Scheitern kann erheitern!

“Fake it, until you make it!” Ein Teilnehmer in einem meiner Lehrgänge meinte dieser Tage, das mit der Fremdsprache sei nicht so sein Ding. Kann ich nachvollziehen, viele Leute struggeln mit etwas anderem als ihrer Muttersprache; Herrgott, genug Menschen struggeln mit ihrer Muttersprache! Wie dem auch sei, ich übersetzte es für ihn mit dem “Prinzip SATAN: Sicheres Auftreten Trotz Absoluten Nichtwissens!” Manchmal müssen wir uns durchwursteln und es auf unterschiedliche Arten probieren, bis es endlich klappt. Verschiedene Teile unserer heutige Kultur – insbesondere Verfechter und Anhänger toxischer Maskulinität, wie die ganzen Idiot*innen, die Trump gewählt haben – tun allerdings gerne und oft so, als wenn wir alle immer und überall Siegertypen sein müssten; unbezwingbar, unerschütterlich – und unbelehrbar. Man könnte fast meinen, dass die alle niemals von ihrer Mama oder ihrem Papa getröstet wurden, wenn sie als Kind mal auf die Fresse gefallen sind… Hm… Aber wenn man tatsächlich immer ein*e Sieger*in sein soll, wie kann man überhaupt gelernt haben, zwischen Sieg und Niederlage, oder besser zwischen Erfolg und Scheitern zu unterscheiden…? Sind die alle als Meister ihrer Welt vom Himmel gefallen?

Man kann das auch in einer der Fachpostillen meines Gewerkes beobachten; die haben in jeder Ausgabe Kasuistiken, also Beschreibungen rettungsdienstlicher Fälle. Fast all diesen Kasuistiken ist zu eigen, dass die Kolleg*innen kamen, sahen und siegten. Man war zu jeder Zeit Herr der Lage und hat (so gut wie) keine Fehler gemacht. Nach meiner persönlichen Erfahrunge sind solche Kasuistiken die absoluten Ausnahmen und das Bild, welches damit für die Leser*innen erzeugt wird, ist ein riesengroßer, dampfender Haufen cremiger Bullenscheiße! Mich interessieren die Fälle, bei den das typische Veni, Vidi, Violini passierte – ich kam, sah und vergeigte. Um an seinen Aufgaben wachsen zu können, ist es nämlich notwendig, die sogenannte Komfortzone zu verlassen. Jenes bequeme Sofa der gemütlichen, sich selbst niemals hinterfragenden Denk- und Handlungsschleifen in unserem Hinterkopf, dass ab und an durch die Absonderung von so unsagbar dämlichen Aussagen wie “Das haben wir schon immer so gemacht” auf sein Vorhandensein hinweist, ist allerdings ein sehr verlockender Ort. Denn wer sich nicht kritisch mit dem eigenen Handeln auseinandersetzt, läuft halt auch nicht Gefahr, irgendwas zu finden, was ihm/ihr nicht gefällt. Das Verlassen der Komfortzone ist also stets mit der Gefahr verbunden, sich mal für ein paar Augenblicke nicht mehr so toll finden zu können, weil man feststellt, dass doch nicht alles so shiny war, wie man sich das immer gerne selbst einredet. Aber wer sich nicht mehr hinterfragt, wird zwangsläufig von der Welt überrollt, weil die Welt sich einfach weiterdreht. Mit oder ohne dich!

Bewusst aus der Komfortzone heraus zu kommen bedeutet, eigenes Scheitern als eine Möglichkeit anzuerkennen. Davor haben viele Menschen Angst, weil sie schon ein einzelnes Handlungs-Scheitern mit einem Persönlichkeits-Scheitern gleichsetzen; was allerdings vollkommener Quatsch ist. Niemand ist ein schlechterer Mensch, weil er oder sie mal einen Fehler macht. Denn die meisten unserer Handlungs-Fehler haben eher geringe Konsequenzen, geben uns als Individuen aber in unserer Gedankenwelt der Lächerlichkeit preis. Wir fürchten nicht die Konsequenzen des Fehlers an sich, sondern die Reaktion anderer Menschen darauf – insbesondere deren Spott oder deren Kritik. Wir wissen, dass die anderen diesbezüglich ja nicht besser sind als wir selbst und nehmen daher anderer Leute Fehler gerne als Anlass, mit dem Finger darauf zu zeigen, weil es vermeintlich vom unserem eigenen Fehler-Potential ablenkt. Aber jeder von uns macht jeden Tag Fehler; manchmal ist der erste, überhaupt aufzustehen. Unsere Fehler sind jedoch kein Anlässe, irgendjemanden der Lächerlichkeit preiszugeben, verweisen sie uns doch auf neue, andere Möglichkeiten eine bestehende Herausfoderung anzugehen oder ein Problem zu lösen. Fehler sind Lernanlässe – keine Punishment-Anlässe!

“Life is a lesson, you learn it, when you do it!” [Limp Bizkit 2000: Take a look around] Ich würde Fehler also gerne als partikulares Vorwärts-Scheitern bezeichnen, als Momente, in denen die normative Kraft des Faktischen meine Wahrnehmung um einen Hinweis auf eine zukünftige Vermeidung durch Verhaltensmodifikation bereichert! Geht aber nur, wenn ich die Komfort-Zone verlassen habe. Womit ich nicht so verstanden werden möchte, dass ich den Menschen rate, häufiger mal “Hold my beer!” zu sagen. Selbst risiko-averses Verhalten birgt immer ein Restrisiko in sich. Insbesondere dann, wenn man in einem riskanten Job arbeitet. Da muss man nicht auch noch nachhelfen. Aber ich plädiere dafür, endlich von diesem typisch deutschen Persönlichkeitsfehler weg zu kommen, für alles was schief läuft nach einem Schuldigen suchen zu müssen, damit ich DEN öffentlich auspeitschen kann! Das bringt niemanden weiter, weil es den oben beschriebenen Mechnismus befördert, sich mehr um das eigene Ansehen zu kümmern, als um die eigentlichen Sachprobleme und das Entstehen der Fähigkeiten, diese lösen zu können. Lasst uns doch alle gemeinsam gelegentlich vorwärts scheitern. Das würde uns wesentlich schneller voranbringen, als diese miefige Bedenkenträgerei, die narzisstische Sorge um das eigene Ansehen oder das Gejammer, wenn man mal sachlich kritisiert wird. Denn ohne eine sachliche Kritik, welche die wesentlichen Gründe eines jeweiligen Scheiterns aufdeckt, würde natürlich keine Entwicklung entstehen können! Aber soweit sind wir als Gesellschaft, selbst als einzelne Berufsgruppe wohl noch nicht. Na ja, da bleibe ich wohl doch weiter bei Kästner: “Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!” Schönen Samstag, ihr Flitzpiepen…

Auch als Podcast…

Der Irre-lefant…

Manche Menschen neigen dazu, sich selbst sehr wichtig zu nehmen. Oftmals viel wichtiger, als sie es eigentlich sind. Das liegt einerseits daran, dass Posten und damit vermeintlich einhergehende Macht einer bzw. einem allzu leicht den Wunsch einflüstern, diese “Macht” auch benutzen zu wollen. Der Fehler hierbei liegt darin, dass ein Machtgebrauch in den allermeisten Fällen zunächst durch diejenigen, über die Macht ausgeübt werden soll legitimiert werden muss, damit ein solches Machtdifferential überhaupt funktionieren kann; immerhin leben wir hier nicht in Nordkorea. Dort macht der Gebrauch einer Kalaschnikow als spürbares Symbol eines real existierenden Machtanspruchs die, der Demokratie üblicherweise zugerechnete Suche nach Mehrheiten und Konsens natürlich vollkommen nutzlos. Andererseits ist es eine der grundlegenden Funktionen unseres sozialen Miteinanders, nach Anerkennung durch die Anderen zu trachten; sich zu wünschen auf diese spezielle Art “gesehen” und gewertschätzt zu werden, die besorgt, dass wir uns so wunderbar selbstwirksam fühlen und glauben, wirklich Kontrolle über Wohl und Wehe unserer Existenz ausüben zu können. Muhahahahahahaha – ja, die uns allen innewohnende Kontrollillusion ist schon ein Arschloch sondergleichen. Das trifft mich als Führungskraft ebenso, wie als unerschütterlichen Left-Wing-Sozialdemokraten. Und trotzdem hält sich meine Verzweiflung irgendwie immer noch in Grenzen!

Ich finde unsere menschliche Resilienz gegen die Tatsache, dass wir das “Dahinter” jener unüberwindbaren Grenze der nächsten Sekunde weder heuristisch, noch spirituell, noch technisch oder sonstwie antizipieren können immer noch und immer wieder unglaublich faszinierend; und gleichsam unglaublich dumm. Wir einfachen Menschlein GLAUBEN doch wirklich immerzu, in die Zukunft schauen, ja diese sogar mitgestalten zu können – jedoch liegt das Schicksal unserer Welt (und damit auch unsere Zukunft) immer häufiger in den Tremorgeschüttelten Händen alter, kranker, seniler, im Besten Falle jedoch sehr sturer Männer, deren “beste Absichten” darin bestehen, ihre Macht um jeden Gottverdammten Preis erhalten zu wollen; nicht durch das “Prinzip Konsenz”, sondern durch das “Prinzip Kalaschnikow”, dafür steht die Abkürzung PK und nicht etwas für Parteikongress… An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich die Faschisten-Muttis Meloni, Weidel und Le Pen so sehr in den Dienst einer Agenda gestellt haben, dass ich sie ob ihrer Haltung, ihres Gestus, ihrer Äußerungen und Handlungen noch als weiblich lesen könnte; das zeigt sich höchstens dann, wenn sie die “Waffen einer Frau” instrumentalisieren, um zu bekommen, was sie unbedingt ebenso sehr wollen, wie ihre männlichen Faschisten-Kollegen: Macht!

Man könnte nun an diesen Wahrnehmungen verzweifeln, ja sich vielleicht sogar resigniert aus dem öffentlichen Markt der Meinungen zurückziehen und warten, was als nächstes passiert. Oder man legt sich Dachlatten (mind. 40x40mm), Kabelbinder, Plastikplane, Schaufeln, Handbeile, Brandbeschleuniger und anderes hilfreiches Material ans Lager, für den leider nicht absolut unwahrscheinlichen Fall, dass diese Feinde der Menschlichkeit wirklich jemals bei uns an die Macht kommen sollten. Bis es jedoch soweit wäre, sind sie argumentativ überall zu bekämpfen, wo die Medusa des Faschismus eines ihrer hässlichen Häupter erhebt – immer schön dran denken: den Kopf nicht abtrennen, sondern einfach nur zu Brei schlagen; natürlich jedoch nur verbal… Und was meine andere Rolle als Pädagoge, wie auch als Führungskraft angeht, so ist es meine Aufgabe, Menschen dazu zu ermächtigen, selbst denken und auf Basis der dabei gefundenen Erkenntnisse handeln zu können. Selber denken zu können war schon immer ein Motor für demkokratische, vor allem aber auch für humanistische Prozesse; denn eigentlich ist ein humanistisches Menschenbild die weitesgehend unausweichliche Konsequenz ernsthaft tiefgründigen Philosophierens über unser Dasein und dessen Zweck. Denn wenn man das – aus meiner Sicht vollkommen nutzlose – Streben nach Reichtum (und damit vor allem nach Macht über andere) einmal beiseite legt, bleibt nur noch eines: ein sinnstiftendes Miteinander zu pflegen! Worin sich dieses am Ende für jede*n von uns konstituiert, ist mir einerlei. Gründet Vereine und repariert, was auch immer ihr in die Finger kriegt: Technik, Beziehungen, Menschen, euren Kiez, whatever. Ihr werdet nur zum Irre-Lefant, wenn ihr euch von den ganzen bösen Menschoiden da draußen irre machen lasst und daraus den (unzulässigen) Schluß zieht, dass euer Denken, Tun und Lassen nicht relevant wären. Menschen dazu zu bringen, sich mit solcher – POSITIVER – Denke zu beschäftigen ist MIR Lebenszweck geworden!

Und den Faschisten sage ich: ¡Los fascistas no pasarán! ¡No pasarán!

Ich wünsche euch ein verf***t schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

New Work N°19 – Wen sollte man zum Chef machen…?

Immerzu geht es um’s liebe Geld. Nicht das Geld jemals lieb zu irgend jemandem gewesen wäre, das können halt doch nur andere Lebewesen bewerkstelligen. Aber zur Kohle drängt, an der Kohle hängt doch alles. Muss auch meine 15jährige schon verstanden haben, wenn sie auf die Frage, was sie mal werden möchte mit dem Brustton der Überzeugung “Reich!” antwortet. Das stellt hier keine Wertung dar, denn mit 15 materialistisch zu sein, weil man neuerdings bewußt wahrnimmt, dass ein gutes Leben gutes Geld kostet, war, ist und bleibt ein vollkommen normaler Bestandteil des Erwachsenwerdens. Ich war in dem Alter ja nicht anders. Was im Privatleben stimmt, ist im Geschäftsleben oft genauso wahr. Allerdings sollte man die Dinge hier ein wenig differenziert betrachten. Die Allermeisten von uns managen nämlich keinen Überfluss für einen Jahresbonus und irgendwelche Shareholder (auch bekannt als “Rendite”), sondern den Mangel an Überfluss vor einem jeweiligen Monatsende (auch bekannt als “überzogener Dispo”).

Dennoch denkt man naiverweise gerne, dass ein CEO, gleich in welcher Art von Unternehmen vor allem wirtschaftliche Kompetenz bräuchte. Allen die blödsinnigerweise immer noch glauben, dass studierte Wirtschaftswissenschaftler echt besser haushalten könnten, als eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern empfehle ich daher wärmstens das Buch “Der schwarze Schwan” von Nicolas Nassim Taleb; das hilft enorm beim Realitätscheck…! Daron Acemoğlu, einer der drei diesjährigen Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften hat vor knapp zweieinhalb jahren ein Paper veröffentlicht, in welchem er und sein Team feststellten, dass der Einsatz von von Leuten mit MBA oder artverwandtem Abschluss als CEO in Nachfolge nicht studierter CEOs dazu führt, dass a) die Gehälter um mehrere Prozentpunkte sinken und b) der Anteil der Gehälter an der Bilanzsumme zurückgeht. Oder anders formuliert: die auf cost-efficiency dressierten WiWi-Absolventen der letzten Jahrzehnte fangen umgehend an, die wichtigste Ressource kaputtzusparen, welche jedes Unternehmen hat: nämlich jene Menschen, die tatsächlich Wertschöpfung betreiben, wenn denn überhaupt effektiv irgendwelche Werte geschaffen werden. Denn waschechte Bullshitjobs, die nichts zum Fortkommen der Menschheit beitragen, gibt es ja nun genug.

Ob ich denke, dass man gar keine Menschen mit hoher wirtschaftlicher Kompetenz bräuchte, um Unternehmen erfolgreich führen zu können? Natürlich nicht; denn ein wirtschaftlich sinnvoll geführtes Unternehmen wird alsbald zu einem sicheren Hafen für hunderte bis tausende Existenzen, welche ihr Ein- und Fortkommen an das Funktionieren der Geschäftstätigkeit ihrer Arbeitgeber geknüpft haben. Der daraus erwachsenden Verantwortung sind sich viele Chefs aber offenkundig nicht bewusst! Ob ich denke dass man manche Unternehmen lieber durch wissenschaftlich ausgebildete Menschen anderer Fachrichtungen führen lassen sollte? Oh ja; allerdings unter der Prämisse, dass man ihnen die dennoch zwingend notwendige wirtschaftliche Kompetenz an die Seite stellt. Die Krux am Leiten von Unternehmen ist jedoch, dass dieses nur vermittelt durch die Leitung und Führung der vorhin erwähnten Menschen funktioniert. Diesbezügliche Inhalte machen allerdings – gemäß einer kurzen Analyse durch ChatGPT 4o – in verschiedenen Ausbildungsprogrammen nur einen Anteil von 15 – 25% am Gesamtcurriculum aus, obwohl sich daraus später 60 – 70% der täglichen Arbeit ergeben. Ich persönlich denke, dass Psychologen und Pädagogen zumindest in Tendenzunternehmen wesentlich besser dazu geeignet sind, die Geschäftstätigkeit zu lenken, als Wirtschaftwissenschaftler. Menschen beurteilen, systemisch-analytisch denken, klare Entscheidungen treffen, ggfs. Sanktionen aussprechen und durchsetzen können wir auch – wahrscheinlich oft sogar besser. zumindest wir Pädagogen üben nämlich meistens mit viel mehr Sparringspartnern gleichzeitig…!

Ich weiß, dass es sehr, sehr viele Menschen ernsthaft denken, dass Geld sowie dessen Erwerb und Ansparung das ALLER- ALLERWICHTIGSTE im Leben seien. ICH persönlich denke jedoch, dass unsere Beziehungen das wichtigste in jedem Leben sind. Und dieses Mal sage ich ganz klar, dass diese Aussage aus meiner Sicht im Geschäftsleben genauso uneingeschränkt wahr ist, wie im Privaten. Ich habe gerade mehr oder weniger 2 Wochen ununterbrochen im Lehrsaal an Themen rings um Kommunikation, Beziehungen, Führung, Wahrnehmung und pädagogisch-didaktisches Handeln gearbeitet. Und ich kann mich deshalb genau jetzt nicht mehr des Eindruckes erwehren, dass manche Menschen in meinem beruflichen Umfeld nach falschen Prämissen handeln. Ob und wie man daran etwas ändern kann, weiß ich nicht. Aber es macht mich jedes Mal traurig, wenn ich die Zeit finde, intensiv darüber nachzudenken. Wie kann man den Elefanten im Raum nicht sehen, obwohl er einem doch den Rüssel auf die Schulter legt und laut trompetet? Nun ja… das Spätjahr wird sehr geschäftig, so dass ich – pflichtbewusst und erfüllt von jener protestantischen Arbeitsethik, die mein Vater mir vererbt hat – meine weiteren Erwägungen hierzu vermutlich auf die Zeit rings um Tannenbäume, liebliches Prassen und die stets nervige Suche nach den passenden Präsenten verlegen muss. Aus den Augen verlieren werde ich es jedoch ganz sicher nicht. Denn mein Körper ist mittlerweile einfach zu alt, um meine Zeit mit vielen nutzlosen Gesprächen, schlechtem Schnaps, unnützer, stupider, unkreativer Arbeit, miesem Essen und uninspirierenden Menschen zu verschwenden. Dafür ist meine Seele einfach noch zu jung! Wish you a nice weekend.

Im Funkloch

Ich bin, um dies einmal mehr unumwunden zuzugeben, einer von dieser Online-Junkies, über die so oft geschrieben wird. Ich – white, middle-aged cis-gender guy – stromere sehr oft durch verschiedene der, von mir so gerne so derb gescholtenen Antisocial-Media-Plattformen, um ein bisschen auf dem Laufenden zu bleiben, was die Kinder (also jene Menschen, denen meine Lebens- und Einsatzerfahrung abgeht) jetzt wieder umtreibt; ja verdammt, da bin ich ein bisschen bigott! So what, ihr Schlumpftulpen? Und da bin neulich von einem Anfang 20jährigen darauf hingewiesen worden, dass es ihn irritiere, dass ich über Phänomene informiert wäre, welche doch eher der Jugend vorbehalten seien. Ich nehme das als Kompliment, weil es mir sagt, dass ich immer noch in der Lage bin, als Pädagoge und Mensch auf lebensweltlich relevante Themen meiner SuS zu reagieren. Das bedeutet jedoch mitnichten, dass ich nun jeden noch so osbkuren Dreck kenne, der aus dem Huzz and Buzz der selbsternannten Trendmaschinen emergiert. Selbst meine 15-Jährige meint manchmal einfach nur “So ein Scheiß!”, wenn wir uns über “Trends” unterhalten. Aber ja, ich gebe es zu – diese Dinge interessieren mich immer noch. Keine Sorge, ich trage immer noch keine weißen Sneaker und diesen ganzen anderen Rotz, der bei Gen-Z-lern heutzutage (wieder) so hart trended. Ich war schon da, als vieles davon das erste Mal er heiße Scheiß war – und ich fand’s schon damals zum Kotzen…

Nun bin ich derzeit im schönen Schwarzwald unterwegs – okay, ziemlich oft ist es derzeit der neblige Schwarzwald, aber das tut hier jetzt nicht so viel zur Sache – um eine neue Klasse in der Einführungswoche zu begleiten und zu unterrichten. Eine Aufgabe, die ich mittlerweile schon öfter übernommen habe und die mir immer noch Freude bereitet. Und auch dieses Mal ist es Teil des Designs, dass das Netz hier nicht überragend ist. Was stets zu mildem Gejammer führt, denn irgendwie bin ich offensichtlich NICHT der einzige Online-Junkie hier; wohl der Älteste, aber bei weitem nicht der Einzige. Ist ja aber nicht so, dass man GAR NICHTS online tun könnte… Ich durfte allerdings dieses Mal wohltuender weise beobachten, dass tatsächlich mal Dinge passieren, die ich mir bei so einem Setup jedes Mal wünsche: nämlich dass die zumeist jungen Leute die Gelegenheit beim Schopfe packen und Dinge tun, die sie sonst eher nicht tun würden. Etwa sich aufeinander einzulassen, ehrlich ins Gespräch zu kommen, interessante Spiele zu spielen und – echt wahr – gemeinsam wandern zu gehen. Ganz so schlimm ist das Funkloch dann wohl doch nicht. Natürlich werden sie , sobald sie morgen Nachmittag über die Passhöhe der ausgeschilderten Umleitung dem Tal entflohen sind wieder in die typischen Muster zurückfallen. Aber wenn wenigstens ein bisschen was hängenbleibt, bin ICH schon hoch zufrieden mit diesem Event.

Was mich selbst betrifft, so stelle ich fest, dass die (teilweise) Entkoppelung vom normalen Arbeitsalltag (viele Aufgaben lassen sich ja auch aus der Ferne erledigen) ein bisschen hilft, den Kopf frei zu kriegen. Nach dem Unterrichtsende einfach ein paar Kilometer durch den Berg hinter dem Kloster zu wandern tut das seine dazu. Man hat in einer Leitungsposition immer dieses Gefühl alles selbst, unmittelbar und vor allem sofort regeln zu müssen. Was bei meinem Job, wie ich in den letzten drei Tagen wieder bemerken durfte, ganz einfach eine Illusion ist! [Exkurs: Ich denke, ich muss die Home-Office-Diskussion noch einmal neu aufrollen, weil ich mit dem aktuellen Modell nicht zufrieden bin. Das Unterricht in Präsenz stattfinden muss, darüber herrscht kein Dissens; wohl aber über viele andere Aufgaben, die sich sehr wohl remote erledigen lassen und dann sogar besser funktionieren. Z. B. das korrigieren… Exkurs Ende] Ich nehme jedenfalls aus diesem idyllischen Schwarzwaldtal ein paar neue Impulse, Ideen und Bekanntschaften mit, die ich als bereichernd empfinde. Ich durfte Bewegung in der Natur zu meinen Bedingungen haben und bin trotz der vielen Wochenstunden immer noch hoch motiviert. Vielleicht tun auch mir solche gelegentlichen Funklöcher ganz gut? Denn in letzter Zeit habe ich mich des öfteren beim Doomscroll of Death ertappt… Wie man es auch dreht und wendet, jede Münze hat zwei Seiten. Über die Trends der Jüngeren informiert zu bleiben, bedeutet dann manchmal auch, zu viel kostbare Lebenszeit im Netz zu verbringen; so, wie manche der Jüngeren. Mal sehen, ob ich außerhalb des Funklochs wieder zur richtigen Balance finde? Ihr werdet es erfahren. Bis dahin – Schwarzwald Ahoi!

Allein, allein…? Ist’s manchmal schön zu sein…

Ich meine natürlich nicht den Song von Polarkreis 18. Und ich will ganz sicher auch nicht wie Diogenes in einem Faß leben. Henry David Thoreaus Idee, sich ‘ne Hütte im Wald zu bauen, die nur ein paar Kilometer von der (damaligen) Zivilisation entfernt lag, um dann Sonntags mit der Familie zu essen erscheint da schon attraktiver. Allerdings bräuchte es dazu a) ein regelmäßiges Einkommen aus irgendwas mit ohne Menschen, b) einen Wald, in dem nicht zu viele Menschen (am besten gar keine) unterwegs sind und c) ‘ne Baugenehmigung, denn wir sind in Deutschland. Und damit ist das Projekt auch schon gescheitert, bevor es überhaupt begonnen hat. Denn wenn ich echt meine sozial induizierte Depression in so einer Hütte auskurieren wollen würde, hinge ich an einem der Bäume ringsum, bevor die Baugenehmigung da wäre. Die einzige Frage bliebe, was zuerst zu spät käme – die Baugenehmigung oder die Zusage für einen Therapieplatz. Keine Sorge, mir geht es im Moment soweit ganz gut, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wie und vor allem wann ich die ganzen Probleme am Arbeitsplatz lösen soll, die sich einmal mehr ganz von allein aufgehäuft haben. Ist mal wieder wie mit den Pilzen im Wald nach einem feuchten Sommer: drehst dich einmal um und SCHWUPPS steht alles voll! Augen auf bei der Jobwahl kann ich da nur sagen…

Allein sein zu dürfen ist heutzutage oft ein Luxus. Ich bemerke das vor allem, wenn ich in Urlaub fahre. Ich suche heutzutage bewusst Orte aus, an denen man eher wenigen Menschen begegenet, wenn man nicht gerade auf DIE Ausflüge geht, die alle Anderen auch machen, weil’s da, wo man hinfahren kann halt im wahrsten Wortsinn pittoresk ist. Schuldig im Sinne der Anklage, da ich ja auch gerne und viel knipse. Ich las neulich in einem Interview mit einer Restauratorin, dass sie keine Bilder von ihren Auflügen in Museen machen würde, weil die Linse zwischen Auge und Objekt den Blick auf die Essenz des gerade betrachteten Kunstwerk versperre. Ich weiß was sie meint. Und bei bestimmten Exponaten ist das auch wahr. Die Abbildung sagt nicht so viel, wie tatsächlich davor zu stehen, allein schon, weil selbst gut komponierte Bilder dazu neigen, die wahren Größenverhältnisse zu verschleiern. Doch ich habe gelernt, die Welt – vermittelt durch die Begrenzung des eben genutzten Objektives – auf eine bestimmte Art wahrzunehmen, Spannung, Widersprüchlichkeit, Verspieltheit, Ästhetik zu suchen, wo man diese nicht unbedingt vermutet (aber natürlich auch da, wo diese explizit angeboten wird). Einerseits, weil ich ab und an gerne ein solches Bild teile, andererseits, weil es das Auge auch für die Details in anderen Kontexten schult. Es macht einen empfindlicher für das Rauschen, welches von Störungen ausgeht – ich bin heute recht gut darin, systemisch zu sehen. Ich bezahle dafür auf der anderen Seite immer wieder Lehrgeld, weil ich noch glaube, dass Menschen nur ausreichende und passende Denkanlässe benötigen, um ihr Handeln anzupassen, wenn selbiges nicht sozial-, sach- oder fachadäquat war. Das könnte daran liegen, dass das viele soziale Handeln, welches meine Arbeit mir abverlangt mich bisweilen erschöpft. Und im sozial erschöpften oder übersättigten Zustand sagen wir manchmal zu schnell JA zu Dingen, zu denen wir laut und deutlich NEIN hätten sagen sollen. Und wieder: schuldig im Sinne der Anklage.

Zurück zum allein sein – gerade an einem Tag wie heute, wo jeder Hans und Franz meint, seine Meinung zur deutschen (Un)Einheit kundtun zu müssen, ist es mir verdammt lieb, keinen einzigen Schritt vor die Tür machen zu müssen. Alle Erledigungen müssen warten – denn es ist Feiertag; außerdem wurde gestern alles eingekauft, was man so braucht um auch Freitag zu überleben (wenngleich ich dabei nicht so kriegerisch vorging, wie manch anderer gestern Nachmittag…). Alle Mühsal und Anforderungen der Arbeit müssen warten – denn es ist Feiertag; und ich bin nicht mehr im Einsatzdienst tätig, was bedeutet, das NICHTS von meiner Arbeit tatsächlich zeitkritisch im echten Wortsinn ist! Alle Hetze muss warten – denn es Feiertag! Was nicht warten kann, ist das Kochen für die Familie und ein bisschen leichte Hausarbeit – ich lüfte ja ganz gerne. Nein, Spaß beiseite, an einem freien Tag unter der Woche wird erledigt, was sonst auf Grund der Zeitnot liegen bleibt. Das ist aber nie so viel, dass man nicht doch noch etwas Zeit für sich selbst findet. Die Familie trifft sich zu den Mahlzeiten, ansonsten kommuniziert man, wenn was Interessantes ansteht, oder man die Anderen an etwas teilhaben lassen möchte (kleine Tochter und Ehefrau tun dies gerne, die Teenagerin eher eingeschränkt und ich, wenn mir etwas einfällt…). Aber genau jetzt, da diese Zeilen entstehen, bin ich allein. Nicht einsam, denn ich könnte jederzeit Gesellschaft haben, sondern allein, weil ich die Sozialpause brauche, bevor morgen der Terror arbeitsinduzierter Dauererreichbarkeit wieder losgeht. Gott, ich freu mir grad ‘n zweites Loch in den Hintern…

Gerade wenn man ganz gut im systemischen Denken ist, fällt einem leicht auf, wie viel Zeit manchmal mit Laberei und Bedenkenwälzerei und Abwarterei und (unnötig langwieriger) Fehlersucherei verschwendet wird, anstatt man einfach Dinge tut. Wenn manche Dinge sehr erfolgreich getan werden, ist es meist EINE Person, die alleine die Situation analysiert, einen Plan fasst, diesen umsetzt, die Zielerreichung überprüft, den Plan nachjustiert und wieder umsetzt. Solange, bis es passt. Denn der Spruch “Viele Köche verderben den Brei” kommt nicht von ungefähr, beschreibt er doch wunderbar dieses, stets in Lenkungs- und Planungs- und Entscheidungs-GREMIEN zu beobachtende Phänomen der Verantwortungsdiffusion. Kombiniert mit Angst um die eigene Position, einer “Wasch mich aber mach mich bitte nicht zu nass”-Attitüde und einer Gruppengröße, die das Bystander-Phänomen wahrscheinlich werden lässt haben wir den Salat: Stillstand allerorten! Beschreibe ich gerade persönliche Erfahrungen aus der Arbeitswelt oder den Zustand unserer Nation an diesem heutigen Feiertag eben jener Nation…? Ist auch egal, denn am Ende kriege ich weder meine Hütte im Wald, noch die Entscheidungsgewalt, die es manchmal bräuchte, um die Dinge einfach tun zu können. Ohne unnütze Gremien, ohne Übervorsichtigkeit, ohne die typischen “Reichsbedenkenträger” – und vor allem ohne diese panische Angst, sein Gesicht zu verlieren. “If you can’t stand the heat, get out of the kitchen!” Ich weiß, wo ich hin will (da gibt es manchmal sogar nur wenige Menschen, so wie ich es eigentlich mag) – und mir ist es in der Küche nicht zu heiß! Ich wünsche euch allen einen verfickt schönen TAG DER DEUTSCHEN EINHEIT! Feiert es oder verdammt es, ganz wie euch beliebt. Wir hören uns…

Auch als Podcast…

…und dann rannte ich davon!

Ich hatte gestern Abend mit der besten Ehefrau von allen eine Diskussion darüber, ob das neuerdings so häufig verwendete Label “neurodivergent” für die betreffenden Menschen gut oder schlecht ist. Ich selbst habe bislang nie eine solche Diagnose bekommen, sehe aber gelegentlich Anzeichen dafür, dass ich vielleicht ein wenig anders bin, als die anderen Kinder im Block. Ob das etwas an meiner bisherigen persönlichen Entwicklung bzw. meinem Leben in seiner Gesamtheit bewirkt hat, bzw. ob irgendein spezifizierendes Etikett aus diesem Sammelsurium der Neurodivergenz etwas daran geändert hätte, wie die Dinge für mich gelaufen sind, weiß ich nicht. Will ich aber auch gar nicht wissen, denn am Ende des Tages bin ich mit dem Mann, der ich geworden bin recht zufrieden – neurodivergent oder nicht! Mal davon abgesehen, dass die allzu einfach gestrickten Menschen da draußen (und von denen gibt es leider verdammt viele, wie die Wahlergebnisse aus Thüringen und Sachen beweisen) eh nicht verstehen können, dass Neurodivergenz nicht ON/OFF funktioniert – also jeder mit ‘ner Diagnose ein unführbarer Zappelphilipp o. Ä. ist – sondern wie so ein Schieberegler an einem Graphic Equalizer; für diejenigen, die nicht wissen was das ist: damit kann man einzelne Frequenzbänder einer Tonausgabe regeln und so z.B MEHR BASS geben… 😉

A place to dream about…

Wie dem auch sei, ich WEISS, dass ich nicht immer so ticke, wie der Mainstream der Anderen um mich herum, egal in welcher sozialen Gruppe ich mich gerade bewege. Jahrzehnte der (beruflichen ) Erfahrung im Umgang mit Menschen haben mir hier zu einem gewissen evidenzbasierten Erfahrungsschatz verholfen; und geben mir so wenigstens die Chance, meine Bedienoberfläche etwas geschmeidiger zu gestalten, wenn die Situation dies erfordert. Gerade im professionellen Umfeld ist das (leider) des Öfteren von Nöten. Wenn ich sage, dass ich anders ticke, dann bedeutet das spezifisch einerseits, dass ich mit einer ausgeprägten Empathie ausgestattet wurde, deren Verarbeitung mich im Umgang mit anderen Menschen nach einer gewissen Weile emotional ÜBERLÄDT. Ich hatte die Tage mal davon gesprochen, dass ich mich als Ausgleich dafür manchmal treiben lassen muss; das war kein Scherz, sondern die bittere Wahrheit. Wenn ich zu viel mit Menschen zu tun haben MUSS, deren Gesellschaft ich mir nicht explizit ausgesucht habe, macht mich das ganz wortwörtlich vollkommen fertig. Andererseits hat mich die Natur dafür mit einem ziemlich feinen Analyse-Näschen für Strategie, Organisation und Führung ausgestattet. Und ich gebe es offen zu – wenn ich bei gleicher Faktenlage zu völlig anderen Ergebnissen komme, als mein Gegenüber, macht mich das entweder fuchsig (wenn ich objektiv weiß, dass ich Recht habe, und die andere Person nicht) – oder schickt mich in eine immer tiefer zirkelnde Selbstzweifel-Spirale (wenn ich mir NICHT sicher bin). Und beides macht keinen Spaß.

Ich bin mein ganzes bisheriges Leben deswegen immer wieder angeeckt. Ich meine, es ist nicht so schlimm wie es klingt, aber wenn du oft genug das Gefühl hast, verarscht zu werden, weil die Anderen im Raum einfach nicht sehen können (oder wollen), was DIR schon lange vollkommen klar ist, dann beginnst du halt irgendwann an dir selbst zu zweifeln. Gestern war wieder so ein Moment. Ein Kollege hat in einem Gespräch eher persönlichen Charakters, dass für mich dennoch auch aus Arbeitssicht relevant war – vollkommen zu recht – Kritik daran angebracht, dass ich zu einer bestimmten Zeit nicht so geführt habe, wie es notwendig gewesen wäre; und das dabei emotionaler Schaden entstanden sei, der zumindest implizit auch auf meinen Deckel geht! Und dabei kamen auch Dinge zur Sprache, derer ich mir bislang gar nicht gewärtig gewesen war. Und die ich natürlich auch nicht ungeschehen machen kann – and now they will cost me dearly! Das alte Konzept ist für die Tonne, es wird mir Nerven rauben, und Mehrarbeit erzeugen, die zu geben ich im Moment eigentlich weder Willens noch in der Lage bin, weil mein Geist schon länger nach anderen, neuen Zielen sucht… und dann rannte ich davon! Ich glaube, Ich habe noch nie in meinem Leben kurzfristiger einen freien Tag beantragt

Und so stehe ich gerade in meinem heimatlichen Arbeitszimmer, während ich diesen Artikel schreibe, um meinen kopf wieder richtig frei zu kriegen, während sweet 80s Retro-Synth aus dem Lautsprecher auf meinem Schreibtisch erklingt. Ich habe bislang heute alles getan, um NICHT wieder in eine Negativ-Spirale zu geraten und bislang sieht es so aus, als wenn ich damit Erfolg gehabt hätte. Was aber bedeutet, dass ich mich morgen mit dem Fallout meiner “Flucht” auseinandersetzen und einige Dinge regeln muss. Ist es nicht eine verdammte Scheiße, dass ich im Moment viel zu selten bessere, fröhlichere, andere, nicht mit Arbeit assoziierte Themen finde? Aber wenn diese Blogposts rings um meine eigenen Fehler herum wenigstens irgendjemanden davor bewahren, in die gleichen Fallen zu tappen, ist es die Zeit trotzdem wert. Ich wünsche euch einen verfickt schönen Abend im langsam sterbenden Spätsommer. Wir hören uns…

Auch als Podcast…

New Work N°18 – Ein Wert an sich…?

Hört man immer mal wieder: “******** sei ein Wert an sich!” ; man kann hier alles Mögliche einsetzen, und der Satz mag dann für den jeweils Einsetzenden einen Sinn ergeben; die Anderen werden jedoch oft zu einem divergierenden Ergebnis kommen. Das Problem mit Debatten über “******** als Wert an sich” ist nämlich, dass sie niemals beendet sein können! Da ein ETWAS, das IRGENDJEMAND als “Wert an sich” definiert damit nicht automatisch einer Legaldefinition unterworfen ist, sondern schlicht dem Gutdünken des jeweils tätigen Definitors. “Definitor” klingt in diesem Fall nicht nur ähnlich wie “Dementor”, es hat auch die gleiche Wirkung: man vergisst wesentliche Dinge. Wie etwa die Notwendigkeit, Konsens herstellen zu müssen, wenn alle diesen eben definierten “Wert an sich” dann auch als einen solchen respektieren sollen. Ich dekliniere das einfach mal kurz für mich selbst durch und setze an Stelle der ******** den Begriff “Wachstum” ein. Ach ja, was soll ich denn jetzt noch sagen. Lest doch einfach mal “Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit”. Wir wissen erst seit 52 Jahren, dass Wachstum als Wert an sich NICHT FUNKTIONIERT, SONDERN DIE MENSCHHEIT IN DEN ABGRUND TREIBT! Nehmt das endlich zur Kenntnis und versteht, das Nachhaltigkeit absolut NICHTS mit dauerndem Wachstum sondern mit anhaltendem Konsolidieren, mit Degrowth, Recycling, Upcycling, Refurbishing und damit geringerem Ressourcen-Verbrauch zu tun hat. Und das Marktanteile, egal in welchem Wirtschaftsbereich damit auch kein Wert an sich sein können. NIEMALS!

Der Biene in dem Bild zuzusehen hatte einen Wert an sich, weil es mich an verschiedene Aspekte des Lebens gemahnte, die des ständigen Erinnertwerdens wert sind: a) meine geringe Rolle im großen Zyklus des Lebens, b) meine Vergänglichkeit und c) die unfassbare Wichtigkeit kleiner Dinge. “Bildung” zum Beispiel hat einen Wert an sich – aber nur, wenn diese nicht zur Ware degradiert wird. Immer wieder wird geredet über die pädagogische Exzellenz, die man in manchen Einrichtungen der beruflichen Bildung vorfindet. Und dann wird im nächsten Atemzug nur noch über wirtschaftliche Entwicklung gesprochen – und die pädagogische Entwicklung spielt KEINE Rolle mehr, weil BWL-Menschen nur KPI im Kopf haben. Mein Key Performance Indicator ist die Menge an Zeit, welche wir tatsächlich damit verbringen können, den jungen Menschen Entwicklungsanlässe zu geben, Ihnen Entwicklungsrouten zu zeigen, ihre Entwicklungsfortschritte auf diese Routen sichtbar zu machen und ggfs. die individuellen Entwicklungsrouten anzupassen. Aber all das passiert nicht auf dem einem vorgegebenen Weg, sondern ist Ergebnis hoch dynamischer, iterativer Anpassungsprozesse, die Expertise, Geduld und Führungsstärke seitens des Lehrpersonals brauchen. All diese Dinge müssen mühsam kultiviert und entwickelt werden; denn Lehrende sind zugleich auch immer auch Lernende. Etwas, das BWL-Menschen gelegentlich zu vergessen scheinen. Und noch etwas wir immer sehr gern ignoriert: Jede einzelne abgehaltene Unterrichtsstunde erzeugt automatisch eine weitere Unterrichtsstunde an Vor- und Nachbereitungsbedarf; und diese Zeit taucht in keiner Berechnung wirklich vollumfänglich auf. Weil man dann nämlich die Idee, das Bildung Geld verdienen muss endgültig ad acta legen müsste.

Denn… die berufliche Bildung, die wir leisten, ist ein Wert an sich! Eine Investition in die Zukunft. Eine Hypothek, die wir aufnehmen in der Hoffnung und dem guten Glauben, in jungen Menschen die Haltung, die Humanität, die Professionalität und das Können entstehen zu lassen, die es braucht, um der Gesellschaft wirklich dienlich sein zu können. Wirtschaftlich sinnvolles, verantwortungsbewusstes Handeln ist ein notwendiges Übel, um diese Hypothek bezahlen zu können; nicht weniger – aber auch kein Jota mehr! Wachstum hingegen ist eine Schimäre, der nachzujagen lediglich dazu führt, dass das notwendige Übel die Oberhand über den Umfang der Hypothek bekommt – und damit den Wert an sich verkleinert, bis er kaum noch zu sehen ist. Und ich komme immer mehr zu der Erkenntnis, dass ich derzeit den Schimären diene. Was mich in ein Dilemma führt. Denn den Schimären zu dienen, ist in unserer heutigen Gesellschaft der EINZIGE Weg in jene Jobs, die so gut bezahlt werden, dass man ehedem durchaus greifbare existenzielle Ängste einfach ablegen kann. Oder anders formuliert – ich verhure mich gerade, während meine Überzeugungen einen langen, langen Urlaub machen müssen. Wäre ich ein weniger duldsamer und verantwortungsbewusster Mensch, hätte ich schon lange hingeschmissen!

Die beste Ehefrau von allen liegt mir schon seit Monaten in den Ohren, dass ich mir was Anderes suchen soll. Vermutlich könnte ich das. Aber… zum einen mag ich mein Team, zum anderen habe ich diese Stelle angetreten, um gestalten zu können. Und ich habe diese Hoffnung noch nicht aufgegeben, auch gegen die Widerstände des Geldes gestalten zu können, weil ich von der Wichtigkeit der Kernaufgabe – nämlich berufliche Bildung richtig zu betreiben – nach wie vor überzeugt bin! Außerdem habe ich Rechnungen zu bezahlen und mit 50 wird es halt schwieriger, einen neuen, äquivalent bezahlten Job zu finden. Wer sagt mir überdies, dass es woanders nicht schlechter oder auf andere Art Scheiße ist…? Wie man es auch dreht, einfacher wird es nicht. Also kämpfe ich weiter gegen anderer Leute Schimären und versuche ihnen eine andere Wahrnehmung der Realität aufzuzeigen. Ansonsten wäre ich als Konstruktivist ja auch am falschen Platz. Aber für BWL-Menschen gilt halt: wenn du einen Taschenrechner und eine Tabelle hast, sieht alles aus wie eine Kennzahl… Schönen Tag noch.

Auch als Podcast…

Benvenuti nelle Marche N°3 – Hitzige Klassenfragen…?

Ich las heute morgen einen Artikel, der sich mit der Frage beschäftigte, wie man angesichts wachsender Auswirkungen des Klimawandels – vulgo: es wird im Sommer früher, länger und intensiver heiß – mit sozialen Unterschieden umgehen soll. Und insinuiert dabei, dass ein niedrigerer sozioökonomischer Status automatisch mit größeren Belastungen einher ginge. Das ist so schlicht nicht richtig, da etwa die Verfügbarkeit von Klimaanlagen am Arbeitsplatz mitnichten mit dem Gehalt der arbeitenden Personen korrelliert, sondern mit der Bereitschaft oder Fähigkeit des Arbeitgebers welche zu installieren. Und gerade am Arbeitsplatz, wo wir Lebenszeit gegen Geld tauschen, wünscht sich er Arbeitgeber ja, dass wir konzentriert und produktiv sind. Dass Hitze an sich bereits eine gesundheitliche Belastung darstellt und die Leistungsfähigkeit negativ beeinflusst, darf als Tatsache geltenzu klären ist die Frage, wie viel der Mensch aushalten können muss. Und da sind wir bei einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess, der noch lange nicht zu Ende geführt ist. Da stellen sich immer noch genug Leute hin und bramabarsieren irgendwas von “stellt euch nicht so an ihr Pussies, früher sind wir bei jeder Hitze arbeiten gegangen”, “Was für ein Klima-Wandel? Das ist doch nur Wetter!”, “Typische Gen-Z-Probleme, die sind alle nur zu Faul zum Schuften!” oder aber der Klassiker “Was interessieren mich eure Armut – ich hab ‘ne Klimaanlage!”. Ja, Arschlöcher wachsen anscheinend immer noch auf sehr prall gefüllten Bäumen; und irgendein Depp lässt immer das Türchen zur Streu-Arschloch-Wiese offen, damit die rausgelangen und unnötig die Welt mit ihrem verbal-kognitiven Abraum verpesten können… Schönen Dank für NIX!

In der Tropfsteinhöhle ist es immer schön kühl => idealer Arbeitsplatz für alle?

Wie der Titel dieses Posts verrät, weilen meinen Lieben und ich derzeit nicht daheim, sondern im Urlaub in Italien. Wir sind mit dem eigenen Auto hergekommen, einem Diesel. Selbst wenn man Lebenszyklusemissionen für ein älteres Fahrzeug umrechnet, ist es noch lange nicht so gut, wie ein Elektroauto. Immerhin arbeitet es aber derzeit effizient, weil vollbesetzt. Wobei wir derzeit ein unfreiwilliges Downgrade auf einen Kleinwagen haben. Dazu zu anderen Zeit mehr. So oder so: für das, was eine Flugreise nach Italien an Emissionen vrebraucht hätte, könnten wir hier ein halbes Jahr rumfahren. Das Gebäude, in welchem wir wohnen, ist ein altes Natursteinhaus, das keine Klimaanlage hat, aber aus meiner Sicht auch keine braucht, da selbst bei sehr hohen Außentemperaturen (wir hatten die Tage immer mal wieder 37°C!) die Innenräume angenehm bis erträglich temperiert bleiben. Nun könnte man wieder einmal sagen, dass ich gerade so einen typischen Bildungsbürgerurlaub der gehobenen Mittelschicht abfeiere; aber wenn man ein bisschen sucht, vergleicht und nicht nur auf das erstbeste (oder – schlechtetese) “Billich Willich!”-Angebot anspringt, ist das jetzt nix, was sich recht viele andere nicht auch leisten könnten. Wenn man halt am Ballermann zum Human-Grillwürstchen werden will, ist das nur eine weitere eigene Lebensentscheidung von vielen. Entlastung schaffen muss man indes für jene, die sich einen Urlaub schlicht nicht leisten können – entweder indem wir über deutlich höhere Mindestlöhne, veränderte Transferleistungen oder eine wesentlich lebenswertere Umgestaltung des urbanen Raumes an sich reden!

Um’s kurz zu machen – wir werden nicht umhin kommen, mehr zu klimatisieren, damit wenigstens in Schulen, sowie an bestimmten Arbeitsplätzen wie Krankenhäusern und Altenheimen Patienten und MItarbeitende nicht weiterhin so stark zu Schaden kommen. Solche Klimaanlagen muss man mit erneuerbaren Energien betreiben und so nicht zum Treiber der Klimakrise werden lassen. Gleiches gilt für Menschen, die sich Klimaanlagen für den privaten Bereich leisten können und wollen – der Betrieb mit Photovoltaik oder wasauchimmer muss dann obligat vorgeschrieben sein. Worüber wir aber dringend diskutieren müssen, sind autofreie, weitesgehend bodenentsiegelte Innenstädte und neue Arten zu bauen, um Städte nicht – wie das heute der Fall ist – zu riesengroßen Schamottsteinen zu machen, welche die tagsüber gespeicherte Hitze nachts schön kontinuierlich abgeben, um ihre Bewohner sous-vide zu garen. Und hier ist der Gesetzgeber ultimativ gefragt. Denn vernünftiges Verhalten im Angesicht der drohenden Katastrophe ist offenkundig von den allermeisten Menschen nicht zu erwarten. “Was, ihr wollt mir meinen vollkommen überdimensionierten Carburator verbieten, mit dem ich alleine ins Geschäft fahre, weil ich mich dann wie King/Queen of the Road fühlen kann? NIEMALS!” (ja, es gibt auch genug unvernünftige Frauen, nur so am Rande). Tja, Jungs und Mädels die Antwort lautet: weil ihr unnötig Ressourcen verschwendet, eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellt, den Menschen in der Stadt Platz wegnehmt und ihre Luft verpestet . DESHALB! “Wieso soll die Flugreise nach Malle jetzt so teuer sein? Kann man denn nicht makl mehr Urlaub machen, wie man will…!”. Doch, doch ihr dürft Urlaub machen. Aber ihr solltet zwei, nein besser drei Mal darüber nachdenken, wie viele Ressourcen ihr dafür verschwenden wollt.

Und dann waren da noch die Menschen, die weite Strecken pendeln müssen. Oder wollen? Oder doch müssen? So ganz klar ist das nämlich nicht. Aber auch auf dem platten (oder hügeligen) Land gibt es noch jede Menge Möglichkeiten, den ÖPNV weiterzuentwickeln. Und niemand will irgendwem das Auto verbieten. Aber es muss viel kleiner, sparsamer, effizienter gehen, als derzeit. Die Dinger sind Gebrauchsgegenstände, keine Statussymbole – GEHT DAS ENDLICH MAL IN EURE DICKSCHÄDEL? Und wir müssen endlich davon Weg, das individuelle Kraftfahrzeug (am besten auch noch Verbrenner) als Nonplusultra von vorne und von hinten staatlicherseits zu subventionieren. Ob das einen gewaltigen Umbau der Gesellschaft erfordert? OH JA! Ob das nur mit dem Einverständnis und der Vernunft der Bürger gehen wird? OH NEIN! Welche Vernunft meint ihr? Die oben beschriebene? Ja, ne, is klar; schönen Dank auch! Ja, mag sein, dass die Ressourcen im Umgang mit den steigenden Temperaturen in einigen wenigen Situationen eine Klassenfrage sind – vor allem aber sind sie eine Bildungsfrage und eine Frage kluger Politikgestaltung; und das meint nicht mehr, immerzu auch dem letzten Depp alles noch transparent erklären müssen zu glauben, sondern sinnvolle Fakten zu schaffen, weil es JETZT verdammt nochmal notwendig ist. Ich wünschte mir nur ein einziges Mal eine Legislatur, in der Probleme tatsächlich angegangen werden, ohne immerzu auf den Proporz am Ende der Legislatur zu schielen. Und Medien, die verstehen, wann es besser ist die Fresse zu halten, anstatt duarend eine neue Sau durch’s Dorf zu treiben. Ach, wär des schee! Schönen Tag noch.

Hast du mal eine Idee für mich…?

Wir haben da in der beruflichen Welt ein ziemlich großes Missverständnis am Laufen: nämlich dass Handlungskompetenz im Sinne des situations-, sach- und sozialadäquaten Problemlösens Kreativität an sich sei. Ja, Handlungskompetenz hat eine kreative Komponente, wenn ich bekannte Ingredenzien meines Gewerkes auf jeweils neue Weise miteinander mischen muss, um eine neue Problemlage lösen zu können. Manche nennen das Improvisation, aber tatsächlich ist es Handlungskompetenz; lediglich auf einem neuen Niveau gedacht. Man kann es mit DJs vergleichen, welche die Situation (also den Saal) lesen und ihren Mix an die Stimmung, die Vibes, das Publikum anpassen. DJs sind dabei zumeist spielerischer unterwegs als Notfallsanitäter*innen oder Lehrkräfte. Aber im Kern ist die Aufgabe sehr ähnlich. Handlungskompetenz ist jedoch keine Kreativität an sich, weil sie so gut wie nie in der Freiheit ausgeübt wird, zu vergessen, wo die verdammte Box steht; zur Erinnerung es gibt den Terminus “to think outside the box”, wo es darum geht, seine üblichen Denkmuster zu verlassen, über den ´Tellerrand zu blicken, frei zu assoziieren, sich schlicht quer zu seinem sonstigen Denken zu stellen. Einen solchen Flow-Zustand erreiche ich unter dem üblichen Druck der Arbeitswelt, bzw. wenn ich in teilweise sehr streng und eng definierten Rahmenbedingungen arbeiten muss NICHT, weil ich dazu weder die Zeit, noch die freien kognitiven Ressourcen habe. Selbst, wenn die Arbeitsumgebung fancy and free gestaltet ist; was z.B. für Notfallsanitäter*innen und Lehrkräfte auch nicht der Fall ist.

Echte Kreativität lebt von eben jener Freiheit, die mich vergessen lässt, dass es jemals eine Box gegeben haben könnte. Das große Problem damit ist, dass man diesen Zustand nicht herbei zwingen kann – schon mal was von Schreibblockade gehört? Es gibt einen guten Grund, warum George R. R. Martin “Winds of Winter” mehr als 12 Jahre später immer noch nicht fertig hat. Man kann es nicht erzwingen. Mal davon abgesehen, dass seine Geschichten eigentlich auserzählt sind. Wie oft kann man immer gleiche Intrigen aufbauen, dann eigentlich wichtige Charaktere töten – und immer noch frisch wirken? Die Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Mal davon abgesehen, dass heutige Kulturprodukte auch deswegen so ein Problem damit haben, immer härter um ausreichendes Publikum kämpfen zu müssen, weil die Urgeschichten alle erzählt sind. Ich habe vor mittlerweile 15 Monaten in Berlin ein Interview geführt, bei dem es um das Geschichten Erzählen ging. Und meine Interviewpartnerin meinte, dass speziell die alten griechischen Mythen sie immer noch faszinieren, weil sie immer wieder etwas Neues über diese uralten Geschichten herausfindet – und weil sie immer wieder neue Bezüge zu unserer heutigen Zeit herstellen kann. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ein altes Thema, über das ich schon vor 10 Jahren geschrieben hatte, kam wieder hoch: nämlich, dass streng genommen fast alles, was wir heute als neue Schöpfung hip und smash und frisch finden im Grunde nichts weiter ist, als ein Mash-Up, ein Re-Mix – kurz Recycling-Kreativität.

Im Grunde ist es mit unserer Kreativität heute so, wie mit dem, von einem Mehr an Biographie belasteten Menschen mittleren Alters beim Lernen: je mehr Vor-Gewusstes, Erfahrungen, Wissenssedimente sich in unserem Langzeitgedächtnis abgesetzt haben, desto länger brauchen wir, um Neuem darin einen sinnvollen Ort geben zu können. Je älter man wird, braucht man nicht länger zum Lernen, weil man langsamer denkt, sondern weil man wesentlich mehr Altes mit dem Neuen in Einklang bringen muss. Und so ist es mit unserer Kreativität: wenn ich etwas wirklich frisches schaffen möchte, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit dem ganzen alten Kram auseinanderzusetzen – allein schon, wenn ich einen Copyright-Verstoß vermeiden möchte. Ein gutes Beispiel dafür sind auch die Produkte, welche man mittels KI-Tools wie Chat-GPT erzeugen kann; denn generative KI erzeugt das “NEUE” ja einfach nur durch Heuristiken, die Altes auseinander nehmen und neu zusammensetzen. Et voilà: Mash-Up und Re-Mix. Zwar wirkt das dann oft auf den ersten Blick überraschend kreativ; hat man aber ein einigermaßen geschultes Auge, bemerkt man, dass gerade DALL-E 3 mit seinen Bildern gerne in Pomp und Pathos abgleitet. Was neulich z.B. dazu führte, dass ich die KI darum bat, es noch mal mit etwas weniger sozialistischem Pathos zu versuchen, weil das Ergebnis aussah, wie ein Propaganda-Wandbild aus Sowjet-Zeiten…

Creatio ex nihilo – also die Erschaffung von etwas wirklich Neuem aus dem Nichts heraus passiert heutzutage nur noch ziemlich selten. Allein schon deshalb, weil der größte Teil unserer Unterhaltungsindustrie sich um des konsumkapitalistischen Paradigmas der Umsatz-Rendite Willen algorithmisiert hat – und in der Folge immer mehr von der selben Scheiße produziert. Adorno Ahoi! Und trotzdem entstehen ein ums andere Mal Ideen, die tatsächlich diesen Charakter der Novität haben. Etwa, weil sie in der Lage sind, unsere Sicht der Dinge zu verändern; oder weil sie ein wirklich neues Element in eine alte Geschichte einfügen, was diese wieder spannend macht. Weil sie etwas Bekanntes auf überraschende Art neu denken. Es sind diese Ideen, die es wert machen, die eigene Kreativität zu trainieren. Denn in der Tat ist die Fähigkeit, Neues zu schaffen, Neues zu erdenken, sich selbst neu zu erfinden wie ein Muskel, der atrophiert, wenn man ihm kein Training angedeihen lässt. Dass ist die wahre Gefahr von zu viel Routine, von zu viel “Das haben wir ja noch nie so gemacht”, von zu viel Tradition – die Fähigkeit zur Kreativität und damit zu echter Innovation zu verlieren. Problemlösen kann man dann trotzdem noch, aber irgendwann wird auch diese Fähigkeit schlechter, weil neue Problemlagen manchmal anstatt alter auch mal neue Antworten brauchen. Könnten sich Politiker aller Parteien mal hinter die Ohren schreiben. Insbesondere aber die von CDU/CSU und FDP; die blauen Faschos lernen eh nix mehr dazu.

Ob ich heute eine Idee für euch habe? Jawoll! Probiert es doch einfach mal aus und lasst euch auf die Ideen, die Gedanken, die Philosphie von jemandem ein, um den ihr bisher einen Bogen gemacht habt, weil ihr immer dachtet, dass das aus 1001 Grund nicht zu euch passt! Ihr werdet überrascht sein, wie anders diese Welt plötzlich aussieht, wenn man seine Offenheit trainiert – und auf was für krasse Ideen man dann kommt. Lasst euch nur bitte nicht von irgendwelchen chauvinistischen, rassistischen, faschistischen Arschlöchern inspirieren. Die wollen nicht kreieren, sondern destruieren! Und damit ist auch genug für heute. Schönen Sonntag noch!

New Work N°17 – Should I stay or should I go…?

Natürlich geht es nicht um den Song von “The Clash”, sondern um die ewig alt-neue Frage, ob ich da richtig bin, wo ich gerade stehe? Was definitiv auch nicht mein Home-Office meint, denn genau in diesem Moment sitze ich. So wie gestern Abend am Ufer des Flusses mit einem alten Freund und ein, zwei Fläschchen kaltem Bier im Rucksack. Wie wir da so saßen, den Menschen und Wasserfahrzeugen beim Vorbeiziehen zusahen und redeten, kam die Sprache – wie kann es bei Gen-Xern auch anders sein – auf die Arbeit. Und mein Hadern mit meiner Position, welches sich mittlerweile durch das letzte Jahr zieht; und ums Verrecken nicht besser werden will. Ich subsumiere den Tenor dieses Teils unserer Gespräche mit folgenden Worten, die mir gesagt wurden: “Bewirb dich nicht bei denen, ist ja noch schlimmer als da, wo du bist. Wenn, dann such dir was in der freien Wirtschaft.” Tja, was soll ich sagen. Ich bin mir da immer noch nicht sicher, ob er Recht hat. Denn heute hatte ich wieder so ein Gespräch, das mich an meinem Job zweifeln lässt.

Man muss dazu folgendes wissen: ich bin so eine Art schwieriges Wesen, nämlich ein sogenannter gewissenhafter Bauchmensch. Was ich anfange, bringe ich zu Ende, was ich nicht weiß aber brauche, eigne ich mir an und wenn ich was verkacke, stehe ich dafür ein! Und ich treffe Entscheidungen, wenn es keine Regularien gibt auch mal auf der Basis wohlinformierter Intuition; und liege damit meistens voll im Ziel. Nun ist es so, dass manche Situationen von Anfang an verfahren sind. Und das dabei oft unterschiedliche Interessen der Beteiligten Parteien eine Rolle spielen. Ohne auf Details eingehen zu wollen oder zu können kann ich sagen, dass eine Partei immer wieder auf ollen Kamellen rumreitet, wobei ich mittlerweile häufig berichtet habe, dass ein Dienstleister für den hier betroffenen speziellen Teil eines Gesamtpaketes nicht funktioniert und dass bislang diverse Versuche, Ruhe in die Angelegenheit zu bringen nicht gefruchtet haben. Jetzt höre ich zum ersten Mal Töne, die darauf hinweisen, den Dienstleister zu kicken. Ich soll das beobachten. Ich beobachte das jetzt seit zwei jahren und die kriegen ihren Job halt zu oft nicht geschissen! Überdies sind die Nutzer des Gesamtpaketes, zu welchem diese Dienstleistung gehört Teil des Problems. Weil sie wegen jeder Kleinigkeit an der falschen Stelle rummosern, anstatt ein wenig Eigeninitiative zu zeigen. Weil sie oft genug ihren Teil des Deals nicht erfüllen und dafür gerne mit dem Finger auf Andere zeigen. In dem Fall muss man leider sagen: typisches Gen-Z-Verhalten im negativen Sinne.

In den Augen der Person, mit der ich heute sprach, liegt die Gesamtverantwortung hierbei allerdings bei mir. Und das sehe ich nicht mehr so, wenn ich wieder und wieder darauf hingewiesen und nachgesteuert habe – und trotzdem dauernd wieder die alten Kamellen auf’s Brot geschmiert bekomme. Butter bei die Fische – keine klientennahe, hochkomplexe, von verschiedenen Stakeholder-Interessen tangierte und örtlich verteilt stattfindende Dienstleistung hat je friktionsfrei funktioniert! Ich frage mich ernsthaft, wann das gute alte “Fünfe-gerade-sein-lassen” endgültig verstorben ist. Würden wir in unseren Kernaufgaben fortdauernd Fehler machen, hätte man jedes Recht, so mit mir umzugehen. Nun sind unsere qualitativen Kennzahlen aber augesprochen gut. Nimmt niemand zur Kenntnis. Dafür klopfen sich andere gegenseitig auf die Schulter, wie toll sie das doch gemacht haben, obwohl deren Beitrag offen gesprochen non-existent war, bzw. eher in Behinderung bestand/besteht. Nun wird da, wo ich arbeite offensichtlich leider nicht mit- sondern übereinander gesprochen. Da kann ich nicht mehr drauf, denn diese Hinter-den-Kulissen-Intrigiererei, das EGO-Geficke, die institutionalisierte Verantwortungsdiffusion und das ewige Fordern lasse ich nicht mehr mit mir machen. Das Beste an dem Gespräch war, das es stattfand, nachdem ich auf andere, wesentlich wichtigere Dinge hingewiesen hatte, die evtl. geschäftlich richtungsweisend sein könnten. Mir kam es so vor, als wenn man von dem Wesentlichen ablenken wollte, weil man sich damit nicht beschäftigen möchte. Oder irgendjemand hat vollkommen andere Prioritäten als ich…?

Immer wieder beschwört man in Gesprächen gemeinsame Ziele. ICH. SEHE. KEINE. GEMEINSAMEN. ZIELE! Ich sehe die Ziele anderer Personen: BILLICH WILL ICH! Und da gehe ich nicht mit! Meine Ziele sind ganz klar definiert: qualitativ hochwertige Ausbildung, bei welcher die Azubis im Mittelpunkt stehen, aber auch von Anfang Führung erfahren müssen; und zwar durch Ausbilder*innen und Lehrkräfte, die als Role-Models taugen. Das ganze solide kalkuliert, damit das Controlling keine Tränen wegen mir vergießen muss. Das wäre mir arg…! Für die Lehrkräfte habe ich hierbei selbst noch einen Erziehungsauftrag, den ich absolut ernst nehme. Was ich nicht mehr ernst nehmen kann, sind Nachfragen im Wochentakt, die mir a) ein Gefühl von Mikromanagement vermitteln (das ich nicht mehr lange akzeptieren werde), b) mangelndes Vertrauen signalisieren und c) meine pädagogische Expertise anzweifeln. Noch mal Butter bei die Fische: wer pädagogische Qualität an sich beurteilen können will, MUSS Pädagoge sein, sonst nehme ich ihn nicht ernst. Und Veränderungsprozesse durch pädagogische Intervention, ganz gleich an wem sie vollzogen werden sollen, brauchen vor allem eine Ressource: Zeit! Was jedoch die Ausbilder*innen angeht… wir würden ihnen ja helfen, wenn sie sich denn helfen ließen. Hier zeigt sich die gefährliche Wirkung von “Das haben wir ja noch nie so gemacht!” Sich aber hinterher wundern, wenn die Betriebsbindung nicht so gut ist, oder die jungen Leute mit vollkommen falschen Zielvorstellung an ihre Arbeit gehen. Erziehungsauftrag verstanden? Leider NEIN!

Ob ich wütend bin? Oh ja… bin ich doch immer. Ob ich endlich Konsequenzen daraus ziehe? Jawohl! Was das bedeutet? Werden wir rausfinden. Leben ist Veränderung! Guten Abend!

Auch als Podcast…