Aus des Märchenonkels Nähkästchen #2 – Der Anfang ist immer das Schwerste!

Gilt für sehr viele Dinge im Leben, aber einen Artikel mal mit einer allgemeinen Erkenntnis zu beginnen, muss nicht immer schlecht sein, weil der Platitude verdächtig. Es wird auch oft gesagt, schon auf der Journalistenschule lerne man, nicht so viele Adjektive zu benutzen, die einen jeden Satz prächtig auszuschmücken vermögen. Überhaupt seien viele Worte irgendwie barock, unnötig und überdies ganz schlechter Stil. Minimal ist „IN“, man soll viel mit wenig zu beschreiben wissen und den Leser bitte nicht mit pittoreskem Beiwerk, sozusagen „Wortstuck“ den Weg zum Gehalt der Worte verbauen, so wie in katholischen Kirchen die überbordende Pracht der Innenausstattung oft den sakralen Charakter des Gebäudes mit Zuckerguss verkleistert. Womit wir wieder beim Barock wären…

Doch wie beginnt man eine Geschichte? Wirft man den Leser mitten hinein, lässt ihn erst mal im Unklaren über Zeit, Ort, Motive der Protagonisten, usw.? Beschreibt man groß und breit eine Szenerie, oder bleibt man beim hippen Minimalismus und lässt die Orte durch vage hingeworfene Bilder im Geiste des Konsumenten entstehen? Man trifft all das und noch viel mehr in den Veröffentlichungen unserer Zeit; und auch in denen vergangener Zeiten. Denn so sehr wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt auf den verschiedensten Ebenen auch unsere Leben verändert haben mag, so gern wir uns – leider – von den Wundern unserer Zeit blenden lassen, so aktuell bleiben alte Fragen, allerdings in neuem Gewand.

Das eben hingeworfene soll mitnichten bedeuten, dass man auf die alten Fragen auch immer die alten Antworten geben soll; diesem Irrglauben habe ich bereits oft Absage erteilt. Weil das Transponieren alter Fragen in die neue Zeit auch neue Fragen aufwirft. Unsere Sexualmoral zum Beispiel ist heute eine Andere, als sie das noch vor 50 oder 100 Jahren war, allen Einwürfen der katholischen Kirche zum Trotz. Diese Aussage beinhaltet übrigens keine Wertung. Ich bin nur der Ansicht, dass niemand das Recht hat, über einen sehr intimen Aspekt meines Daseins zu urteilen oder zu bestimmen; zudem finde ich, dass etwas so persönliches wie die eigene Sexualität nicht in der Öffentlichkeit breit getreten werden sollte. Wenn jemand die Entscheidung trifft, dies dennoch zu tun, so ist dies sein Bier; ich rate allerdings entschieden davon ab.

Solche Feststellungen könnten den Schluss zulassen, dass Schreiben, oder allgemeiner gesprochen das Geschichtenerzählen stets einem Zweck dient, einen tieferen Sinn in sich trägt. Wer allerdings nun überall interpretieren und nach diesem Sinn suchen möchte, könnte vielleicht nicht allzu selten enttäuscht werden. Weil sich einerseits viele Autoren überhaupt nicht die Mühe machen, ihren Geschichten einen solchen sinnhaften Subtext mitzugeben – manchmal aber auch einen höchst fragwürdigen – andererseits ein möglicherweise enthaltene Bedeutung auch oft fehlinterpretiert wird. In beiden Fällen resultiert das in der Zuschreibung eines sinnlosen Bedeutungsüberschusses, der so nicht intendiert war. Zu diesem Phänomen kann man namhafte Autoren befragen.

Eben das Ringen mit der Bedeutung des Gesagten oder Geschriebenen macht das Problem mit dem Anfang noch komplizierter. Wenn ich mir wünsche, dass die Leute etwas Bestimmtes zwischen den Zeilen lesen sollen, muss ich mir wesentlich mehr Mühe mit der Konzeption geben. Beim längeren Text, wie etwa einem Essay, einer Kurzgeschichte oder einem Buch ist das zwar zusätzliche Arbeit, doch als Autor hat man ja – mehr oder weniger, der Lektor hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden – die volle Kontrolle über alle Aspekte einer Geschichte. Aber genau das ist auch ein Fluch, denn mit voller Kontrolle kommt auch volle Verantwortung. Und dass ein paar achtlos dahin geworfene Worte große Probleme machen können, dürften zumindest Leute, die im Lichte der Öffentlichkeit stehen, schon des Öfteren erlebt haben. Ratzfatz wird wieder eine mediale Sau durchs digitale Dorf getrieben.

Ich gebe hier bestimmt keine Ratschläge, wie man einen Text zu beginnen hätte; weder bin ich dazu als Autor gut genug, noch gibt es überhaupt ein Patentrezept. Man muss nur wissen, dass eine gute Geschichte, wie auch ein guter Essay ihren Anfang selbst erzählen, so dass ich ihn nur noch wahrzunehmen und niederzuschreiben brauche…

Etwas ganz anderes aber passiert, wenn ich nicht der alleinige Urheber einer Geschichte bin, wie etwa am Spieltisch bei Rollenspielers daheim. Da zum Erzählen neben dem eigentlichen kreativen Akt aber auch noch ein ganz wichtiger Aspekt in Gestalt des Urheberrechtes an einer Geschichte hinzutritt, gibt’s dazu die Tage noch ein paar Gedanken, bevor ich mich endlich dem kollaborativen Erzählen widme. Man hört/liest sich…

A snipet of relief

Ich war in letzter Zeit oft bitter, manchmal zynisch, auf jeden Fall aber immer ein bisschen bösartig. Könnte daran gelegen haben, dass meine Depression erst in den letzten Wochen in einen stabilen Zustand des Rückzuges übergegangen ist. Und es ist wahrlich eine Erleichterung, sich an den Dingen des Lebens tatsächlich wieder erfreuen zu können. Allerdings bringt dies auch mit sich, dem Arbeitsleben wieder ins Antlitz blicken zu müssen.

Ich war noch nie ein fauler Mensch. Müßiggang zur Arbeitsvermeidung fand ich immer irgendwie asozial, obwohl ich das gepflegte Nichtstun als Abwechslung zu den anstrengenden alltäglichen Verrichtungen durchaus zu genießen weiß. Und irgendwie ist der Gedanke, ab nächster Woche wieder in durchgeregelten Bahnen leben zu müssen schon ein wenig erschreckend; wenngleich ich mich auch ein bisschen darauf freue, wieder mit, mir in der Mehrzahl durchaus lieben Kollegen auf die Menschen losgelassen zu werden. Natürlich Schritt für Schritt.

Weil ich aber mit meinen Gedanken letzthin immer irgendwo im „Dazwischen“ hing, hin- und hergerissen zwischen Angst und Aufbruchsstimmung, zwischen dem Davor und dem Danach, zwischen dem alten Zimbo und dem, der ich werden will und muss, kam ich gar nicht dazu, mein Blog zu pflegen. Ich hatte weder den Nerv, noch die Lust. An Ideen zum Schreiben mangelt es mir nur sehr selten, auch wenn es nicht mein Ding ist, andere Menschen mit Details aus meinem Alltag zu langweilen. Ich betrachte My Madness Machine als genau das; meinen Ort, an dem ich meinen gelegentlich durchaus abseitigen Gedanken nachhängen kann, an dem ich in bester Tradition demokratische Meinungsfreiheit pflege und den ich eher als eine Art Kolumne betreibe. Und so will ich versuchen, auch hier weit weniger depressiv zu sein, mir also quasi meine literarische Dosis Erleichterung zu verschaffen. Mal schauen, ob’s klappt.

Schwächen hat jeder…

…ob es allerdings auch sinnvoll ist, sie zu offenbaren, ist in den Augen der meisten Menschen höchstwahrscheinlich vom jeweiligen sozialen Kontext abhängig. Neulich hat jemand, den ich kenne sich ein wenig darüber belustigt, dass eine deutsche Zeitung dazu aufrief, bei Bewerbungsgesprächen doch auch auf seine persönlichen Defizite einzugehen; ich habe den betreffenden Artikel nur überflogen, würde jedoch meinen, dass dies einen Aufruf zu mehr Ehrlichkeit im Umgang mit Dritten konstituieren soll. Quasi eine Erinnerung daran, dass es Tugenden gibt, die mit den rein ökonomischen Aspekten des Arbeitens nichts zu tun haben. Kant würde sagen, dass es nur dann ein moralisches Handeln gibt, wenn man sich der Pflicht dazu hingibt, richtig zu handeln und nicht wenn man es tut, weil es einen voran bringt. Und richtig handeln bedeutet in Kant‘schen Kontext, jeden Menschen auf Grund seiner angeborenen Würde als vernunftbegabtem Wesen Achtung entgegen zu bringen – wozu eben auch gehört, sein Gegenüber nicht zu belügen.

Eigentlich kann ein Aufruf zu mehr Aufrichtigkeit speziell bei Menschen in leitenden Positionen doch nie verkehrt sein, würde man im ersten Augenblick denken. Doch ich denke, es ist oft nicht so sehr ein echter Mangel an Tugend, der dem einfachen Ottonormalverbraucher einen Chef als… nun sagen wir mal von Grund auf Suspekt erscheinen lässt. Wir neigen nur einfach dazu, Menschen mit höherem Einkommen (und übrigens auch mehr Verantwortung) Unaufrichtigkeit in Reden und Handeln quasi als Grundvoraussetzung für das Erreichen einer höheren Position zu unterstellen. Ich weigere mich das zu glauben. Weil wir Menschen entgegen der Hobbes’schen Philosophie nicht von Grund auf schlecht sind; wir haben vielleicht die Tendenz, uns durch verschiedene Anreize korrumpieren zu lassen, aber auch dabei gilt, dass es schwächere und stärkere Charaktere gibt. Aber jemand, der eine gewisse Position erreicht hat, kam dort in den meisten Fällen durch harte Arbeit hin und erwartet – nicht ganz zu Unrecht, wie ich meine – für seine Leistung respektiert zu werden. Das tun wir alle auf die eine oder andere Weise. Aber bei jemandem, der zumeist eine gesellschaftlich höhere Position innehat, sträuben wir uns dagegen, das anzuerkennen, weil wir, aus welchen Gründen auch immer – Neid käme aber wohl durchaus in Frage – das Recht auf diese Position bezweifeln.

Von daher verwundert es nicht, dass ein solcher Artikel, der eben nach mehr Aufrichtigkeit verlangt unsere populistischen Instinkte anspricht: „JA, zeig schon her, was mit deiner ach so weißen Weste alles nicht stimmt!“. Nun ja, was soll ich sagen, Stammtischparolen waren mir schon immer fremd. Ebenso bezweifele ich aber, dass jeder Personaler diesen Kandidaten sofort als untauglich abhakt, nur weil er zugibt, einen menschlichen Makel zu haben. Zugegeben entspräche genau das dem allzu stereotypen Bild, welches wir von der Unmenschlichkeit der Arbeitswelt haben, doch auch hier empfiehlt es sich, nicht alle über einen Kamm zu scheren. Vielleicht ist das Zugebenkönnen ein erster Schritt hin zu einem achtungsvollen Umgang miteinander, wie ihn Kant uns angemahnt hat?

Natürlich lässt sich kaum verleugnen, dass unsere Arbeitswelt einem entmenschlicht vorkommen kann, verglichen mit den Gutsherrenzuständen, wie sie vor 100 Jahren geherrscht haben, geht es zumindest in unseren Gefilden heute jedoch ziemlich gesittet zu. Und nur weil man im Umfeld der Erwerbstätigkeit, wie allerdings auch überall sonst, vielleicht noch nicht an einem Ziel wie dem Diskurs auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten angekommen ist (der zumindest gegenwärtig gar nicht möglich ist, weil eben nicht alle Menschen als gleich anerkannt sind), bedeutet das nicht, dass es sich nicht lohnt, darauf hin zu arbeiten. Auch wenn der Weg noch lang sein mag.

Was nun die Aufrichtigkeit bei Personalgesprächen angeht, habe ich keinen Ratschlag. Ich würde aber vermuten, dass es sich mittelfristig als eher nachteilig heraus stellen könnte, wenn man tatsächlich vorhandene Defizite verschweigt. Ich persönlich empfinde Aufrichtigkeit als einen Wert an sich, dem ich mich verpflichtet habe, weil ich die Menschen um mich herum respektiere – natürlich nur, sofern sie dies auch tun. Aber zum einen findet man das mit ein wenig sozialem Geschick recht schnell heraus. Und zum anderen dürfte diese Einschränkung umgekehrt genau so gelten…! Schöne Woche noch.

Manchmal redet man von “denen da oben”…

…oder vom “System”, das ja so böse ist und diese oder jene Ungerechtigkeit verursacht. Ich bin mir ja nicht so sicher, was Stammtischparoleure landauf, landab meinen, wenn sie von “dem Kapital“ sprechen, oder “den Politikern“, oder “der Wirtschaft“. Vermutlich wissen sie das selbst nicht so genau, aber “die Wirtschaft“ ist in deren Hirnen dann trotzdem gerne Schuld daran, dass wir alle am Hungertuch nagen… oder? Vielleicht sollte man einfach mal ein paar Begriffe klären.

Menschen sprechen gerne von Systemen, wenn eine Gruppe von Menschen eine bestimmte Größe erreicht hat und deshalb notwendigerweise begonnen hat, eine Binnenstruktur auszuprägen; das heißt, einzelne Personen, oder kleinere Personengruppen übernehmen bestimmte Funktionen innerhalb der größeren Gruppe, die man braucht, um die größere organisieren und am Laufen halten zu können. Das gilt so etwa für jeden Handwerksbetrieb mit mehr, als sagen wir mal zehn, fünfzehn Beschäftigten. Da macht dann einer die Auftragsakquise, einer schreibt Angebote, einer macht die Personaldisposition – in einem so kleinen Maßstab vermutlich jeweils neben dem normalen Arbeiten an aktuellen Aufträgen. Doch nehmen wir mal an, der Betrieb hätte 100 Außendienstmitarbeiter. Dann werden die vorgenannten Funktionen zu Vollzeitstellen. Und je größer ein Unternehmen, ein Verein, eine Behörde wird, umso mehr solcher Funktionen werden notwendig, um den Apparat in Gang zu halten. Das entspricht der Autopoiese, also dem Drang zur Selbsterhaltung, der größeren Organisationen jedweder Art innewohnt. Denn allen Automatismen der differenzierten Strukturfunktionalität zum Trotz, bleibt auch die größte Organisation zunächst nur eine Ansammlung von Menschen; Menschen mit Werten, Normen, Zielen, Träumen, Befindlichkeiten, die ein Stück weit dazu gezwungen sind, miteinander zu arbeiten oder zu leben, auch wenn sie sich vielleicht auf den Tod nicht ausstehen können. Gezwungen deshalb, weil einerseits ihre materielle Existenz vom Fortbestand der Organisation abhängen kann (z.B. beim Arbeitgeber), oder ihre ideelle Existenz (etwa bei einem Verein, in dem man sich schon lange engagiert), aber natürlich auch ihre soziale Existenz (im Sinne der Kommune, des Landes, des Staates, in dem sie leben).

“Das System“ wie etwa “die Industrie“ ist somit zunächst nichts weiter, als ein Ausschnitt aus der Gesamtheit der hier lebenden Menschen. Natürlich sind NICHT alle Menschen gleich, auch wenn wir das in einer Demokratie gerne annehmen. Doch letztlich korreliert der mögliche Grad an gesellschaftlicher Teilhabe oder gar Einflussnahme mehr oder weniger direkt mit dem jeweils vorhandene Zugang zu Ressourcen; Geld, Bildung, Macht, wobei diese drei unbestritten in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Doch es ist kein gesichtsloses System, dass Ressourcen und damit Chancen auf Teilhabe und Wohlstand verteilt, es sind Menschen. Menschen, die Entscheidungen treffen, jeweils auf der Basis ihres besten Vermögens. Und genau das ist der Knackpunkt: kein Mensch ist frei von seinen Affekten, von Sym- oder Antipathie, von mentalen Landkarten, die diese oder jene Einstellung entstehen lassen; schließlich von Zwängen, die gleich, ob real existent oder nur eingebildet, real wirksam auf das Tun oder Unterlassen werden.

Wir alle beeinflussen einander. Gäbe es zum Beispiel nicht so viele Menschen des unteren Mittelstandes die denken, dass Aktien eine gute Idee sind, für das Alter vorzusorgen, würden die Vorstände der börsennotierten Unternehmen nicht so auf die Befindlichkeiten “der Märkte“ reagieren müssen, welche letztlich nur die Erwartungen vieler Menschen auf einen Reibach wiederspiegeln. Dass man sich, indem man an der Zockerei mit Erwartungen teilnimmt, den eigenen Ast absägt, ist Vielen überhaupt nicht bewusst. Doch überzogene Gewinnerwartungen, geschürt von den Fondsdealern, die ja ihre Produkte verkaufen müssen, um ihren eigenen Lebensunterhalt finanzieren zu können, lassen sich heutzutage zumeist nur noch durch Einsparungen erzielen. Und der größte durchlaufende Posten heißt in den allermeisten Branchen “Personalkosten“. Einerseits Gewerkschaftsmitglied zu sein und auf die Personalpolitik der Konzerne (die ja auch nur Systeme sind, gell ;-)… ) zu schelten, aber andererseits auf fette Gewinne aus einer Fondsgebundenen Rente zu hoffen ist schlicht schizophren! Ich habe auch lange gebraucht, um mir das einzugestehen, aber so ist es halt!

Und was bringt es einem nun, mal was darüber gehört zu haben? Organisationen aus vielen Menschen entwickeln gemeinsame Ziele, nämlich zusammen als Organisation nicht nur einfach überleben zu können, sondern stärker zu sein, weiter kommen zu können, als andere. Je größer die Organisation, desto komplizierter und verflochtener sind aus der organisatorischen Notwendigkeit heraus ihre inneren Strukturen, die aber auf’s kleinste Teil herunter gebrochen alle aus Menschen bestehen; Menschen, wie du und ich. In sozialen Zusammenschlüssen jedweder Natur entwickeln Menschen aber, aus den vorgenannten Gründen, eine gemeinsame Kultur und eine gemeinsame Sprache, die sie wiederum stärker in diese Organisation integrieren. Dadurch entstehen Zwänge, die auf andere Organisationen, gesellschaftliche Teilsysteme und, wenn oft auch indirekt, schließlich wieder auf einen selbst wirken.

Sich dem entgegen zu stellen, ist alleine eigentlich ziemlich aussichtslos, aber es ist möglich, sich ein ganzes Stück weit davon frei zu machen. Entscheidend dafür ist, dass jedes Individuum begreift, dass ein Handeln rein nach ökonomischen Gesichtspunkten einen irgendwann mit Wucht an die Wand fährt, weil wir alle Interessen haben, die sich aber nicht harmonisieren können, weil im Moment fast alle dem Gott Ego huldigen. Die libertäre Vorstellung vom uneingeschränkten Selbsteigentum ist wirklich etwas Furchtbares! Aber Umdenken beginnt stets im eigenen Kopp, weshalb ich einmal mehr (sinngemäß) ein Zitat vom Ghandi einflechte: “Sei du selbst der Wandel, den du in der Welt sehen willst.“ Vielleicht mag ja der eine oder andere da draußen auch mal seine Einstellung “zum System“ überdenken?

Glaub ich nicht!

Ich habe neulich, wenn ich mich noch recht entsinne, mal geschrieben, dass ich Sakralbauwerke eigentlich fast nur zum Zwecke des Fotografierens betrete. Wenn man mal von den wenigen Gelegenheiten absieht, da Familienfeiern etwas mit einem Kirchgang zu tun haben; Hochzeiten, Weihnachten und so was eben. Für sich betrachtet weist diese Bemerkung auf zwei Dinge hin: meine Liebe zum Fotografieren und mein ambivalentes Verhältnis zur Religion. Bezüglich des Ersteren gibt es, zumindest im Moment wenig zu sagen, da ich weder gut genug bin, um anderen Tipps geben zu können; da gibt es gewiss berufenere Kandidaten. Noch bin ich bereit, meine ganz persönlichen gestalterischen Vorstellungen zu diskutieren. Sie reflektieren meinen Geschmack und über den streitet man nicht.

Mitnichten bedeuten seltene Kirchenbesuche indes, dass ich nicht glauben würde. Würde ich meinen Glauben kurz beschreiben wollen, so würde ich sagen, dass es nach meiner Meinung keines Beweises für das Existieren höherer Mächte bedarf, wenn man glauben will; dass sie sich einem aufmerksamen Beobachter aber zumindest indirekt gelegentlich offenbaren. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass jeder Mensch eine spirituelle Seite in sich trägt, deren Bedürfnisse befriedigt werden wollen. Was man dafür glaubt, oder an wen, spielt somit keine Rolle, sofern man nur einen individuell passenden Fokus für die metaphysischen Aspekte seines Seins zur Hand hat. Heidegger würde mich vielleicht steinigen, aber das ist mir Wumpe. Ich glaube an eine schöpferische Kraft, die jenseits dessen liegt, was wir mit unseren normalen Sinnen erfassen können, die unser Leben manchmal bereichert – z.B. mit Inspiration – uns aber gelegentlich auch prüft! Ich gebe ihr keinen Namen und mache mir kein Bild von ihr, ansonsten war’s das mit meiner Christlichkeit aber auch schon, denn organisierte Religion beglückt mich nur wenig.

Ich sagte, dass wir vermutlich alle das Bedürfnis haben, an etwas zu glauben. Religionen allerdings, oder besser gesagt die Organisation dahinter, also der jeweilige obere Klerus kommen mir mittlerweile vor wie Meth-Dealer. Sie verteilen das Opium für’s Volk – schönen Dank an Karl Marx – bzw. sie delegieren diese Tätigkeit an Menschen, die durch ihre eigene, vermutlich zumeist sehr ehrliche Gläubigkeit andere zum Glauben bringen, oder dies wenigstens versuchen. Dass sie damit jedoch helfen, etwas Freies, zutiefst menschliches durch Liturgien und Regeln in ein Korsett der Konformität und Unfreiheit zwingen, welches lediglich eine andere Art von Kontrolle über das Individuum repräsentiert, ist für mich pure Ironie des Schicksals. Wenn ich mich doch darüber freue, dass jemand an das Gleiche glaubt wie ich, warum muss ich ihm dann Regeln für das richtige Glauben aufzwingen? So oft ich darüber nachdenke, habe ich nie begriffen, warum Menschen sich überhaupt darauf einlassen. Ich meine, beim Steuern zahlen und Gesetze befolgen hat man keine Wahl. Was aber auch gut ist, weil die Gesetze einem friedlichen Koexistieren dienen und die Steuern einerseits helfen, soziale Härte zu dämpfen, andererseits Zugang zu Bildung, Grundversorgung und Infrastruktur sicherstellen sollen. Dass das nicht immer so klappt, wie ursprünglich gedacht, steht auf einem anderen Blatt…

Beim Glauben jedoch, der etwas sehr persönliches ist, gibt man seine Autonomie frohen Herzens an jemanden, dessen Intentionen nur schwer zu durchschauen sind? Und das womöglich als notorischer Steuerhinterzieher? Seltsam, oder? Nun ist es ja so, dass die Kirchen für sich beanspruchen, moralische Instanzen zu sein, Institutionen, die zu den Fragen nach dem Sinn (die sich jeder stellt) und nach Maßstäben für das Handeln auch in extremen Situationen für jeden gültige Antworten parat haben. Aber ist das tatsächlich so?

Es erscheint uns oft so, als wenn die Verlautbarungen der Kirche zu den verschiedensten Fragen des Alltags von einer gewissen Gestrigkeit umwölkt wären, von einem wenig realistischen Blick auf das Hier und jetzt. Als wenn die Interpretation alter Schriften und Doktrinen wenig Fruchtbares zu den Problemen der Neuzeit beizutragen hätte. Manchmal ist das auch so, wenn man sich zum Beispiel ansieht, wie die Frau Käßmann sich mit ihrem Kaffeehauspazifismus vergaloppiert hat. Oder an denen Dogmen der katholischen Kirche rings um Alles, was mit der Ehe und dem Beischlafe zu tun hat. Doch gibt es tatsächlich Fragen, die uns neu erscheinen, aber in Wirklichkeit verdammt alt sind und denen man durchaus mit den moral-ethischen Mitteln älteren Datums beikommen kann. Aber die Fähigkeit, Überliefertes richtig transponiert, richtig dosiert im richtigen Moment anzuwenden, die scheint Mangelware zu sein. Ein Grund, weshalb mich organisierte Religion so wenig beglückt.

Ich brauche zum glauben keine Bauwerke, obwohl mich die Hingabe, mit der Glaube in vergangenen Generationen zu Stein geworden ist immer wieder fasziniert. Ich brauche zum glauben keine Regeln und will folglich auch keine, verstehe aber Menschen, die in der Gemeinschaft, welche eine Liturgie und ein besonderer Ort zu stiften vermögen Trost, Ruhe und vielleicht auch Orientierung suchen. Was mich aber immer wieder irritiert ist der Missbrauch, welchen Religion im Namen dieses oder jenes Ziels erfährt; der Missbrauch, der uns als Weltgemeinschaft mit dem Schrecken des Terrors überzieht. Ist es nicht immer wieder erschreckend, wie wenige faule Äpfel man braucht, um eine Kiste zu verderben; manchmal reicht ein einziger. Denn da wo die Religion missbraucht wird, um falsche Wege aus säkularem Elend zu weisen, degeneriert das, was die Irregleiteten nun als ihren Glauben wahrnehmen, zu einer Schimäre, die so vieles verspricht und doch nichts hält; verbreitet von falschen Propheten. Dieses Missbrauchspotential, das jeden Tag irgendwo von irgendwem auf irgendeine Art ausgeschöpft wird ist es, was mich von der organisierten Religion wegtreibt. Und ich meine damit beileibe nicht nur islamische Hassprediger, obwohl bestimmt so mancher gerade jetzt an gerade die gedacht hat! Aber jede Art von organisierter Religion konnte und kann so ge- bzw. missbraucht werden. Darum glaube ich nicht, dass ich so bald zum Gläubigen im kirchlichen Sinne werde. Und was glaubt ihr so, dass ihr glaubt…?

Optimal ist aus!

Irgendjemand hat neulich mal zu mir gesagt, dass ich ihm ein bisschen vorkäme, wie Jason Stathams Charakter in „The Transporter“. Natürlich weder so athletisch, noch so kampferprobt, dazu habe ich die letzten Jahre ein wenig zu gerne gegessen und ein wenig zu ungern trainiert. Aber ich sei ähnlich akribisch im Streben nach dem Optimum. Das bezog sich in der Hauptsache auf mein berufliches Tun, aber letztlich musste ich nach einer Weile des Sinnierens feststellen, dass das auch für andere Bereiche meines Lebens zutrifft; dieser Drang 100% zu erreichen. Diese 100% bedeuten für mich, aus dem Wenigen das manchmal zur Verfügung steht – an Ressourcen, an Zeit, an Ausrüstung – das mögliche Optimum zu erzielen. Es geht also um Effizienz. Oder besser darum, dass man ein solches Maß an Effizienz nicht ohne Unterstützung und vor allem nicht dauernd bieten kann, egal wie sehr man sich auch anstrengen mag. Doch von dem rationalen Begreifen dieses Faktums bis zum emotionalen darauf einlassen ist es ein weiter und steiniger Weg…

Der „Transporter“ hat ein paar Regeln, an die er sich immer hält; bis zu diesem einen Tag, als er nicht ignorieren mehr kann, dass seine Fracht in einer Notlage ist. Dieses Bild lässt sich ebenso übertragen, nur dass es bei der Notlage nicht um eine fremde Person, eben das Paket im Kofferraum eines großen Audis geht, sondern um einen selbst. Ich wünschte wirklich, ich könnte sagen, dass mir der Vergleich schmeichelt, doch irgendwie symbolisiert dieses Fixiert Sein auf Akkuratesse, auf Effizienz und Geschäftsmäßigkeit im Fremdbezug zwanghaftes Verhalten. Ich habe zwar keine schwarzen Anzüge in Reih und Glied im Schrank hängen, doch der sanfte Anklang eines zwanghaften Verhaltens hinsichtlich meines Dranges, immer das Beste erreichen zu wollen, ja zu müssen lässt sich leider kaum verheimlichen.

Jeder hat Idealvorstellungen von bestimmten Orten, von bestimmten Zuständen und Zielen, von sich selbst im Kopf, die einen manchmal dazu bringen, Dinge zu tun, egal ob diese nun gut für einen sind oder nicht. Mein Selbstbild, so wie es jetzt ist, verlangt von mir diese Effizienz, 100% der Mann zu sein, den Andere in mir sehen sollen; ein Vorbild, ein verlässlicher Kollege, bzw. Partner, ein Fels in der Brandung, eine Art Marke, sowohl als Orientierungspunkt, als auch symbolisch, wie bei einem Markenzeichen. Insbesondere wenn ich junge Berufsanfänger auf ihren Wegen ein Stück begleite. Leading bei example, was natürlich verlangt, ein gutes Beispiel zu geben. Dabei bin ich in den letzten anderthalb Jahren regelmäßig über meine eigentlichen Belastungsgrenzen hinausgegangen, habe mich immer wieder motiviert, dass die Durststrecke schon bald vorüber sein werde, dass auch wieder bessere Zeiten kommen, dass am Ende schon alles gut wird. Doch das erhoffte Ende, der ersehnte Wandel sind nicht in Sicht; und ich am Grunde des Fasses angelangt, aus welchem ich bis zuletzt weiter geschöpft habe. Doch meine Reserven sind erschöpft, meine Zuversicht beim Teufel und mein Optimum… tja, ich weiß nicht, ob ich nochmal dahin komme, nein nochmal dahin kommen will.

Denn würde ich alsbald so weiter machen, wie bisher, würde ich in zwei, vielleicht drei Jahren, wahrscheinlich aber viele eher wieder da stehen, wo ich jetzt bin und das will ich nicht, weil ich Verantwortung habe; für mich, meine Familie und meine wahren Freunde an allererster Stelle. Erst weit danach kommen all Jene, denen ich nebenher immerzu auch gegeben habe. Es wird mir – zumindest anfangs – wehtun und es wird ihnen wehtun, aber ich muss mich ändern. Ich muss und werde ein Anderer werden, weil ich sonst an meinem alten Ich kaputt gehen werde. Und wenn der eine oder andere zu mir kommen und mich anmachen wird, das ich mich verändert hätte, so werde ich vielleicht nicht gleich darauf scheißen, sondern erst, wenn derjenige sich selbst auch mal gefragt hat, ob sein eigenes Ich denn so richtig in Ordnung ist, und danach immer noch rumnölt.

Wir als Menschen sind soziale Wesen; wir haben einen hoffentlich halbwegs festen Charakter und sind doch auch immer einem Veränderungsprozess unterworfen, der unsere Beziehungen stets mit verändert. Motor dessen ist, wie ich vermute, die ungebrochene Bestrebung des Menschen nach Veränderung, vor allem nach Verbesserung. Doch auch wenn man es schafft, für sich selbst das in unserer Zeit leider wildwuchernde Primat der Notwendigkeit zur Selbstoptimierung zu verneinen, steckt man immer noch im sozialen Geflecht und wird sich Anfeindungen ausgesetzt sehen, wenn man sich den allgemeinen „Standards“ wiedersetzt. Ich sehe mich nun der Notwendigkeit gegenüber, diese Anfeindungen zu ertragen und so herausfinden zu können, wer mir wohl meint und wer nur von meiner Energie partizipieren will. Ich habe ein bisschen Angst davor; trotzdem bin ich gespannt, wohin der Weg führt. Denn wer mich fürderhin begleitet, wird vermutlich, genau wie ich selbst, Überraschungen erleben dürfen…

Krieg ist Scheiße, Wegschauen noch schlimmer!

Stellt euch mal vor, es ist Krieg und keiner geht hin! Der Satz ist ziemlich alt, dementsprechend auch schon recht abgedroschen, aber er passt auf die aktuelle Situation, wie die Faust auf’s Auge passen würde, wenn man sich denn dazu entschlösse, seiner Völkerrechtlichen Verpflichtung nachzukommen. Wie jetzt, der Autor dieser Zeilen ist ein Kriegstreiber? Ja, ja, danke geschenkt, macht mich an, wenn ihr so viel besser wisst, dass niemals mehr ein Deutscher außerhalb der Grenzen unseres Landes kämpfen darf, Nazi-Vergangenheit sei Dank. Dass wir eine Truppe haben, die nur zur Landesverteidigung eingesetzt werden darf und dann auch nur schießen darf, nachdem sie den feindlichen Panzer, oder was auch immer höflich zum Anhalten aufgefordert hat; drei Mal und mit dem notwendigen Vierfarbformularvordruck. Habt ihr den Knall nicht gehört?

Nur für den Fall, dass all die Kaffeehauspazifisten, die durch meine Worte eh nicht davon zu überzeugen sind, dass unsere Welt sich als Dauerkriegsschauplatz darstellt und wir Deutschen nur zufällig das Glück hatten, die längste Friedensperiode in der europäischen Geschichte erleben zu dürfen, die es je gab vielleicht doch mal zum Überdenken ihres Hardcore-Im-Stich-Lassens der Weltgemeinschaft zu bewegen wären: Schon seit 15 Jahren kämpft die Bundeswehr nicht mehr ausschließlich zur Landesverteidigung, unsere Truppen lassen sich bestimmt nicht wehrlos beschießen, bis der Gegner keine Lust oder keine Munition mehr hat und regelmäßig kommen Särge zurück in die Heimat. Ich habe keine Ahnung, mit wie viel Enthusiasmus oder Ablehnung diese Männer und Frauen ihrem Auftrag gegenüber stehen, aber sie erfüllen ihn, erfüllen ihre Pflicht, ohne viel Gesäusel.

Ich will nicht sagen, dass ich es gut finde, wenn irgendwo Kriege stattfinden; und noch viel weniger bin ich ein Fan davon, sofort in jeden Konflikt hinein zu rennen. Ich bewundere eher Frank-Walter Steinmeiers Ausdauer als Vermittler, obwohl er doch selbst weiß, wie aussichtslos sein stiller Kampf gegen Betonköpfe vermutlich ist. Aber es gibt Situationen, in denen ein Kampf unausweichlich ist, weil man sich einem Gegner stellen muss, der einfach nur die Welt brennen sehen will. Und solche Leute gibt es. Würde er eine Chance sehen, mit den IS-Terroristen auf irgendeiner Basis sprechen zu können, um sie von noch mehr Gräueln abzuhalten, würde unser Außenminister wahrscheinlich auch das versuchen. Selbst John Kerry wäre das zuzutrauen. Aber die wissen, dass dies in diesem Fall keinen Zweck hat.

Aber unsere Kaffeehauspazifisten, die selbsternannte moralische Instanz im Staate, all Jene, die scheinbar immer noch glauben, dass Beten und Häkeln gegen Mordlust hilft, sitzen auf ihren Händen und predigen Gewaltverzicht. Ich finde das mit der linken und der rechten Wange auch dem Grundsatz nach sehr erbaulich, nur leider unpraktikabel, weil genau die, auf die wir in Gewaltsituationen treffen, entweder die betreffende Stelle der heiligen Schrift nicht kennen, vergessen haben, oder drauf pfeifen, weil sie eine eigene, eher unheilige Agenda haben. Passiert das bei uns in Deutschland, kann man sich in der Regel hinterher bei der Polizei ausheulen und wenigstens Anzeige gegen Unbekannt stellen. Diese Chance haben zum Beispiel die Yeziden nicht. Zum einen gibt es dort keinen, der ihnen helfen oder auch nur zuhören könnte und zum anderen würden sie schlicht nicht dazu kommen, die Hilfe einer Polizei, so es sie gäbe in Anspruch zu nehmen – dazu muss man nämlich noch am Leben sein.

Nein, wir können den Kurden keine Waffen liefern, man weiß ja nicht, wo die dann landen. Tja das weiß man bei den Terroropfern auch nicht so genau, aber irgendjemand wird die Massengräber schon finden, dann können wir ja wenigstens BKA-Spezialisten für die Identifizierung vorbei schicken, nicht wahr. Also ein Militäreinsatz ist vollkommen ausgeschlossen, das ist nicht unsere Aufgabe. Tja, also, wenn das nicht unsere Aufgabe ist, brauchen wir auch keinen Platz im Weltsicherheitsrat der UN, oder sonst irgendeinem Gremium, weil Leute, die sich stets mit einem Achselzucken und dem Satz „Können wir nicht, weil wollen wir nicht“ hervor tun bestenfalls als Unentschlossen, schlimmstenfalls als überflüssige Idioten wahrgenommen werden. Aber genauso gebärden sich unsere selbstbestellten Wächter der rechten Ideologie im Moment gerade – eben wie Kaffeehauspazifisten. Typen und Tussen, die ganz, ganz doll gegen Krieg sind, weil das mit den Nazis ja ganz super furchtbar war und nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen darf. Das in bestimmten Fällen Krieg und humanitäre Einsätze ein und dasselbe sind, entgeht ihnen in ihrem Fanazismus (für alle, die es mal wieder nicht kapiert haben: fanatischer Pazifismus). Und das sie in den allermeisten Fällen nicht den blassesten Schimmer haben, wie es ist, Menschen beim Sterben zuschauen zu müssen, versteht sich ja wohl von selbst. Ich frage mich, wie viele unserer Soldatinnen und Soldaten wohl frohen Mutes in so einen Einsatz ziehen würden, um Leben zu retten und tatsächlich mal die Demokratie zu verteidigen? Ich denke, nicht wenige würden es einfach als ihre Pflicht ansehen; sowohl als Soldat, aber genauso auch als Bürger! Viel Spaß im Kaffeehaus noch, ihr grausamen Moralapostel…

A snipet of hipness?

Hipster … argh … ich könnte TILLEN! Dieses angeblich so moderne, so trendsettende, so das moderne Lebensgefühl verkörpernde vollbärtige Geschmeiss, dass so penetrant die Medien durchseucht, als wenn es nichts und niemand anderes mehr gebe, der den Puls unserer Zeit besser repräsentieren könnte. Wie bitte? Die repräsentieren NIX, aber auch gar nix, außer einer Fassade, die für was bitte noch mal steht; ach ja, richtig, dass jugendlich-urbane Lebensgefühl voll ökologischer Korrektheit, nachhaltigen Handelns und kreativer Energie. Tatsächlich sind die aber kaum mehr als lebensentleerte Hüllen, deren Substanz sich in oberflächlichem Blabla erschöpft. Und sie sind trotzdem überall. Kann die nicht bitte mal alle jemand rasieren, ihnen irgendwas anderes zum Anziehen geben und sie vernünftig malochen schicken, anstatt sie auch noch medial zu glorifizieren.

Ich bin nicht hip, ich bin außer Form, weil ich zu viel um die Ohren und im Kopf habe, um auf Äußerlichkeiten Wert legen zu können, oder zu wollen. Ich kleide mich situationsangemessen, will heißen zumeist trifft man mich in T-Shirt, oder Sweater und Cargo-Hosen, deren Länge mit der Außentemperatur variiert. Ich lehne Markenfetischismus prinzipiell ab, versuche aber auch meiner Einkommenssituation zum Trotz, nicht immer das Allerbilligste zu kaufen, weil man ja weiß, dass in Bangladesch manchmal Gebäude mit vielen geknechteten Nähern und Näherinnen drin zusammenbrechen, weil selbst ordentlicher Beton zu teuer ist, wenn man sein Soll für die Erste Welt erfüllen will. Ich habe KEINEN Vollbart und einen Jutebeutel benutze ich schon lange nicht mehr zum Einkaufen, weil ein Vierpersonenhaushalt einfach mehr Platz in der Tasche benötigt. Ich habe auch kein schäbiges, auf Oldschool getrimmtes Fahrrad oder gar ein Abonnement für irgendein Medium, dass Hipster unbedingt brauchen. Ich besitze allerdings ein Smartphone und sogar mehrere Tablets, allerdings nicht wegen der Hipness, sondern als Produktivwerkzeuge. Und mein Medienkonsum reflektiert einen gewissen intellektuellen Eklektizismus anstatt der Notwendigkeit „IN“ zu sein. Mit anderen Worten: ich bin nicht Mainstream und trotzdem kein Hipster; nicht etwa, weil Hipster sein auf eine sinnlose Art mehr Mainstream ist, als die es je zugeben könnten, denn es ist ja nichts weiter als ein Modetrend und hat keinerlei innere Substanz. Ich bin einfach ich, weil ich keinen Bock habe, wie jemand anders sein zu müssen. Der ganze Käse kotzt mich einfach nur an!

Es ist mir bewusst, dass Trends kommen und gehen und nur die allerwenigsten weckten je mein Interesse oder gar meinen Groll, weil sie es nicht wert waren, sind, oder sein können, zur Kenntnis genommen zu werden. Deshalb wundere ich mich schon ein bisschen über mich selbst. Allerdings schiebe ich es jetzt einfach mal auf meine Depression, dass dieses ubiquitäre Überangebot an heißer Luft mich so aufregt und schließe mit den milden Worten: auch diese Scheiße geht bald vorüber. Habt ihr übrigens schon mal was von Nipstern gehört? Nazi-Hipstern? Nein? Na dann wisst ihr jetzt ja, für was solche Trends gut sind; nämlich dass sich die braune Scheiße noch besser unerkannt durch unsere Gesellschaft bewegen kann. Schlaft schön weiter!

Gaza ist jetzt überall…

Es ängstigt mich, zu sehen, wie Menschen sowohl in Realitas als auch televerbal gewalttätig aufeinander losgehen, wie plötzlich uralte, vergessen geglaubte Reflexe der Xenophobie, der vom Unwort Leitkultur verseuchten ideologischen Aufladung und des unbedingten Willens zum Vertreten der eigenen Position jedweden Versuch eines sachlichen Diskurses vom Beginn an zu Nichte machen. Wie, als halbwegs aufgeklärt verstanden werden wollende, Wutbürger sich ereifern und doch dabei geifern, wie einst das kleine Männlein mit der hässlichen Frisur und dem markanten Bärtchen. Wobei sich die Produkte ihrer Äußerungen keinesfalls auf sein politisches Spektrum einengen lassen. Vom absoluten Bejahen des israelischen Rechtes auf die terminale Bombardierung Gazas, bis zum unterschwelligen Skandieren von „Treibt-die-Juden-ins-Meer“ ist alles dabei.

Gaza ist ein Stellvertreterkrieg; dabei wird gefochten zwischen den Angehörigen der jüdisch-christlichen Tradition und jenen des Islam. Obwohl doch alle drei abrahamitische Religionen sind. Doch diese historisch-theoretische Einteilung taugt kaum für das weitere Verständnis des Konfliktes zwischen den beiden Parteien. Und selbst das Verhältnis zwischen Juden und Christen ist – abseits eines gemeinsamen Schrifttums – wohl kaum als unbelastet zu bezeichnen. Dennoch scheinen sich die Menschen aus eher christlich geprägten Kulturkreisen fast Stammhirngesteuert mit dem jüdischen Staat Israel zu solidarisieren, wohingegen… nun ja, Muslimen mit Muslimen fühlen. Irgendwie ist es wohl auch ein Kampf darum, wie man seine Nächstenliebe unter Beweis stellen kann.

Doch eben sind wir schon über den ersten Denkfehler gestolpert, indem wir den Staat Israel als politisches Konstrukt mit dem Judentum gleichsetzen, was aus rein Verfassungsrechtlicher Sicht Quatsch ist, denn Israel ist ein Säkularer Staat und überdies ist mitnichten die gesamte Bevölkerung Israels dem mosaischen Glauben zugehörig. Das sind nur ca. 75%, von denen knapp die Hälfte sich als säkular bezeichnen – vulgo, sie sind dem Namen nach Juden, wie ich dem Namen nach Christ bin. Ich gehe übrigens weit öfter in Sakralbauten, um dort zu fotografieren, anstatt dort Andacht zu halten. Obwohl ich durchaus andächtig fotografieren kann. Aber ich denke, was ich sagen wollte ist klar. Israel ist nicht gleich Judentum, and vice versa! Die heutigen Staatsgrenzen sind eher Verwaltungstechnischer Natur, da das ehemalige britische Protektorat Palästina ein künstliches Konstrukt war.

Das Juden, Christen und Muslime dort über Jahrhunderte häufig erbittert miteinander um die Vorherrschaft gekämpft haben, scheinen die Meisten heute irgendwie vergessen zu haben. Andererseits stand Diplomatie damals nirgendwo allzu hoch im Kurs. Es bleibt aber festzuhalten, dass es einen souveränen Staat Israel erst seit 1948 gibt und das er sich ebenso wenig auf eine Jahrhunderte-, oder gar Jahrtausendealte Traditionslinie berufen kann, wie das zum Beispiel beim Nationalstaat Deutschland der Fall ist. Und doch kehren immer wieder Argumentationslinien zu einem angestammten Recht auf diesen Streifen Land in der Levante zurück, der einerseits gar nicht so hospitabel ist und andererseits verglichen mit anderen Staaten eher lächerlich klein; etwa so groß, wie das Bundesland Hessen. Womit man schon zu der Frage kommen könnte, warum sie denn um gute 20.000 Quadratkilometer Trockensteppe so einen Bohei veranstalten?

Da man aber natürlich weiß, dass letzten Endes aller Disput sich nur um eine Frage dreht, nämlich das von vielen Muslimen dort in der Region bestrittene Existenzrecht des Staates Israel als mehr oder minder offizielle Zuflucht für Juden, wird es schwer, auch nur irgendeine Art von rationalem Verhandeln anfangen zu wollen. Denn in diesem Streit dreht sich fast alles um Glauben. Und dem ist mit der Waffe der Logik nur sehr schwer beizukommen.

Die Einen glauben, sie wären schon immer da gewesen und die Anderen glauben, die hätten da noch nie was verloren gehabt. Wer hat aus dieser Sicht der Dinge den nun Recht; Alle und Keiner vermutlich. Doch weil sich niemand von seiner, aus der Tradition erklärten Sichtweise der Dinge ablenken lassen will, geschehen im Hier und Jetzt immer wieder Untaten; wird Unrecht im Namen der eigenen Sache am jeweils anderen begangen, ohne dabei zu bedenken, dass die einzig Leidtragenden in dieser Angelegenheit Menschen sind, die vermutlich zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz vergleichsweise unpolitisch und undogmatisch waren. Waren! Doch das hat sich jetzt erledigt, womit der Kampf um die Wahrheit zu einem Circulus Vitiosus wird, den nur der Glaube an Frieden durch Friedlichkeit durchbrechen könnte. Doch wie wahrscheinlich ist das, nach Jahrzehnten der Gräuel aneinander? Wenn die nachfolgenden Generationen in dem Wissen aufwachsen, dass die auf der jeweils anderen Seite der Mauern die Feinde sind?

Und so wenig, wie es dort im Moment, oder auch nur in mittlerer Zukunft Frieden geben kann, so wenig kann und wird es Frieden und einträchtiges Koexistieren an den anderen Orten geben, wo sich die Anhänger jüdisch-christlicher Tradition und die der muslimisch geprägten Kulturen gegenüberstehen, ohne einander je zu verstehen – und vermutlich auch nicht verstehen zu wollen! Wo man einander mit Hass begegnet, anstatt mit Interesse. Bei uns wird dann immer die Kritik an „verfehlter Integrationspolitik“ laut, ohne dass allerdings jemand wüsste, wie erfolgreiche Integrationspolitik denn aussehen müsste. Denn Integration beginnt im Kopf eines jeden Einzelnen und vollzieht sich durch sein Tun; oder vollzieht sich eben nicht durch sein Unterlassen. Doch so lange wir immer nur damit beschäftigt sind, nach dem Vendettaprinzip „den Anderen“ die Schuld zuweisen zu wollen für unser eigenes Desinteresse, für unsere Feindseligkeit und unseren Egoismus, kommen wir keinen Schritt weiter. Weder in Mannheim, noch in Gaza. Schönes Wochenende noch…

Das Böse kommt von Links – eine neue Polemik.

Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen komme ich nicht umhin, mich zu fragen, warum Menschen, die sich selbst als linke Intellektuelle betrachten, immer wieder vollkommen unnötige, teils widersinnige, teils lächerliche Diskussionen provozieren müssen. Ich behaupte jetzt einfach mal – quasi im Sinne einer Nominaldefinition – dass nur sehr Wenige unter uns politisch zu einer Autokratie zurückkehren möchten; schlicht, weil uns unsere persönliche Freiheit, die im demokratischen Rahmen üblicherweise als halbwegs geschützt betrachtet werden darf, ziemlich wichtig ist.

Nun gibt es ein paar Menschen – vielleicht sind es auch ein paar mehr, aber das tut nichts zur Sache – die offenkundig der Meinung sind, dass es nur möglich ist, die Demokratie zu verteidigen, indem man ALLES, was auch nur irgendwie der rechtskonservativen Gesinnung verdächtig sein könnte einfach verbietet, bzw. ummodelt. Das sie dabei kulturelle Produkte des Chauvinismus bzw. Rassismus oder sonst eines –ismus bezichtigen, die aus einem völlig anderen geschichtlichen und somit auch gesellschaftlich-kulturellen Kontext stammen, ist ihnen dabei Wumpe, Hauptsache, es sagt keiner mehr „Negerlein“… Uups! Sie folgen dabei der Logik, dass alle Gewalt ihren Anfang in der Sprache nimmt. Prinzipiell ist das auch nicht falsch, was jeder, der schon mal gemobbt wurde sicher bestätigen kann. Doch man kann dabei auch über das Ziel hinaus schießen. Denn jeder, der nicht willig und mit vom Stolze geschwellter Brust in die Phalanx der Gender-gemainstreamten, ökologisch korrekten, Nachhaltigkeit predigenden, Solidarität proklamierenden Sozial-Bourgeoisie einschwenkt, ist automatisch ein reaktionärer, dumpfer Geist, prinzipiell immer des Faschismus verdächtig. Erinnert mich irgendwie an das ideologisch motivierte Programm der Gleichschaltung!

Es gibt einige Bereiche meines Lebens, in denen ich nicht umhin kam, Standpunkte zu bedenken und teilweise auch anzunehmen, die man durchaus als wertkonservativ bezeichnen kann, was dem Umstand geschuldet sein mag, dass man mit zunehmendem Alter in die Lage versetzt wird, seine Prinzipien zu überdenken, wenn man mit ihnen mal an die Wand gefahren ist. Andererseits bin und bleibe ich überzeugter Sozialdemokrat. Ich sehe jedoch keinen Widerspruch darin, für leistungsgerechte Entlohnung bei entlohnungsgerechter Leistung einzutreten, jedoch trotzdem nach Härtefallregelungen für jene zu verlangen, die das wirtschaftliche System überholt hat. Aber ich erwarte im Gegenzug von diesen Menschen, die heute Transferleistungen beziehen, dass sie auch die Bereitschaft und Engagement zeigen, etwas Anderes zu tun, um ihren Lebensunterhalt wieder selbst bestreiten zu können. Dass die Wege dahin, die derzeit durch den bürokratischen Wildwuchs unserer Verwaltungsorgane auf allen Ebenen viel zu kompliziert sind, begradigt und vereinfacht werden müssen, steht dabei außer Frage. Ich verlange, dass man meine Privatsphäre verteidigt, anstatt für ein paar warme Worte und ein Bruderküsschen von jenseits des großen Teiches brav Männchen zu machen. Ich will mehr Bürgerbeteiligung – aber auch eine klare Linie der Politikführung, die faule Kompromisse scheitern lässt. Das Alles und noch viel mehr…

Ich habe kein Problem damit, wenn man Unterschiede zwischen den hier lebenden Migranten und den Ureinwohnern beim Namen nennt und gelegentlich darauf hinweist, das durch divergierende Denkweisen, Traditionen und andere Glaubensbekenntnisse Probleme entstehen, die nicht einfach verschwinden, wenn man die Dinge anders, vielleicht freundlicher, oder neutraler benennt. Das Ändern des Wortes ändert nicht den Begriff, den sich Menschen von einer Sache oder einem Tatbestand machen. Jene, die tatsächlich rechtskonservativer Gesinnung sind, lernen so höchstens, wie sie ihre demokratiefeindliche Propaganda besser getarnt unters Volk bringen. Jemanden zum Umdenken zu bringen, bedarf keines anderen Etiketts – und letztlich labeln unsere tollen linken Meinungsnazis genauso, wie jeder andere auch – sondern einer vernünftigen Argumentation und des Aufzeigens gangbarer Alternativen zum Status Quo.

Und was machen unsere wackeren Oberdemokraten, während sie häkelnd beim veganen Buffet im Debattierclub sitzen, um die Welt zu verbessern? Im Schnitt so gut wie Nix! Denn tatsächlich sind die lautesten Krakeeler, diese Verfechter einer vollkommen unrealistischen Idee von der Beschaffenheit des Menschen und der Gesellschaft so weit weg von den Orten, wo die Probleme sich jeden Tag ihre Ventile in Frust, Aggression, Sucht, Gewalt und Depression suchen, dass sie jene in unserer Gesellschaft, die Segregation tatsächlich betrifft nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Die sind in ihrer bürgerlichen Existenz dem Kiez etwa so nahe, wie meine kleine Tochter dem obersten Regalbrett. Nur dass sie oben stehen.

Würde jeder, der so von oben betrachtet total gut weiß, wie man das alles besser machen kann mal von seinem hohen Ross herunter kommen und sich mit seiner Energie effektiv nützlich machen, kämen wir vielleicht mal voran mit brennend wichtigen Themen, wie sozialer Gerechtigkeit, demographischem Wandel, Integration und Teilhabe. Im Moment betreiben diese so genannten linken Intellektuellen aber nur eine Meinungsdiktatur, mit dem Primat der Nazi-Keule. Und ich dachte noch, wir wollten in Deutschland keine Diktatur mehr haben…