pogohüpfen im Minenfeld. Garantierte der Staat zum Beispiel nicht für die Verbindlichkeit von Verträgen, könnte man nichts mehr einkaufen. Der Arbeitgeber könnte einen einfach ausnehmen; was er ja trotzdem auf jede erdenkliche Art tut. Also setzt man die Sicherheit des Staatswesens mit der Sicherheit seiner Bürger gleich, schließlich würde in einer Demokratie ein generelles Misstrauen gegenüber den Institutionen des Staates keine Berechtigung haben, denn zum Schutz der Freiheit sei der Schutz der Sicherheit unabdingbar und man wäre ja naiv, wenn man von staatlicher Überwachung überrascht wäre Ja, ist schon schön, wenn man öffentlich naiv sein darf und auch noch als Journalist dafür bezahlt wird.

Hier sind zwei grundlegende Denkfehler zu konstatieren: zum einen sind die Institutionen des Staates mittlerweile durch ihre inhärenten Selbsterhaltungstendenzen soweit vom Willen des Volkes entfernt, sofern dieser überhaupt auszumachen wäre, dass man getrost von systemischer Entfremdung durch Selbstzweck sprechen darf. Ich empfehle hierzu Habermas und Luhmann als Lektüre. Und überdies ist es ausgesprochen kurzsichtig, Volksvertretern und vor allem den Mitgliedern der ihnen beigeordneten Ministerialbürokratie zu unterstellen, dass sie für Versuchungen, welche sich im Spannungsbereich der Dichotomiepole Gemeinwohl und Eigenwohl abspielen in keinster Weise anfällig wären. Das sind alles Menschen – und hier dürfte der gleiche Prozentsatz an Individuen zu finden sein, welche schwach an Charakter sind, wie beim Rest auch.

Natürlich ist es ein wichtiges Vorhaben, die Sicherheit des Staates und seiner Bürger zu schützen, doch bevor man sich nun hinstellt und Sicherheitsbehörden mit diesem äußerst kurz greifenden Argument einen Persilschein dafür hinschmiert, sich einfach so meine intimsten Gedanken zu eigen machen zu dürfen, um dann irriger Weise zu glauben, beurteilen zu können, wie ich ticke und somit meinen individuellen Gefährdergrad benennen zu können, MUSS man sich fragen wer was dadurch gewinnen kann? Wieso braucht ein Staat überhaupt Kontrolle über seine Bürger? Sollte das Verhältnis nicht genau umgekehrt sein? Dieser Argumentationsstruktur liegt die vollkommen irrige Annahme zu Grunde, ein Staat müsse Macht über alle Lebensbereiche seiner Bürger ausüben können. Das ist autokratische Scheiße, gegen die man sich bis zur letzten Konsequenz wehren muss, denn der Bespitzelung folgt die Bevormundung und die mündete bisher immer in der Diktatur.

Anstatt immer mehr Geld in die Überwachung und Befriedung zu investieren wären wir – nein nicht wir, sondern unsere politischen Führer – besser beraten, mehr für sozialen Ausgleich zu tun. Denn das, was die selbst ernannten Eliten fürchten, ist nicht der Terrorismus als solches, sondern der Umstand, dass dieser – wenngleich auch auf die denkbar dümmste Art – auf soziale Ungleichheiten hinweist. Räumte man diese aus, beendete man auch den Terrorismus und könnte seine Drohnen und Funkanlagen und Computer und den ganzen anderen Rotz einmotten. Aber soweit sind wir noch lange nicht, darum will ich die Tage weiter über das Thema nachdenken…

Gegangen durch die Ä-gyp-ter…?

Präsident Mursi nach tagelangen Protesten durch weite Teile der Bevölkerung weggeputscht – STOP – Lage im Moment ruhig – STOP – Große Teile der Bevölkerung feiern – STOP – Muslimbrüder rufen zu Gegenprotesten auf – STOP – Weiterer Weg Ägyptens im Moment unklar – STOP – Intervention notwendig? – STOP…

Zu den Fakten: der erste demokratisch gewählte Präsident Ägyptens wurde durch das Militär aus dem Amt entfernt. So was nennt man einen Putsch. Sein Regierungsstil könnte als wenig Konsensorientiert betrachtet werden und sicherlich sind die politischen Ansichten der Muslimbrüderschaft vielen säkular orientierten Menschen viel zu sehr an der Sharia ausgerichtet, um als Grundlage für die Ausrichtung eines in vielerlei Hinsicht schon sehr lange weltlich orientierten Staates empfunden werden zu können. Das ist allerdings unsere westliche, Leitkulturideeverseuchte Lesart der Dinge.

Wir Europäer, oder vielleicht besser wir Mitteleuropäer, neigen sehr gerne dazu, unsere Idee davon, wie eine Gesellschaft günstiger Weise beschaffen zu sein hätte als allein sinnvolles, ja sogar selig machendes Prinzip zu betrachten und dies auch jedem zu erzählen, gleich ob er es hören mag, oder nicht. Die Amerikaner gehen noch einen Schritt weiter und exportieren ihre Ideologie gleich aktiv in jene Regionen der Welt, in denen man Bodenschätze… ähm, pardon, ich meinte natürlich Menschen findet, die nach dieser Ideologie dringend der Demokratie bedürftig sind. Mit der Demokratie erleiden sie dabei eigentlich immer Schiffbruch, aber wenigstens der Zugriff auf die Bodenschätze … ach lassen wir das.

Wenn ein Bundesaußenminister sich hinstellt und vor der Kamera alle Beteiligten am Konflikt zu Besonnenheit aufruft, dann folgt er lediglich einem formalisierten Ritual institutioneller Bigotterie, dem alle Angehörigen des politischen Standes der so genannten ersten Welt verpflichtet sind. Im Grunde positionieren alle zunächst ihre Figuren für die nächsten Züge im geopolitischen Kampfschach. Wie das mit Ritualen so ist – sie werden mit der Zeit berechenbar, da staatliche Interessenportfolios gewissen politischen Sphären zuordenbar sind. Letzten Endes geht es immer um die eine Frage: Was springt für uns dabei heraus? Und wer glaubt, in der BRD würden die Uhren diesbezüglich anders ticken, dem rate ich dringend mal darüber nachzudenken, welchen Partnern wir verpflichtet sind, wo unsere Rohstoffe herkommen und unsere Exporte hingehen. Money talks – und sonst hat hier niemand was zu melden!

Würde man sich als denkendes Individuum gerne auf seine ökonomischen Interessen reduzieren lassen – auch wenn, ganz nüchtern betrachtet, die pekuniären Zwänge tatsächlich für fast jeden von uns einen nicht unerheblichen Teil des Handlungsspielraumes beeinflussen – könnte man sagen, der Westerwelle hat Recht, wenn er sie zur Ordnung ruft. Geopolitische Instabilitäten sind schlecht für’s Geschäft und damit schlecht für unsere Binneneinkünfte. Wenn da nicht der Umstand wäre, dass ich mir vieler Dinge sicher bin; jedoch NICHT der Repräsentation MEINER Interessen durch UNSERE Politiker. Denn ich persönlich bin durchaus der Ansicht, dass zum Beispiel die Ägypter sehr wohl in der Lage sind, selbst heraus zu finden, was das Beste für sie ist. Und das muss nicht unbedingt eine Verfassung wie die unsere sein, denn solange sich die säkularen und die religiösen Kräfte nicht miteinander aussöhnen und einen Konsens finden, wird ein Land wie dieses nie zur Ruhe kommen. Solange Nationen jedoch aus der politischen Perspektive immer nur als Bankkontenbündel betrachtet werden, ist es sehr schwer, auf die Bedürfnisse abseits der Ökonomie einzugehen. Und die sind mannigfaltig.

Womit wir bei der grundlegenden Frage wären, was uns westliche Menschen zu der Arroganz veranlasst, zu glauben, wir wüssten, was für die Menschen anderswo auf dem Erdenrund das Richtige und Wichtige ist? Würden wir uns von diesem Stuss verabschieden, könnten wir die Dinge vielleicht mal etwas unvoreingenommener betrachten. Vielleicht würden wir dabei ja feststellen, dass nicht nur deren, sondern auch unsere Interessen auf andere Art und/oder durch andere Menschen besser vertreten werden könnten. Dieser Gedanke lässt mich hoffen.

Selbst beteiligt?

Zweischneidige Schwerter. Sie sind ein nicht wegzudenkender Bestandteil unseres Lebens. Ganz so, wie die üblicherweise auf einem sehr langen Zettel aufgelisteten Nebenwirkungen bei Medikamenten. Wir finden es genial, wenn der Schmerz nachlässt, aber der schäumende Magen… Doch um Medikamente geht es mir jetzt gerade nicht, auch wenn manche Menschen, die sich wirklich um Partizipation bemühen, was man eigentlich honorieren müsste, vielleicht doch eher eine Medizin bräuchten; doch dazu später mehr.

Ich bin eigentlich jemand, der sich sehr freut, wenn man von seinem individuellen Recht auf Partizipation an den verschiedensten demokratischen Prozessen in unserer Gesellschaft Gebrauch macht. Das fängt beim Wählen Gehen an, geht über die Mitgliedschaft bzw. aktive Mitarbeit in Gewerkschaften und Interessengemeinschaften wie etwa Bürgerinitiativen oder Berufsverbänden, und mündet schließlich in die aktiv gestaltende Teilnahme an Politik, egal auf welcher Ebene. Derartiges Tun bedeutet, höchst selbst Verantwortung für einen Teil von Gesellschaft zu übernehmen, sich so an der inhaltlichen Ausgestaltung dieses, für die allermeisten doch recht ominösen, Begriffes zu beteiligen und so zum Akteur zu werden, anstatt sich mit dem Reagieren zufrieden zu geben. Ominös nenne ich den Begriff Gesellschaft hier, weil viele davon reden, aber die Vorstellungen davon, was Gesellschaft denn tatsächlich bedeutet zumeist sehr weit auseinander gehen.

Reduziert auf das Notwendigste bedeutet dieses eine Wort nicht viel mehr, als einigermaßen friedliches Zusammenleben unter der Zuhilfenahme von halbwegs verbindlichen Regeln. Womit zunächst noch nichts darüber ausgesagt ist, wie Viele auf wievel – oder wie wenig – Raum und mit welchen Regeln zusammen leben sollen oder können. Aber ganz allgemein darf man sagen, dass dieses Konstrukt Gesellschaft dazu gemacht ist, irgendwie einen Ausgleich zwischen den vielen, nicht selten widerstreitenden Partikularinteressen seiner Beteiligten herzustellen.

Klingt kompliziert, heißt aber auch nicht mehr, als dass man verhindert, das Einzelne, die vielleicht auf Grund von Glück oder Geschick etwas mehr Reichtum und somit fast automatisch auch Macht als andere ansammeln konnten, einfach so die Anderen weniger glücklichen oder geschickten ausnutzen oder unterdrücken können. Das funktioniert, wie man nach einem aufmerksamen Rundblick weiß, mal mehr, mal weniger gut, worauf natürlich immer alle schimpfen, weil die einen gern mehr Macht ausüben wollen würden und die anderen nach mehr Freiheit und einem Stück vom Kuchen streben.

Unsere Gesellschaftsform ist weit vom Perfekt-Sein entfernt, aber die Alternativen sind noch viel weniger charmant: Autokratie, Anarchie und was einem sonst noch so einfällt kranken alle daran, dass alles früher oder später in sozialen, politischen, eventuell auch militärischen Auseinandersetzungen eskaliert, weil Beherrschte in dem Moment unbeherrschbar werden, da sie ihre eigene Beherrschbarkeit verneinen, also die Legitimität der Herrschenden nicht mehr anerkennen und aufbegehren. So ein Prozess kann schnell oder langsam und friedlich oder gewalttätig ablaufen, man weiß vorher nicht, was später dabei heraus kommt, aber schließlich endet dann eine Gesellschaft und eine Neue beginnt. Zum Besseren oder zum Schlechteren. Zumeist wird es allerdings erstmal schlechter…

Aus dem eben Gesagten wird aber auch klar, dass es in jeder aktuell existierenden Gesellschaft eine schlichte Notwendigkeit zur mehr oder weniger aktiven Teilnahme an den sie überhaupt erst erschaffenden Prozessen gibt. Gesellschaft erwächst aus dem Miteinander, aus der Suche nach dem jeweils passenden Kompromiss, aus Ausgleich von Lasten und Gewinnen, schließlich aus dem Balanceakt, das Bedürfnis nach Nähe zu anderen Menschen und den Wunsch nach individueller Freiheit in ihrer Ambivalenz irgendwie in Einklang zu bringen. Das alles klappt nur in einem aktiven, dauerhaften Diskurs als Prozess, der all diese Dinge immer wieder aufs Neue thematisiert, und die erwachsenden Probleme irgendwie löst. Irgendwie, weil es nie die EINE, alle Beteiligten befriedigende Lösung geben kann. Dazu rennen da draußen viel zu viele Menschoiden rum, die zwar teilhaben wollen, sich aber der grundlegenden Vorraussetzungen für ein Gelingen von Teilhabe, nicht nur für sich, sondern auch für alle Anderen, einfach nicht bewusst sind, oder sie aber schlicht ignorieren.

Es gibt durchaus eine Menge Leute, die sowohl das Engagement, als auch den Willen mitbringen, sich selbst einzubringen. Wie schon etwas früher erwähnt freut mich das eigentlich. Diese Freude verebbt jedoch häufig recht schnell, wenn der Enthusiasmus ob der gelingenden Teilhabe, von der ja allenthalben die Rede ist, mit der Realität dessen konfrontiert wird, was tatsächlich stattfindet. Anstatt nämlich den Ausgleich zu suchen, sind viel zu viele solcher Akteure lediglich bestrebt, entweder ihr Interessenportfolio möglichst günstig zu platzieren – wobei das Zuhören oder auch das Verstehen (wollen) anderer Positionen oft genug auf der Strecke bleiben – oder aber sich eine Nische zu schaffen, in der sie es aushalten können. Hinzu kommen tragischerweise nicht selten noch Missverständnisse bezüglich der eigenen Zuständigkeit oder Leistungsfähigkeit, die durchaus nicht unerheblich – nach oben oder nach unten – von der Wahrheit differieren können. Man könnte das jetzt mit dem abschließenden Satz abhaken, das gut gedacht noch lange nicht gut gemacht bedeutet, aber ganz so einfach will ich es mir dann doch nicht machen.

Worauf ich hinaus will ist eigentlich ganz einfach: Ich möchte, das solche Individuen begreifen, dass die Mitarbeit, z.B. in Gremien der betrieblichen Mitbestimmung, nicht dazu da ist, strikt die eigenen Interessen um- bzw. durchzusetzen, um dabei zu übersehen, dass genau dies vielleicht für Andere Probleme bereiten könnte; dass sie lernen, miteinander zu kommunizieren, anstatt immer wieder in die gleichen unnötigen, ermattenden, fruchtlosen und letzten Endes auch verletzenden Verbalgefechte zu verfallen und schließlich, dass sie versuchen, sich zu informieren und ihr Gegenüber wirklich zu verstehen, so dass sie mit Kenntnis und Weitblick anstatt mit Druck und Scheuklappen agieren können. Menschen, die es fälschlicherweise für richtig halten, durch Partizipation nur sich selbst vertreten sehen zu wollen, die den Blick über den Tellerrand, oder auch das selbstständige Tätigwerden in anderer Leute Interesse nicht zum Prinzip ihres Tuns machen wollen oder können, die nicht bereit sind, für die wirklich wichtigen Themen zu streiten, sich dafür aber stets aufs Neue in den unnötigen Kleinteiligkeiten von Detailfragen verlieren, lassen meinen Blick auf Teilhabe an demokratischen Prozessen nämlich furchtbar trübe werden.

Ich glaube, dass ein bisschen Lernbereitschaft, die Fähigkeit von gewohnten Positionen auch mal abrücken zu können und ein wenig Kommunikationstraining hier erheblich helfen könnten, doch leider bin ich mir im selben Moment ziemlich sicher, dass genau jene, die es eigentlich dringend nötig hätten, was dazu zu lernen und ihr Tun mal zu überdenken wahrscheinlich sagen würden, dass sie doch vollkommen richtig agieren. Soll ich jetzt verzweifeln, die mal ordentlich verprügeln, oder mich einfach zurückziehen? Ich weiß es noch nicht, aber vielleicht begreift der eine oder andere Protagonist – egal ob Männlein oder Weiblein – ja doch noch, wie verkehrt der Dampfer ist, auf dem er gerade fährt. Falls nicht, müssten wir sie eigentlich los werden. Aber es sind ja so viele…

Ey, es is Kapismus!

Für alle, die das oben exerzierte Wortspiel nicht kapiert haben – es geht um Eskapismus. Das ist, wenn man etwas Besonderes macht, um wenigstens gelegentlich den grauen Alltag vergessen zu können. Keine Ahnung, ob jetzt schon jedem klar ist, dass das zum einen so klassische Geschichten wie den eigenen Schrebergarten, eine umfangreiche Musik- oder Büchersammlung, regelmäßige Theaterbesuche oder die ehrenamtliche Mitarbeit im ortseigenen Tierheim beinhaltet; genauso aber auch Speedgolfen, Downhillbiken oder Fallschirmspringen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht der Actiongehalt der gewählten Tätigkeit, oder der Preis der notwendigen Ausrüstung – obwohl der bei Männern ja durchaus auch mal für einen Schwanzvergleich taugt – ganz zu schweigen vom Sozialprestige, mit welchem diese verbunden sein mag; nein hier zählt sozusagen nur der individuell zugemessene Gehalt, also das Maß an Realitätsflucht, dass realisiert werden kann.

Man könnte jetzt sagen, dass ein normales Hobby doch keine Realitätsflucht im psychologischen Sinne darstellt, da Vertreter dieser Fachrichtung nach meiner bescheidenen Erfahrung allzu oft recht schnell mit der Unterstellung eines pathologischen – will heißen krankhaften – Sachverhaltes bei der Hand sind. Aber Eskapismus hat für mich in erster Linie keinen psychopathologischen Gehalt, sondern beschreibt, dass man verdammt noch mal eine Pause vom Alltag braucht. Und die Art und Weise in der man sich den Pflichten, Regularien und der Enge des Hier und Jetzt zu entziehen versucht, ist eben etwas sehr eigenes; und so soll es auch sein.

Allerdings bedeuten sehr unterschiedliche Geschmäcker bzw. Interessen auch, dass den just nicht an der Sache beteiligten ein gerüttelt Maß an Toleranz abgefragt werden kann, denn mancher Versuch der Alltagsflucht mutet für den nicht initiierten unter Umständen schon ein wenig sonderbar an. Ich bin Fantasyrollenspieler, ich weiß leider, wovon ich rede.

Aber genau das ist der Kern – „Jedem Tierchen sein Pläsierchen“ ist nicht zu Unrecht seit über 100 Jahren ein geflügeltes Wort und auch wenn die Pluralisierung unserer Gesellschaft seit den Tagen Edwin Bormans und Adolf Oberländers mit Sicherheit zugenommen hat, geht von seiner Gültigkeit kein Jota verloren. Allerdings kann es einem heute passieren, dass die ganze Welt sehr viel schneller von vielleicht auch eher als abseitig betrachteten Freizeitgestaltungsvorlieben erfährt; Facebook und Youtube machen’s möglich. Damit muss man dann halt leben, wenn man für sich den Wunsch nach Tolerierung des eigenen Tuns reklamiert. Wichtig ist mir neben der Akzeptanz des Andersseins einerseits allerdings auch, dass man andererseits durch seine eskapistischen Eskapaden niemandem Schaden zufügt. Sollte ja eigentlich immer so sein, oder? Also, dann mal viel Spaß bei euren Hobbys. Vielleicht muss ich ja nicht immer nur von meinen erzählen…

Wird man hier gerettet?

Normalerweise habe ich – dem Himmel sei Dank – weder das Interesse, noch das Bedürfnis, mich großartig über meinen Arbeitsalltag als Healthcare Professional auszulassen. Was daran liegen dürfte, dass ich effekthascherische Berichte im Stil von „Schauen sie sich mal diese Sauerei an“ als Niveaulos und dem Bild meiner beruflichen Tätigkeit in der Öffentlichkeit wenig zuträglich betrachte. Diese Darstellung korreliert allerdings mit den Eindrücken, welche mir manche meiner Kollegoiden bei ihrer täglichen Verrichtung zu vermitteln die Stirne haben.

Es steht nicht zum Besten um meine eigene Sicht auf meinen Job, obwohl ich ihn immer noch gerne und zumeist auch mit Hingabe ausübe. Das könnte zum Einen an dem Ambivalenz erzeugenden Mittelwert der mannigfaltigen Eindrücke liegen, welche ich im Laufe von fast 20 Jahren über meine Mitmenschen gewinnen durfte, zum Anderen aber sicher auch an meinen – leider in der Summe zumeist negativen – Erfahrungen mit Jenen, welche das Recht haben, meine Arbeitsumwelt nach ihrem Bilde zu gestalten.

Dies ist der Punkt, an dem ich vorsichtig werden muss, denn sicher liest auch irgendjemand von den eben genannten eventuell zumindest gelegentlich hier mit; oder wird allerspätestens in diesem Moment auf mein Blog aufmerksam (gemacht), was dazu führt, dass ich mich nicht im Klartext über die von mir ausgemachten Mängel auslassen werde, da ich keine Lust habe, von meinem Arbeitgeber hernach juristisch belangt werden zu können. Allerdings kann ich nicht umhin, mich zu ein, zwei Bemerkungen über den Grad der Professionalität im Gesundheitswesen hinreißen zu lassen.

Sofern jemand in meinem Beruf das Interesse und Engagement hat, sich selbst tatsächlich als Healthcare Professional sehen und auch dementsprechend handeln zu wollen, bedeutet dies, das er bzw. sie oft genug alleine dasteht! Das heißt, dass man selbst dafür Sorge tragen muss, vernünftige Fortbildungen zu bekommen, in denen nicht wenige Kollegoiden einfach nur störend Zeit absitzen und so den Nutzen beeinträchtigen, sondern man etwas mitnehmen kann. Das man sein gesamtes Tun oder Unterlassen genau dokumentieren und begründen können muss und sich darüber hinaus nicht selten Kollegoiden gegenüber sieht, die bis heute nicht begriffen haben, dass sich die Welt, die Medizin und das Leben in den letzten 20 Jahren weiter entwickelt haben, wodurch manchmal das alte Programm einfach nicht mehr reicht. Und schlussendlich bedeutet es, dass man sich im Falle von auftretenden Komplikationen und Problemen den Rücken selbst frei halten muss – auch und vor allem gegenüber so genannten Weisungsbefugten. Was den jeweiligen Funktionsträger hierbei tatsächlich für seine Position qualifiziert, bleibt häufig genug unerklärbar, was die Gefahr von Reibungsverlusten quasi automatisch heraufbeschwört.

Ja, es mangelt im Gesundheitswesen an verschiedenster Stelle an Professionalität und Qualität, was einer Melange aus überkommenen Strukturen, mangelndem Problembewusstsein, Filz, unnötigem Kostendruck, schwach ausgeprägter Handlungs- und Sozialkompetenz, sowie Lernunwilligkeit verschiedenster Personengruppen geschuldet ist. Dass dieses System nicht schon lange kollabiert ist, verdankt es einzig und allein dem Engagement jener, die tatsächlich Healthcare Professionals sind und nicht einfach nur so tun! Ich hoffe, dass meine diesbezügliche Motivation noch eine Weile vorhält, denn ich habe den Eindruck, als wenn es in letzter Zeit immer schlimmer wird…

Sollte bei irgendeinem der Eindruck entstanden sein, dass ich nicht ohne Ansehen von individueller Herkunft, Weltanschauung und sozialer Schicht alles situationsabhängig Nötige und Richtige für meine Patienten tun würde, will ich dem noch mal in aller Vehemenz widersprechen. Es ist nicht meine Arbeit, die mir Probleme bereitet, sondern es sind die Umstände, unter denen sie erbracht werden muss. Und deren Verbesserungsbedürftigkeit betrifft alle möglichen Beteiligten, nicht nur innerhalb meiner eigenen Zunft. Vielleicht ist das einer der Hauptgründe, warum es mich in den Bildungsbereich zieht, denn ich glaube, in meinem Metier ist da noch viel Entwicklungsspielraum.

Was ich bin? Rettungsassistent! Und ob man bei mir gerettet wird? Darauf darf man sich getrost verlassen; nur für gewisse Teile des restlichen Systems würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen!

Ich bin ein alter Sack?

Ja, ja, älter werden ist ein furchtbares Problem. Jetzt hat ein deutsches Printmedium von nicht unerheblicher Reichweite die Generation ab 40 als neue Problemzone ausgemacht, jene Menschen, die, so man verschiedenen Verlautbarungen glauben schenken möchte, gerade ihr anstrengendstes und ausgefülltestes Lebensjahrzehnt hinter sich haben. Wird anfangs noch davon gesprochen, dass man ja zwischen 40 und 50 den Zenit des Wohlstandes erreicht hat, bejammert man dann wenig später, dass Menschen dieses Alters in unserer wunderbaren Wohlstandsgesellschaft ja vollkommen gerädert von Karrierestress, Familiengründung und Hausbau in ein tiefes Loch der Traurigkeit fallen, weil der Glaube in den eigenen Nutzen angeblich in dem Maße schwindet, wie sich Aufstiegschancen verringern und man sich mit dem Überschreiten einer gedachten Lebensmitte seiner eigenen Vergänglichkeit bewusst wird. Ach verdammt, ich muss ja bald sterben…

Und die letzten Babyboomer, die gerade eine halbe Generation vor einem sind – jetzt also so um die 50 – verbauen einem ja den Weg nach vorne, nach oben und überhaupt sind die Leute meiner Alterskohorte, so Ende 30, Anfang 40 ja alle so auf Konsens weichgespült worden, dass es uns an den guten alten Primärtugenden des Aufdentischhauens, Sichdurchsetzens, Anderewegbossens, Durchregierens und Aussitzens deutlich mangelt. Möglicherweise ist dem Autor entgangen, dass es die Aufdentischhauer, Sichdurchsetzer, Anderewegbosser, Durchregierer und Aussitzer waren, die unseren Staat an den Rand des Abgrunds manövriert, alles Vertrauen in die Eliten verspielt, uns unglaubliche Schuldenlasten angehäuft und das Gesamteuropäische Klima bis zur beinahe absoluten Ungenießbarkeit vergiftet haben. Ich HASSE schlecht durchdachte Sommerlochfüller, die mal dieser, mal jener Zielgruppe suggerieren sollen, dass sie doch ein Problembewusstsein für die eigene Situation braucht – Psychoratgeber und Medikationsvorschläge oft genug unnötiger Weise inklusive, denn ob ich krank bin oder nicht, entscheidet nicht die Kanaille von der Journaille, sondern ein geeigneter Facharzt.

Ich will ehrlich sein – ich habe mir nicht die Mühe gemacht, irgendwelche sozialwissenschaftlichen oder psychologischen Studien zu lesen, bevor ich diese Replik zu dem „Stern“-Titel der Woche zum Thema „40 Jahre alt, was kommt jetzt“ in die Tasten hub. Braucht es auch gar nicht, da mir die je nach Lesart variable Interpretierbarkeit solcher Studien durch Kenntnis der zu Grunde liegenden Methoden bewusst ist. Ob die bescheidene Argumentation der Redakteure eher auf Unwissen und mangelhafter Methodenkompetenz, oder doch auf der Notwendigkeit für ein paar Füllerseiten beruht, weiß ich nicht, aber weder das Interview mit Frau Klumm noch der Themenartikel voller Allgemeinblatz und semi-lustiger Schenkelklatscher wussten zu überzeugen und das aus mehreren Gründen.

Immer noch scheint man beim Stern nicht zu wissen, welcher Art von Tätigkeit der größte Teil der Durchschnittsverdiener in der BRD nachgehen, wie deren Lebenssituation und Blick auf die Dinge aussehen und das Karrieresorgen alles in allem hier eher eine untergeordnete Rolle spielen. Wohl denen, die sich um eine Karriere überhaupt Sorgen machen müssen. Luxusprobleme sind allerdings selten existenziell. Darüber hinaus unterstellt die Schreibe, dass man jenseits der 40 automatisch abbaut, nicht mehr vorwärts denkt, sich langsam ins Altern zurück zieht und die Dinge geschehen lässt, alles auf Konsens ausrichtet, sein Engagement einschränken muss und keine Möglichkeit zum Wachstum mehr hat. Eine recht eindimensionale Perspektive für jemanden, der vermutlich eine akademische Ausbildung genossen hat.

Nach meiner Erfahrung sind es überkommene, allerdings vielerorts immer noch gelebte soziale Rollenmodelle, die eine solche Lebenshaltung tatsächlich in Menschen entstehen lassen, doch eine Gesellschaft wie jene, in welcher wir hier leben, die sich in immer größerem Maße pluralisiert, in der Kenntnisse, Fähigkeiten, Wissen und vor allem Erfahrung eine immer größere Rolle spielen kann es sich nicht leisten, derartigem Denken und Handeln Vorschub zu leisten; es verbietet sich sogar, mit Omas Unfähigkeit zur situationsadäquaten Verhaltensadaption zu kokettieren, denn derartiger Unfug lässt Menschen tatsächlich glauben, dass es OK ist, ab 40 langsamer zu werden und sich gedanklich auf die Rente vorzubereiten.

Was für ein hanebüchener Bullshit allererster Güte! Ich kann und werde mich nicht mit der Idee anfreunden, einen nicht unerheblichen Prozentsatz des Potentials unserer GEsellschaft einfach brach liegen zu lassen, oder noch besser die Träger dieses Potentials dazu ermutigen, dies zu tun. Ich will, dass genau solche Menschen aufwachen, sie anleiten, ihre Ressourcen sinnvoll einzusetzen und zu lernen, was Nachhaltigkeit tatsächlich bedeutet – nämlich all mein Tun an der Zukunft zu orientieren, nicht nur für mich, sondern auch für die folgenden Generationen. Das funktioniert aber nicht, wenn ich ab 40 langsam aber sicher mental in Rente gehen, denn genau auf meine Generation wird es ankommen, wenn es für meine Kinder noch eine lebenswerte Zukunft geben soll.

Ich bin streitbar, lernwillig, hungrig auf Wandel und Willens, etwas dafür zu tun und ich will so einen Lückenfüllerhumbug über eine Generation, die angeblich mit dem Kopf schon halb im Altersheim ist nicht mehr lesen müssen, sonst kriege ich Plaque!