Der verwirrte Spielleiter #18 – storytelling feelings

„Ich bins“ spricht jener „zu leiten bereit. Doch gewährt mir die Bitte, gebt mir ’n paar Tage Zeit, bis alle Stränge sind zur G’schichte gereiht…“. So, oder so ähnlich klingt für mich die „Bürgschaft des Meisters“. Geschichten zu erzählen ist nämlich, selbst wenn es mir auch nach so vielen Jahren noch immer erhebliche Freude bereitet, mit Arbeit verbunden. Der Notwendigkeit, nicht nur einzelne Schlaglichter im Kopf zu haben – also jene kritischen Szenen, welche das Grundgerüst eines jeden Storyboards bilden – sondern auch eine Idee von den möglichen Wegen zwischen diesen Nexus-Punkten. Das bedeutet, dass in einen locker-fluffig dahinfließenden Spiele-Nachmittag zuvor eine gewisse Zeit des Sinnierens, des Suchens und des Schreibens investiert wurde.

Eine Story, welche die Herausforderungen (Thrill, Action und kritische Entscheidungen) und die zuvor evtl. notwendige Detektiv-Arbeit halbwegs geschickt mischt, braucht neben einer Inspiration, die ich selbst häufig beim skimmen durch Monitormeilen von Bildern aber auch Text finde, zumeist nur noch etwas Erfahrung im Sampeln und Remixen von Story-Snipets. Ein Kampf ist ein Kampf ist ein Kampf – als Klimax eines Story-Bogens taugt er allemal. Die Suche nach Informationen kann mühsam sein, oder aber auch mal einfach laufen, wenn die richtigen Leute die richtigen Fragen stellen. Die möglichen Locations eines Spiels kennen die Spieler mit zunehmender Erfahrung irgendwann alle. Da läuft man als SL bei allzu generischer Handhabung leicht Gefahr, zu sehr nach Schema F vorzugehen. Sich selbst diesbezüglich regelmäßig zu überprüfen ist ein Ratschlag, den ich tatsächlich nicht häufig genug geben kann.

Bleibt man kritisch mit sich, fällt einem auf, wenn die eigenen Geschichten zu redundant werden. Es ist mitnichten so, dass die Spieler einem ein gewisses Level an Redundanz nicht durchgehen lassen, ja manchmal sogar regelrecht erwarten. Wir sind halt doch alle ein bisschen Gewohnheitstiere, auch beim Zocken. Aber irgendwann muss frischer Pep her! Und wenn man sich dann auf schräge Ideen einlässt, dann überrascht man sie doch mal wieder. Mit einem neuen NSC, oder einer neuen Wendung, die sie aus der Bahn wirft. Mit einer ungewöhnlichen Falle, Taktik, Ablenkung. Ich improvisiere die Taktik meiner NSCs immer on the fly. Zum einen, weil meine Erfahrung als SL mir mittlerweile ein gewisses Repertoire zur Verfügung stellt. Und, weil ich dann selbst in der Geschichte bleiben und nachdenken muss. Dann wirkt das Erzählen auch organischer, vielleicht sogar realistischer. Sofern man bei Pen’n’Paper davon reden kann…

Worauf ich jedoch als SL nur wenig Einfluss nehmen kann, ist, ob die Spieler sich in den Stil und Tonfall des Settings einfinden, bzw. sich darauf einlassen. Es macht da schon einen großen Unterschied, ob ich „Power, Plüsch und Plunder“ spiele, oder „World of Darkness“. Nun benutze ich weder das eine noch das andere Regelwerk, sondern spiele als SL mittlerweile ausschließlich auf meinem eigenen generischen System. Ich passe den Flavour Text, die speziellen Regeln und Fertigkeiten natürlich je nach Setting an und gewiss versuche ich dabei die Stimmung der jeweiligen Welt sprachlich, wie visuell einzufangen. Aber egal, wie viel Zeit ich auch darein investiere – ich kann niemals vorhersagen, ob meine Spieler sich auch darauf einlassen werden.

Nun ist es so, dass jeder SL im Laufe der Zeit seinen gewissen Stil des Storytellings entwickelt und pflegt. Das ist bei mir nicht anders, wenngleich ich mich durch Übung auf viele unterschiedliche Settings adaptieren und auch meine Erzählweise entsprechend anpassen kann. Im Grunde ist es aber dennoch immer noch mein spezieller Stil. Trotzdem versuche ich natürlich, die Spieler dahin zu bekommen, dass sie sich auf den Grundton des jeweiligen Settings einlassen. Und das ist schwierig! Zum einen, weil manche Spieler halt doch in jedem Setting auf ihre ein oder zwei bevorzugten Archetypen zurückgreifen (was vollkommen legitim ist, es soll ja Spaß machen); und zum anderen, weil manche Spieler gerne ihre bevorzugte Stimmung im Spiel ausleben wollen. Mit jemandem, dessen Chars es stets gern locker-lustig angehen lassen (weil er oder sie es gerne locker-lustig haben möchte) in ein paranoides Horror-Szenario einsteigen zu wollen, wird recht schnell witzlos, weil spätestens die zweite Suspense-Scene durch ein Witzchen oder einen lakonischen Einzeller – äh, Entschuldigung, ich meinte natürlich Ein-Zeiler – emotional geschlachtet werden wird. Because, in pen’n’paper, you can’t really storytell feelings! I tried time and time again. And I failed time and time again…

Natürlich ist es möglich, dass das irgendwo ganz super klappt. Dann habt ihr euch aber höchstwahrscheinlich darauf geeinigt, dass alle am Spieltisch mitziehen (müssen). Und selbst dann ist es wahrscheinlich, das irgendwer irgendwann aus der Rolle fällt und die unfassbar dramatische Szene im Arsch ist. Muss man sich einfach dran gewöhnen, dann tut’s auch nicht mehr so weh. Man könnte sich natürlich darüber beschweren, aber seien wir doch mal ehrlich: es ist doch nicht meine Aufgabe als SL, die Spieler mittels ihrer Chars zu einer bestimmten Gefühlslage zu nötigen! Entweder sie wollen sich auch emotional in eine bestimmte Szenerie einfinden, oder eben nicht. Vorschriften oder der Holzhammer helfen da gar nix.

Mal davon abgesehen, dass ich mich im Lauf der Jahrzehnte dazu durchgerungen habe, es einfach als Recht meiner Spieler zu empfinden, schränkt es halt meine Auswahl an Settings etwas ein. Aber auch mir als SL geht es ja durchaus so, dass ich mich mit manchen Settings und Welten wohler fühle, als mit anderen. Trotzdem stelle ich immer mal wieder die Frage in die Runde, was wir denn als nächstes zocken wollen. Denn zugegebenermaßen wird auch das geilste Szenario irgendwann öde, wenn das Level an erzählerischer Redundanz zu steigen beginnt. Abgesehen davon bin ich ein Zwilling; die sind eh schneller gelangweilt, als andere… Ich werde auch in der Zukunft versuchen, meine Spieler an der einen oder anderen Stelle emotional zu packen (zumindest Hass auf meine Villains und Sorge um einander klappen zuverlässig 😉 ); vielleicht klappt’s irgendwann ja doch mal so richtig. Bis dahin habe ich aber an dieser Stelle bestimmt noch das Eine oder Andere zu berichten. In diesem Sinne – always game on!

Auch zum Hören…

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