Postmoderne Gedanken N°1 – Was ist modern?

Unsere Zeiten sind schon schwierig. Strukturkrisen in der Wirtschaft. Klimawandel. Faschisten allenthalben. Und zwischendrin wir Menschen. Nicht wenige von uns sehnen sich nach der „Guten alten Zeit“; einem Sehnsuchtsort, der in etwa aussieht wie… ja wie sieht denn dieser Ort aus? So wie die 50er und 60er? Mit ihrem Alt- Nazis in jeder Verwaltung, mangelhaften Frauenrechten und fragwürdiger Mode – aber keinen Fragen, weil sich alle wieder Schweinebraten leisten können? Wie die 70er mit ihren Protesten, dem Terrorismus und noch fragwürdigerer Mode? Oder etwa wie die 80er, als sich alle im subjektiven Wohlstand eingeigelt hatten, während die aufkommenden Reaganomics anderorts bereits den neoliberalen Niedergang der (angeblichen) Post-WK II.-Blütezeit einläuteten? (Und das bei teilweise wirklich allerfragwürdigster Mode…)

Sicher hat jeder ein etwas anderes Bild von diesem Ort, der höchstens jenseits von Raum und Zeit jemals existieren konnte, im Kopf. Und es ist auch hoch wahrscheinlich, dass dieses Bild von Kindheitserinnerungen durchdrungen ist, die bekanntermaßen nicht allzu präzise sind. Das macht diese nicht weniger wertvoll. Nur sind sie als Basis eines Verlangens nach gesellschaftlichem Wandel eine eher dürftige Angelegenheit. Einigen wir uns also darauf, dass diese „Gute alte Zeit“ so, wie wir sie annehmen, wenn überhaupt jemals, so nur in unserer Phantasie existiert hat. Was uns nun leider ratlos im Hier und Jetzt zurücklässt. In den modernen Zeiten. [An dieser Stelle ist aus meiner Sicht ein kleiner Hinweis auf den Film „Modern Times“ von und mit Charles Chaplin von 1936 angezeigt…]

Die „Moderne“ war damals und ist es noch heute, ein hoch diskussionswürdiger Begriff, denn die Grundlagen, die sie geschaffen hat, wie etwa die Trennung von Kirche und Staat, die Aufklärung, technischen Fortschritt und schließlich das Entstehen moderner, rechtsstaatlich-demokratischer Staatswesen werden heute dadurch konterkariert, dass die Macht, die in der Demokratie ja angeblich vom Volke ausgehen soll, wohl eher in den Händen jener liegt, welche die wirtschaftlichen Strippen ziehen. Diese Zusammenhänge sind ja nicht neu; andernfalls hätte es Denker wie Karl Marx und Friedrich Engels, sowie etliche, sich auf deren Werke beziehende, politische Umwälzungen des 20. Jahrhunderts niemals gegeben. Und nicht umsonst gab es dann in den 80ern wieder Dystopien zu lesen, in denen Mega-Konzerne die faktische Weltherrschaft übernommen hatten und die einfachen Menschen zusehen durften, wie sie zurecht kommen. Lest mal William Gibsons Neuromancer-Trilogie. Ätzende Gesellschaftskritik im Science-Fiction-Gewand.

Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen 30 Jahren nochmals verschärft. Die Globalisierung (in diesem Zusammenhang als Globalisierung des Kapitals zu verstehen, nicht etwa als eine Bewegung, welche Menschen aus aller Welt einander näher bringt) hat die Möglichkeiten geschaffen, Dystopien wie bei Gibson wahr werden zu lassen. Und auch, wenn wir noch nicht ganz so weit sind, zeigen sich doch bereits beunruhigende Tendenzen in diese Richtung; nur ohne Cyborgs… Colin Crouch z.B. zeigt in seinen Büchern zum Begriff „Postdemokratie“ einen weitgehenden Rückbau des Staates zugunsten privatwirtschaftlicher, am Markt orientierter Strukturen auf. Nun werden die ganzen „Leistungsträger“ und Kapitalistenunken wieder rufen, dass der Markt es auf lange Sicht schon regeln wird. Wie wahrscheinlich der Eintritt dieser Behauptung ist, kann man am deutschen Gesundheitswesen beobachten, dass seit Ende der 90er dereguliert wurde und jetzt – mit Verlaub – vollkommen im Arsch ist.

Und immer noch stehen die Menschen – und ich natürlich mit ihnen – im Hier und Jetzt und fragen sich, wie es weitergehen soll, bzw. welche Fragen die richtigen sind. Denn nicht einmal darüber herrscht Konsens. Die Welt ist – auch, wenn das wie eine Binsenweisheit klingt – tatsächlich so unüberschaubar geworden, so multioptional und divers und komplex, dass wir uns davon überfordert, geängstigt und gehetzt fühlen. Nicht ganz zu Unrecht. Und nun… nun klammern wir uns an jene, die uns versprechen, die „Gute alte Zeit“, diese Illusion aus 1001 kindlichen Nacht zurückzuholen. Und wir folgen denen, wie die Ratten dem Mann mit der Pfeife

Was ist also modern? Oder besser, die Moderne? Sie ist ein gedankliches Konstrukt, losgelöst von Raum und Zeit. Einst war sie ein Versprechen. Das Versprechen, dass es allen Menschen irgendwann gut gehen würde, dass alle Probleme gelöst und die Leiden der Welt beendet werden würden. Selbstverständlich wurde dieses Versprechen nie eingelöst, denn die Moderne ist keine göttliche Kraft, sondern lediglich eine von Menschen gemachte Idee. Und wie das mit dem Menschen so ist…; jeder macht Seins. Worte wie Solidarität, Gemeinwohl, Teilhabe genießen in einer Gesellschaft, deren Teilnehmer durch und durch auf sich selbst zurückgeworfen sind keinen allzu hohen Stellenwert. Die „Leistungsträger“ höhnen laut, dass die weniger Glücklichen wohl nicht genug geleistet haben. Und ein jeder versucht, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen.

Betrachten wir die Moderne also als ein Versprechen, dass von Opportunisten um deren eigenen Profites Willen gebrochen wurde, bleibt nur übrig, sich zu fragen, was denn danach kommt. Im Kopf vieler Menschen ist die Moderne ja ein stetiges Hier und Jetzt, dass sich mit jedem Tag weiter in eine (oft ungewisse) Zukunft transzendiert. Diese Denke aufzubrechen und Wege abseits der ausgetreten Pfade aufzuzeigen, war und ist das Begehren der Postmoderne. Zu zeigen, dass auf eine überkommene Idee zu warten nicht unsere einzige Option ist! Darüber möchte ich in nächster Zeit ein bisschen weiter nachdenken und euch daran teilhaben lassen. Keine Sorge, es wird nicht zu kompliziert…

Auch zum Hören…

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