Auf dem Entschleunigungsstreifen…

Sonnendurchflutete Hügellandschaften, bewachsen mit allerlei südlichem Laubgehölz umfrieden ein Natursteinhaus, hinter welchem man einen kleinen Pool finden kann, der sich allerdings am Hügel knapp unterhalb eines auf charmante Art dezent verwilderten Renaissancegärtchens findet. Das klingt nach einem Ort, der durchaus zum Verweilen einlädt, insbesondere wenn man den Umstand in Betracht zieht, dass der Besitzer des Anwesens sich nicht nur die Freiheit nimmt, Teile des Hauses – natürlich gegen ein Entgelt – zum Bewohnen auf Zeit anzubieten, sondern überdies auch ein recht ordentlicher Winzer zu sein scheint.

Abzüglich der üblichen Urlaubsimmanenten Missgeschicke und Reibungsverluste doch ein ziemlich hübscher Entschleunigungsstreifen, auf den ich meinen müden Geist gebracht habe. Langsamer zu leben bedeutet allerdings nicht unbedingt, langsamer denken, oder gar unproduktiv sein zu müssen, obschon ein gutes Stück echter Müssiggang – und für Solchen bedarf es ebenso genuiner Tiefenentspannung – natürlicher obligater Bestandteil der Erholungszeit von der Drangsal der Lohnarbeit sein sollte. Sonst braucht man keine Arbeitsunterbrechung!

Das Leben solcher Art zu entschleunigen bedeutet auf der Verlustseite, keinen bzw. nur sehr eingeschränkten Internetzugang, kein Fernsehen, keine Tageszeitung und wenig tiefer gehende soziale Interaktion abseits der eigenen mitgereisten Verwandschaft und gelegentlicher Bekanntschaften zu haben. Auf der Gewinnseite steht Zeit; Zeit zum (lustvollen!) Lesen, Zeit zum Erkunden neuer Orte, Zeit zum Genießen und schlussendlich Zeit zum Nachdenken. Und die brauchte ich in letzter Zeit reichlich!

Man hört häufig davon, dass Leute, zumeist solche, die ein wenig bekannter sind als ich auf Reisen gehen, um sich selbst (wieder?) zu finden; was in mir die Frage aufwirft, ob man sich denn erst richtig verlieren muss, um sich wiederfinden zu können, oder ob man sich auch dafür qualifizieren kann, indem man nur ein bisschen vom Weg abkommt, welcher Weg das auch immer sein mag…? Und ist das, was man so zu finden hofft im Erfolgsfalle zwingend besser als dass, was man vorher an sich hatte? Ehrlich gesagt hab ich diesbezüglich für andere Menschen bestenfalls eine Ahnung, aber keinen Ratschlag. Was jedoch mich betrifft, so weiß ich sehr genau, was ich an mir habe und was nicht, wobei das Haben und das Nichthaben jeweils sowohl positive, als auch negative Seiten besitzen. Ich muss demnach zumindest nichts wiederfinden, sondern habe vielmehr Dank der Entschleunigung Rechenleistung für aktuelle Problemstellungen frei, die sich ergeben haben.

Immer wieder im Leben kommen wir an Scheidewege; entweder, wenn sich durch neue Kenntnisse und Erlebnisse unsere Prioritäten verändern, oder wenn sich die persönlichen „Umgebungsparameter“ durch äußere Einflüsse mehr oder weniger nachhaltig verändern. Derlei zwingt uns zumindest, das bisherige Vorgehen zu Überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Wenn wir uns dann allerdings geliebter Gewohnheiten entledigen müssen, schlicht weil deren Basis nicht mehr existiert, tut das trotz des Wissens um die Dynamik weh. Solcher Schmerz kann allerdings auch klärend auf den Geist wirken und in mir ist die Erkenntnis gereift, dass es an der Zeit ist für Veränderungen. Wenn man nach Jahren des Stillhaltens, Duldens und Hoffens auf besseres Wetter endlich bemerkt hat, dass man bestimmte „Umgebungsparameter“ trotz aller Bemühungen nicht zum Positiven wenden kann, ist es wahrscheinlich an der Zeit, die Umgebung zu wechseln und auf bessere „Parameter“ zu hoffen…

„Should I stay, or should I go…?“

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