New Work N°12 – Ist weniger mehr?

Im Moment geistert eine Studie durch’s Netz, und auch die Seiten einschlägiger Postillen, die gerne und viel zitiert wird, weil das Thema kontrovers ist – die probeweise Einführung einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Die Initiative 4 day week global hat einen Pilotversuch mit etwas über 60 Unternehmen aus verschiedenen Branchen durchgeführt, und die parallel dazu angelegt Studie ist jetzt veröffentlicht worden. Die Diskussionen im Netz drehen sich nun um die typischen Themen: „geht doch nur in Büro-Jobs!“, „ist nichts für den Mittelstand!“, „wer soll das finanzieren?“, „sowas gefährdet den Standort BRD!“, „die sollen mehr, nicht weniger arbeiten!“, etcpp. Steffen Kampeter, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat denn auch gleich geäußert, dass wir in Deutschland MEHR Bock auf Arbeit bräuchten, anstatt weniger, weil ja auch jemand etwas erwirtschaften müsse, um das alles zu bezahlen. Nun ist es aber so, dass es dazu auch andere Ansichten gibt. Einerseits ist klar, dass die fortschreitende Automation Arbeitsplätze für Ungelernte zunehmend obsolet macht, und dass wir insgesamt eher weniger, und das auch noch zu einem, für die Umwelt gerechteren Preis erwirtschaften müssten, wenn wir dem Klimawandel irgendetwas entgegensetzen wollen. Aber die Arbeitgeber möchten gerne weiter Party machen, als wenn’s kein Morgen gäbe. Niemand scheint bereit zu sein, Arbeit von einer anderen Seite her zu denken. Noch immer rennen wir dem Homo Oeconomicus und dem Ideal des ungezügelten, immer weiter wachsenen Konsums für alle hinterher – munter mit dem Kopf durch Wände, bis wir die eine, finale Wand treffen, durch die wir nicht durchkommen – den Klimakollaps, oder den Kollaps der Sozialsysteme dank ungezügelt weiterwachsenden Gini-Koeffizienten. Whichever comes first…

Industrie-ROMANTIK…?

Der Gedanke, dass der Wohlstand schrumpfen könnte, scheint offenkundig für Viele erschreckender, als ein Strand auf der Domplatte, weil die Kölner Bucht ihren Namen endlich verdient. Aber was würde das für uns übersättigte Nordhalbkugel-Könige der Welt tatsächlich bedeuten? Kein neues Handy jedes Jahr, kein Urlaubsflug um die halbe Welt, nicht jeden Tag Fleisch auf dem Tisch, etwas weniger Wohnraum pro Person, insgesamt weniger Gimmicks und weniger Mobilität. Ich komme damit jetzt schon zurecht, WAS ZUM TEUFEL STIMMT ALSO NICHT MIT EUCH NARREN? Mobilität ist Freiheit? Ja klar, auf der A1 Mittwochmorgens um 08:00 total, oder? Wacht endlich mal auf. Und jetzt kommt aus dem OFF die entscheidende Frage: was hat denn DAS nun mit der 4-Tage-Woche zu tun? Antwort: einfach alles! Und zwar, weil wir uns erstens überlegen müsses, welche Arbeit WIRKLICH getan werden muss, wir zweitens echte Bullshit-Jobs (alles mit Fiat-Geld und vieles mit Medien) ABSCHAFFEN müssen, und drittens den Wert jedes übrig bleibenden Jobs neu bewerten müssen. Ich habe z.B. kein Problem damit, wenn ein moderner Gladiator, ähm pardon… Fußballer gutes Geld verdient. Aber wirklich niemand auf diesem Planeten braucht Blattgold auf seinem Steak – nicht wahr, Herr Ribéry?

Yuval Noah Harari beschreibt in seinem Buch „Sapiens. A Brief History of Humankind.“, wie viel Arbeitszeit ein durchschnittlicher Jäger und Sammler pro Woche für seinen Unterhalt zugebracht hat. Spoiler: es waren ca. 15 Stunden! FÜNFZEHN STUNDEN! Zugegeben, der Lebensstandard war sicher nicht vergleichbar mit dem heutigen, und die Lebenserwartung dürfte deutlich niedriger gewesen sein. Aber würde man beide Seiten fragen können, wer insgesamt mit seiner Existenz zufriedener war/ist, bin ich mir nicht sicher, wo wir raus kämen. Ich persönlich hätte mit 15h/Woche jedenfalls nicht das geringste Problem. Mit den momentan üblichen FÜNFZIG jedoch schon! Und dann höre ich diesen Arbeitgeberfuzzi, der sagt, wir bräuchten mehr Bock auf Arbeit. Er verhöhnt damit vor allem jene, die jetzt schon hart genug arbeiten, und trotzdem ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, weil man ihnen eben nur den Mindestlohn zugesteht! Die Prekarisierung der Arbeit, welche in Deutschland auch noch durch die Sozialdemokraten vorangetrieben wurde (Hartz-Gesetze), ist noch nicht genug, weil man Gewinnwarnungen rausgeben muss. Was zum Henker ist das überhaupt für ein Wort GEWINNwarnung? Ich verstehe die Welt nicht mehr; und ich bin damit offenkundig nicht allein (auch wenn das Zitat schon alt ist).

„How the hell could a person enjoy being awakened at 6:30AM, by an alarm clock, leap out of bed, dress, force-feed, shit, piss, brush and hair, and fight traffic to get to a place where essentially you make a lot of money for somebody else and were asked to be grateful for the opportunity to do so?"

Danke, charles Bukowski!

Wir brauchen nicht mehr Arbeit – wir brauchen die richtige Arbeit: Bildung, Forschung, Carework, nachhaltiges Produzieren vor Ort, mehr Reparieren und weniger Wegwerfen, Naturschutz und Landschaftspflege, Communitywork und vor allem mehr Zeit für einander. Uns allen ist eine 4-Tage-Woche mehr als ausreichend, wenn wir endlich verstehen, dass mehr Konsum weder zufriedener macht, noch dem Leben mehr Sinn gibt. Und vielleicht bekämen wir es dann auch hin, den Wohlstand gerechter zu verteilen. Aber DAS ist nur ein Traum. Nennt mich Sozialist. Ist mir egal. Ich bin lieber ein stolzer Soze, als ein Pollunder-tragender Möchtegern-Leistungsträger, der mehr Ressourcen verbrennt, als seine nutzlose Arbeit jemals zu erzeugen vermag. Klinge ich gerade böse? Na hoffentlich! Bis die Tage…

Auch als Podcast…
Harari, Y., N. (2011): Sapiens. A brief history of humankind. London: Vintage, part of Penguin Random House.

Bedenkenträgerei

Wenn man sich Entscheidungsprozesse anschaut, muss man manchmal feststellen, dass wir Menschen ganz schön bescheuert sind. Wir versuchen um’s Verrecken, den besten Deal, die optimale Lösung, den effizientesten Weg zu finden und vergeuden dabei Stunde um Stunde, Kalorie um Kalorie, Nerv um Nerv – nur um hinterher festzustellen, dass man die Zukunft nicht vorhersehen kann. JEDES. EINZELNE. MAL. Die undurchschaubare Grenze der nächsten Sekunde, a.k.a. die unsichtbare Mauer hinter dem JETZT bietet immer und für Jeden genug Stoff zur Selbstabarbeitung. Und Generation für Generation werden wir weiterhin daran scheitern. Das an sich wäre bestenfalls eine Betrachtung von forensisch-philosophischem Interesse, wenn nicht zufällig verschiedenste Prozesse in meinem Arbeitsumfeld ebenfalls mit enervierender Regelmäßigkeit davon betroffen wären. Aber wir Deutschen haben offensichtlich ein verhängnisvolles Faible dafür, die Dinge unnötig zu verkomplizieren und stets nach 100% zu streben, wenn 70% vollkommen ausreichen würden.

Auch das Streben nach Perfektion bedarf des Tuns…

In einer Leitungsposition ist man relativ oft damit beschäftigt, Ressourcen zu beschaffen, damit die geleiteten Mitarbeiter*innen den Workload friktionsfrei wegarbeiten können. Das können tangible Dinge wie Material und Geräte sein; ebenso oft aber geht es um Zeit und Raum. Pädagogische Arbeit braucht beides in nicht unerheblichem Maße, was beim Controller-Mensch immer wieder zu irritierten Nachfragen führt. Aber zu „Wenn’de mit Bananen wedelst, kommen halt nur Affen…!“ gehören halt nicht nur das ausgelobte Gehalt, sondern eben auch das Arbeitsumfeld, dessen Güte in wesentlichem Maße von der Verfügbarkeit der eben erwähnten Ressourcen abhängt. Und dann wird in irgendwelchen Gremien repititiv diskutiert, was in drei, fünf, sieben Jahren SEIN KÖNNTE. ICH. BIN. NICHT. NOSTRADAMUS, GOTTVERDAMMT! Ich weiß ja nicht mal sicher was in drei, fünf oder sieben Tagen, Wochen oder Monaten sein wird. Mir ist wohl bewusst, dass man für’s Geschäft eine Strategie braucht. Mir ist aber – und das ist witzigerweise eine Erkenntnis aus meinem liebsten Hobby, dem Pen’n’Paper-Storytelling – auch bewusst, dass jedwede Strategie, genau wie jedwede wissenschaftliche Erkenntnis immer nur ein Vorläufiges ist – nur ein Vorläufiges sein KANN! Weil – undurchschaubare Grenze der nächsten Sekunde.

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

(c) Reinhold Niebuhr

Nimmt man nun den Geist des Gelassenheitsgebetes von Niebuhr und die Erkenntnis um die Undurchschaubarkeit der Zukunft zusammen, bleibt einem eigentlich nichts anderes übrig, als dem Leben heiter und gelassen entgegen zu treten, und manchmal Dinge einfach zu tun, auch auf die Gefahr hin, hinterher sagen zu müssen, dass man sich geirrt hat! Nun wird mir der Controller-Mensch sofort antworten „Aber da hängen fiskalische Risiken dran, wir müssen doch einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften!“ Ja, kann sein… Jedoch NICHT zu investieren, seine ursprünglichen Ideen NICHT anzupassen, auf den oft unerwarteten Wandel NICHT angemessen nachjustierend zu reagieren, und manchmal auch einfach Dinge zu tun, von denen der ROI (Return of Investment) vorher NICHT klar ist, konstituiert ebenso fiskalische Risiken. Sie wirken sich buchhalterisch nur an anderer Stelle aus; z.B., indem ich wieder Geld für Personalakquise ausgeben muss. Oder für Marketing. Oder für den Insolvenzverwalter… [Für Zeit-Online-Abonnenten, hier ein Artikel zum Thema Heiterkeit.]

Ich glaube fest daran, dass dauernde Bedenkenträgerei ein Symptom dafür ist, sich zu sehr von der eigenen Amygdala regieren zu lassen – und darauf habe ich keine Lust mehr. Als Mensch, der aus eigener leidvoller Anschauung weiß, wie sich Depression anfühlt, ist es umso wertvoller, zu wissen, dass man sich dafür entscheiden kann, sich nicht Angst- und Bedenkenmotiviert durch das Leben und die Arbeit zu bewegen, sondern den Dingen aufgeschlossen und neugierig entgegen zu treten. Dass dabei zwangsläufig auch Fehler passieren, ist in der Tat unvermeidlicher Bestandteil der menschlichen Existenz. Und es wäre besser, wir erinnerten uns der Tatsache, dass wir ALLE Fehler machen. (Manchmal ist der erste, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen…) Wie man damit umgeht, also ob man eine Just Culture (ich übersetze das hier mal mit „Faire Fehlerkultur“) pflegt, oder aber gerne Leute punished, weil sie in gutem Glauben der Richtigkeit Ihres Handelns eine Entscheidung getroffen haben, die sich später als Mist herausstellt, ist eine Entscheidung, die ich niemandem abnehmen kann. Denkt man aber noch mal kurz über das bis hierher Gesagte nach, wird klar, dass alles andere als Just Culture das Wesen des Menschseins und das Wesen unserer Wahrnehmungsfähigkeit schlicht leugnet. Und das man manchmal mit 70% Effizienz loslegen sollte, weil auf nahe 100% zu kommen so viel Energie und Zeit verbrennen würde, dass man’s dann auch gleich ganz lassen kann. Ich habe jetzt nur noch ein Bedenken – nämlich das nach Sonntag Montag kommt und ich eigentlich noch nicht wieder bei 70% Akku bin. Versuchen wir trotzdem zusammen einen geschmeidigen Start in die kommende Woche.

Auch als Podcast…

META, Baby…!

Ich lebe im Moment in einer Welt, in der die Perspektive ständig wechselt. Das liegt nicht etwa am Einsatz bewußtseinserweiternder Mittel, hoher Reisegeschwindigkeit, oder etwa übergebühr hohem Medienkonsum, sondern daran, dass ich als Ausbilder für Ausbilder gefordert bin! Jede Person, die dazu aufgerufen ist, anderen etwas vermitteln zu wollen (oder zu müssen?), steht häufiger vor dem Problem, die eigenen Befindlichkeiten, Ideen, Überzeugungen und Wissensbestände hinterfragen zu müssen. Man kann das natürlich auch sein lassen, und einfach seine unhinterfragten Dogmen raushauen – dann wird’s halt oft Kacke. Denn so, wie sich die Welt ändert – was wir als gültigen Allgemeinplatz einfach mal stehen lassen dürfen – ändern sich auch die Bedingungen, zu denen das Leben so ganz allgemein stattfindet. Insbesondere im hochsensiblen Feld der Pädagogik. Wir arbeiten, wie die meisten anderen Wissenschaften auch, stets mit dem Vorläufigen; also Theorien, die auf Erkenntnissen basieren, die immer so lange als nicht widerlegt gelten, bis jemand bessere Erkenntnisse findet. (wer sich für eine Betractung hierzu interessiert: Thomas S. Kuhn, „The structure of scientific revolutions.“).

Es ist diese zwangsläufige Vorläufigkeit, die viele Menschen irritiert und dazu führt, dass man verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen immer wieder unterstellt, dass sie ja gar kein praktisch verwertbares Wissen produzieren würden. Das ist jedoch nicht wahr. Unsere ganze Existenz basiert auf Vorläufigkeiten – oder weiß irgendjemand da draußen zufällig genau, was morgen um 12:47:33 Ortszeit in Tokio passieren wird? Die Zukunft bleibt, allem Bemühen zum Trotze, eine ständige Unbekannte, die sich erst in dem Moment da sie passiert ist, in ein Gegebenes verwandelt hat. Manchmal mit, sehr viel öfter jedoch ohne unser Zutun. Unsere kleinen Affengehirne kommen anscheinend mit dieser Ambivalenz, Ambiguität, Unsicherheit, überhaupt mit dem DAZWISCHEN aber gar nicht gut klar! Weshalb wir immerzu nach sofort verfügbaren, möglichst einfachen, möglichst sicheren Lösungen und Plänen verlangen. Aber für das UNSICHERE gibt es keine Blaupause, für die Zukunft keinen alle Eventualitäten berücksichtigenden Plan, der uns sanft und sicher ans Ziel führt. Mal davon abgesehen, dass individuelle Ziele sich erheblich unterscheiden…

Es bedurfte in meinem Fall einiger Jahrzehnte, um dieses Maß an Einsicht und gelegentlich mittlerweile sogar Gelassenheit im Angesicht der undurchschaubaren Grenze der nächsten Sekunde zu erlangen. Was nichts über die Fähigkeit Anderer hierzu aussagt, denn diese Aussage ist ja nur anekdotische Evidenz. Wenn ich mich jedoch umsehe in den Debatten unserer Zeit, gleich auf welchem gesellschaftlichen Feld, dann komme ich nicht umhin, einen eklatanten Mangel an Einsicht in die eben ausgeführten Sachverhalte erkennen zu können. Und in einigen Fällen würde ich sogar ein bewusstes Ignorieren zum Vorantreiben der eigenen Agenda unterstellen wollen. Denn jede Menge Menschen da draußen, die den Wunsch nach der einfachen Antwort offenkundig instrumentalisieren, haben sowohl den Intellekt als auch die Fähigkeiten, zu den gleichen Schlüssen zu kommen, wie ich! Neurechte Vordenker und Agitatoren zum Beispiel. Aber das trifft eigentlich auf Vertreter jeder Himmelsrichtung im politischen Spektrum zu…

Wenn man aus der isometrischen Draufsicht wie beim guten alten Diablo auf die Sache blickt – also die Meta-Perspektive einnimmt, wie man heute so schön sagt – stellt man fest, dass man selbst seinen Ansprüchen auch nicht annähernd so oft gerecht wird, wie man sich das gerne erzählt. Das unbewusste Streben nach einer positiven Erzählung des eigenen Selbst steht uns beim Erreichen des hehren Zieles SELBSTREFLEXION also ziemlich oft im Weg. Man könnte sich jetzt also dazu hinreißen lassen, aus diesem Grunde die virtuelle Flinte ins Korn zu werfen, und mit einem metaphorischen Schulterzucken in die couchige Komfortzone der selbstgebauten Illusion von Sicherheit und Beständigkeit zurückkehren, um Wandel, der sich als automatisches Ergebnis des komplexen Systems „Menschheit“ ergibt immer und immer wieder als Bedrohung zu interpretieren – mit dem Ergebnis, dass man entweder zum Nazi wird, in Schockstarre verharrt oder der Depression anheimfällt. Das ist mir als Lösung aber zu billig: Depression kenne ich schon aus eigener Anschauung und habe keinen Bock mehr darauf. Schockstarre widerspricht 100% meinem Selbstbild als Macher und Problemlöser! Und Nazis sind und bleiben für immerdar Scheiße!

Also krieche ich einmal mehr mit Mühe auf die Meta-Ebene und schaue mir in einem selbstgefälligen Anfall von Masochismus jene Dinge an, die ich in den letzten Wochen so verzapft habe. Zum Kritisieren findet man natürlich immer was; hier hätte man schneller, dort ein wenig präziser und obenrum ein bisschen feinfühliger sein können. Aber ich bin jetzt an dem Punkt zu sagen, dass 70% für die nächste Zeit reichen müssen. Und gönne mir, weil das auch mal sein muss, einen arroganten Spruch dazu: MEINE 70% müssen andere erst Mal erreichen! In diesem Sinne wünsche ich allen ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Verdient…?

Es ist so eine typische alte deutsche Unart, dass man über Geld nicht spräche. Ich meine, seien wir doch mal ehrlich: spätestens mit den explodierenden Verbraucherpreisen für fast ALLES seit Beginn des völkerrechtswidrigen Überfalls Russlands auf die Ukraine IST Geld, oder besser der Mangel daran, in der öffentlichen Wahrnehmung überall. Was wird nicht über die teilweise existenziellen Probleme vieler Menschen geschrieben, gewettert, geweint, gewünscht, gewasweißichnochallest; aber mal über das eigene Gehalt bzw. dessen Höhe zu reden – da herrscht oft Fehlanzeige. Mir ist das ehrlich gesagt Wumpe, wenn jemand mein Gehalt kennt. Ich habe kein Non-Disclosure-Agreement darüber unterschrieben. Und ich finde es problematisch, wenn man Gehaltsintransparenz als Machtinstrument zu missbrauchen versucht. Und genau das passiert. Spätestens, wenn man sein Gehalt selbst verhandeln muss, weil es keinen Tarifvertrag gibt. Aber selbst mit Tarifvertrag gibt es Spielräume, die ausgeschöpft werden können. Auf meinem eigenen Gehaltszettel stehen im Moment übrigens rund 6000,00€ Brutto/Monat + Jahressonderzahlung, die einem 13. Monatsgehalt entspricht. Das Netto bei Lohnsteuer-Klasse 3 könnt ihr euch selbst ausrechnen. Und meine Frau hat ein eigenes Einkommen. Das ist, was ich meine, wenn ich sage, unsere Familie ist existenziell abgesichert. Aber ob ich VERDIENE, was ich BEKOMME, das steht auf einem ganz anderen Blatt Papier…

Das Leben treibt manchmal seltsame Blüten…

Ich sage ja immer, dass die Kommentarspalten oft viel interessanter sind, als die eigentlichen Artikel. ZON Arbeit hat einen Aufruf veröffentlicht, dass man sich doch anonym melden könne, um mitzuteilen, ob man seinen Arbeitgeber hinsichtlich der effektiven Arbeitszeit im Home-Office belüge. Wurde heute morgen veröffentlich (es ist ja nur in wenigen Bundesländern heute gesetzl. Feiertag, so etwa in Ba-Wü, wo ich wohne). Es gibt natürlich noch keine Ergebnisse, aber in den Kommentaren tauchte dann eben auch mehrfach die Aussage auf, dass man halt tue, worauf man lustig sei, sobald die eigentliche Arbeit (also vermutlich der zugewiesene Workload) erledigt sei. Das wirft ein paar Fragen auf, die ich hier nicht abschließend beantworten kann, weil die Antworten, welche andere geben könnten sehr individuell ausfallen dürften. Also ran an die Fragen:

  • Ist diesen Leuten klar, dass es sich bei solchem Verhalten, wenn man die aktuelle Gesetzeslage in Betracht zieht in einem Festanstellungsverhältnis ggfs. um Arbeitszeit-Betrug handelt, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt? (Ich frage für einen Freund…)
  • Wie misst man individuelle Workloads? Individuelle Performance differiert nämlich teilweise erheblich. Und manche Tätigkeit ist überhaupt nur schwer zu bemessen; nämlich eigentlich nur über abgeschlossene Projektschritte, nicht über die aufgewendete Zeit.
  • Wie misst man den betrieblichen Gegenwert individueller Workloads? (Ich verweise noch mal auf das eben Gesagte).
  • Wie bewerte ich bei der Entgeltung von Home-Office den Umstand, dass ca. 30% der täglichen Büroarbeitszeit (also knapp 2,5h bezogen auf einen 8h-Tag!) NICHT für Arbeit aufgewendet werden, sondern für informelle Gespräche, Kaffeeholen, etc.?
  • Ich formuliere schärfer – ist Präsentismus tatsächlich effektiver und produktiver?
  • Wie finde ich die sogenannten Low-Performer, egal ob in Präsenz oder im Home-Office?
  • Ist eine bestimmte Bandbreite der Performanz nicht eine logische Folge natürlicher Bandbreite des Mensch-Seins; also eine Folge von Genetik, Erziehung und Sozialisation? Also mithin von Vorbedingungen, auf die man am Arbeitsplatz nur sehr bedingt Einfluss nehmen kann?
  • Und wie geht man mit solchen qua-natürlichen Divergenzen um?

Letztenendes geht es darum, immer neu einen Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finden zu müssen, was sich immer häufiger als Problem darstellt. Ich habe selbst Personalverantwortung und ich würde von mir behaupten wollen, dass ich geneigt bin, Menschen mehr als eine Chance geben zu wollen. Aber auch ich habe äußere Begrenzungen, bin Einflüssen und Vorgaben unterworfen, die ich NICHT ignorieren kann. Und muss liefern. Oft genug entstehen daraus Konflikte, die ich nicht, oder aber nur unter Schmerzen und erheblichem persönlichem Einsatz lösen kann. Und ich stelle immer häufiger fest, dass ich nicht mehr bereit bin, einfach für andere mitzuperformen, weil auch ich physische und psychische Limits habe; ich habe das vergangenes Jahr bereits mehrfach schmerzhaft aufgezeigt bekommen. Und bin jetzt an dem Punkt, dass ich mich selbst schützen werde, auch wenn das bedeutet, Menschen vor den Kopf stoßen zu müssen.

Zurück zur Eingangsfrage: Verdient, oder nicht verdient, dass ist hier die Frage des Chefs? Wenn diese so einfach zu beantworten wäre (und ich habe in meiner Fragesammlung einige Komplexe des Organisations-Managements noch überhaupt nicht berührt), gäbe es nicht jene Menschen, die sich damit wissenschaftlich und beruflich beschäftigen. Wir sind also wieder mal beim leidigen Thema „Leistungsträger“ angekommen. Und was ich dazu an anekdotischer Evidenz aus meinem Tätigkeitsbereich (HiOrgs so ganz im allgemeinen) beitragen kann, wirft die dringende Frage auf, warum so vieles noch immer so verdammt unprofessionell, wurschtig, nach Nase und Lust anstatt Sachlage gehandhabt wird; und gefühlt viel zu oft Jene mit der größten Fresse und den lautesten Eigenwerbungs-Beiträgen weiterkommen, anstatt Jene, die einerseits erstmal nur ihren Job machen, andererseits aber stets bereit sind, reflektiert auf die Zukunft zuzugehen?

Sagte ich nun, ich hätte keine Ahnung, wäre das gelogen. Denn Fakt ist, dass erfolgreiches Verhalten imitiert wird (hier als erfolgreich im Sinne von, „bringt persönliches Vorankommen!“ zu verstehen, nicht jedoch im Sinne von „bringt die Organisation und alle Beteiligten voran!“). Und so reproduziert sich an entscheidenden Stellen oft Verhalten, das mit den prominent aufgehängten Lippenbekenntnissen aus irgendwelchen Leitbildern ungefähr so viel zu tun hat, wie Hackbraten mit Atomphysik. Geht man so reflektiert auf die Zukunft zu. Nö, wieso denn – Tradition ist doch Fortschritt genug, oder? Ob ich auf einen Lottogewinn hoffe, um mal ein paar Jahre was anderes machen zu können? Ja, irgendwie schon. Mal schauen. Ab Montag ist wieder Tretmühle angesagt. Euch ein schönes Wochenende.

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N°43 – Blockade…

Ich saß diese Woche eines Abends noch länger, weil ich eine Online-Fortbildung fertig produzieren musste. Die Arbeitsschritte sind dabei mannigfaltig. Präsentationen (in meinem Fall tatsächlich Powerpoint (c) ) erstellen, Präsentationen kommentieren und aufzeichnen, konvertieren, uploaden, in das Kurs-Projekt einbinden (wir nutzen Articulate Rise 360 (c) ), die Texte anpassen, das Projekt exportieren und in das Lernmanagement-System (bei uns ein Moodle (c) ) einpassen, Teilnehmer einbuchen und einladen. Die ersten Schritte sind dabei immer die schwersten, denn bis man zündende Ideen hat, wie sich bestimmte Dinge halbwegs gut erklären und visualisieren lassen, geht manchmal ganz schön Zeit drauf. Dann müssen die Visualisierungen erstellt werden; ich kann nicht wirklich malen, aber Bikablo-Männchen (c) kriege ich hin. Alles in allem ist das ein anstrengender Prozess, in den bei fertigen Instruktionsdesigns pro Unterrichtseinheit sicher 4-5 Stunden Arbeit fließen – wenn’s denn langt.

Hilft mir meine Wahrnehmung…?

Wenn es nur ein sturer Produktionsprozess wäre, dann setzte man sich also eine starke Woche hin und hätte einen digitalen Unterrichtstag produziert, der von beliebig vielen Personen genutzt werden kann. Einzelne Teile lassen sich, sofern man sauber gearbeitet hat, auch in unterschiedlichen Formaten wiederverwenden. Es ist also in keinem Fall verschwendete Zeit. Jedoch ist das mit dem Start und auch dem Flow eines kreativen Prozesses so eine Sache. Speziell bei dieser Fortbildung kam es zu Verzögerungen auf Grund erhöhten Workloads an anderer Stelle; einerseits. Aber andererseits sitzt man manchmal einfach vor dem Monitor und nichts fließt. Es ist wie eine verdammte weiße Wand, die einen höhnisch anstarrt, als wenn sie sagen wollte „Na, wieder mal zu blöd, um ES richtig zu machen…?“. Und das ist extrem frustrierend. Denn natürlich ist einem die ganze Zeit über schmerzlich bewusst, dass Andere auf einen warten. Und die verstehen das Thema Schreibblockade vielleicht gar nicht, weil kreative Prozesse nicht unbedingt zu ihrem täglich Brot gehören.

Ich stelle, je älter ich werde, und je mehr ich mich Neurowissenschaften und Kognitions-Psychologie beschäftige fest, dass die Prozesse in unseren Köpfen, deren Ausdruck wir – und auch Andere – dann als Produkte unserer als Kreativität wahrnehmen alles andere als vorhersehbar verlaufen. Wenn man Kreativität aber auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive betrachten muss, ist diese eines von mehreren Assets im Bereich Human Ressources; und zwar jenes, welches Mitarbeiter dazu befähigt, unterschiedlichste auftauchende Probleme auf teilweise originelle Art und Weise zu lösen; vornehmlich um Effizienz zu erhalten oder gar zu steigern; denn Zeit ist Geld. Was bedeutet, dass auch Bildungszeit Geld ist. Nun lässt sich aber der Wert von (Fort)bildung nur sehr schwer beziffern. Ich kann messen, wie viel ich dafür ausgebe und ob eine Bildungseinrichtung als solche kostendeckend arbeitet, oder gar einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaftet. Aber was Bildung mit, bzw. in den Menschen schafft, welche diese konsumieren, ist oft nur schwer und auch nur mittelbar zu beziffern.

Wenn man zum Beispiel jemandem bei der Aneignung von etwas Neuem begleitet, dessen Beherrschung später für den Arbeitgeber Geld verdient, macht es dann einen Unterschied, ob dieser Mensch dies Fähigkeit später besonders gut kann, oder ob er halt nur den Schein gebraucht hat? Dieses Dilemma ist vorerst nicht aufzulösen, aber es trifft hier auch auf mich zu. Wenn ich mir nun Mühe gebe, etwas möglichst verständlich darzustellen, bzw. Aspekte zu beleuchten, die mir auf Grund meiner Ausbildung und Erfahrung in einem Bereich besonders wichtig erscheinen und dabei, wie oben beschrieben, über gewisse Längen gehe, ist das dann aus betrieblicher Sicht noch effizient, oder nur noch (falls überhaupt) effektiv? Und wie messe ich den Unterschied? Macht es also für Andere einen Unterschied, ob ich meine Blockade ignoriere und (aus meiner Sicht) Scheiße abliefere, Hauptsache, es wurde überhaupt etwas ausgeliefert? Ist eine Zwickmühle, aus der ich bislang keinen Ausweg gefunden habe. Also halte ich mich an mein eigenes Qualitäts-Bestreben, auch wenn ich dann manchmal das ungeduldige Generve der Kollegen*innen aushalten muss. Auch wenn ich manchmal bezweifle, dass DIE den Unterschied überhaupt bemerken würden. Nun ja. Draußen wird es langsam dunkel, die neue Woche dräut. Ich wünsche einen schönen Abend.

Auch als Podcast…

Wer’s nich kennt – Advent, Advent…

An dieser Stelle zuerst ein Bekenntnis: ich selbst könnte vermutlich ganz gut OHNE das ganze Tannen- und Mistelselige, übergebühr belichterte, Plätzchen- und Gänsegarnierte, mit reichlich Schenk-Konsum zum Ende gebrachte Brauchtumsbrimborium, welches sich von Ende November bis fast Ende Dezember hinzieht. Es wirkt auf mich immer so, als wolle man sich mal richtig Mühe geben, den Zug der Zeit wenigstens zu verlangsamen, innezuhalten und zurückzublicken auf das eben zu Ende gehende Jahr. Zäsur nennt man jenen Moment, in dem eine Epoche endet und eine Neue beginnt. Nun ist der bloße Datumswechsel vom 31.12 auf den 01.01 per Definition eigentlich noch kein solcher Epochenwechsel. Aber man soll Feste ja feiern, bis man fällt…oder so. Mich stört allerdings das dabei überall zu vernehmende, markerschütternde Kreischen der Bremsen des oben erwähnten Zuges; z. B. in Form von „Last Christmas, you…“ Und ich gehöre zu den lucky guys, die fast nie gewhamed werden…

Da wandern die zwei Richtung Betlehem (bzw. zum nächsten Absatz, wo die Krippe steht… 😉 )

Heute ist der 2. Advent, und das Einzige, was mir dazu einfällt ist: Scheiße, morgen ist ja schon wieder Montag! Ganz ehrlich – ich habe heuer weder die Zeit, noch die kognitiven Ressourcen, adventlich gestimmt zu sein. Vielleicht stellt sich das wieder in jenen letzten Tagen ein, wenn man sich dann doch mit Tätigkeiten wie Christbaum kaufen, aufstellen und schmücken, Geschenke einpacken und Plätzchen backen beschäftigt. Das Letztere ist bei uns eh immer ein Joint Venture. Aber im Moment bin ich noch viel zu sehr mit Problemen und Problemchen zugedeckt, als dass es sich so anfühlen würde, als wenn es jemals wieder eine Pause davon gäbe. Schuld daran ist – natürlich – mein Job. Es ist schon so, dass speziell das letzte Quartal immer in einem Dauerlauf ausartet, weil unglaublich viele Menschen unglaublich spät merken, dass sie noch unglaublich viel erledigt haben wollen. Sie vergessen etwa, dass man ja Fortbildungsstunden nachweisen muss, und sind dann erbost, wenn man ihnen auch mal sagt, dass alles ausgebucht ist, oder mangels Ressourcen abgesagt werden muss, und sie verdammt noch mal in Zukunft vorausschauender planen sollen. Anderen Menschen fällt es ein, alte Pläne und Abmachungen über den Haufen zu werfen, einfach weil sie das können, und dann sitzt man da und hat viel mehr Arbeit, als sinnvoll zu bewältigen ist. Was dann liegenbleiben muss, sind jene Dinge, die man schon lange zugesichert hatte und jetzt einmal mehr nicht hinbekommt. Denn ich weigere mich mittlerweile konsequent, mich in den Abendstunden oder am Wochenende für meinen AG hinzusetzen.; ich brauche das (gefühlt winzige) bisschen Freizeit dass ich habe, so verdammt sehr!

Da stellt man auch an der Arbeitsstelle Bäume auf, veranstaltet eine Weihnachtsfeier etc.; aber ich fühle es halt nicht! Und auch, wenn ich jetzt mal unterstelle, dass solche Dinge wirklich Wertschätzung für die Mitarbeiter*innen ausdrücken sollen, sind’s trotzdem immer die Gleichen, an denen am Ende all das hängen bleibt, was man nicht sieht; oder nicht sehen will. Ich könnte mit dem Finger zeigen und präzise benennen, woran es gerade hängt, welche Umstände (aber auch Personen) an meiner Überlastung Schuld tragen, und was es bräuchte, um dem entgegen zu treten. Jedoch… ich darf nicht einfach mal laut sagen, was ich denke. Immer schön diplomatisch bleiben, ja niemanden Gesicht verlieren lassen, gute Mine zum bösen Spiel machen und das kollegiale Miteinander beschwören. Aber wisst ihr was: ich scheiße auf das Miteinander mit ignoranten, selbstverliebten Laiendarstellern. Wer Kollegen hat, braucht keine Feinde! Schon mal gehört, oder…?

Ich bin neulich von einem Facharzt gefragt worden, ob ich Stress hätte (ich hatte einen Hörsturz und saß beim HNO-Doktor). Er musste schmunzeln, als ich sagte, wenn man den Stoff abfüllen würde, könnte ich damit einen ganzen Laden betreiben. Und so ist es immer noch. Selbst jetzt, da ich hier sitzte, und wieder einmal versuche, die Dinge für mich sinnvoll zu ordnen, kann ich die Gedanken an meinen Job nicht vertreiben. Und ich versuche es wirklich und ehrlich sehr bemüht, den ganzen Mist nicht weiter an mich ran zu lassen. Ausgerechnet ich, der immer auf dieses hohle Hoffen auf Glück herabgesehen hat, spiele neuerdings Lotto. Und gewänne ich, wäre ich vermutlich weg. Zumindest für eine ganze Weile. Das wird natürlich nicht passieren, und so sinne ich immer häufiger über Alternativen zum Status Quo nach. Bislang ist mir jedoch noch keine befriedigende Lösung eingefallen. Also hoffe ich auf Entspannung über die nun rasch herannahenden Feiertage. Und auf eine Inspiration, wie ich dieses Dilemma für mich auflösen kann. Denn – und das ist das tatsächlich Tragische daran – ich mag meine Arbeit immer noch sehr. Nur die Rahmen-Bedingungen sind im Moment schlicht grausam. Mal sehen. Vielleicht gilt ja doch: In the end hilft der Advent, because it feels right to have Weihnachtszeit… Sorry und einen schönen Sonntag.

Auch als Podcast…

Kurator N°1

In den vergangenen Tagen drehten sich meine Gedanken vor allem darum, diese Woche zu überleben, und all die verschiedenen Eimer voller Ärger und Arbeit, welche Andere auf meinem Schreibtisch auszuleeren beliebten irgendwie in den Griff zu bekommen. In einem Job, der viel mit Leiten und Organisieren zu tun hat, ist es oft NICHT so, dass am Ende eines Arbeits-Schrittes oder gar eines ganzen Prozesses ein fertiges Werkstück vorliegt, wie dies etwa bei meiner besten Ehefrau von Allen der Fall ist. Es gibt bei ihrer Arbeit ein greifbares Produkt, dessen Entstehung zeitlich von definierten Start- und Endpunkten begrenzt wird. Organisationsprozesse hingegen sind immerzu im Fluss; und sehr oft muss man (manchmal im wahren Wortsinn) aufstehen und sich umsehen, um herausfinden zu können, an welcher Stelle man sich gerade befindet. Einerseits bedeutet das viele Freiheiten bei der Gestaltung der eigenen Arbeit; andererseits aber auch ein andauerndes ambivalentes Gefühl, zwar viel getan aber nix fertig bekommen zu haben. Weil einem oft die Landmarken fehlen.

Auch hier hat der Kurator zugeschlagen… Ich würd‘ wieder hinwollen!

Leiten/Führen ist eine Dienstleistung, die grundsätzlich nach dem Uno-Actu-Prinzip funktioniert und sehr häufig von der Leitungsperson verlangt, Entscheidungen zu treffen, für die man eigentlich in die Zukunft schauen können müsste. Nun sind unsere armen kleinen Affengehirne zwar mit mehr oder weniger komplexen Heuristiken für das Überleben im Hier und Jetzt ausgestattet; eine mögliche Zukunft antizipieren zu wollen, deren tatsächliche Erscheinungsform von vielen Variablen abhängig ist, die wir allzu oft nicht einmal annähernd alle kennen, muss jedoch zwangsläufig oft zu Spökenkiekerei degenrieren. Auch wenn uns die Wirtschaftswissenschaftler das gerne anders verkaufen wollen. Vor allem die bizarren Produkte menschlicher Entscheidungsfindungsprozesse sind dabei ein riesiges Problem. Wir ticken recht oft erstaunlich irrational; selbst, wenn es um’s liebe Geld geht. Das führt dazu, dass man manchmal Entscheidungen hinauszögert, weil man sich eine noch bessere Entscheidungsbasis herbeizaubern zu können erhofft, und am Schluss nicht nur verspätet reagiert, sondern allen vordergründig rationalen Bemühungen zum Trotze dennoch objektiv suboptimale Entscheidungen trifft. Ich war dort! Ich weiß also, wovon ich rede (ich weiß, ich weiß, anekdotische Evidenz zählt nicht. Und doch… und doch…)

Sinn und Zweck ergeben sich oft erst in der Kommunikation…

Ich hatte letzthin davon gesprochen, dass man beim Decision Fallout auch immer mal wieder versucht ist, die Konsequenzen von Entscheidungen anderen aufzubürden; denn gerade im Geschäftsleben geht es oft darum, dass dieser oder jener „nicht sein Gesicht verlieren“ darf. In der japanischen (Geschäfts)Kultur kennt man hierbei die Trennung zwischen „Honne“ (tatsächlichen Gefühlen ) und „Tatemae“ (die Masken, welche wir in der Öffentlichkeit tragen). Ich würde nicht soweit gehen, zu sagen, dass auch viele Menschen in der westlichen Geschäftswelt diese Idee wirklich verinnerlicht haben. Aber wenn ich eine Argumentation höre, die nicht darauf basiert, was objektiv für eine Organisation gut ist, sondern, wie man sich am besten Gesicht erarbeitet und wahrt, bekomme ich so meine Zweifel an der Objektivität mancher Entscheidungen. Denn wenn es jemandem offenkundig zuvorderst darum geht, sich als Kurator seines Images bzw. seiner Reputation zu vermarkten, bleibt die Frage nach der wahren Substanz von Entscheidungen, nach dem wirklichen semantischen Gehalt von Kommunikation; und schließlich nach der Verlässlichkeit des Gegenübers, wenn es um die Konsequenzen solcherlei motivierten Handelns geht unbeantwortet. Oder wie Sartre gesagt hat: „Die Hölle, das sind die Anderen.“

Nur um das hier noch mal in aller Deutlichkeit gesagt zu haben: Wer ohne Sünde ist, und so weiter und so fort. Natürlich bin auch ich schon in diese Falle getappt und tue es wohl auch in Zukunft immer mal wieder. Aber mittlerweile seltener. Was daran liegt, dass meine diesbezügliche Wahrnehmung (Lernen durch Schmerz) immer besser wird. Was nichts daran ändert, dass ich mich manchmal im Decision Fallout Anderer stehen sehe, denen die Konsequenzen ihres Handelns entweder nicht bewusst sind, oder aus oben genannten Gründen in Kauf genommen werden; schließlich zahlt ja jemand anders die Zeche. Falls man meine Worte bis zu diesem Punkt als halbwegs wohl abgewogen wahrgenommen hat, habe ich mich selbst wohl halbwegs erfolgreich als Kurator meiner Reputation versucht – also mein persönliches Tatemae gepflegt. Mein Honne jedoch ist in Aufruhr, denn ich bin stinksauer, weil die rein gesichtsbasierten Entscheidungen Anderer mir Sorgen und Arbeit bescheren, für die ich im Moment weder die Nerven noch die Ressourcen habe. Und ich darf sie dafür nicht mal anschreien! Ich bin ehrlich gesagt gespannt, wie viel ich noch ertrage, bevor ich mit irgendsoeinem Headhunter auf XING doch mal ernsthaft ins Gespräch gehe. Schönen Sonntag.

Auch als Podcast…

Decision Fallout

Mit Blick auf die zunehmende Vermüllung des menschlichen Lebens durch ubiquitäre Verfügbarkeit medialer Inhalte komme ich letzthin nicht daran vorbei, a) meinen eigenen Konsum zu hinterfragen und b) die damit verknüpften Ziele anzuzweifeln. Was macht meinen Mediengebrauch, meine Suche nach Nachrichten und Informationen aus? Bin ich fokussiert, oder lasse ich mich, emergierenden Assoziationsketten folgend, einfach mal treiben? Wie lange kann ich konzentriert tun, was ich so zu tun habe? Und überhaupt – wohin bringt mich das alles? Vorwärts, seitwärts, rückwärts, in den Abgrund oder nach Oben (was auch immer dieses ominöse „Oben“ sein mag)? Zweifel nagen, Zweifel fragen: „Gut oder schlecht?“, „Nützlich oder Schrott?“, „Schön oder hässlich?“, „Heute oder morgen?“, „Will ich oder will ich NICHT?“ und schließlich „Warum stellt sich die Frage überhaupt…?“ Das Bittere daran ist, dass es keine perfekten und immerdar gültigen Antworten gibt. Auch salomonische Entscheidungen haben stets ihre Härten, von denen man manche nicht zu tragen bereit ist; wie z.B. mit einem Schwert zerschnittene Kinder.

Imperfect Beauty!

Ich war mit besten Ehefrau von allen spazieren und unterdessen kam die Frage auf, ob es nun gut oder schlecht sei, sich an Träume erinnern zu können? Meine Gattin war da ganz pragmatisch und sagte „Kannste nicht wissen, aber wenn’s ein schöner Traum war, ist es natürlich gut!“ Ich entgegnete sinngemäß, dass ein Traum, auch wenn er als Albtraum daherkäme trotzdem eine Botschaft, eine Inspiration oder eine Gelegenheit zum Lernen beinhalten könne, aber das war ihr zu abstrakt. Philosophie sei mehr so meine Domäne. Wir gingen weiter, und es war ein schöner Spaziergang. Doch die Frage nach dem Ying und Yang hängt mir nach, ist sie doch mit einer der basalsten Notwendigkeiten menschlichen Lebens verknüpft: dem dauernd von uns geforderten Treffen von Entscheidungen! Wir können uns dem nicht entziehen, auch wenn wir mit der Prokrastination eine ganze Kunstform rings um das Aufschieben, Ignorieren und Vermeiden entwickelt haben; die allerdings nicht nur beim Entscheiden ihren unheilvollen Sirenengesang entfaltet… Wie man es auch dreht und wendet, ohne (Wert)Urteile kommt man nicht aus – und (Wert)Urteile haben immer Konsequenzen. Im mildesten Fall habe ich mir halt irgendeinen nutzlosen Scheiß gekauft. Im schlimmsten Fall jedoch sterben Menschen!

Man kommt auf der Suche nach einer guten Entscheidung oft von Kuchenbacken auf Arschbacken, ohne dem Ziel näher zu sein. Wie war das noch mal mit den emergierenden Assoziationsketten? Denn eine Entscheidung bezieht sich zumeist auf etwas, dass sich im Nebel der Zukunft verbirgt. Und wir Menschen meinen ernsthaft, diesen Nebel durch das zwanghafte Sammeln von immer mehr Informationen (rational), oder wahlweise durch heuristische Extrapolation auf Basis unserer Erfahrung (intuitiv) teilen und auf das bestmögliche Ergebnis zuschreiten zu können, wie einst Moses das Rote Meer teilte, um das Volk Israel zu retten? Dass man die Bibel nicht allzu wörtlich nehmen sollte, dürfte vielen Menschen klar sein; warum zum Teufel glauben sie dann, wirklich in die Zukunft sehen zu können? Es sei zu Protokoll gegeben: ich bin Mensch und habe diesen Fehler selbst öfter gemacht, als ich zählen kann. Mittlerweile versuche ich wenigstens, bei rationalen Entscheidungen meine eigene Fehlbarkeit in die Gleichung miteinzubeziehen. Was das Ganze allerdings NOCH komplizierter macht!

Jede Entscheidung erzeugt, mal mehr mal weniger epische Konsequenzen – Decision Fallout! Manche versuchen sich dem zu entziehen, indem sie Entscheidungen jemand anders aufzwingen, oder aber Verantwortung für die Konsequenzen verschieben. Aber letztlich bleibt immer irgendwas haften. Womit wir wieder bei der Frage „Gut oder schlecht?“ wären. Vor Entscheidungen mit Veränderungspotential Angst zu haben, weil der Status Quo, allen Unzulänglichkeiten zum Trotz, halt doch wenigstens bekannt und damit subjektiv berechenbar ist, ändert nichts daran, dass die Welt sich weiter bewegt. Irgendwann wird man selbst damit unausweichlich auch weiterbewegt! Und bevor ich mich selbst zur Passivität verurteile, möchte ich lieber selbst gestalten und mein Schicksal (wenn man denn so groß denken möchte) soweit selbst in die Hand nehmen, wie dies nur eben möglich ist. Was auch die Möglichkeit beinhaltet, sich zu irren, auf das falsche Pferd zu setzen, zu verlieren, es zu verkacken – aber ebenso das genaue Gegenteil: „We are the champions, my friends…“. Viele Leute vergessen allerdings gerne, wie diese Liedzeile weitergeht „…an we’ll keep on fighting ‚til the end!“

Mit Decision Fallout umgehen zu können bedeutet, sich bewusst auf Entscheidungen und Konsequenzen einzulassen, selbst gestalten zu wollen, Veränderung als unausweichlichen Bestandteil dieses Dings namens Leben zu begreifen und sich nicht immerzu davon ins Bockshorn jagen zu lassen, dass man daneben liegen kann! Mit der besten Ehefrau von allen habe ich dieser Tage auch mal darüber sinniert, wie’s wäre, keine Leitungsposition mehr innezuhaben. Ich kaue auf diesem Gedanken jetzt erstmal eine Weile rum, weil’s im Moment tatsächlich keinen Spaß mehr macht, alles selbst kompensieren zu müssen. Wir werden sehen. Einstweilen wünsche ich einen schönen Start in die neue Woche.

Auch als Podcast…

Workplace Angst – New Work N°10 vs. Erwachsen bilden N°42

Ich las dieser Tage, rekonvaleszierend auf der Couch herumlungernd, einen Artikel über das „pünktlich Feierabend machen“. Eigentlich war es ein Artikel über die Workload-Balancing-Probleme der Autorin, aber das soll hier im Weiteren keine Geige spielen; weil sie Prozesse beschreibt, die zumindest Wissensarbeiter zumeist aus eigener Anschauung gut kennen dürften. Das Ganze mäandert irgendwo zwischen dezenter NEIN-Schwäche und gelegentlich unterstrukturiertem Zeitmanagement des Arbeitnehmers auf der einen Seite, und der Tendenz vieler Arbeitgeber, den dargebotenen kleinen Finger fest zu packen, um den Oberarm am Schultergelenk rausreißen zu können, auf der anderen. Tatsächlich gehören aber zur Entstehung ausufernder Arbeitsüberlastung in aller Regel Zwei. Niemand ist sich dieser Tatsache besser bewusst als jemand wie ich, der in seiner Führungsposition qua Stellenbeschreibung in der Hoffnung institutionalisierten Mangel verwaltet, trotzdem halbwegs gute NotSans auf die Straße bringen zu können. Im Moment fühlt es sich mal wieder an, als wenn man ohne geeignete Schutzausrüstung mit glühenden Eisen jongliert. Macht echt keinen Spaß.

Always being chased up a tree…?

Wie man es auch dreht und wendet, das Thema bleibt immer das Gleiche: wir können doch nicht anders weil wir immerzu müssen, aber leider nicht können, wie wir wohl wollten, obwohl wir eigentlich dürften, wenn wir nur könnten! Das Topos bleibt also auch immer das Gleiche: Ressourcenmangel landet auf dem Rücken des Einzelnen, weil die Institutionen schon immer so funktioniert haben. Nun könnte man MIR sagen: „DU bist doch in der Position, etwas dagegen zu tun!“ Und das versuche ich auch. Weil aber mindestens eine GENERATION vor mir es so richtig verkackt hat, denn heraufziehenden Fachkräftemangel frühzeitig und sachrichtig anzugehen, verwalte ich jetzt, wie viele andere auch, einfach erst mal den Mangel, den ich so schnell nicht beheben kann. Und neben der Tatsache, dass ich im Strahl kotzen könnte, weil ich von meinen Mitarbeitern so viel verlangen muss, beute ich mich natürlich schön selbst aus, denn wirklich geführt wird ja bekanntlich nur von vorne. Den Unterschied zwischen Leader und Boss werde ich jetzt nicht noch mal extra aufwärmen…

Hier entsteht gerade eine Kluft zwischen denen, die derzeit zu wenige sind und denen, die leider (noch) nicht genug Qualifikationen haben, um auf den richtigen Zug aufspringen zu können. Ich erlebe z. B. die Institutionen, welche sich mit dem Thema Qualifizierung von Migranten für den Arbeitsmarkt befassen als dermaßen unflexibel, an teilweise absurden Formalismen verhaftet und dermaßen unterfinanziert, dass es mich mittlerweile nicht mehr im Mindesten wundert, warum zum Teufel wir es einfach nicht hinbekommen, diese neuen Menschen im Lande zu integrieren und ihnen die Chance zu geben, tatsächlich Bürger*innen zu werden. Da ich gezwungen bin, Bildung AUCH als Wirtschaftsbetrieb zu betrachten, stehe ich gerade am Scheideweg, ein im Grunde gutes und hilfreiches Projekt sehr kritisch auf den Prüfstand stellen zu müssen, weil es sich nicht rechnet; egal, wie man den Abakus auch verdreht. Das Resultat ist, dass Menschen, die sehr wohl eine Menge Grips und auch Engagement mitbringen, aber halt nur geringe Sprachkenntnisse, in irgendwelchen Maßnahmen versauern. Das mit der Kultur, die ein Prozess ist und sich daher stetig verändert, werde ich jetzt nicht auch noch mal erklären. Ich bin es nämlich leid, mich dauernd zu wiederholen.

Wenn ich heute an Workplace Angst denke (und den Begriff in dieser Form habe gerade ICH aus der Taufe gehoben, als Amalgamat aus „Workplace“ und „German Angst“), dann sehe ich Arbeitsverdichtung bis zum Tode auf der einen Seite und die Unfähigkeit, neue Leute dazu zu ermächtigen, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten auf der anderen; und das macht mir Angst! Denn wir brauchen jeden Mann und jede Frau für die Herausforderungen, vor denen wir stehen! Also bleibt nur die Frage: Wie passen die eben beschriebenen Diskrepanzen zusammen? Nun, ungefähr genauso schlecht wie die Anforderungen und das Gehaltsgefüge in den allermeisten Gesundheitsfachberufen – wenn man diese mal mit den Bullshit-Jobs im Bereich der Wissens- und Vermögensarbeit vergleicht. Ich weiß auch nicht, wie man das Problem in Gänze lösen könnte. Aber es wäre mal ein guter Anfang, den Weiterbildungsmarkt in Deutschland zu entschlacken, zu professionalisieren, auskömmlich zu finanzieren und zu entbürokratisieren. Und als Gesamtgesellschaft mal genau darüber nachzudenken, welcher Job essentiell ist: Finanzmakler*in oder Gesundheits- und Kranken-Pfleger*in. Mir persönlich fällt die Entscheidung bezüglich Verzichtbarkeit übrigens nicht sonderlich schwer.

New Work ist derzeit nichts weiter als ein Slogan für verschiedene Ideen, wie Arbeit und ihre Rahmenbedingungen sich verändern könnten; der allerdings ungefähr so viel Substanz hat, wie ein Soufflé. Man kann das ganz gut beobachten, wenn der Ofen zu früh aufgeht. Diesen Begriff mit Leben zu füllen, könnte sinnstiftend werden. Aber nur, wenn wir uns von der Idee lösen, dass Mamon ein Gott ist, Bürokratie sein Avatar, Hierarchien ohne Leadership Ability der Weisheit letzter Schluss und Präsentismus eine unumstößliche Tradition. Ich hab die Scheiße so satt. Und ich habe fertig. Schönen Tag noch.

Auch als Podcast…

Einheit? Am Arsch…!

Feiertag. Ausgerechnet Montags. Wenn’s damals nach Gerhard Schröder gegangen wäre, hätte der „Tag der Deutschen Einheit“ (echt nur mit großem [D]) gestern stattgefunden. Weil man Anfang der 2000er fand, dass so ein Bundesfeiertag unter der Woche viel zu viel Steuereinnahmen kosten würde, wegen weniger geleisteter Arbeit und verzehrtem Konsum. Man hatte jeweils den ersten Sonntag im Oktober im Auge. Gottseidank kam das vom Tisch, ist der 03.10 doch eh der einzige Feiertag per Bundesgesetz. Für Einigkeit steht er jedoch schon lange nicht mehr. Schaut man sich die Lage der Nation an, wirkt ein Feiertag mit solchem Titel aus der Zeit gefallen, je geradezu wie ein Flachwitz. Das einzige worauf man sich vermutlich einigen kann, ist der Wert der zusätzlichen Freizeit. Sah neulich einen Tweet (Twitterperlen ist manchmal echt spaßig), wo es um dumme Fragen ging; und da hatte doch angeblich ein Chef seinen Angestellten ernsthaft gefragt, ob dem tatsächlich seine Freizeit wichtiger wäre, als die Arbeit? Was soll man darauf antworten? Lutsch dir ’ne Tüfte rund und jonglier mit den Zwiebeln? NATÜRLICH IST DIE FREIZEIT GOTTVERDAMMT NOCHMAL WICHTIGER ALS DIE ARBEIT! Oder darf ich neuerdings meine Lieben mitbringen, damit wir auch mal Zeit zusammen haben…

Ich mag meinen Job meistens! Wirklich! Aber ich mag die Zeit, in der ICH wirklich selbst bestimmen kann, was ich als nächstes tun oder lassen möchte, noch wesentlich mehr! Das hat was mit dem Gefühl von Freiheit zu tun, auch wenn diese wahrscheinlich unter dem Strich gar nicht so groß ausfällt, wie man sich das manchmal schönredet; oder schönsäuft. Im Job jedoch bin ich dazu gezwungen von xx:xx – yy:yy am Ort Z zu sein und dort Dinge zu tun, welcher der Produktivität des jeweiligen Arbeitgebers dienen – jedoch NICHT unbedingt meiner! Und da nicht jede*r von uns selbstständig sein kann – oder will – läuft’s darauf hinaus, an diesem typischen Tausch [Lebenszeit gegen Entgelt] teilnehmen zu müssen! Und ich werde nicht lügen: von xx:xx bis yy:yy am Ort Z sein zu müssen, ist dabei ein nicht unerhebliches Problem, weil ich auf dem Weg von und nach Z kostbare Lebenszeit verschwende! Ich versteige mich jetzt mal zu folgender kühner Aussage: wenn ich in diesem Leben noch einmal den Arbeitgeber wechsele, liegt es wahrscheinlich nicht an meinem Aufgabenbereich, oder dem Workload, sondern dem beschissenen Präsentismus, den man von mir verlangt! Wir leben im 21. Jahrhundert, also kommt endlich klar mit mobilem Arbeiten für diejenigen Aufgaben, bei denen das funktioniert, verdammte Axt!

Von 1954 bis 1990 feierte man den Tag der deutschen Einheit (nur echt mit kleinem [d]) am 17.06 eines jeden Jahres. Und zwar im Gedenken an die Arbeiteraufstände in der DDR vom 17.06.1953, die a) unter anderem ausbrachen, weil die Arbeitsnormen (Arbeitsleistung pro Lohn) unter dem Druck einer wirtschaftlichen Krise erheblich angehoben worden waren und b) mit blutiger Gewalt durch die sowjetischen Besatzungstruppen niedergeschlagen wurden. In der Folge begann der weitreichende Auf- und Ausbau der StaSi. Sieht man sich das Ansteigen der sozialen Ungleichheit im Lande, die Herausforderungen für viele von uns durch den nahenden Gasspar-Inflationswinter und die öffentlichen „Diskussionen“ in den „Leitmedien“ unserer Zeit an (Antisocial Media), wäre es wohl an der Zeit, den Feiertag im Sommer wiederzubeleben; immerhin hat Heinrich Lübke ihn zum „Nationalen Gedenktag des deutschen Volkes“ proklamiert! Daran hat auch der Einigungsvertrag nix geändert. Wäre doch mal einen Gedanken zum Gedenken wert, oder…?

Es gibt keine „nationale Einheit“ (was auch immer das sein könnte), folglich gibt es auch wenig, was man heute feiern könnte; außer vielleicht die Demokratie! Immerhin fand die Wiedervereinigung Ihren Startpunkt auch in einem Volksaufstand, der allerdings nicht von russischen Panzern niedergewalzt wurde, sondern vielmehr in einem friedlichen Prozess der Wiedervereinigung von BRD und DDR mündete. Und auch wenn „Blühende Landschaften“ Helmut „War doch nur Bimbes“ Kohl und die seinen so ziemlich alles falsch gemacht haben, was dem Manchesterkapitalismus der frühen Wendezeit hätte Einhalt gebieten können, bleibt die Wiedervereinigung dennoch ein demokratischer Prozess, der bis heute weltweit seinesgleichen sucht – und die Blaupause für weitere Prozesse zur Reintegration unseres Staates sein könnte. Darauf trinke ich heute noch ein paar Duppegläser weißen Bitzler und wünsche euch schon mal einen guten Start in die neue Restwoche. DI ist der neue MO. Könnt ich mich dran gewöhnen. Bis die Tage.

Auch als Podcast…