Neue Projekte geben einem die Chance auf einen Burnout. OK, das war jetzt böse und auch ein bisschen unredlich, denn eigentlich bin ich im Moment voller Energie und Tatendrang. Was daran liegen könnte, dass ich a) mit einem höchst spannenden Projekt betraut wurde und b) überdies wieder im Lernmodus bin. Zu (b) kann ich sagen, dass die Aufnahme eines Masterstudiums von mir schon lange eingeplant war, weil der Weg, den ich nun gehen will und soll noch mehr Wissen und Kompetenzen verlangt, als ich mir schon angeeignet habe. Ich sage ja schon seit Jahren, dass die Ausbildung von Notfallsanitätern auch für die Ausbilder ein Lernprozess ist. Nun darf ich das, einmal mehr, am eigenen Leibe erfahren.
Wenn man eine Institution, quasi von Grund auf, mit aufbauen darf, bedeutet das natürlich einerseits viel Verantwortung; aber auch große Gestaltungsspielräume. Natürlich sind gewisse Regeln, die von der übergeordneten Organisation gesetzt werden ebenso verbindlich, wie die gesetzlichen Regularien und Anforderungen. Trotzdem bleibt ein weites Feld, auf dem viel möglich ist. Mir geht es dabei nicht nur um die Inhalte, sondern vor allem auch um die Kultur einer Organisation. Die Inhalte meines Feldes sind weitestgehend klar. Da wird Rettungsfachpersonal ausgebildet, welches später in Deutschland tätig werden soll. Doch der Weg dahin, junge Menschen zu Rettungs- und Notfallsanitätern wachsen zu lassen, ihnen zu vermitteln, wie man seine Arbeit nicht nur mit dem Kopf und den Händen, sondern eben auch mit dem Herzen macht, das ist ein steiniger; in mehr als einer Hinsicht eine Herausforderung.
Ich habe vor einigen Wochen bereits etwas über die Notwendigkeit für einen Kulturwandel in meiner Profession geschrieben. Also, eigentlich betrifft dies ja das ganze Gesundheitswesen, aber wir wollen es ja mal nicht gleich übertreiben. Doch etwas zu verändern, beginnt denn bekanntlich zunächst bei einem selbst. Und eingedenk dessen, was ich damals von mir gab, mache ich mir natürlich Gedanken darüber, wie ich eine solche Kultur von Grund auf in in dieser Institution etablieren kann, die ich aufzubauen mit aufgerufen bin. Denn was wäre ich für ein Heuchler, wenn ich diese Chance nicht ergreifen würde? Die Chance, nicht nur meine Kollegen, sondern eben auch die Auszubildenden vom ersten Tag an daran zu gewöhnen, sich ihren Fehlern konstruktiv zu stellen und daraus zu lernen. Und diese Einstellung, diese positive, gerechte Fehlerkultur auch in die Organisationen zu tragen, in denen sie später tätig werden.
Im Moment ist das nur ein Traum, aber ich werde mein Möglichstes tun, um ihn wahr werden zu lassen, so gut es mir eben möglich ist. Denn als Ausbilder ist mein wichtigstes Ziel, die mir anvertrauten Menschen dazu zu befähigen, ihr bestmögliches Selbst zu werden. Nicht nur beruflich, sondern in ihrer Gesamtheit als Person. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen pathetisch, aber ich bin ein Idealist. Kann man als Schimpfwort benutzen, wenn man möchte. Oder man akzeptiert einfach, dass man selbst der Wandel sein muss, den man in der Welt sehen möchte. Man weiß heute, dass auch Ghandi seine bigotten Seiten hatte; doch das macht diese Worte trotzdem um nichts weniger wahr.
Am Ende des Tages möchte ich mir sicher sein können, dass meine Bemühungen hilfreich waren, meine Profession – für die ich immer noch brenne – und das auch das Gesundheitswesen als Ganzes ein bisschen besser zu machen. Nicht nur fachlich, sondern eben auch menschlich. Andernfalls könnte man nämlich hübsche kleine Unterrichtungsroboter vorne in die Klassenzimmer stellen. Doch es ist die Hitze der Reibung, welche durch Ambivalenz und Ambiguität entsteht, die das Feuer des Lernens immer wieder entfachen kann. Und diese Reibung entsteht nur in der Zwiesprache mit einem geeigneten Subjekt – einem Lehrer. Und auch wenn das Wort „Lehrer“ für so manchen einen negative Konnotation hat, weil die Erinnerungen an die eigene Zeit im allgemeinbildenden Schulsystem vielleicht nicht die allerbesten sind, bleibe ich dabei, dass ein Pädagoge im beste Wortsinn zum Lernen anstiften kann.
Dabei ganzheitlich vorzugehen – d.h. nicht nur Skills in die Auszubildenden hinein zu trommeln, sonder sie tatsächlich auch als Menschen wachsen zu lassen – ist mein erklärtes Ziel. Und ich würde mich freuen, wenn ich dabei selbst auch dazu lernen kann. Denn auch der Pädagoge selbst kann nur besser werden, wenn er sich an etwas reiben muss. Also, wenn er auf seine Fehler aufmerksam gemacht wird. Ich freue mich auf die neuen Aufgaben und das Lernen. Und wie sieht es mit euch da draußen aus?