Fresh from Absurdistan N°14 – Das Undenkbare…

…kehrt zurück in unsere Welt. Das Unaussprechliche feiert Urständ und unsere sogenannten Eliten nehmen daran teil. Ein kurzer Exkurs auf das Gebiet der sogenannten Wirtschafts- bzw. Unternehmensethik mag uns ernüchtern, falls wir glauben, dass Wirtschaftslenker die Humanität auf ihrer Agenda haben, wenn sie jetzt nach rascher Lockerung des Lockdowns rufen. Es erinnert ein bisschen an die Geschehnisse rings um den Ford Pinto in der 70ern des vergangenen Jahrhunderts. Die Firma Ford wollte aus wirtschaftlichen Erwägungen lieber Schadenersatz für verlorene Leben zahlen, als ein fehlerhaftes Fahrzeug überarbeiten zu lassen. Wer die Parallelen zur Forderung nach schneller Liberalisierung der Distanzierungs-Regeln nicht erkennt, dem kann ich auch nicht helfen.

Peter Sloterdijk, der trotz seines mittlerweile oft nur noch dreist-dämlichen Geseiers immer noch als Intellektueller von Rang betrachtet wird, schießt den Vogel ab, wenn er – zusammen mit Anderen – den Regierungen Europas vorwirft, im Angesicht einer bloßen Grippe viel zu viel zu tun. Wie zynisch muss das Menschenbild sein, wie analytisch erkaltet die Denke über unsere Welt und ihre Wesen, wenn man sich tatsächlich dazu herablässt, den Preis eines Menschenlebens ausrechnen zu wollen? Ich mag nicht ermessen müssen, was in den Köpfen dieser Menschoiden vorgeht. Es kann mit Mensch-Sein als solchem allerdings nicht mehr allzu viel zu tun haben.

Ich ging heute durch den Wald, allein mit meinen Gedanken, weil ich selbst von einer dieser Stimmungen heimgesucht wurde, die mich schon seit Jahrzehnten begleiten. Der Moment ist, da ich diese Worte schreibe, schon wieder vorbei; aber bei allem was mir heilig ist, heute war ein Scheiß-Tag! Vielleicht nagt der Lockdown auch an meinen mentalen Reserven mehr, als ich mir das eingestehen möchte. Vielleicht habe ich es auch nur in den letzten Tagen verabsäumt, ausreichend sozial-psychologische Selbst-Hygiene zu betreiben.

Ich muss für Solitude nicht weit gehen…

Mir geht es aber immer noch so, dass ich die meisten Dinge am besten mit mir selbst abmachen kann; zumindest rede ich mir das seit bald 46 Jahren mit Erfolg ein. Heute hat es einmal mehr geklappt. Der Stress fiel ab, die Traurigkeit wurde vom Wind fortgetragen; nur die Wut… meine unbändige Wut auf die Idioten dieser Welt blieb. Wie sie das immer tut. Es ist nicht so, dass ich sie nicht zähmen könnte. Die allermeiste Zeit ist sie ein Raubtier im Käfig, dass von innen herausschaut und genau weiß, dass jene, die hereinschauen viel mehr Angst haben. Doch wenn ich an das Undenkbare denke, werde ich glühend heiß wie mein kleiner Grill und meine Wut möchte alles verzehren, was an Ausgeburten der Dummheit meinen Weg kreuzt.

Ich bin ein zivilisiertes Tier. Ich kann meine Affekte perfekt kontrollieren und auch dem größten Arschloch kalt lächelnd den Olivenzweig reichen, wenn es denn sein muss. Aber die ganzen Menschoiden, die jetzt wegen der wirtschaftlichen Probleme rumheulen, hätten eventuell mal ein Geschäftsmodell ausarbeiten können, dass auf Nachhaltigkeit und nicht auf Profit ausgelegt ist. Das unsere Gesellschaft auch wirklich braucht. Das Menschen hilft, anstatt sie zum Konsum überreden zu müssen. Man könnte mir jetzt entgegnen, dass doch aber auch die ganzen lokalen Geschäfte und Gaststätten wegsterben. Ja, das ist leider sicher richtig. Doch seien wir mal ganz ehrlich – niemand hat sich in den letzten 30, 40 Jahren wahre Gedanken darüber gemacht, was wir wirklich brauchen. Wachstum war das Mantra; und damit hatte es sich auch schon.

… und kann mich einer Illusion der Weite und Menschenleere hingeben.

Jetzt sortiert Sars-CoV2, quasi als Pandemie-Beiwerk, mit beängstigender Effizienz unser Wirtschaftssystem neu und alle reden nur darüber, wie viele Verlierer das mit sich bringen wird. Dass wir als Gesellschaft auch gewinnen könnten, wenn sich unser Wirtschaften in der Zukunft mehr an Nachhaltigkeit, Brauchbarkeit und gesellschaftlichem Nutzen orientierte, wird dabei gerne allzu oft vergessen. Denn das stellt die alten Ordnungen in Frage. Und an unseren Traditionen hängen wir, ganz gleich wie viele Menschen diese töten. Nun ja, wenigstens das verdammte Oktoberfest haben sie für dieses Jahr abgesagt. Wir werden sehen, wohin der Zug fährt. Denn im Gegensatz zu meinen Bildern herrscht auf der Corona-Landkarte immer noch dichter Nebel – nur ein paar Spacken wollen schon wieder Vollgas fahren. Hoffen wir, dass irgendjemand das zu verhindern weiß.

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°13 – Und weiter geht’s!

Jedem, der auch nur einen Funken Ahnung von den Geschehnissen dieser Zeit hat, konnte klar sein, dass der 20.04.20 nicht das Ende der Fahnenstange sein würde. Nun ist es amtlich, dass es noch mindestens bis zum 03.05 mit den Kontaktsperren weitergeht und das unsere Kinder vermutlich kein geregeltes Schuljahresende haben werden. Selbst eine Verkürzung oder Streichung der Sommerferien ist schon länger im Gespräch, als Herrn Schäubles Äußerungen, wie Dokumente des Baden-Württembergischen Kultus-Ministeriums beweisen, die ich in Augenschein nehmen konnte.

Einerseits kann ich die Angst unserer Produktivitäts- und Effizienz-fixierten Gesellschaft verstehen, dass den Kinder Zeit verloren geht. Aber ist das nicht für jeden einzelnen von uns eher so, dass wir Zeit gewinnen? Ich meine, seien wir doch mal ehrlich – ich schaue, wie regelmäßige Leser hier wissen, jeden Tag auf Zeit online und auf der Seite haben Sie ein Befindlichkeitsbarometer. Seit Beginn der Krise schlägt dieses Barometer an fast jedem Tag deutlich auf die Seite des Wohlbefindens aus. Dafür gibt es aus meiner Sicht mehrere mögliche Erklärungen:

  • Die Menschen, denen es durch die indirekten Auswirkungen der Corona-Pandemie schlechter geht, lesen nicht die Zeit.
  • Die Menschen, denen es durch die indirekten Auswirkungen der Corona-Pandemie schlechter geht, nehmen nicht an solchen Umfragen teil, weil es ihnen schlechter geht.
  • Überproportional viele Menschen, denen es durch die indirekten Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht schlechter geht, lesen die Zeit – und nehmen überdies gerne an Umfragen teil.
  • Die Umfrage ist Bullshit, weil die Menschen einfach lügen (fragen sie mal Dr. House).
  • Manchen Menschen geht es durch die indirekten Auswirkungen der Corona-Pandemie sogar besser…

Egal für welche der letztgenannten – oder im Geiste noch hinzugefügten – Varianten man sich auch entscheiden mag; bedenkenswert ist der Umstand, dass es einem durch die indirekten Auswirkungen der Pandemie (vulgo Lockdown) anscheinend nicht zwingend schlechter gehen muss, auch wenn sich im Moment alle Welt geradezu fetischistisch auf DAS SCHLIMME fixiert, das uns in diesen Zeiten widerfährt. Man möge mich bitte nicht (bewusst) Missverstehen: Corona ist ein Arschloch, das Menschen umbringt, obwohl es per Definition noch nicht mal lebt. Und was wir in Deutschland dagegen tun, führt dazu, dass andere auf uns schauen und sich fragen, warum es bei uns viel besser läuft als andernorts. Wir sind nun mitnichten eine Insel der Glückseligen, aber zumindest spricht der Erfolg für die Richtigkeit der Maßnahmen.

Viele Menschen sind ja offenkundig nicht in der Lage, zwischen Prävention und Reaktion, oder besser zwischen Kausalität und Korrelation zu unterscheiden. Wenn jemand fragt, warum man nicht einfach aufhören kann, wenn doch immer noch so viele Intensivbetten nicht benötigt werden, so lässt sich nur entgegnen: weil wir nicht aufhören. Lassen wir jetzt in unserem Bemühen um das Abflachen der Verbreitungskurve nach, kriegen wir eine Quittung wie die Schweden: 9% Letalitätsrate! Und ihre Infektionskurven steigen jetzt exponentiell. Aber Wirtschaftswissenschaftler feiern Schweden immer noch: Dreckiges, Gewinn-fixiertes Idioten-Pack, dämliches!

Ein Punkt ist allerdings tatsächlich bedenkenswert: unser Schulsystem ist in keinster Weise darauf vorbereitet, auch in Zeiten einer solchen Krise irgendwie eine halbwegs sinnvolle Lösung zu offerieren. Wenn man von den kreativen, zielorientierten, jedoch immer durch individuelle Bemühungen der Lehrkräfte realisierten Insel-Lösungen absieht, sind organisatorische und technische Strukturen unseres Schulwesens Jahrzehnte hintendran. Eine Schande für eines der reichsten und fortschrittlichsten Länder der Erde!

Und es offenbart noch etwas: wir sind noch weit davon entfernt, eine echte öffentliche Diskussion über den Lockdown, seine Folgen und die möglichen Wege im und aus dem selben zu führen. Intransparente Entscheidungen wie zu Gutsherren-Zeiten, getroffen von Menschen, die nicht von der aktuellen Situation betroffen zu sein scheinen, werfen die Frage auf, wie demokratisch unser Staat tatsächlich ist. Und auch wenn das Föderalismus-Argument in normalen Zeiten durchaus schlägt: in der Corona-Krise brauchen wir eine, für alle gleichermaßen gültige Strategie.

Man kann dieses Jahr sowieso abschreiben. Wie wäre es, wenn wir anfangen, 2020 einfach als globales Sabbatjahr zu betrachten? Wenn wir aufhören würden, so tun zu wollen, als wenn man „Business as usual“ auf dem Rücken der Bevölkerung verordnen könnte? (denkt mal an keine Ferien, keinen Urlaub, kein soziales Leben, Gehaltseinbußen durch Kurzarbeit, Geschäftspleiten für Selbstständige, Überstunden für das Personal im Gesundheitswesen incl. dem laut ausgesprochenen Gedanken an ZWANGSVERPFLICHTUNGEN – geht’s noch ihr Polit-Spacken?) Lasst uns diese Krise doch einfach als Anregung betrachten, unsere Lebensweise zu überdenken. Nach dem Motto: „Nichts muss, alles kann!“ Ich bin bereit! Und ihr so?

Auch zum Hören…

Der verwirrte Spielleiter #18 – storytelling feelings

„Ich bins“ spricht jener „zu leiten bereit. Doch gewährt mir die Bitte, gebt mir ’n paar Tage Zeit, bis alle Stränge sind zur G’schichte gereiht…“. So, oder so ähnlich klingt für mich die „Bürgschaft des Meisters“. Geschichten zu erzählen ist nämlich, selbst wenn es mir auch nach so vielen Jahren noch immer erhebliche Freude bereitet, mit Arbeit verbunden. Der Notwendigkeit, nicht nur einzelne Schlaglichter im Kopf zu haben – also jene kritischen Szenen, welche das Grundgerüst eines jeden Storyboards bilden – sondern auch eine Idee von den möglichen Wegen zwischen diesen Nexus-Punkten. Das bedeutet, dass in einen locker-fluffig dahinfließenden Spiele-Nachmittag zuvor eine gewisse Zeit des Sinnierens, des Suchens und des Schreibens investiert wurde.

Eine Story, welche die Herausforderungen (Thrill, Action und kritische Entscheidungen) und die zuvor evtl. notwendige Detektiv-Arbeit halbwegs geschickt mischt, braucht neben einer Inspiration, die ich selbst häufig beim skimmen durch Monitormeilen von Bildern aber auch Text finde, zumeist nur noch etwas Erfahrung im Sampeln und Remixen von Story-Snipets. Ein Kampf ist ein Kampf ist ein Kampf – als Klimax eines Story-Bogens taugt er allemal. Die Suche nach Informationen kann mühsam sein, oder aber auch mal einfach laufen, wenn die richtigen Leute die richtigen Fragen stellen. Die möglichen Locations eines Spiels kennen die Spieler mit zunehmender Erfahrung irgendwann alle. Da läuft man als SL bei allzu generischer Handhabung leicht Gefahr, zu sehr nach Schema F vorzugehen. Sich selbst diesbezüglich regelmäßig zu überprüfen ist ein Ratschlag, den ich tatsächlich nicht häufig genug geben kann.

Bleibt man kritisch mit sich, fällt einem auf, wenn die eigenen Geschichten zu redundant werden. Es ist mitnichten so, dass die Spieler einem ein gewisses Level an Redundanz nicht durchgehen lassen, ja manchmal sogar regelrecht erwarten. Wir sind halt doch alle ein bisschen Gewohnheitstiere, auch beim Zocken. Aber irgendwann muss frischer Pep her! Und wenn man sich dann auf schräge Ideen einlässt, dann überrascht man sie doch mal wieder. Mit einem neuen NSC, oder einer neuen Wendung, die sie aus der Bahn wirft. Mit einer ungewöhnlichen Falle, Taktik, Ablenkung. Ich improvisiere die Taktik meiner NSCs immer on the fly. Zum einen, weil meine Erfahrung als SL mir mittlerweile ein gewisses Repertoire zur Verfügung stellt. Und, weil ich dann selbst in der Geschichte bleiben und nachdenken muss. Dann wirkt das Erzählen auch organischer, vielleicht sogar realistischer. Sofern man bei Pen’n’Paper davon reden kann…

Worauf ich jedoch als SL nur wenig Einfluss nehmen kann, ist, ob die Spieler sich in den Stil und Tonfall des Settings einfinden, bzw. sich darauf einlassen. Es macht da schon einen großen Unterschied, ob ich „Power, Plüsch und Plunder“ spiele, oder „World of Darkness“. Nun benutze ich weder das eine noch das andere Regelwerk, sondern spiele als SL mittlerweile ausschließlich auf meinem eigenen generischen System. Ich passe den Flavour Text, die speziellen Regeln und Fertigkeiten natürlich je nach Setting an und gewiss versuche ich dabei die Stimmung der jeweiligen Welt sprachlich, wie visuell einzufangen. Aber egal, wie viel Zeit ich auch darein investiere – ich kann niemals vorhersagen, ob meine Spieler sich auch darauf einlassen werden.

Nun ist es so, dass jeder SL im Laufe der Zeit seinen gewissen Stil des Storytellings entwickelt und pflegt. Das ist bei mir nicht anders, wenngleich ich mich durch Übung auf viele unterschiedliche Settings adaptieren und auch meine Erzählweise entsprechend anpassen kann. Im Grunde ist es aber dennoch immer noch mein spezieller Stil. Trotzdem versuche ich natürlich, die Spieler dahin zu bekommen, dass sie sich auf den Grundton des jeweiligen Settings einlassen. Und das ist schwierig! Zum einen, weil manche Spieler halt doch in jedem Setting auf ihre ein oder zwei bevorzugten Archetypen zurückgreifen (was vollkommen legitim ist, es soll ja Spaß machen); und zum anderen, weil manche Spieler gerne ihre bevorzugte Stimmung im Spiel ausleben wollen. Mit jemandem, dessen Chars es stets gern locker-lustig angehen lassen (weil er oder sie es gerne locker-lustig haben möchte) in ein paranoides Horror-Szenario einsteigen zu wollen, wird recht schnell witzlos, weil spätestens die zweite Suspense-Scene durch ein Witzchen oder einen lakonischen Einzeller – äh, Entschuldigung, ich meinte natürlich Ein-Zeiler – emotional geschlachtet werden wird. Because, in pen’n’paper, you can’t really storytell feelings! I tried time and time again. And I failed time and time again…

Natürlich ist es möglich, dass das irgendwo ganz super klappt. Dann habt ihr euch aber höchstwahrscheinlich darauf geeinigt, dass alle am Spieltisch mitziehen (müssen). Und selbst dann ist es wahrscheinlich, das irgendwer irgendwann aus der Rolle fällt und die unfassbar dramatische Szene im Arsch ist. Muss man sich einfach dran gewöhnen, dann tut’s auch nicht mehr so weh. Man könnte sich natürlich darüber beschweren, aber seien wir doch mal ehrlich: es ist doch nicht meine Aufgabe als SL, die Spieler mittels ihrer Chars zu einer bestimmten Gefühlslage zu nötigen! Entweder sie wollen sich auch emotional in eine bestimmte Szenerie einfinden, oder eben nicht. Vorschriften oder der Holzhammer helfen da gar nix.

Mal davon abgesehen, dass ich mich im Lauf der Jahrzehnte dazu durchgerungen habe, es einfach als Recht meiner Spieler zu empfinden, schränkt es halt meine Auswahl an Settings etwas ein. Aber auch mir als SL geht es ja durchaus so, dass ich mich mit manchen Settings und Welten wohler fühle, als mit anderen. Trotzdem stelle ich immer mal wieder die Frage in die Runde, was wir denn als nächstes zocken wollen. Denn zugegebenermaßen wird auch das geilste Szenario irgendwann öde, wenn das Level an erzählerischer Redundanz zu steigen beginnt. Abgesehen davon bin ich ein Zwilling; die sind eh schneller gelangweilt, als andere… Ich werde auch in der Zukunft versuchen, meine Spieler an der einen oder anderen Stelle emotional zu packen (zumindest Hass auf meine Villains und Sorge um einander klappen zuverlässig 😉 ); vielleicht klappt’s irgendwann ja doch mal so richtig. Bis dahin habe ich aber an dieser Stelle bestimmt noch das Eine oder Andere zu berichten. In diesem Sinne – always game on!

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°12 – …serious about social distancing?

Man darf ja vor die Tür. Also, alleine und mit genügend Abstand von den anderen Menschen darf man somit durchaus spazieren gehen. Und darum mache ich das im Moment so regelmäßig, wie ich dies eigentlich auch ohne Corona tun sollte; denn etwas mehr Bewegung schadet meinem Leib kein Jota. Nun habe ich das Glück, dass ich für einen anständigen Spaziergang nicht allzu weit von zu Hause weg muss: ich stolpere aus der Haustür, drehe mich nach links und ein paar Augenblicke später bin ich im Waldpark. Heidewitzka, da isses wirklich schön! Man mäandert über die Waldwege und je tiefer man hinein latscht, umso distanziger wird es dann auch.

Die ganzen Alibi-Spaziergänger schaffen es bis auf den Promenadenweg und spätestens am Bellenkrappen ist dann Sense. Enten füttern, blöde kucken, wieder zurückgehen. Ich gehe lieber am „Schlauch“ entlang, bis ich keine Lust mehr habe und dann wieder zurück. Man begegnet bei schönem Wetter auch dort Menschen. Nur nicht ganz so vielen. Man sieht auch Radfahrer, die im Waldpark eigentlich nur auf die asphaltierten Wege dürfen; aber wen interessieren schon Regeln, wenn einen kein Cop vom Bike schießt. Ich schere mich da auch nicht nennenswert drum, so lange sie Abstand halten – und damit meine ich nicht Corona-Distanz, sondern halt mindestens so viel, dass ich nicht wegen denen auf die Fresse falle. Kriegen die meisten sogar hin.

Was mich jedoch ganz und gar irritiert, ist der mittlerweile ubiquitär zu verzeichnende Verlust von Höflichkeit. Ein freundliches Nicken und ein „Guten Tag“ (heute Vormittag wahlweise auch ein „Frohe Ostern“), da bricht man sich doch echt keinen Zacken aus der Krone, oder? Weit gefehlt. Manch muffeln sogar rum, die meisten kucken aber einfach ostentativ weg. Eine kurze, nicht repräsentative Erhebung meinerseits förderte übrigens folgendes zu Tage: je jünger die Spaziergänger / Radfahrer, desto unhöflicher waren sie. Umgangsformen haben also doch etwas mit Reife zu tun, ich hab’s ja schon immer gewusst. Ob das aber tatsächlich mit Corona zusammenhängt? Nun zumindest bei der alten Dame, die sich bei meinem Anblick den Jackenkragen vor’s Gesicht schlug (so entsetzlich sehe ich doch nun wirklich nicht aus), liegt dieser Verdacht wohl nahe.Nun ja. In der Ebene zwischen Nixraffien und Kannitverstahn liegt halt Vulgarien, direkt unterhalb von Indolentistan. Man kann von da übrigens auch super einen Ausflug zu den Aluhuten machen(© beste Ehefrau von allen).

Seien wir doch mal ehrlich – es ist schon ein Trauerspiel, was diese Seuche mit unserer Gesellschaft anstellt. Doch abseits von Covid-Leugnern, nicht medizinisch gebildeten Besserwissern, Hamsterkäufern und dem anderen typischen Internet-Geschmeiß nagt die Angst an mir, dass wir das Wort Solidarität nach Ablauf des Lockdowns einfach aus dem Wortschaft streichen wollen. Dieser Artikel aus Zeit Online legt für mich den Verdacht nahe, dass die momentan aufgezwungene Isolation dem eh schon um sich greifenden Online-Narzissmus nur noch mehr Schub gibt. Und je mehr Menschen glauben, dass es sich als „Digital Native“ doch ganz gut leben lässt, desto mehr schwindet das, was wir Öffentlichkeit nennen in der Realität. Beste Voraussetzungen für Faschos und Spinner, noch mehr gesellschaftliche Positionen zu besetzen. Denn in Absurdistan scheint der Trip zu den Aluhuten ziemlich kurz zu sein…

Ich bin weit davon entfernt, in Resignation zu verfallen. Dafür kenne ich viel zu viele kluge, patente, solidarische Demokraten, die nicht nur dem Fascho-Gesindel, sondern auch den Bewohnern der Aluhuten und anderen unnötigen Zeitgenossen schon bei Zeiten Paroli bieten können und wollen. Und dennoch wäre Warten jetzt falsch! Denn im Gegenteil ist genau jetzt ist die Zeit, sich auf die Lockerung des Lockdown vorzubereiten. Nicht durch noch größere Einkäufe, noch strikteres Cocooning oder andauernde Instrospektion, sondern durch Beteiligung. Nur, weil wir alle daheim hocken müssen (außer während des Spazierganges), heißt dass nicht, dass wir nicht analysieren, hypothetisieren, diskutieren, entwickeln, träumen könnten; und das am besten zusammen. Um an dieser Stelle Rezo zu zitieren: „Ich hätte Bock drauf.“ Ihr auch? C U soon.

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°11 – …ist denn gar Freitag?

„Süss und Fruchtig“ steht auf einer Weinflasche, welche die beste Ehefrau von Allen zum Behufe der Herbeiführung einer „Kastrierter-Feiertag“-Amnesie mit nach Hause gebracht hat. Der Wein ist ein Trollinger; kann man zu stehen wie man will, aber mein erster Gedanke war, dass Trollinger im Internet eher „Bös und Suchtig“ sind. Nun ja. Es ist wahrscheinlich, dass mein Osterfest ein ruhiges – vielleicht, vielleicht sogar harmonisches – wird, was ich allen anderen natürlich auch wünsche. Allerdings beschleicht mich das Gefühl, dass die Menschen unter ruhig und harmonisch jeweils etwas anderes verstehen.

Ich hatte hier gerade neulich von der Macht der Bilder gesprochen. Und dass auch Bilder nicht nicht kommunizieren können. Nun bin ich natürlich, auch wenn ich immer gerne behaupte, dass es mir bisher noch nicht gelungen ist, auf der Erde nennenswert viel intelligentes Leben zu finden, bei weitem nicht der Einzige, der das kapiert hat. Es gibt einen ganzen Wirtschaftszweig, der sich nur um diese Erkenntnis dreht: Marketing! Welchen Schaden diese Profession manchmal anrichten kann, lässt sich an Hand dieses Artikels auf Zeit Online ganz gut erahnen: nur so viel, ernste Wissenschaft und Marketing kann man nicht Hand in Hand betreiben, weil Marketing IMMER ETWAS VERKAUFEN MUSS! Grausiger Gedanke. Nun kann man Marketing als notwendiges Übel des postmodernen Kapitalismus betrachten. Oder man liest mal dieses Buch von Mark Fisher – oder soll ich lieber k-punk sagen?

Man mag zu unserer Gesellschaftsordnung ja denken, was man will. Die oft propagierte „Alternativlosigkeit“ politischen und gesellschaftlichen Handelns, welche man uns immer wieder – mal mehr, mal weniger geschickt medial aufbereitet – serviert, will mich aber nicht mehr so recht überzeugen. Dass ich Sozialdemokrat bin und das heutzutage nur noch wenig mit SPD-Wählen zu tun hat, habe ich an vielen Stellen schon durchblicken lassen. Doch der Gedanke, dass der allseits behauptete Realismus des Systems Kapitalismus nur eine Illusion ist, die uns von dessen Notwendigkeit – und damit von der Notwenigkeit der Konformität, Selbstausbeutung, Selbstoptimierung und Ökonomisierung unseres Daseins – überzeugen soll, verfängt auf mehr als einer Ebene. Ich empfehle es daher als Lektüre. Auch für jene, die einen Schrein des Kapitalismus in ihrem Herzen errichtet haben. Denn sich selbst zu hinterfragen, steht jedem gut zu Gesicht.

Mir übrigens auch und daher muss ich an dieser Stelle (Karfreitag!) natürlich auch etwas Selbst-Kasteiung betreiben. Ich nutze dieses Medium nicht selten polemisch, manchmal nachgerade agitatorisch und stets als Vehikel für MEINE Meinung. Dies geschieht jedoch und das soll an dieser Stelle deutlich kommuniziert werden, nicht etwa, weil ich diese für absolut halte, sondern weil ich sie an Anderen reiben und differenzieren möchte. Da sich leider nur selten Widerspruch ergibt, bedeutet das für mich, dass es drei mögliche Interpretationen gibt:

  1. Ich habe aus dem – auch in der Realität stattfindenden Denken und Diskutieren – ein Gedankengebäude destilliert, das Hand und Fuß hat – vulgo: ich habe Recht (wenigstens ein bisschen).
  2. Die meisten Anderen sind einfach zu faul, zu abgestumpft oder schlicht zu blöde, um zu verstehen, wovon ich rede und können oder wollen sich deswegen nicht die Mühe machen, mich hier auf meinem eigenen Felde anzugreifen – was ich absolut lieben würde!
  3. Ich habe nicht die Reichweite, die ich mir erhoffen, erwarten, zutrauen würde.

Ich befürchte, dass es eine Mischung aus zwei und drei ist, weil Recht zu haben bedeuten würde, dass auch ich langsam dem Dogmatismus anheim zu fallen beginne; etwas, dass ich mit allen Mitteln zu verhindern versuche, denn Dogmatiker haben in meiner Welt per Definition nie Recht, weil sie Arschlöcher sind! Allerdings – und das gibt mir wiederum die Energie, hier weiter zu machen – glaube ich an die Macht der Ergotherapie. Um es einmal mehr auszusprechen: das hier ist eine öffentliche Sortierung und Reifung meiner Gedanken. Wenn andere daran teilhaben wollen, sind sie dazu herzlich eingeladen und ich würde mich freuen. Im Grunde meines Herzens aber weiß ich, dass es auch vollkommen ohne Publikum das wäre, was es jetzt ist: eine Spielwiese für meine Dämonen!

Es ist übrigens – dies sei hier noch mal erwähnt – Karfreitag. Und mit Bezug auf den ersten Absatz bin ich erstaunt. Ich hatte ernsthaft in den letzten Tagen wenige (tatsächlich gar keine) Trollinger vor der virtuellen Flinte. Stattdessen habe ich mich unversehens zu einer „Kettenmail“ hinreißen lassen. Aber wenn die Helferherzen schon vor den Vorhang sollen… 😉 . Denn tief drinnen bin ich ja immer noch verdammt stolz auf meinen Ursprungs-Job und glücklich, dass ich im Laufe der Jahrzehnte (verdammich, bin ich tatsächlich schon so alt…? ) eine Menge netter und ein paar wirklich außergewöhnliche Menschen kennen lernen durfte. Daher wünsche ich allen – im Rahmen der Möglichkeiten – einen stressfreien und sonnigen Karfreitag. Wir sehen uns.

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°10 – Blockwart Ahoi!

„…du kannst einen -ismus einfach nicht bekämpfen!“ Jo, dem ist eigentlich nix hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass ich nie gedacht hätte, dass ich irgendwann mal Blockwartismus in nazi-esker Form wahrhaft erleben müsste. Nun ist es nicht so, dass ich selbst schon ausgegrenzt wurde, weil ich zu den „Systemrelevanten“ zähle. Ich hatte auch noch nicht die zweifelhafte Ehre, von der Polizei kontrolliert zu werden, weil sich Nachbarn, in wohlverdienter Erregung über die dauernden Qualmfahnen von meinem Balkon zur Denunziation bei den, eh schon überlasteten, Ordnungsbehörden entschlossen hätten. Und schließlich musste mich niemand auffordern, nur eine Packung Klopapier einzukaufen. Andere produzieren wohl doch mehr Scheiße als ich…

Und doch beschleicht einen das Gefühl, dass die Leute einander im öffentlichen Raum mit Misstrauen beäugen, sich anscheinend sehr genau überlegen, ob das Gegenüber (also ich) wohl gerade ein ächtbares Verhalten an den Tag legt; oder ob das schon OK ist, wenn der Typ im Waldpark spazieren geht? Vergessen die freie Gesellschaft, vergessen auch das Sommermärchen von 2006 und schließlich wurde auch das 2015er „Wir schaffen das!“ vergessen – die einzige Aktion, für die ich Frau Merkel wirklich respektiere. Es fühlt sich fast so an, als wenn diese Krankheit mit all den Maßnahmen, die gerade Gültigkeit haben, eine allzu dünne Schicht freundlichen Putzes auf dem, immer noch inhuman kalten, vom Ruch der Geschichte umwehten Zweckgebäude unserer Gesellschaft wegblasen würde, als wenn’s nix wäre.

Die Tage hatte ich – wie immer auf Fratzengedöhns, oder wie auch immer diese verdammte Zeitverschwendungsmaschine auch heißen mag – eine Diskussion um einen Artikel von Heribert Prantl, in dem er vor den möglichen Folgen eines prolongierten Lockdowns für unsere Demokratie gewarnt hat. Und natürlich kamen sofort eilfertig Leute daher, welche die „alternativlosen“ Argumente der Politiker Mantra-artig zu wiederholen begannen. Nicht dass mich hier jemand falsch versteht: die Maßnahmen an sich sind absolut sinnvoll! Und dennoch hat der Lockdown Folgen für unser Gemeinwesen, die jetzt noch nicht abzusehen sind; was die bange Frage aufwirft, ab welchem Zeitpunkt wir denn nun den Teufel mit dem Beelzebub austreiben?

Ich möchte hier nicht als Cassandra auftreten (auch, wenn ich den Namen mag). Und doch lassen sich bereits jetzt Erosions-Prozesse unserer Demokratie wahrnehmen (wie eben der, Anfangs beschriebene, Blockwartismus), die mich zu folgenden, möglicherweise etwas verstörenden Fragen führen:

  • Wann wird die Zahl der Suizide durch zerstörte Existenzen und vernachlässigte psychisch Kranke höher sein, als die der Todesfälle durch Covid-19?
  • Wie viel – oder wenig – Zeit braucht es noch, bevor sogenannte „Gegenöffentlichkeiten“ den politischen Diskurs bestimmen können?
  • Wie sehr wird sich die Meinungsbildung durch die unverantwortliche Verkürzung und Vereinfachung von Sachverhalten polarisieren und radikalisieren?
  • Warum will die Bundeskanzlerin keine öffentliche Diskussion über Wohl und Wehe des Lockdowns und die Frage, wie lange dieser noch zu dauern hat?
  • Bis wann nehmen Bürger Repressalien, die im guten Glauben, „das Richtige“ zu tun verhängt wurden hin – und bis wann kann man diese wirklich schadfrei zurücknehmen?
  • Wer glaubt wirklich, dass Eltern Monate der Schulschließung überbrücken können, ohne dass unser Bildungssystem und damit ganze Jahrgänge nachhaltigen Schaden nehmen?
  • Was sage ich meinen Kindern, wenn sie fragen, warum man ihnen – subjektiv – einfach verbietet, zu leben, wie Kinder das eben tun, obwohl wir doch angeblich ein so freies Land sind? Und was macht das mit ihnen?
  • Polizisten, welche jetzt die Rechtsmaßnahmen rings um den Lockdown durchsetzen müssen: wer vertraut denen danach noch? Und was ist mit den Beamten, die genau jetzt jene repressive Macht schätzen lernen und diese vielleicht nicht mehr abgeben wollen?

Ein Haufen Fragen, dem so mancher sicher noch die eine oder andere beifügen möchte. Was mich betrifft: ich halte mich an die Ge- und Verbote, wohl wissend, dass über den Berg der Pandemie zu kommen viel, viel länger dauern wird, als bis zum 20.04. Warum die Politik solche Maßnahmen ergriffen hat, wurde ausführlich erklärt. Wer es bis jetzt noch nicht begriffen hat, dass Distanz zu wahren Leben rettet, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Und dennoch muss man die Diskussion um den Lockdown jetzt zu führen beginnen. Denn sonst nimmt unsere Gesellschaft, nimmt unsere Demokratie irreparablen Schaden. Und das kann ja auch niemand ernsthaft wollen. C U soon enough…

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°9 – …und täglich glänzt der Aluhut!

Ich gebe es an dieser Stelle offen zu: ich mag Verschwörungstheorien. Sie bieten so viel wunderbaren Stoff für’s Geschichten erzählen (vor allem für das Pen’n’Paper-Rollenspiel), dass man sich diesem Subgenre menschlicher Blödheit einfach nicht entziehen kann. Natürlich machen solche „was-wäre-wenn“-Spielchen nur unter der Prämisse Spaß, dass ich weiß, dass es bloße Konstrukte meiner Amok laufenden Phantasie sind. Letzten Endes basieren ganze Spielwelten mitsamt Metaplot und Corestory auf der Annahme, dass sich etwas im Geheimen abspielt. Im Film und in den Medien ist das ja auch spaßig – es ist dann quasi „Soße für’s Gehirn“ der Konsumenten (man mag mir ein Zitat aus „Fletcher’s Visionen“ an dieser Stelle verzeihen).

Die Idee, dass man ein so komplexes soziales Konstrukt wie eine – unter Umständen Generationen umspannende – heimliche Beeinflussung von Ereignissen einfach abstellen könnte, indem man den Oberverschwörer und ein paar seiner Stellvertreter unschädlich macht, ist natürlich ebenso Nonsens, wie anzunehmen, dass man die politische Stimmung in den USA drehen könnte, indem man Donald Trump tötete. Wer so was glaubt, schreibt auch immer noch Wunschzettel an den Weihnachtsmann; mit der Adresse Nordpol N°1. Aber für Spielzwecke darf man Sachverhalte auch mal verkürzen und vereinfachen. Machen Buch und Film ja auch. Und insgeheim wünscht man sich, dass solche analogen Lösungen (0 – 1) auch in der Realität funktionieren…

Und dann macht man, nachdem man ein bisschen in seinem Notizbuch gelesen und ein paar Ideen aufgeschrieben hat, Facebook auf und bekommt ultimativ mitgeteilt, warum Aluhut-Träger in der Realität die Sepsis im eitrigen Pickel am Arsch unseres Daseins sind! Menschoiden, die COVID-19 immer noch wahlweise für einen Hoax, für einen perfiden Plan zur Abschaffung unserer Bürgerrechte, eine Ablenkung von einer neuen (oberheimlichen) Massenmigration, oder den verdeckten Kampf gegen die Reptiloiden halten; JESUS CHRIST, WTF? … ruhig Grauer … ganz ruhig …

Es ist ja nun nicht so, dass ich – dem neuen Hauptaufgabenbereich zum Trotze – nicht wüsste, was draußen im Ländle (aber auch bundesweit) gerade abgeht. Und dass es sehr wohl starke regionale Unterschiede in der Verteilung von Infizierten-Zahlen und tatsächlich Erkrankten bis hin zur Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung gibt. Dann äußert man sich mal und wird als Lügner bezeichnet – von ’nem Typen, der laut seinem Profil Bücher aus dem Kopp-Verlag liest. Muss ich jetzt nix zu sagen, oder? Ich habe kurz mit mir gerungen – zugegeben kürzer, als das noch vor fünf oder zehn Jahren der Fall gewesen wäre – und habe mich dann darauf beschränkt, ihm mitzuteilen, dass er seinen Aluhut doch bitte woanders glänzen lassen soll. Keine Ahnung, ob er das auch macht, aber beim nächsten Post blockiere ich den Spacko einfach. Spart Medikamente.

Allerdings – und das nehme ich wiederum mit einem schmunzelnden Kopfschütteln zur Kenntnis – lehrt es mich einmal mehr etwas für’s Leben, aber auch für mein Storytelling: Aluhutträger wollen glänzen! Sie wollen wahrgenommen werden; aber gerade so sehr, dass sie immer noch behaupten können, dass sie sich nicht zu laut äußern dürfen, weil sie sonst vom großen bösen Verschwörungs-Titanen weggeputzt werden. Und man soll ihre Botschaft ja ganz weit tragen, damit die auch ja nicht ganz aus dem Netz gelöscht werden kann. Ist ja auch so eine häufig verbreitete These unserer, ach so furchtbar unterdrückten Faschistenfreunde: „Teilt dieses Video / Meme / Sharepic, dass euch die absolute, unverfälschte Wahrheit zeigt, damit es nicht noch mal von den bösen Systemmedien gelöscht werden kann!“ Nur damit ihr das auch mal gehört habt, ihr rechten Dummbatzen: DAS NETZ VERGISST NICHTS! Weder Porno noch Propaganda. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist in dem Moment verwirkt, da etwas öffentlich geteilt wird. Egal, ob der Inhalt Sinn macht, oder nicht!

Tja, narrative Naivität findet eben nicht nur in meinen Spielrunden statt, sondern auch in der Realität. Nur in der Realität wäre sie höchstens zum Lachen, wenn das sonstige Treiben der Protagonisten nicht so sehr zum Heulen wäre. Sei’s drum. In einer Hinsicht hat die Corona-Krise da ihr Gutes: von der Sch***-AfD hört und sieht man im Moment so gut wie nix. Sie sind also da, wo sie hingehören, nämlich im informationellen Nirvana.

In meinen Spielrunden hingegen werde ich den Verschwörungs-Spaß auch weiterhin fröhlich einsetzen, denn das ist das Schöne an meinem Lieblingshobby: Man kann im Kontext des Spiels Dinge tun oder lassen, aussprechen oder verschweigen und mal seinen inneren Dämonen frönen, ohne, dass es irgendwelche Auswirkungen auf die Welt an sich hat. Eskapismus in seiner besten Form, weil ich Psychohygiene mit absurden Geschichten, Quality-Time, Gelächter und manchmal auch wahrhaft Erinnerungswürdigen Momenten verbinden kann. Und dabei darf auch der Aluhut mal glänzen, ohne, dass ich in die Tischkante beißen möchte. In diesem Sinne, bleibt gesund und spielfreudig und lasst euch von den echten Aluhüten nicht den Nerv rauben. C U soon.

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°8 – Sinn und Symbolik

Man(n) muss es an dieser Stelle einfach mal zugeben – auch mir macht es Spaß, mit Bildern zu cheaten, also Dinge anders erscheinen zu lassen, als sie dies tatsächlich sind. Wir sind, zumindest sozialpsychologisch, eh alle Trickster, die sich ihr Leben schön lügen. Wie ich bereits im Beitrag „Pictured Life“ hatte anklingen lassen, ist eine der dabei dominierenden Techniken heutzutage das Kuratieren der Inhalte in den eigenen Social-Media-Accounts. Wäre ich ’n bisschen fuchsiger, würde ich jetzt von Betrug reden, aber es geht ja nur um die virtuelle Währung „LIKE“, die wir gerne auf unserem „Feel-Good“-Account einzahlen wollen. Oder besser – wir wollen andere dazu animieren, dort einzuzahlen…

Ich bin ja nich aus Eis – ich mag Likes auch! Faszinierenderweise sind es jedoch in aller Regel nicht die kuratierten Inhalte, die ich gelegentlich auch nutze (und wenn’s nur durch das Präsentieren eines, na sagen wir mal „geschickt“ gewählten Bildausschnittes passiert), die mir ein Surplus dieser – im realen Leben eher wertlosen – Wertschätzungs-Token einbringen. Nö, Freunde der Nacht. ‚N simpler Shoot mit meiner sagenhaft schlechten Handycam, ohne Schischi, ohne Nachbearbeitung, ohne Action hat mir in den letzten Tagen die meisten Likes beschert. Es könnte am Meta-Content liegen. Das Bild erzählt für diejenigen, die etwas häufiger mit mir zu tun haben ja eine Geschichte, die direkt mit dem letzten Post dieser Reihe zu tun hat. Doch es ist gar nicht das unten stehende Bild selbst, um dass es mir gerade geht.

Nachtarbeit…

Mir geht es um den Meta-Content. Bilder erzählen immer eine Geschichte. Watzlawick sagt, man könne nicht nicht kommunizieren. Bilder haben diese Eigenschaft ebenso. Techies verstehen unter Meta-Content die Daten über das Bild, welche sich für den Kundigen in den Eigenschaften der Datei verbergen: Größe, Auflösung, Erstellungsdatum, Ersteller, Ort und noch manches mehr. Ich verstehe darunter jedoch die Botschaft, welche das Bild implizit transportiert. Die explizite Botschaft des obigen Bildes ist: „da steht ein NEF in einer Haltebucht“. Natürlich erkennen Ortskundige, wo sich diese Haltebucht befindet, aber das ist noch nicht der ganze Zauber. Die implizite Botschaft erschließt sich erst im Zusammenspiel zwischen dem Wissen um die postende Person und etwas von ihrer Backstory, dem Zeitpunkt und natürlich dem Content des Bildes. Ich will jetzt nicht schon wieder in Semiotik einsteigen, aber es geht um die Interpretation des Contents, welche aus einem bloßen Haufen geordneter Pixel eine Geschichte macht, die sich erzählt, ohne ausgesprochen werden zu müssen.

Der Spruch „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ kommt ja nicht von ungefähr. Doch ihn dahin zu sagen und die tatsächliche Bedeutung dieses Spruches zu begreifen, sind zwei ganz unterschiedliche Paar Stiefel. Denn das Wissen um die Wirkung der Bilder gibt einem Möglichkeiten zur Interaktion mit einem – wie auch immer gearteten – Publikum, die Sprache allein unmöglich zu realisieren vermag. Ich liebe es, etwas dazu zu lernen. Das ist nicht einfach nur so gesagt, sondern es ist Teil meiner Essenz, gehört also zu den Aspekten, die meine Persönlichkeit im Kern ausmachen. Und ich hatte in den letzten Tagen reichlich Gelegenheit etwas dazu zu lernen. Einerseits, weil das Leben in Absurdistan mich dazu zwingt – andererseits, weil ich begonnen habe, mich darauf einzulassen. Nur wenn du Absurdistan zulässt, macht es dich nicht kaputt!

Hatte ich gerade davon gesprochen, dass die symbolische Währung „LIKE“ keinen Wert in der Realität hätte? Nun ja… in normalen Zeiten, würde ich das tatsächlich so sehen wollen. Doch wir leben nun mal gerade in Absurdistan. Und in so seltsamen Zuständen gestatte ich es mir, über den Schatten meines sonstigen Social-Media-Zynismus zu springen und zu sagen: ist schon OK. Macht was ihr denkt, solange es eurer Psycho-Hygiene dient und ihr dabei den kategorischen Imperativ beachtet.

Ich sehe mich selbst als einen Novizen der semiotischen Künste, der noch einen langen Weg zum Adepten zurückzulegen hat. Doch meiner Neugierde folgend, die mich hoffentlich nicht so bald herausfinden lässt, dass ich doch eine Katze war („curiosity killed the cat“), lerne ich im Moment an jedem Tag etwas dazu. Teils über das Lernen, was meinem Studium genauso zu Gute kommt, wie hoffentlich meinem Unterricht, teils über die Menschen um mich herum und die Gesellschaft als Ganzes; letztlich aber auch über mich. Ich meine, ich bin immer noch nur ein Typ mit einer Meinung, der, wie ihr anderen auch, durch sein Dasein stolpert und versucht, es irgendwie hinzukriegen, ohne, dass dabei allzu viel kaputt geht. Aber ich habe im Moment das Gefühl, dass es von Tag zu Tag besser wird, obschon doch alles so viel schwerer ist, als sonst.

Ich wünsche uns allen Langmut, Demut und, falls notwendig auch mal den Wagemut, diese Krise auch weiterhin auszuhalten. Vielleicht lernen wir ja alle noch etwas Sinnvolles dazu. Und wenn nicht – wenigstens ich habe meine Zeit nicht vollkommen vergeudet. Macht das Beste draus und lasst euch nicht unterkriegen – wir sehen und hören uns.

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°7 – Back on the road…

Eigentlich hatte ich vor, beruflich ein paar andere Dinge voran zu treiben, wie etwa Kursformate weiterzuentwickeln, Lernsituationen zu schreiben, etc.; aber wie das Leben im Moment so spielt, werden alle Reserven und damit auch alte Hasen wie ich reaktiviert, um auf den Sanitätsdroschken und Druidenschleudern ihren Dienst zu versehen. Also versehe ich – was kein Versehen ist – ab heute Abend mal wieder ein paar Nächte auf einem kleinen Bock. Quasi zum Eingewöhnen. Wie lange dieses Spektakel dauern wird, vermag ja jetzt noch keiner genau zu sagen. Aber zumindest für die nächsten Wochen werde ich einen Teil meiner Zeit wieder auf der Piste verbringen.

Ich habe mich deshalb gefragt, ob mir das irgendwelche besonderen Gefühle bereitet? Zum Beispiel Angst vor einer Corona-Infektion, oder besser davor, eine solche nach Hause zu schleppen? Oder Angst davor, im Moment nicht meinen eigenen Qualitäts-Ansprüchen genügen zu können, weil ich im letzten Vierteljahr keine Schicht gefahren bin (und davor auch schon eine Weile nicht mehr so viel)? Vielleicht Angst, die vielen neuen Verfahrensanweisungen nicht auf die Kette zu kriegen? Und von denen gab es, Pandemie sei Dank, in den letzten Tagen so einige.

Doch wenn ich ehrlich bin – was mir viel mehr Sorge bereitet, ist der Umstand, dass die aktuell im Eilgang durchgeprügelte Änderung des IfSG §§ 5 nicht Wenige Kollegoiden dazu verleiten wird, mal was ausprobieren zu wollen. Denn diese Gesetzesänderung, die nur einem möglichen Ärztemangel in den Kliniken vorbeugen soll, wollen einige quasi als Regelkompetenz-Persilschein durch die Hintertür nutzen. Und das geht doch ein bisschen an der Realität vorbei. Wir haben derzeit in Baden-Württemberg keine Situation, die es organisatorisch oder juristisch als gute Idee erscheinen lässt, alle NotSan mit Pharmaka auf die Menschheit los zu lassen. Ich bin mal gespannt, wann und wie der Bumerang zurückkommt?

Ich bin normalerweise, wenn es um Regelkompetenzen für Rettungsfachpersonal geht, durchaus ein progressiver Geist; doch jetzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit „Yippiyaye!“ schreiend die Ampullarien aus den Rucksäcken reißen zu wollen, erscheint mir doch ein wenig verfrüht. Mal ganz davon abgesehen, dass eine geöffnete Büche der Pandora nur schwer wieder zuzubekommen ist. Und wir sind – da muss man ganz ehrlich sein – qualitativ noch lange nicht so weit, flächendeckend Regelkompetenzen zum Einsatz zu bringen. Und – das sei hier nur am Rande gefragt – wer hat eigentlich in Deutschland offiziell eine Pandemie-Lage ausgerufen? Das Kabinett? Der Bundestag? Ich könnte mich jetzt nicht erinnern, dass irgendjemand das tatsächlich getan hätte.

Diese Woche komme ich eh nicht in die Verlegenheit, da ich Druidenschleuder fahre; aber wenn sich mir die Frage stellt, werde ich genauso handeln, wie sonst auch: mit Augenmaß, Blick für meine persönlichen, sowie die juristischen Grenzen und stets im Sinne des Patienten. Nicht jedoch im Sinne meines Retter-Egos. Würde ich mir von meinen Kollegen landauf, landab auch wünschen. In diesem Sinne – man sieht sich.

Auch zum Hören…

Fresh from Absurdistan N°6 – Pictured Life

Situationskomik. Ein Mensch aus meiner Facebook-Wolke postet ein Bild von einem hübsch hergerichteten Frühstückstisch und ich denke „Joa, könnte auch bei uns daheim sein, sieht nur viel ordentlicher aus.“ Seine beste Ehefrau von allen postet etwas weiter unten im Thread, dass die abgebildeten Eier noch roh waren – ich hätt‘ mich wegschmeißen können. Semiose in Reinkultur. Das Bild funktionierte exzellent als Darstellung idyllischer Heimeligkeit mit Frühstücksei; man denkt bei so einem feinen Ei an den Geschmack – und diese Interpretation wurde durch einen lässigen Einzeiler zerrissen! Fast wie im Action-Film, dessen Dialoge heute ja fast nur noch aus lässigen Einzeilern bestehen. So gesehen sind Action-Filme infektiös, weil der Wortschatz aus linguistischen Einzellern besteht; man muss sogar nur einen Buchstaben austauschen.

Wo war ich? Ach ja, genau – Zeichenwirkungen! Denn so’n Bild auf Facebook ist ein (visuelles) Zeichen. Es hat für denjenigen, der’s postet eine Bedeutung und es hat für die Leute, die es rezipieren (sollen) auch eine Bedeutung. Muss nicht die Gleiche sein, aber das tut für meine Betrachtung nix zur Sache. Denn der Poster (nicht das Poster) beabsichtigt mit seinem Bild etwas. Hier zum Beispiel die Darstellung eines – mehr oder weniger – perfekten Frühstücks daheim, in Zeiten von Corona. Und wird hinterrücks von der eigenen Gattin der Inszenierung überführt – die Realität wurde kuratiert, um einem bestimmten Ideal zu genügen.

So wie sich Influenzer (im Gegensatz zu Influenza) unfassbar viel Mühe geben, Fotos „casual“ aussehen zu lassen, obwohl sie ’ne Stunde rumprobiert haben, den richtigen Winkel, die richtige Mimik, die richtige Beleuchtung zu treffen, um danach dann an dem einen „Schnappschuss“ (von ca. 100) nochmal eine Stunde rumzuphotoshoppen, damit das Ergebnis auch ja „casual perfect“ aussieht. Nun unterstelle ich dem oben erwähnten Menschen nicht unbedingt ein so schlimmes Geltungsbedürfnis. Aber man muss sich schon die Frage stellen, warum man sich soviel Zeit nimmt, ’n rohes Ei auf dem Tisch zu drapieren, obschon man vielleicht gar nicht die Absicht hat, es zu kochen?

Ich bin ja nicht ohne Sünde. Ich zeige manchmal meinen Mini-Kugelgrill auf unserem Balkon. Nicht unbedingt, weil ich alle zum Besuch einladen will, sondern eher, weil ich ich es lustig finde, darauf hinzuweisen, dass ich ein echter Barbecue-Fanatic bin. Ob die Bilder kuratiert sind? Nö, man sieht darauf, was es später zu essen gibt. Man kann erkennen, dass ich die Beplankung unseres Balkons mal wieder erneuern müsste und dass mein Grill evtl. auch nicht der Allergepflegteste auf dem Erdenrund ist. So what? Was ich darstelle, ist die leicht angejahrte Hinterhof-Romantik meines Heims. Objektiv betrachtet bin ich damit nicht besser, als der beschriebene Kasus aus dem ersten Abschnitt. Nur anders.

Die meisten Menschen behaupten zwar ganz gerne, dass es ihnen Wumpe ist, wie Andere sie sehen. Faktisch ist das Bullshit; zumindest, wenn man sich Facebook mal genauer anschaut. Denn wenn man in Betracht zieht, wie viel Mühe sich Menschen dort – ohne jedwede Bezahlung – geben, ihr Leben gut aussehen zu lassen (vielleicht sogar besser als meines, oder deines, oder ihres…?) , dann hat meine Spezies so einiges zu kompensieren. Facebook-Bildchen dieser Art sind der (auswertbare) Beweis für die Existenz eines kollektiven Minderwertigkeitsgefühles der Nutzer dieser Plattform. Und ich bin schuldig in allen Punkten der Anklage. Vielleicht wäre es doch ganz gut, dass mal zu bedenken, wenn man irgendwelche Memes, Sharepics oder sonstigen virtuellen Käse teilt, liked, oder sonstwie promoted.

Wir treten viel zu oft in die Stolperfallen, die unsere eigene Geltungssucht uns im virtuellen Raum auslegt und sind dann immer ganz betreten, wenn wir auch noch öffentlich erwischt werden. Wie wäre es zur Abwechslung mal, ebenso öffentlich authentisch zu sein, dass Kuratieren bleiben zu lassen und die Dinge genauso einfach, schäbig, mundan, ungeschminkt, etc. zu zeigen, wie sie bei den Allermeisten von uns sind? Ich fände das extrem angenehm. Ein bisschen virtuelle Ehrlichkeit stünde uns allen gut zu Gesicht. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine schöne neue Woche im Lockdown. C U soon.

Auch zum Hören…