Gegangen durch die Ä-gyp-ter…?

Präsident Mursi nach tagelangen Protesten durch weite Teile der Bevölkerung weggeputscht – STOP – Lage im Moment ruhig – STOP – Große Teile der Bevölkerung feiern – STOP – Muslimbrüder rufen zu Gegenprotesten auf – STOP – Weiterer Weg Ägyptens im Moment unklar – STOP – Intervention notwendig? – STOP…

Zu den Fakten: der erste demokratisch gewählte Präsident Ägyptens wurde durch das Militär aus dem Amt entfernt. So was nennt man einen Putsch. Sein Regierungsstil könnte als wenig Konsensorientiert betrachtet werden und sicherlich sind die politischen Ansichten der Muslimbrüderschaft vielen säkular orientierten Menschen viel zu sehr an der Sharia ausgerichtet, um als Grundlage für die Ausrichtung eines in vielerlei Hinsicht schon sehr lange weltlich orientierten Staates empfunden werden zu können. Das ist allerdings unsere westliche, Leitkulturideeverseuchte Lesart der Dinge.

Wir Europäer, oder vielleicht besser wir Mitteleuropäer, neigen sehr gerne dazu, unsere Idee davon, wie eine Gesellschaft günstiger Weise beschaffen zu sein hätte als allein sinnvolles, ja sogar selig machendes Prinzip zu betrachten und dies auch jedem zu erzählen, gleich ob er es hören mag, oder nicht. Die Amerikaner gehen noch einen Schritt weiter und exportieren ihre Ideologie gleich aktiv in jene Regionen der Welt, in denen man Bodenschätze… ähm, pardon, ich meinte natürlich Menschen findet, die nach dieser Ideologie dringend der Demokratie bedürftig sind. Mit der Demokratie erleiden sie dabei eigentlich immer Schiffbruch, aber wenigstens der Zugriff auf die Bodenschätze … ach lassen wir das.

Wenn ein Bundesaußenminister sich hinstellt und vor der Kamera alle Beteiligten am Konflikt zu Besonnenheit aufruft, dann folgt er lediglich einem formalisierten Ritual institutioneller Bigotterie, dem alle Angehörigen des politischen Standes der so genannten ersten Welt verpflichtet sind. Im Grunde positionieren alle zunächst ihre Figuren für die nächsten Züge im geopolitischen Kampfschach. Wie das mit Ritualen so ist – sie werden mit der Zeit berechenbar, da staatliche Interessenportfolios gewissen politischen Sphären zuordenbar sind. Letzten Endes geht es immer um die eine Frage: Was springt für uns dabei heraus? Und wer glaubt, in der BRD würden die Uhren diesbezüglich anders ticken, dem rate ich dringend mal darüber nachzudenken, welchen Partnern wir verpflichtet sind, wo unsere Rohstoffe herkommen und unsere Exporte hingehen. Money talks – und sonst hat hier niemand was zu melden!

Würde man sich als denkendes Individuum gerne auf seine ökonomischen Interessen reduzieren lassen – auch wenn, ganz nüchtern betrachtet, die pekuniären Zwänge tatsächlich für fast jeden von uns einen nicht unerheblichen Teil des Handlungsspielraumes beeinflussen – könnte man sagen, der Westerwelle hat Recht, wenn er sie zur Ordnung ruft. Geopolitische Instabilitäten sind schlecht für’s Geschäft und damit schlecht für unsere Binneneinkünfte. Wenn da nicht der Umstand wäre, dass ich mir vieler Dinge sicher bin; jedoch NICHT der Repräsentation MEINER Interessen durch UNSERE Politiker. Denn ich persönlich bin durchaus der Ansicht, dass zum Beispiel die Ägypter sehr wohl in der Lage sind, selbst heraus zu finden, was das Beste für sie ist. Und das muss nicht unbedingt eine Verfassung wie die unsere sein, denn solange sich die säkularen und die religiösen Kräfte nicht miteinander aussöhnen und einen Konsens finden, wird ein Land wie dieses nie zur Ruhe kommen. Solange Nationen jedoch aus der politischen Perspektive immer nur als Bankkontenbündel betrachtet werden, ist es sehr schwer, auf die Bedürfnisse abseits der Ökonomie einzugehen. Und die sind mannigfaltig.

Womit wir bei der grundlegenden Frage wären, was uns westliche Menschen zu der Arroganz veranlasst, zu glauben, wir wüssten, was für die Menschen anderswo auf dem Erdenrund das Richtige und Wichtige ist? Würden wir uns von diesem Stuss verabschieden, könnten wir die Dinge vielleicht mal etwas unvoreingenommener betrachten. Vielleicht würden wir dabei ja feststellen, dass nicht nur deren, sondern auch unsere Interessen auf andere Art und/oder durch andere Menschen besser vertreten werden könnten. Dieser Gedanke lässt mich hoffen.

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